OGH 1Ob424/50

OGH1Ob424/5025.7.1950

SZ 23/228

Normen

Deutsche Konkursordnung §204
EO §129
KO §12
KO §166
KO §172
KO §176
ZPO §527
Deutsche Konkursordnung §204
EO §129
KO §12
KO §166
KO §172
KO §176
ZPO §527

 

Spruch:

Der Konkurs ist nur dann aufzuheben, wenn bloß ein in Exekution gezogenes Vermögen vorhanden ist, dieses nicht einmal oder gerade noch zur Befriedigung der betreibenden Gläubiger ausreicht und die Zwangsvollstreckung durch den Konkurs gemäß § 12 KO. nicht berührt wird.

Entscheidung vom 25. Juli 1950, 1 Ob 424/50.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht hat auf Grund eines vom Gläubigerausschuß genehmigten Berichtes des Masseverwalters den Konkurs wegen Vermögensmangels gemäß § 166 Abs. 2 KO. aufgehoben. Der Bericht des Masseverwalters lautete dahin, daß außer dem Unternehmen des Gemeinschuldners (Zementwarenerzeugung), über welches mit Beschluß des Bezirksgerichtes Schwechat vom 28. Februar 1950 die Zwangsverwaltung eingeleitet worden war, kein Vermögen vorhanden sei. Der letztgenannte Beschluß ordnete die Verwertung der mit Beschluß vom21. Oktober 1949 bewilligten Pfändung des Unternehmens an. Mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Jänner 1950 war der Konkurs eröffnet worden. Pfändung und Zwangsverwaltung einerseits und Konkurseröffnung anderseits erfolgten auf Grund von Anträgen ein- und desselben Gläubigers.

Dem Rekurs dieses Gläubigers gegen den Aufhebungsbeschluß gab das Rekursgericht Folge und "hob den Beschluß auf".

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Masseverwalters und des Gemeinschuldners nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gegen den Aufhebungsbeschluß richten sich die Revisionsrekurse des Masseverwalters und des Gemeinschuldners.

In formeller Beziehung sind diese Rechtsmittel deshalb zulässig, weil gemäß § 172 KO. die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung sinngemäß anzuwenden sind. Daher kommt die Bestimmung des § 527 Abs. 2 ZPO. dort nicht zur Anwendung, wo der Ausspruch unrichtig auf Aufhebung lautet, in der Tat aber der erstrichterliche Beschluß abgeändert wurde (s. die Entscheidungen unter Punkt 6 in der Ausgabe der ZPO. von Hermann, 9. Aufl., zu § 527); im übrigen kann der Beschluß, der die Aufhebung des Konkurses (§ 166 Abs. 2 KO.) ablehnt, vom Masseverwalter, vom Gemeinschuldner und vom etwaigen Antragsteller angefochten werden (Bartsch - Pollak, 1937, Anm. 14 zu § 166). Die Rekurse sind daher zulässig und wurden auch rechtzeitig erhoben.

Der die Aufhebung des Konkurses ablehnende Beschluß des Rekursgerichtes ging von folgenden Erwägungen aus:

Der Bericht des Masseverwalters zum Antrage auf Aufhebung des Konkurses bilde keine hinreichende Grundlage. Aus dem Konkursakte sei nur ersichtlich, daß vom Gemeinschuldner Schulden im Betrage von 104.701.74 S bekanntgegeben wurden.

