Normen
ABGB §437
ABGB §552
ABGB §565
ABGB §685
ABGB §688
AußStrG §161
AußStrG §178
Grundbuchsgesetz §33
Grundbuchsgesetz §94
ZPO §228
ZPO §503 Z2
ZPO §503 Z3
ZPO §503 Z4
ABGB §437
ABGB §552
ABGB §565
ABGB §685
ABGB §688
AußStrG §161
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Grundbuchsgesetz §33
Grundbuchsgesetz §94
ZPO §228
ZPO §503 Z2
ZPO §503 Z3
ZPO §503 Z4
Spruch:
Ein Leistungsurteil auf Herausgabe einer vermachten Liegenschaft ersetzt die Bestätigung nach § 178 AußstrG.
Zulässigkeit der Legatsfeststellungsklage trotz der Möglichkeit der Legatsleistungsklage.
Eine letztwillige Anordnung muß den Testierwillen irgendwie zum Ausdruck bringen.
Entscheidung vom 12. Jänner 1949, 1 Ob 410/48.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
J. S. beging am 12. Juni 1946 Selbstmord. In ihrem Nachlaß wurde eine aus Pappendeckel verfertigte Umschlagmappe gefunden, welche auf der vorderen Außenseite ein aufgeklebtes Schild mit der Aufschrift "Bruder Josef E." trägt.
Die Rückseite enthält folgende, von der Erblasserin mit Bleistift geschriebenen Worte:
"Geld hab mir gestollen, Haus hab ich Euch geschenkt, darum behüt Euch Gott, Euren Hanna."
Die beiden Kläger vertreten die Rechtsauffassung, daß diese Worte dahin zu verstehen seien, daß die Erblasserin dem durch das Rückenschild der Pappendeckelmappe bezeichneten Josef B. und dessen Gattin ihr Haus in E. rechtsgültig vermacht habe.
Zum Nachlaß der J. S. haben sich die erblasserischen Schwestern B. B. und M. G. auf Grund des Gesetzes je zur Hälfte erbserklärt, und zwar B. B. unbedingt, M. G. bedingt.
Mit Beschluß vom 28. Oktober 1946 hat das Abhandlungsgericht die angeblichen Vermächtnisnehmer J. und A. B. mit ihren Ansprüchen, betreffend das von ihnen geltend gemachte Legat, gemäß § 2 Z. 7 AußstrG. auf den Rechtsweg verwiesen, da eine von den gesetzlichen Erbinnen, und zwar Frau M. G., die Gültigkeit der letztwilligen Anordnung bestritten hat. Dem Ehepaar B. wurde für die Einbringung der Klage eine Frist von vier Wochen eingeräumt. Unter einem wurde die Fortsetzung der Verlassenschaftsabhandlung bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses anhängig zu machenden Rechtsstreites unterbrochen.
In Befolgung dieses Beschlusses brachten die Kläger die vorliegende Klage gegen die Verlassenschaft J. S., "vertreten" durch die erbserklärten Erben M. G. und B. B., ein. Die erbserklärten Erbinnen haben zwei verschiedenen Rechtsanwälten Prozeßvollmacht erteilt; M. G. dem Rechtsanwalt Dr. F. K. in N., Frau B. B. dem Rechtsanwalt Dr. H. T. in W. Dr. T. hat auf Grund der Vollmacht der B. B. noch vor Ablauf der Klagebeantwortungsfrist dem Prozeßgericht mit vorbereitendem Schriftsatz unter Anschluß einer Ausfertigung für die Kläger und Dr. K. bekanntgegeben, daß die Klagsangaben richtig seien und daß sie (B. B.) den Klagsanspruch anerkenne und sich am weiteren Verfahren nicht mehr beteiligen werde.
Dr. K. hat auf Grund der Vollmacht der Miterbin M. G. namens der Verlassenschaft J. S. Klagebeantwortung erstattet. Das weitere Verfahren wurde nur mit Dr. K. durchgeführt. Er hat sich auch allein am Revisionsverfahren beteiligt.
