OGH 1Ob417/61

OGH1Ob417/6125.10.1961

SZ 34/156

Normen

ABGB §523
ABGB §523

 

Spruch:

Zulässigkeit der negatorischen Klage, des Eigentümers einer mit einem Wasserbezugsrecht belasteten Liegenschaft gegen den Dritten, dem der Servitutsberechtigte unbefugt ein Unterbezugsrecht eingeräumt hat.

Entscheidung vom 25. Oktober 1961, 1 Ob 417/61.

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Zweitkläger war Eigentümer der Liegenschaft EZ. 16 KG. P., vulgo W. Der Erstkläger Franz W. und der Adoptivsohn Johann T.-W. der Beklagten sind seine Söhne, also Brüder; der Erstbeklagte ist ein Schwager des Zweitklägers und ein Onkel des Erstklägers. Die Beklagten waren Eigentümer der Liegenschaft EZ. 15 KG. P., vulgo A., EZ. 17 KG. P., vulgo St.-Keusche, und EZ. 19 KG. P.

Der Zweitkläger und dessen Ehegattin Josefa W. einerseits und die Vorbesitzer der Beklagten (die Eltern Franz und Sophie T. des Erstbeklagten) vereinbarten im Jahr 1913 mündlich, für die beiden Höfe vulgo W. und vulgo A. eine gemeinsame Wasserleitung zu bauen und die Bau- und Erhaltungskosten je zur Hälfte zu tragen. Die Wasserleitung wurde gebaut. Die Quelle zur Wasserleitung liegt auf der zur EZ. 16 KG. P. gehörigen Wiesenparzelle 336/1. Von dort führt zunächst ein gemeinsames Rohr zu einer Abzweigung und von dieser je ein eigenes Rohr mit je einem Absperrhahn zu den beiden genannten Anwesen. Der Zweck der gemeinsamen Wasserleitung war und ist die Wasserversorgung dieser Anwesen. An einen Wasseranschluß eines Dritten wurde bei der Vereinbarung nicht gedacht.

Der Zweitkläger übergab mit Vertrag vom 15. März 1957 seinen Besitz EZ. 16 KG. P., vulgo W., dem Erstkläger. Er ließ sich in einem Nachtrag vom 26. April 1958 zu diesem Übergabsvertrag von seinem Sohn das Fruchtgenußrecht an den Parzellen 335 Wald und 336/1 Wiese mit dem "Recht auf den vollen Ertrag bzw. das forstmäßig geschlagene Holz dieser Grundstücke" einräumen. Die tatsächliche Nutzung der Wiese verblieb dem Erstkläger. Das Eigentumsrecht des Sohnes und das Fruchtgenußrecht des Vaters wurden im Juli 1958 bücherlich einverleibt.

Die beiden Beklagten übergaben mit Vertrag vom 15. März 1957 ihre Liegenschaften EZ. 15 KG. P., vulgo A., und EZ. 19 KG. P. ihrem Adoptivsohn Johann T.-W. Die Liegenschaft EZ. 17 KG. P., vulgo St.- Keusche, behielten sie für sich zurück und ließen sich die Dienstbarkeit des Wasserbezuges für ihre zurückbehaltene Liegenschaft aus der für die A.-Hube errichteten Wasserversorgungsanlage in der Art einräumen, daß sie berechtigt sind, an die dortige Wasserleitung eine Anschlußleitung zu errichten, diese bis zu ihrem Haus zu leiten und das für ihren Hausbedarf benötigte Wasser unentgeltlich für ihre Lebensdauer zu beziehen. Ihre Besitznachfolger sollten für den Wasserbezug selbst ebenfalls kein Entgelt leisten, wohl aber 10% der Erhaltungskosten der mit der A.-Hube gemeinsamen Wasserversorgungsanlage mittragen. Das Eigentumsrecht des Johann T.-W. und die Dienstbarkeit des Wasserbezugsrechtes zugunsten der Beklagten wurden im April 1959 verbüchert.

Die beiden Beklagten bauten die verfallene St.-Keusche aus und beziehen seit 4. April 1959 aus der gemeinsamen Wasserleitung das Wasser, aber nicht nur für sich, sondern auch noch für zwei Mietparteien des neu erbauten Hauses. Ab Winter 1959 trat für das W.-Anwesen als den höher gelegenen Besitz Wassermangel ein, was der Anlaß zum gegenständlichen Rechtsstreit wurde.

Das Erstgericht hat das Begehren der Kläger, die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, den Wasserbezug aus der genannten Wasserleitung zu unterlassen und zu dulden, daß diese Wasserleitung abgeschaltet werde, abgewiesen.

