OGH 1Ob42/83

OGH1Ob42/8325.1.1984

SZ 57/16

Normen

ABGB §1295
ABGB §1313a
WRG 1959 §31
ABGB §1295
ABGB §1313a
WRG 1959 §31

 

Spruch:

Der Eigentümer einer einen Ölaustritt verursachenden Tankanlage ist auch ohne eigenes Verschulden verpflichtet, zur Vermeidung von Gewässerverunreinigungen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Der Öllieferant haftet für diesen Aufwand nach den Grundsätzen der Vertragshaftung für das Verschulden des Tankwagenfahrers als seines Erfüllungsgehilfen beim Pumpen des Öls in die Tankanlage

OGH 25. 1. 1984, 1 Ob 42/83 (OLG Linz 2 R 141/83; LG Linz 10 Cg 484/80)

Text

Der Kläger betreibt ein Hotel in A. Er bestellte bei der beklagten Partei am 5. 9. 1979 28 000 l Heizöl leicht. Nachdem die beklagte Partei von der bestellten Menge schon am 10. 5. 1979 11 000 l für ein anderes Objekt des Klägers geliefert hatte, brachte sie am Vormittag des 16. 5. 1979 durch den Tankwagenfahrer Gerhard B weitere 7899 l Heizöl. Der für die Heizung des Hotels verantwortliche Angestellte des Klägers Alois L hatte an diesem Tage dienstfrei. Er traf aber den Tankwagenfahrer beim Hotel. Gerhard B sagte, er habe 5000 l angeliefert. Alois L sperrte den Tankraum auf und öffnete den Tankverschluß, der mit dem Meßgerät (Tankuhr) verbunden war. Die Tankuhr funktionierte schon seit 1978 nicht mehr, weshalb sich Alois L mit einer Taschenlampe durch einen Blick in die Tanköffnung über den Ölstand zu überzeugen pflegte. Gerhard B kundigte an, daß er in den nächsten Tagen eine "ähnliche Lieferung" (damals herrschte Ölknappheit) bringen werde. Er pumpte das angelieferte Öl in den Tank, ohne zu fragen, ob ein Meßgerät vorhanden sei. Schon am Nachmittag desselben Tages kam er wieder und meldete sich bei der in der Rezeption des Hotels beschäftigten Regina S, die sich fernmündlich bei der Ehegattin des Klägers erkundigte, was sie tun solle. Da diese der Annahme war, die beklagte Partei habe wieder 5000 l angeliefert, ordnete sie an, daß auch diese Menge in den Tank des Hotels zu geben sei. Gerhard B pumpte weitere 18 047 l in den Tank, ohne sich den Tank anzusehen. Dieser hatte ein Fassungsvermögen von 42 000 l und stand in einer Wanne von 2 m Höhe. Am Abend desselben Tages bemerkte man, daß wegen Überfüllung des Tanks größere Mengen Öl in die Ölwanne gelaufen waren. Ein Teil des in die Ölwanne ausgeflossenen Öls gelangte in das Grundwasser und von dort in den W-Bach. Der Kläger wendete für das Herauspumpen des Öls aus dem Tankraum, eigene Arbeitskräfte und Reinigungsmaterial, Kosten des Kanaldienstes sowie Feuerwehreinsatz inklusive Ölbindemittel insgesamt 88 750.12 S auf. Er begehrt von der beklagten Partei Ersatz dieses Betrages mit der Begründung, daß sie mehr Öl als bestellt angeliefert und ihr Tankwagenfahrer es unterlassen habe, sich davon zu überzeugen, ob diese Ölmenge im Tank noch Platz habe.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, daß der Tankwagenfahrer die Angestellte Regina S darauf aufmerksam gemacht habe, daß er schon 8000 l Heizöl in den Tank des Hotels gefüllt habe. Es sei ihm gesagt worden, daß die gesamte weitere angelieferte Menge in diesen Tank zu pumpen und ein Betreten des Tankraumes nicht notwendig sei. Da der tiefer als der Einfüllstutzen liegende Ölstandsanzeiger abgeschraubt gewesen sei, habe Gerhard B das Austreten des Öls nicht bemerken können. Die Anlage des Klägers habe nicht den Bestimmungen des § 31 WRG entsprochen, weil die Überlaufwanne einen Riß gehabt habe. Ein Verschulden oder eine Verursachung des Schadens durch die beklagte Partei liege daher nicht vor.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und traf folgende Feststellungen: Regina S habe Gerhard B den Schlüssel zum Keller gegeben. Es sei üblich, sich auf den Ölstandsanzeiger nicht unbedingt zu verlassen, sondern mit einem "Peilstab" den Ölstand zu überprüfen. Punkt 7/23 der vom österreichischen Wasserwirtschaftsverband herausgegebenen Richtlinien für den Schutz des Wassers bei Lagerung von flüssigen Brenn- und Treibstoffen sehe vor, daß während des Füllens alle Verschraubungen, Leitungen und Verschlüsse des Behälters mit Ausnahme der Entlüftungsleitung und der Fülleitung zuverlässig verschlossen zu halten seien.