An Aktiven sei die Betriebsliegenschaft EZ. 1203 KG. S. vorhanden, über deren Wert und Belastung im Zeitpunkte der Entscheidung über den Aufhebungsantrag nichts festgestellt war. Das Unternehmen des Gemeinschuldners sei zwar vom Bezirksgericht Schwechat inventarisiert worden, ohne daß aber der Wert der aufgenommenen Inventarstücke feststehe, weil eine Schätzung unterblieben sei. An welchen Inventarstücken Pfandrechte bestehen, stehe gleichfalls nicht fest, ebensowenig der Wert des Unternehmens. Der Masseverwalter sei der Zwangsveraltung nicht beigetreten. Zusammenfassend sprach das Rekursgericht aus, daß vom Mangel an Vermögen erst dann die Rede sein könne, wenn feststunde, daß alle vorhandenen und verwertbaren Vermögensstücke so belastet sind, daß eine zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens und zur Verteilung an die Konkursgläubiger geeignete Hyperocha bei exekutiver Verwertung der gesamten Vermögensstücke nicht zu erwarten sei. Nach den bisherigen mangelhaften Feststellungen über die Masse und ihre Belastung könne noch nicht gesagt werden, daß das vorhandene Vermögen zur Deckung des Konkurses nicht hinreiche.

Die erhobenen Rekurse sind nicht begrundet.

Der Rekurs des Masseverwalters und der des Gemeinschuldners stimmen in den wesentlichen Punkten überein. Sie gehen beide davon aus, daß außer dem gepfändeten und in Zwangsverwaltung gezogenen Unternehmen des Gemeinschuldners überhaupt kein Vermögen vorhanden sei, weshalb unter Beachtung der Absonderungsrechte an der Zwangsverwaltung nicht gerührt werden dürfe und es daher "mangels Vermögens" zwecklos sei, einen Konkurs fortzuführen.

Eine einfache Überlegung aber zeigt schon, daß bei dem geschilderten Sachverhalte, wonach derzeit so gut wie gar keine Voraussetzungen für die Aufhebung des Konkurses festgestellt sind, dieser schon deshalb noch fortgeführt werden muß, weil unter der Annahme, daß die im Exekutionsverfahren bevorrechteten Gläubiger befriedigt werden, der verbleibende Betrag den Konkursgläubigern zugute zu kommen hat.

Im vorliegenden Konkursverfahren kommt dem Exekutionsverfahren (Pfändung und Zwangsverwaltung des Unternehmers) insofern Beachtung zu, als die Exekution samt dem Verwertungsverfahren gemäß § 12 KO. zulässig ist, weil es sich um Absonderungsrechte handelt, die für öffentliche Abgaben erworben wurden (Lehmann, S. 88 oben, Bartsch - Pollak, 1937, zu § 12, Anm. 5). Die öffentlichen Abgaben sind im vorliegenden Falle Sozialversicherungsbeiträge (Versicherungsrundschau 1949, S. 186); auf die in dieser Entscheidung angeführte Literatur und Judikatur wird verwiesen.

Es ist zwar richtig, daß derzeit noch die Zwangsverwaltung gesondert vom Konkurse geführt wird und daß der den Konkurs aufhebende Beschluß vom 3. April 1950 gefaßt wurde, in welchem Zeitpunkte zufolge des Beschlusses des Exekutionsgerichtes vom 1. April 1950 mit der Einstellung der Zwangsverwaltung gemäß § 129 Abs. 2 EO. zu rechnen war, dies für den Fall, daß dem Antrage des Zwangsverwalters auf Leistung eines Kostenvorschusses von 30.000 S nicht entsprochen werde. In diesem Falle hätte die Exekution zwar ihr Ende gefunden, aber die ehemalige Zwangsverwaltungsmasse bliebe nach wie vor ein Bestandteil des Gesamtvermögens des Gemeinschuldners. Am 2. Mai 1950 hat allerdings der Zwangsverwalter erklärt, daß er nach seinem Ermessen den Betrieb auch ohne Vorschuß weiterführen könne, daß jedoch in diesem Falle erst in einer späteren Zeit, vermutlich erst im zweiten Halbjahr, mit Erträgnissen zu rechnen sei; deshalb hat auch der Zwangsverwalter seinen Antrag auf Leistung des erwähnten Vorschusses zurückgezogen.

