OGH 1Ob39/81

OGH1Ob39/8117.2.1982

SZ 55/16

Normen

ABGB §1315
WRG 1959 §26
ABGB §1315
WRG 1959 §26

 

Spruch:

Für Folgen aus einem auch bei bewilligungsgemäßem Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage kaum vermeidbaren menschlichen Fehlverhalten, dem der Geschädigte nicht rechtzeitig entgegentreten konnte, kommt die Erfolgshaftung des § 26 Abs. 2 WRG zum Tragen; die bloße, eine Berufung auf die Haftungsbeschränkung des § 1315 ABGB zulassende Verschuldenshaftung des § 26 Abs. 1 WRG bleibt auf sonstigen unrechtmäßigen Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage beschränkt

OGH 17. Feber 1982, 1 Ob 39/81 (OLG Wien 11 R 84/81; KG Wiener Neustadt 3 Cg 239/79)

Text

Laut Fischereirevierkataster betreffend das Revier P J II/2 weist dieses Revier eine fischbare Fläche von zirka 17.1 ha auf, wovon rund 10.5 ha auf das Hauptgerinne P entfallen. Fischereiberechtigte iS des § 2 Z 7 des NÖ Fischereigesetzes, LGBl. 6.550-0, sind Dipl.- Ing. Friedolin H, die M'sche Gutsverwaltung K, die Forstverwaltung Waldgut W, die Gutsverwaltung S, die Gemeinden G, A und B sowie die Firma F AG. Die Fischereiberechtigten haben mit dem Kläger einen Fischereipachtvertrag über das Revier P J II/2 für die Zeit vom 1. 1. 1977 bis 31. 12. 1986 geschlossen. Im Betrieb der beklagten Partei in der KG T werden Zellstoffwatte und Zellstoffprodukte wie Windeln, Servietten und ähnliches erzeugt. Die beklagte Partei verfügt über eine betriebseigene Wasserkraftanlage, die im Wasserbuch unter PZ 2412 als bewilligt eingetragen ist. Die Werksanlagen der beklagten Partei liegen am linken Ufer des P-Baches. Die betriebseigene Wasserkraftanlage bezieht das zu ihrem Betrieb notwendige Wasser aus einem Werkskanal, der die P knapp oberhalb des in die P einmundenden E-Baches verläßt, das Fabriksareal der beklagten Partei durchschneidet, unterhalb der Fabrikationshalle hindurchläuft und dann wieder in die P einmundet. Oberhalb der Turbine heißt der Werkskanal Oberwerkskanal, unterhalb der Turbine Unterwerkskanal. Wo der Oberwerkskanal von der P abzweigt, befindet sich das sogenannte W-Wehr, eine Anlage zur Regulierung des Wasserstandes im Werkskanal. Etwa 700 m oberhalb des Wehrs liegt an der P die Fabriksanlage der Firma M GesmbH. Unweit der Abzweigung des Oberwerkskanales aus der P mundet in diesen der sogenannte P-Bach, den die Kläranlage des mehrere Kilometer entfernt liegenden Rehabilitationszentrums H der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten als Vorfluter benützt. Mit Bescheid vom 23. 6. 1954, Z IX-38/4, erteilte die BH Neunkirchen der beklagten Partei die wasserrechtliche Bewilligung für vier Abwassereinleitungen in den Werkskanal nach Maßgabe des damals vorgelegten Projektes und der Verhandlungsniederschrift vom 9. 6. 1954, die einen wesentlichen Bestandteil des erwähnten Bescheides bildete. Damals wurden zwei Wattemaschinen betrieben, deren anfallende Abwässer in den unter der betreffenden Werkshalle hindurchfließenden überwölbten Werkskanal abflossen. Weiters war damals eine Pappemaschine im Einsatz, deren Abwässer gleichfalls direkt durch ein Loch im Fußboden in den Werkskanal abflossen, ebenso Abwässer der Kondensatabteilung. Auf Grund des Bescheides vom 23. 