Das Berufungsgericht bestätigte. Durch die mündliche Vereinbarung vom Jahr 1913 sei zwischen den damaligen Vertragspartnern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes im Sinne der §§ 1175 ff. ABGB. gegrundet worden. Jeweilige Gesellschafter seien die jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften vulgo W. und vulgo A., derzeit also der Erstkläger und Johann T.-W. Kein Mitglied einer Gesellschaft sei befugt, jemanden in die Gesellschaft aufzunehmen oder ein der Gesellschaft schädliches Nebengeschäft zu unternehmen. Der Zweitkläger sei durch die Übergabe des Besitzes aus der Gesellschaft ausgeschieden und weder ausdrücklich noch stillschweigend wieder in die Gesellschaft aufgenommen worden. Auch die beiden Beklagten hätten sich durch die Übergabe des Besitzes vulgo A. zulässigerweise ihrer Gesellschaftsrechte begeben. Für ihren weiteren Verbleib in der Gesellschaft bedürfte es eines einhelligen Gesellschafterbeschlusses. Seien die Beklagten nicht Mitglieder der Gesellschaft, so könnten die Kläger (oder der Erstkläger allein) nicht gegen die Beklagten vorgehen, da sie weder Geschäftsführer noch Vertreter der Gesellschaft seien. Ihre Klage hätte der Zustimmung des anderen Gesellschafters Johann T.-W. bedurft. Zu demselben Ergebnis führe es, wenn man von der Annahme ausgehe, daß die Beklagten nicht Hauptgesellschafter, sondern Untergesellschafter seien.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Zweitklägers nicht Folge; dagegen gab er der Revision des Erstklägers Folge und änderte die untergerichtlichen Urteile in Ansehung des Erstklägers dahin ab, daß dem Klagebegehren stattgegeben wurde.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht, das Rechtsverhältnis der an der gegenständlichen Wasserleitung Beteiligten sei eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, kann in dieser allgemeinen Form nicht geteilt werden. Die an der ursprünglichen Vereinbarung des Jahres 1913 Beteiligten können als Gesellschafter angesehen werden, die ihre Mühe allein oder auch ihre Sachen zum gemeinschaftlichen Nutzen - Errichtung einer Wasserleitung - vereinigten. Mit der Fertigstellung der Wasserleitung war jedoch das unternommene Geschäft vollendet und die Gesellschaft von selbst aufgelöst (§ 1205 ABGB.). Das seither bestehende Rechtsverhältnis zwischen den Eigentümern der benachbarten Liegenschaften ist kein reines Gesellschaftsverhältnis mehr. Dies zeigt sich schon darin, daß es geradezu unmöglich ist, die Gesellschafter einer solchen Gesellschaft anzuführen. Das Berufungsgericht behalf sich mit der Lösung, die jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft als Gesellschafter anzusehen. Damit hätte es jedoch jeder Gesellschafter entgegen der Bestimmung des § 1186 ABGB. in der Hand, durch Verkauf der Liegenschaft seine Gesellschaftsrechte an einen Dritten zu übertragen, und im Falle der Teilung einer der Liegenschaften müßten die Eigentümer der einzelnen Teile ebenfalls als Gesellschafter angesehen werden, ein Ergebnis, das gerade vom Berufungsgericht abgelehnt wird.

Die Vorschriften über die Gemeinschaft des Eigentums lassen sich auf eine gemeinsam errichtete Wasserleitung zur Versorgung landwirtschaftlicher Besitzungen bei Lösung der vorliegenden Rechtsfrage nicht anwenden. Die Wasserleitung ist nicht etwas, was für sich allein besteht, sondern gehört zum Grundbesitz, kann daher nur dann rechtlich richtig beurteilt werden, wenn dieser Umstand nicht außer acht gelassen wird. Diese Überlegung führt geradezu zwangsläufig dazu, die Vereinbarung des Jahres 1913 als einen Vertrag über die Einräumung einer Dienstbarkeit des Wasserbezugsrechtes anzusehen (§ 497 ABGB.). Wenn auch der Besitzer der dienstbaren Sache gemäß § 482 ABGB. in der Regel nicht verbunden ist, etwas zu tun, so legt doch § 483 ABGB. die Verpflichtung des Eigentümers des belasteten Grundstückes dann zum verhältnismäßigen Beitrag zum Aufwand fest, wenn die Sache, welche zur Dienstbarkeit bestimmt ist (also hier die Wasserleitungsanlage) auch von ihm benützt wird. Diese rechtliche Qualifikation des ursprünglichen Vertrages erscheint nicht nur als das Nächstliegende, sondern wird auch den eben erwähnten gesetzlichen Vorschriften über eine Dienstbarkeit, die zugleich im Interesse des Verpflichteten errichtet wird, gerecht. Die Quelle, die die gemeinsame Wasserleitung speist, liegt auf dem Grund der Liegenschaft vulgo W. Die jeweiligen Eigentümer der A.-Hube konnten daher zu einem dauernden Bezug des Wassers aus dieser Quelle nur durch Einräumung einer Dienstbarkeit kommen. Der Umstand, daß die Dienstbarkeit nicht verbüchert wurde, spielt für die rechtliche Beurteilung des Falles keine Rolle, weil alle Beteiligten von der Dienstbarkeit Kenntnis haben und den Inhalt der ursprünglichen Vereinbarung nicht bestreiten.