Die beiden unteren Instanzen haben dem Klagebegehren stattgegeben. Dagegen hat die beklagte Verlassenschaft Revision erhoben, in der die Revisionsgrunde des § 503 Z. 2 - 4 ZPO. geltend gemacht werden.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision Folge und wies das Klagebegehren ab.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
In rechtlicher Beziehung bekämpft die Revision die Konformaturteile der Untergerichte, weil eine Feststellungsklage nicht zulässig sei, wenn eine Leistungsklage möglich ist. Die Kläger hätten daher auf Herausgabe der Legate gegen denjenigen, der den vermachten Gegenstand innehat, klagen müssen.
Der Oberste Gerichtshof kann sich dieser Auffassung nicht anschließen.
Nach der ständigen Praxis des Obersten Gerichtshofes ist in der Regel eine Feststellungsklage unzulässig, wenn eine Leistungsklage möglich ist. Dies ist auch diesmal der Fall. § 178 AußstrG. steht der Leistungsklage nicht entgegen, weil ein Leistungsurteil auf Herausgabe einer vermachten Liegenschaft die Bestätigung nach § 178 AußstrG. ersetzt. Nichtsdestoweniger ist im vorliegenden Fall die Klage auf Feststellung der Gültigkeit des von den Klägern behaupteten Kodizills zulässig. Der Ausschluß der Feststellungsklage bei Zulässigkeit der Leistungsklage beruht auf prozeßökonomischen Erwägungen; es soll verhindert werden, daß nach dem Feststellungsprozeß noch ein Leistungsprozeß geführt wird, wenn der Kläger sein Ziel durch unmittelbare Erhebung der Leistungsklage durchsetzen kann. Da aber die Kläger, wenn sie im Rechtsstreit auf Feststellung der Gültigkeit eines Legats obsiegt haben, die Möglichkeit besitzen, ohne einen weiteren Prozeß führen zu müssen, auf Grund einer nach § 178 AußstrG. ausgestellten abhandlungsbehördlichen Bestätigung die Eintragung im Grundbuch zu erwirken, so entfällt der rechtspolitische Grund, die Zulässigkeit der Feststellungsklage nur deshalb zu verneinen, weil sofort auf Leistung geklagt werden könnte. Da die Kläger zweifellos ein Interesse daran haben, daß alsbald die Gültigkeit des Kodizills, aus dem sie ihre Ansprüche ableiten, festgestellt werde, so kann der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung der Untergerichte, die die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht haben, einen Rechtsirrtum nicht erblicken.
Der Oberste Gerichtshof mußte sich daher mit der Überprüfung der rechtlichen Richtigkeit der untergerichtlichen Urteile befassen. Dabei hatte er sich nicht auf die von der Revision geltend gemachten Gesichtspunkte zu beschränken, vielmehr mußte sich der Oberste Gerichtshof auch auf die Überprüfung von Fragen einlassen, die teils überhaupt nicht, teils wenigstens nicht in der Revision aufgeworfen worden sind.
Zweifelhaft ist zunächst, ob die Klage mit Recht gegenüber der Verlassenschaft J. S. erhoben worden ist und ob die Revisionswerberin in diesem Rechtsstreit ordnungsgemäß vertreten ist. Der Oberste Gerichtshof bejaht dies.
Solange der Nachlaß nicht eingeantwortet worden ist, wird er, auch wenn die Erben Erbserklärungen abgegeben haben, nicht Erbenvermögen; bis dahin können daher nicht die Erben als solche, sondern nur der Nachlaß, wenn auch vertreten durch die Erben, belangt werden. Die Kläger haben daher mit Recht die Klage nicht gegen die erbserklärten Erben, sondern gegen den Nachlaß eingebracht.
Da zwei Erben vorhanden sind, so ist zur Vertretung des Nachlasses zwar grundsätzlich Kollektivvertretung erforderlich, doch genügt Alleinvertretung eines der Miterben, wenn einer der beiden Miterben den Anspruch, der den Gegenstand des Rechtsstreites bildet, anerkannt hat (E. v. 23. Mai 1916, Slg. 1771). Die von Dr. K., Bevollmächtigten der Miterbin G., eingebrachte Revision muß daher als zulässig angesehen werden, da die andere Miterbin, B., den Klagsanspruch nicht zu bestreiten erklärt hat.
Die Rechtsrüge der Beklagten ist aber inhaltlich begrundet.