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß der Tankwagenfahrer der beklagten Partei verpflichtet gewesen wäre, sich vor dem Einfüllen des Öls davon zu überzeugen, welche Ölmenge im Tank noch Platz habe. Da er dies unterlassen habe, sei der Schadenersatzanspruch des Klägers berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge, hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes mit Ausnahme der Feststellung, daß Regina S (am Nachmittag des 15. 5. 1979) dem Tankwagenfahrer der beklagten Partei den Schlüssel zum Keller gegeben habe. Die Aussage des Gerhard B, Regina S habe das Einfüllen weiterer 18 000 l in den Tank mit dem Bemerken angeordnet, daß diese Ölmenge noch ohne weiteres Platz habe, sei völlig unglaubwürdig. Die von der beklagten Partei begehrte Feststellung, Gerhard B sei es verwehrt worden, den Tank zu sehen, könne nicht getroffen werden.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, eine Erörterung der rechtlichen Qualifikation der genannten Richtlinien für den Schutz des Wassers bei Lagerung von flüssigen Brenn- und Treibstoffen könne dahingestellt bleiben, da sich schon nach den allgemeinen Haftungsgrundsätzen des Schadenersatzrechtes ein Verschulden des Tankwagenfahrers ergebe. Verkauftes Öl sei erst dann ordnungsgemäß übergeben, wenn es in den Tank des Bestellers eingefüllt worden sei. Der Lieferant sei daher verpflichtet, sich zu vergewissern, ob die angelieferte Menge auch tatsächlich im Öltank des Käufers Platz habe. Dies gelte selbst dann, wenn ein nicht sachkundiger Besteller erkläre, daß die angelieferte Menge im Tank Platz habe. Gerhard B hätte sich daher vom restlichen Fassungsraum überzeugen müssen. Ungeklärt sei aber geblieben, ob die beklagte Partei auch für jenen Schaden hafte, der infolge der von ihr behaupteten Undichtheit der Ölwanne durch Eindringen von Öl in das Grundwasser (und in den W-Bach) entstanden sei. Nach der Lehre vom adäquaten Kausalzusammenhang hafte der Schädiger auch für alle zufälligen Folgen, mit deren Möglichkeit in abstracto gerechnet werden müsse. Lediglich für Folgen, die nach den Erfahrungen des täglichen Lebens vernünftigerweise nicht in Betracht zu ziehen seien, entfalle die Haftung. Das Erstgericht habe keine Feststellungen über die Ursache des Ölaustrittes aus der Ölwanne getroffen. Bei einem den Auflagen des Bewilligungsbescheides entsprechenden Betrieb der Anlage und ihrer ordnungsgemäßen Instandhaltung hätte es zu keiner Gewässerverunreinigung kommen können. Es werde daher mit dem Sachverständigen noch zu erörtern sein, ob nach den Erfahrungen des täglichen Lebens ein Auslaufen von Öl aus der grundsätzlich öldicht anzulegenden Ölauffangwanne vernünftigerweise in Betracht zu ziehen sei oder nicht. Daß ähnliche Vorfälle auch anderswo passiert seien, wie sich aus der Verhandlungsschrift der BH Vöcklabruck vom 26. 11. 1979 ergebe, spreche zwar dafür, daß mit solchen Schäden vernünftigerweise zu rechnen sei, doch lasse sich diese Frage noch nicht endgültig beurteilen. Der Einwand der beklagten Partei, daß den Kläger das Verschulden am Schadenseintritt treffe, enthalte auch den Einwand seines Mitverschuldens. § 31 Abs. 1 WRG verpflichte jedermann, der Anlagen betreibe, die eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, diese mit jener gebotenen Sorgfalt herzustellen und instand zu halten, die eine Gewässerverunreinigung vermeide. Der Kläger habe, wenn die Anlage diesen Bestimmungen nicht entsprochen haben sollte, einen Verstoß gegen eine Schutzvorschrift zu verantworten. Erst nach Erörterung der Frage, wie das Öl aus der Ölwanne ins Freie habe gelangen können, könne über den Mitverschuldenseinwand abgesprochen werden.