Geht man bei der weiteren Würdigung des festgestellten Sachverhaltes von diesen rechtlichen Überlegungen aus, so ergibt sich folgendes:

Dienendes Grundstück ist die Liegenschaft EZ. 16 KG. P. Derzeitiger Eigentümer dieser Liegenschaft ist der Erstkläger. Nur er kann die Rechte aus einer behaupteten unzulässigen Erweiterung der Servitut geltend machen. Dem Zweitkläger steht ein solches Recht nicht zu, da sein Servitutsrecht (Holzbezug) von der Dienstbarkeit der Wasserleitung überhaupt nicht betroffen wird. Die Revision des Zweitklägers konnte daher keiner Erfolg haben.

Herrschendes Grundstück war nach den getroffenen Feststellungen die A.-Hube, also die Liegenschaft EZ. 15 KG. P., soweit nicht auch die übrigen Liegenschaften EZ. 17 und 19 KG. P. mit dieser Liegenschaft eine wirtschaftliche Einheit bildeten. In dieser Richtung sind von den Unterinstanzen keine Feststellungen getroffen, doch hindert dies nicht die erschöpfende Beurteilung der Streitsache. War nämlich nur die Liegenschaft EZ. 15 KG. P. servitutsberechtigt, so war es dem Eigentümer dieser Liegenschaft untersagt, die Dienstbarkeit dadurch zu erweitern, daß er anderen Grundstücken an der bestehenden Wasserleitung ein Recht des Wasserbezuges einräumte. Wird dagegen angenommen, daß die Dienstbarkeit der Wasserleitung allen Liegenschaften EZ. 15, 17 und 19 KG. P. als wirtschaftlicher Einheit zustand, so findet § 848a ABGB. Anwendung, der bestimmt, daß bei Dienstbarkeiten, die einen Anspruch auf Nutzungen gewähren, bei Teilung des herrschenden Grundstückes jeder Berechtigte eine gerichtliche Regelung der Ausübung begehren kann. Da dies hier nicht geschehen ist, hat der Belastete (der Erstkläger) allerdings nicht die Möglichkeit, eine solche Regelung im außerstreitigen Verfahren herbeizuführen; er hat aber aus dem Recht heraus, daß seine Belastung nicht vermehrt werden darf, zum Schutze seiner Rechtsstellung die negatorische Klage (Klang 2. Aufl. III 1142 f.). In beiden angenommenen Fällen kann sich also der Erstkläger gegen die behauptete und festgestellte Erweiterung der Servitut zur Wehr setzen. Zu prüfen bleibt nur noch die Frage, gegen wen er die Klage zu richten hatte.

Bei Beantwortung dieser Frage ist nicht einzusehen, warum der in seinen Rechten Verletzte die Klage nicht - zumindest auch - gegen denjenigen richten kann, der sich ihm gegenüber auf kein unmittelbares Recht zur Ausübung der Dienstbarkeit berufen kann und der sein angebliches Recht mittelbar von jemandem ableitet, der zur Einräumung dieses Rechtes nicht befugt war. So kann z. B. der Hauseigentümer direkt gegen die vom Wohnungsberechtigten widerrechtlich aufgenommenen Personen mit Räumungsklage (actio negatoria) vorgehen (1 Ob 8/55, 1 Ob 187/57, 4 Ob 517/60). Die Rechtsprechung bejaht die hier aufgeworfene Frage auch bei Erweiterung der Dienstbarkeit des Fahrweges durch Zulassung Dritter (GlU. 14587) und auch dann, wenn sich der Beklagte nicht auf ein eigenes, sondern auf ein ihm angeblich von einem Dritten eingeräumtes Recht beruft (SZ. X 140, 5 Ob 451/60). Wie sollte sich der Kläger zur Wehr setzen, wenn z. B. die Beklagten ihrerseits von ihrer Leitung aus zugunsten eines weiteren Grundstückes wieder ein Wasserleitungsrecht begrunden, da er doch diese Erweiterung der Dienstbarkeit durch eine Klage gegen den ursprünglichen Berechtigten nicht verhindern könnte? Aus allen diesen Überlegungen muß dem Erstkläger das Recht eingeräumt werden, gegen den, der das Wasser seiner Quelle ihm gegenüber unbefugt nutzt, unmittelbar einzuschreiten. Der Oberste Gerichtshof bejaht daher die Passivlegitimation der beiden Beklagten, so daß die Revision des Erstklägers aus den angeführten Gründen Erfolg haben mußte.

Die Frage, ob das Klagebegehren in der vorliegenden Form zweckmäßig gefaßt ist, kann dahingestellt bleiben, weil es schlüssig ist und auch nicht gesagt werden kann, daß es von vornherein nicht zwangsweise durchgesetzt werden könnte.

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