Ob eine vom Erblasser herrührende Urkunde als letztwillige Verfügung anzusehen ist, muß von demjenigen nachgewiesen werden, der aus dieser Urkunde Rechte ableitet. Da ein eigenhändig geschriebenes Kodizill eine Dispositionsurkunde ist, so muß die letztwillige Verfügung der behaupteten letztwilligen Anordnung entnommen werden können. Außer der Urkunde liegende Umstände können wohl zur Auslegung des letzten Willens herangezogen werden, immer aber muß für die Anordnung, die der Erblasser treffen wollte, in der Urkunde ein, wenn auch undeutlicher, Anhaltspunkt zu finden sein. Anordnungen, die der Urkunde überhaupt nicht, auch nicht andeutungsweise, zu entnehmen sind, sind keine gültige letztwillige Anordnung; dies gilt insbesondere vom Nachweis des Testierwillens, der in der Urkunde irgendwie zum Ausdruck gelangen muß. Testamentsauslegung ist daher Rechtsauslegung (GlU. 1143, 13887, GlUNF. 1121). Der Oberste Gerichtshof ist deshalb berechtigt, das Vorhandensein des Testierwillens und gegebenen Falles die Richtigkeit der Auslegung des letzten Willens des Erblassers zu überprüfen.
Abweichend von der Auffassung der Unterinstanzen vermeint der Oberste Gerichtshof, daß der vorliegenden Urkunde ein Testierwille nicht entnommen werden kann.
Der Wortlaut der keine Adresse tragenden Urkunde deutet darauf hin, daß die Erblasserin, die Selbstmord begangen hat, die niedergeschriebenen Worte an diejenigen Personen gerichtet hat, von denen sie annehmen mußte, daß sie nach ihrem Tod als erste die Wohnung betreten würden; das waren aber nach den erstrichterlichen Feststellungen die im gleichen Hause wohnenden Kläger, die mit der Erblasserin verschwägert waren. Gegen die Rechtsauffassung der Untergerichte, die die Kläger als Adressaten dieser Niederschrift ansehen, bestehen daher keine rechtlichen Bedenken.
Eingangs der Urkunde spricht nun die Erblasserin davon, daß die Adressaten ihr das Geld gestohlen haben, dann folgt ein Hinweis darauf, daß sie ihnen das Haus geschenkt habe; die kurze Schrift wird dann mit einigen Abschiedsgrüßen und der Unterschrift abgeschlossen.
So wie die Urkunde vorliegt, kann ihr, wenn sie überhaupt einen Sinn hat, nur der Sinn zuerkannt werden, daß zwischen der Diebstahlsbeschuldigung und der Hausschenkung irgendein Zusammenhang bestehen muß, der für Dritte, die in die Verhältnisse, auf die hier angespielt wird, nicht eingeweiht sind, unverständlich ist. Der unbefangene Leser kann sie nur dahin deuten, daß darin den Adressaten, für die die Urkunde bestimmt ist, der Vorwurf gemacht wird, die Schreiberin bestohlen zu haben, obwohl sie ihnen das Haus geschenkt habe oder zu schenken beabsichtigte.
Daß aber durch diese Urkunde über das Haus rechtswirksam verfügt werden sollte, kann ihr nicht entnommen werden, zumal da die Erblasserin in der Urkunde davon spricht, daß sie das Haus geschenkt habe. Die Konstatierung des Erblassers, daß er in früherer Zeit eine Schenkung gemacht habe, kann aber, insbesondere im Zusammenhang mit den Diebstahlsvorwürfen, nicht als eine letztwillige Anordnung ausgelegt werden, weil in der Urkunde ein Testierwille auch nicht andeutungsweise zu erkennen ist.
Daß die Erblasserin nach den untergerichtlichen Feststellungen wiederholt die Absicht geäußert hat, das Haus den Klägern zu hinterlassen, kann den aus der Urkunde nicht erkennbaren Testierwillen nicht ersetzen, weil aus der Urkunde auch nicht zu entnehmen ist, daß die Erblasserin bei Verfassung dieser Niederschrift diese Absicht verwirklicht hat.
Da demnach die Kläger den ihnen obliegenden Beweis nicht erbracht haben, daß die aufgefundene Urkunde ein Kodizill ist, so mußte, ohne daß zu den weiters geltend gemachten Revisionsgrunden Stellung zu nehmen war, der Revision Folge gegeben und in Abänderung der untergerichtlichen Entscheidungen das Klagebegehren abgewiesen werden.
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