6. 1954 wurde die Bewilligung dieser Wasserbenutzungsanlage, die Einleitung der Industrieabwässer in den Werkskanal der betriebseigenen Wasserkraftanlage, zur Postzahl 3424 des Wasserbuches für den Verwaltungsbezirk Neunkirchen eingetragen. Im Jahre 1958 gab die beklagte Partei die Pappeerzeugung auf und errichtete eine Faserstoffrückgewinnungsanlage. Zur Erstellung des derzeitigen Produktionsprogrammes (Erzeugung von Produkten aus Zellstoff wie Watte, Servietten, Windeln usw.) wurden zwei leistungsfähige große Papiermaschinen zum Einsatz gebracht. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 9. 4. 1974, Z III/1-3300/11-1974, wurde der beklagten Partei gemäß § 138 Abs. 2 WRG 1959 im Zusammenhang mit der Änderung der Wasserbenutzungsanlage durch Einsatz neuer abwasserverursachender Maschinen aufgetragen, entweder bis spätestens 30. 6. 1974 die zur nachträglichen wasserrechtlichen Bewilligung erforderlichen Projektunterlagen betreffend die Abänderung der Abwasserbeseitigungsanlage für die Betriebsabwässer (PZ 3424 des Wasserbuches für den Verwaltungsbezirk Neunkirchen) vorzulegen oder innerhalb dieser Frist die Abänderungen der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen im Namen des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 23. 6. 1954, Z IX38/4, wasserrechtlich bewilligten Abwasserbeseitigungsanlage für die Betriebsabwässer zu beseitigen. Auf Grund dieses behördlichen Auftrages reichte die beklagte Partei mit Schreiben vom 2. 7. 1974 ein Projekt betreffend die Abänderung der Betriebsabwasserbeseitigung bei der Wasserrechtsbehörde zur nachträglichen wasserrechtlichen Bewilligung ein. Auf Grund einer im Wege der Bundesanstalt für Wassergüte eingelangten Meldung des Gendarmeriepostenkommandos E über eine Wasserverschmutzung der P am 22. 6. 1976 erfolgte am 3. 8. 1976 eine Kontrolle der Abwasserbeseitigung der beklagten Partei durch die technische Gewässeraufsicht des Amtes der NÖ-Landesregierung. Auf Grund ihres Berichtes führte die Wasserrechtsbehörde eine mündliche Verhandlung am 23. 9. 1976 durch. Es ergab sich neuerlich, daß sich die Abwasserbereitung - nach durchgeführten innerbetrieblichen Verbesserungsmaßnahmen - nicht mehr mit dem Bewilligungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 23. 6. 1954, Z IX-38/4, und somit auch nicht mit der Eintragung unter PZ 3424 des Wasserbuches für den Verwaltungsbezirk Neunkirchen deckt. Das Amt der NÖ Landesregierung erließ am 21. 12. 1976 zu GZ III/1-3300/22-1976 den Bescheid, wonach der Landeshauptmann von Niederösterreich der beklagten Partei gemäß den §§ 99 und 138 WRG 1959 auftrug, bis spätestens 31. 3. 1977 Projektunterlagen betreffend die Betriebsabwasserbeseitigung bei der Wasserrechtsbehörde zur nachträglichen wasserrechtlichen Bewilligung einzureichen, widrigenfalls die Abwasserbeseitigung auf ein Ausmaß einzuschränken wäre, wie es mit dem Bescheid der BH Neunkirchen vom 23. 6. 1954, Z IX-38/4, wasserrechtlich bewilligt und im Wasserbuch für den Verwaltungsbezirk Neunkirchen unter PZ 3424 eingetragen ist.