Der Oberste Gerichtshof gab den Rekursen beider Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Kläger behauptet, daß zwischen dem Verhalten des Tankwagenfahrers und dem Schaden, der durch Ausfließen von Öl aus der undichten Ölwanne entstand, ein adäquater Kausalzusammenhang bestehe. Da mit der Möglichkeit des Versagens von Sicherungseinrichtungen in abstracto stets gerechnet werden müsse, stehe auch die Haftung der beklagten Partei für die durch Gewässerverunreinigung verursachten Folgeschäden schon jetzt fest. Dem ist entgegenzuhalten, daß auch das Berufungsgericht eine adäquate Verursachung der Folgeschäden als durchaus möglich oder sogar wahrscheinlich in Betracht zieht, die Frage aber mangels ausreichender Feststellungen über die Ursachen des Ölaustritts aus der Wanne und die Häufigkeit derartiger Vorfälle nicht für abschließend geklärt hält. Der Auftrag des Berufungsgerichtes zur Verfahrensergänzung beruht auf richtiger Rechtsansicht. Adäquate Verursachung ist stets dann anzunehmen, wenn das Verhalten unter Zugrundelegung eines zur Zeit der Beurteilung vorhandenen höchsten menschlichen Erfahrungswissens und unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Handlung dem Verantwortlichen oder einem durchschnittlichen Menschen bekannten oder erkennbaren Umstände geeignet war, eine Schadensfolge von der Art des eingetretenen Schadens in nicht ganz unerheblichem Grad zu begünstigen (SZ 54/108; SZ 50/24; Koziol, österr. Haftpflichtrecht[2] I 146 mwN). Der OGH kann daher der Ansicht der zweiten Instanz, es müßten nach Erörterung mit dem Sachverständigen noch Feststellungen darüber getroffen werden, ob mit einem Austreten von Öl aus einer grundsätzlich öldicht auszuführenden Ölwanne vernünftigerweise zu rechnen ist, solche Vorfälle also nicht ganz außergewöhnlich sind, nicht entgegentreten. Generell kann jedenfalls nicht gesagt werden, daß mit dem Versagen von Sicherheitseinrichtungen (welcher Art immer) in abstracto stets gerechnet werden müsse.

Sollte nach diesen Grundsätzen eine adäquate Verursachung des infolge Undichtheit der Ölwanne entstandenen Folgeschadens anzunehmen sein, wird die beklagte Partei auch für diesen soweit aufzukommen haben, als dem Kläger nicht ein Mitverschulden zur Last fällt (§ 1304 ABGB). Die beklagte Partei haftet auch für die Folgeschäden nach Vertragsgrundsätzen. Die Vertragspartner haben ihre Erfüllungshandlungen so zu setzen, daß der andere Teil weder an seiner Person noch an seinen Gütern geschädigt wird. Der Schuldner handelt pflichtwidrig, wenn er die Leistung mangelhaft erbringt und dadurch sonstige Güter des Gläubigers schädigt oder wenn er bei ordentlicher Erbringung der Leistung sonstige Güter des Gläubigers verletzt (sogenannte "positive Vertragsverletzung"; SZ 51/26 ua.; ähnl. SZ 50/32; Koziol-Welser[6] I 211 f.; Koziol, Haftpflichtrecht[2] I 36). Da sich die Haftung aus der Verletzung vertraglicher Pflichten auch auf das bloße Vermögen erstreckt (Koziol, Haftpflichtrecht II 19, 72; Welser, Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten 7), haftet der Schuldner nach diesen Grundsätzen auch, wenn er seine vertraglichen Pflichten so erfüllt, daß er durch Schädigung Dritter (privatrechtliche) Pflichten seines Vertragspartners diesem Dritten gegenüber auslöst. Das gleiche gilt, wenn er dadurch öffentlich-rechtliche Verpflichtungen seines Vertragspartners, deren Erfüllung für diesen mit einem Vermögensaufwand verbunden ist, herbeiführt. Dies war hier der Fall. Der Kläger war infolge des Austretens des Öls aus der Ölwanne als Eigentümer der diesen Ölaustritt verursachenden Tankanlage gemäß § 31 Abs. 1 und 2 WRG auch ohne eigenes Verschulden (Grabmayr-Rossmann, Das österr. Wasserrecht[2] 157) verpflichtet, zur Vermeidung des Umsichgreifens von Gewässerverunreinigungen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