Dem Masseverwalter und dem Gemeinschuldner ist jedoch in den zu entscheidenden Rekursen der grundlegende Irrtum unterlaufen, daß die Zwangsverwaltung imstande sei, die Verwertung des Unternehmens und der Betriebsliegenschaften im Konkurse aufzuhalten. Die Vorstellung der beiden Rekurswerber geht dahin, daß bei Annahme, das Vermögen des Gemeinschuldners bestehe nur aus dem Unternehmen, das Konkursverfahren ausgeschaltet werden könne, weil das Unternehmen des Gemeinschuldners in Zwangsverwaltung stehe. Daher geht das Bestreben des Gemeinschuldners und des Masseverwalters dahin, die Zwangsverwaltung zunächst aufrechtzuerhalten, um den Konkurs zur Aufhebung zu bringen. Hiebei übersehen aber die Rekurswerber, daß die Zwangsverwaltung nur zeitbeschränkt ist und daß die Aufhebung des Konkurses nur dort Platz zu greifen hat, wo tatsächlich gar kein anderes Vermögen als das in Zwangsverwaltung gezogene vorhanden ist und dieses nicht einmal oder gerade noch für die betreibenden Gläubiger ausreicht.

Daher erledigen sich alle Einwendungen der Rekurswerber durch die bloße Tatsache, daß weder der Umfang des Gesamtvermögens des Gemeinschuldners noch der Wert dieses Vermögens und der Umfang seiner Belastung feststeht. Es durfte daher das Erstgericht auf dieser unsicheren Grundlage die Aufhebung des Konkurses nicht verfügen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Gläubigerausschuß und der Masseverwalter für die Aufhebung des Konkurses sind. Dennoch aber bleibt der Massemangel ein Aufhebungsgrund, wann immer er hervorkommt. Er kann ein Hindernis für die Fortsetzung des eröffneten Konkursverfahrens sein. Der Vermögensmangel ist auch von Amts wegen zu berücksichtigen. Es bedarf daher gar keines Antrages des Masseverwalters, wenn auch jeder Beteiligte einschließlich des Masseverwalters den Aufhebungsantrag stellen darf (Anm. 9 und 12 zu § 166 bei Bartsch - Pollak 1937). Bevor aber die Aufhebung ausgesprochen ist, hat die erforderliche Ermittlung des Vermögensstandes zu erfolgen. Mögen auch im vorliegenden Falle gewisse Schwierigkeiten bei dieser Ermittlung gegeben sein, so kommt schließlich dem über die Aufhebung entscheidenden Erstgerichte der Umstand zu Hilfe, daß die Konkursordnung dem Konkurskommissär das Recht gibt, vom Gemeinschuldner den Offenbarungseid von Amts wegen zu fordern (Lehmann, S. 591, und Bartsch - Pollak, ebendort, zu § 166, Anm. 9). Die Möglichkeit, daß die Zwangsverwaltung im zweiten Halbjahr 1950 Erträgnisse abwirft, ist erst recht nicht geeignet, den Konkurs aufzuheben. Der Massemangel ist nach der Konkurseröffnung erst vorhanden, sobald feststeht, daß die Istmasse des Konkursvermögens nicht mehr hinreicht, um die bisher aufgelaufenen und die bis zur Konkursaufhebung voraussichtlicherweise noch auflaufenden Verfahrenskosten zu decken. An sich ist die Tatsache, daß es an Mitteln zur Befriedigung der Konkursgläubiger und der übrigen Massegläubiger oder daß es für die Verfahrenskosten an Bargeld zur Bezahlung fehle, noch kein Konkursaufhebungsgrund, wenn ein sonstiges verwertbares Konkursvermögen vorhanden ist. Ob dies der Fall ist, hat aber das Erstgericht nicht festgestellt; es war deshalb der Abänderungsbeschluß des Rekursgerichtes berechtigt. Es wird daher das Erstgericht festzustellen haben, ob alles in die Istmasse einbezogen wird, was bisher in der Istmasse fehlt, aber zur Sollmasse, das ist zum gesamten der Exekution unterworfenen Vermögen des Gemeinschuldners zur Zeit der Konkurseröffnung sowie zu dem, was er während des Konkurses erwirbt, gehört. Da der Konkurs grundsätzlich ein Universalkonkurs ist, so umfaßt er das Geschäfts- und Privatvermögen eines Kaufmannes ebenso, wie die Zwangsverwaltungsmasse (Bartsch - Pollak, 1937, Anm. 29 zu § 1). Auch Jaeger, Deutsche Konkursordnung, II, 1936, zu § 204, welche Gesetzesstelle dem 2. Absatz des § 166 KO. entspricht, erwähnt das österreichische Gesetz (in Gegenüberstellung zu § 204) und bezeichnet die unverzügliche Konkursaufhebung in Österreich als Mußvorschrift, wenn das Fehlen der Kostendeckung sich ergibt und kein ausreichender Kostenvorschuß geleistet wird, während (nach Anm. 6 bei Jaeger a. a. O.) der Konkurs nach § 204 nicht einzustellen ist, wenn die Vorrechtsgläubiger nur noch zum Teil befriedigt werden können, weil jeder von ihnen das Recht auf Durchführung des Konkurses habe, die allein seine rangmäßige Vorzugsbefriedigung erwirke, weshalb um der Vorrechtsgläubiger willen die Masse auch versilbert werden muß, wenn gewiß ist, daß kein einfacher Konkursgläubiger etwas erhalten werde, und daß die Anwendung des § 204 erst dann in Frage kommt, wenn die Masse, nachdem die Vorrechtsgläubiger ganz oder teilweise befriedigt sind, erschöpft ist. Erst dann würde die Konkursfortsetzung weitere Kosten veranlassen, denen die Masse nicht mehr gewachsen wäre.