Bei positiver Vertragsverletzung haftet der Schuldner für das Verschulden seiner Gehilfen nach den Grundsätzen der Vertragshaftung (Koziol-Welser aaO 212). Ein Verschulden des Tankwagenfahrers liegt, wie beide Vorinstanzen zutreffend erkannten, vor. Gerhard B hätte sich, als er am Nachmittag des 16. 5. 1979 neuerlich Öl anlieferte, von dem restlichen Fassungsraum des Öltanks überzeugen müssen, zumal er nicht, wie noch am Vormittag angekundigt, eine "ähnliche Lieferung" (nämlich etwa 5000 l), sondern wesentlich mehr Öl brachte und der sachkundige Angestellte des Klägers, der am Vormittag den Tankraum aufgesperrt hatte, beim Abfüllvorgang am Nachmittag nicht zugegen war. Die beklagte Partei bestreitet ein Verschulden ihres Tankwagenfahrers auch nur mehr mit der Begründung, daß ihm ein Betreten des Tankraums unmöglich gewesen sei. Sie weicht damit von den getroffenen Feststellungen ab. Das Berufungsgericht übernahm zwar nicht die Feststellung des Erstgerichtes, die an der Rezeption beschäftigte Regina S hätte dem Tankwagenfahrer den Schlüssel zum Keller gegeben: es nahm aber auch nicht als erwiesen an, daß dem Tankwagenfahrer der Zutritt zum Tank verwehrt worden sei und erachtete insofern Gerhard B für völlig unglaubwürdig. Die Verweigerung des Zutritts läßt sich somit aus den von der zweiten Instanz übernommenen Feststellungen auch nicht "in rechtlicher Hinsicht" (nämlich als schlüssige Verweigerung) folgern. Es ist vielmehr dem weiteren Verfahren zugrunde zu legen, daß Gerhard B den Schlüssel zum Tankraum nicht verlangte und Regina S aus eigenem diesen Schlüssel auch nicht ausfolgte. Der vom Berufungsgericht angenommene Sachverhalt ist somit keineswegs unklar.

Ohne nähere Begründung behauptet der Kläger, daß infolge adäquater Verursachung des Gesamtschadens auch die Alleinhaftung der beklagten Partei für den gesamten Schaden anzunehmen sei. Das Berufungsgericht sah jedoch in der Behauptung der beklagten Partei, die Tankanlage im Hotel des Klägers habe nicht den Bestimmungen des § 31 WRG entsprochen, zutreffend die Behauptung eines Mitverschuldens infolge Schutzgesetzverletzung. § 31 Abs. 1 WRG verpflichtet jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, mit der iS des § 1297, zutreffendenfalls mit der iS des § 1299 ABGB gebotenen Sorgfalt, seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 WRG zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist. Diese Bestimmung ist ein Schutzgesetz iS des § 1311 ABGB, dessen Verletzung eine Mitverantwortlichkeit des Klägers für den durch Undichtheit der Ölwanne hervorgerufenen Folgeschaden nach sich ziehen kann. Allerdings macht auch bei Verletzung eines Schutzgesetzes nur die verschuldete Übertretung der Verbotsnorm schadenersatzpflichtig, doch trifft den Schädiger die Beweislast dafür, daß er das Schutzgesetz unverschuldet übertreten hat (ZVR 1982/146, ZVR 1980/33; RZ 1979/67; SZ 44/187; EvBl. 1970/310 uva.). Dem Kläger wird daher die Möglichkeit zu geben sein, den Entlastungsbeweis anzutreten. Ein Mitverschulden des Klägers läge nicht vor, wenn er beweist, daß er mit der Herstellung der Ölwanne einen dazu befugten Gewerbetreibenden beauftragt sowie die erforderlichen behördlichen Genehmigungen zur Errichtung und zum Betrieb der Anlage erwirkt hatte und vor dem klagsgegenständlichen Vorfall auch keine Umstände hervorgekommen sind, aus denen er auch als Laie hätte erkennen können, daß die Ölwanne nicht (mehr) dicht sei.

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