Geht auch das österreichische Recht nicht so weit wie das deutsche Recht, so kann die Mußvorschrift der unverzüglichen Konkursaufhebung wegen Fehlens der Kostendeckung erst dann Platz greifen, wenn wirklich feststeht, daß diese Kostendeckung fehlt, welche Feststellung aber nur getroffen werden kann, wenn zuerst feststeht, welcher Art und Beschaffenheit das Vermögen des Gemeinschuldners ist. Gerade diese Feststellung aber wurde im vorliegenden Falle unterlassen. Es geht auch nicht an, wie der Rekurs des Gemeinschuldners glaubt, daß auch das dem Gemeinschuldner gehörende Motorrad bei dieser Vermögensfeststellung zu bagatellisieren sei, weil es nur einen Bleistiftwert von angeblich 300 S aufweise, wenn das Erstgericht sich gar nicht mit diesem Vermögensobjekt beschäftigt hat.

Sind auch gemäß § 176 KO. Neuerungen im Rechtsmittelverfahren zu beachten, so ist das Vorbringen des Masseverwalters im vorliegenden Rekurse über die Höhe der Belastung der Liegenschaften (der Grundbuchsauszug wurde erst im Revisionsverfahren beigelegt) insofern unverwendbar, als der Masseverwalter ausführt, daß der grundbücherlichen Belastung von insgesamt 165.000 S nur ein Gesamtwert der Liegenschaft von 150.000 S gegenübersteht, anderseits aber im Rekurse der Konkursgläubigerin behauptet wird, daß ihr der Masseverwalter mitgeteilt habe, "daß dem Gemeinschuldner für diese Liegenschaft ein Kaufpreis von 400.000 S angeboten wurde". Aus dieser Tatsache allein schon ergibt sich die Notwendigkeit der Wertfeststellung der Liegenschaft. Es ist daher dem Konkursgericht beizupflichten, daß der Konkurs bis zum Auftreten eines tatsächlich gegebenen Aufhebungsgrundes fortzusetzen ist.

Es war deshalb den Revisionsrekursen nicht Folge zu geben.

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