Die beklagte Partei suchte in der Folge um nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für ihre bislang unter PZ 3424 des Wasserbuches für den Verwaltungsbezirk Neunkirchen eingetragene Produktionsabwasserbeseitigung bei der Wasserrechtsbehörde an. Die Verhandlung fand am 22. 1. 1980 statt. Auf Grund dieser Verhandlung erteilte der Landeshauptmann von Niederösterreich mit Bescheid des Amtes der NÖ Landesregierung vom 9. 4. 1980, GZ III/1-3300/34-80, der beklagten Partei unter bestimmten, bis 30. 6. 1980 zu erfüllenden Bedingungen die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung der bereits im November 1978 bestandenen Anlagen. Zur Herstellung von Windeln, Servietten und auf der Papiermaschine werden Chemikalien beigemengt, die, in entsprechender Menge in den Vorfluter eingebracht, zu einem Fischsterben führen können. Auf Grund der Anwendung und der Eigenschaften der Mittel kann nicht ausgeschlossen werden, daß sie die Ursache für das Fischsterben seien.

Am 12. 11. 1978 (Sonntag) gegen 14 Uhr bemerkte Gertrude K zahllose tote Fische im seichten Wasser am Ufer liegen. Sie verständigte das Gendarmeriepostenkommando E. Von Beamten dieses Postens wurde um

15.10 Uhr dieses Tages eine Wasserprobe unterhalb der sogenannten N-Brücke in E (flußabwärts des Betriebes der beklagten Partei) entnommen. Verständigt wurde der Kläger, der durch seinen Vertreter Oskar P den zwischenweilig verstorbenen Sachverständigen bzw. Obmannstellvertreter des Fischereirevierausschusses V Wiener Neustadt Anton H in Kenntnis setzte. Bei der Besichtigung des Reviers wurden auf einer Strecke von 6 km flußabwärts nach einer 100 m nach der Einmundung des Unterwerkskanales in den P-Bach gelegenen Straßenbrücke mehrere tausend tote Forellen festgestellt. An der Stelle, an der der Unterwerkskanal in die P einmundet, gab es die meisten toten Fische. Zwischen Mundung des Unterwerkskanales und Abzweigung des Oberwerkskanales ergab sich eine dem dort niedrigen Wasserstand entsprechende normale Fischmenge. Auch vom W-Wehr bachaufwärts wurde normaler Fischbestand festgestellt. Der Oberwerkskanal wurde nicht auf den Fischbestand überprüft. Nach einem Gutachten der NÖ Umweltschutzanstalt könnte das Fischsterben auf Säure- oder Laugenstöße zurückzuführen sein. Der Gesamtschaden aus Fangausfall, Aufwandersatz für Wiederbesatz sowie Besatzkosten beträgt 121 855 S. Die Kläranlage der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten (Rehabilitationszentrum H), die als Vorfluter den in den Oberwerkskanal mundenden P-Bach benützt, wurde mit wasserrechtlichem Bescheid vom 19. 8. 1968 genehmigt. Mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 12. 5. 1970 wurde eine Erweiterung dieser Kläranlage bewilligt. Es stellte sich allerdings heraus, daß die genehmigte Abwasserkläranlage nicht einwandfrei funktionierte, weshalb nachträglich im Jahre 1978 die Errichtung eines sogenannten Nachklärbeckens vorgeschrieben wurde. Diesem Bescheid zur Herstellung eines Nachklärbeckens wurde nicht Folge geleistet, weshalb nachträglich die wasserrechtliche Bewilligung des Betriebes der Kläranlage mit 2. 10. 1979 bescheidmäßig für erloschen erklärt wurde. Der Landeshauptmann hat der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten bescheidmäßig aufgetragen, bis 30. 6. 1980 neuerlich ein solches Nachklärbecken zu errichten.

Die Fischereiberechtigten mit Ausnahme der Gutsverwaltung S und der Gemeinde G haben ihre Ansprüche aus dem Schadensfall dem Kläger zediert.

Der Kläger begehrt den Betrag von 89 819.32 S samt Anhang als Ersatz des Schadens, den die Fischereiberechtigten (mit Ausnahme der Gutsverwaltung S und der Gemeinde G) durch das Fischsterben vom 12. 11. 1978 erlitten haben. Die beklagte Partei hafte aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes bzw. des Nachbarrechts. Der Kläger berief sich auch darauf, daß bei Erteilung der Bewilligung zum Betrieb der Wasserbenutzungsanlage der beklagten Partei mit dem Eintritt des gegenständlichen Schadens nicht gerechnet worden sei. Zur Einleitung der Schadstoffe, auf die der Schadensfall zurückzuführen sei, sei die beklagte Partei nicht berechtigt gewesen.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens, weil der Schaden nicht von ihr verursacht worden sei. Am 12. 11. 1978 sei ihr Betrieb stillgestanden. Unrichtig sei, daß ihre Maschinen mit Petroleum gereinigt würden und dieses direkt in den Unterwerkskanal abgeleitet werde; die Reinigung der Maschinen erfolge mit Wasser. Die Abwässer, die beim Betrieb ihrer Maschinen anfielen, enthielten nur Zellstoff, der für Fische ungefährlich sei. Sie verwende Chemikalien, die so beschaffen seien, daß ein Fisch selbst in einer 50%igen Lösung 24 Stunden überleben könne. Die Ursache des Fischsterbens dürfte in der Einleitung von Schadstoffen durch die Firma M GesmbH bzw. durch die Krankenanstalt der Pensionsversicherung der Angestellten gelegen sein; die Kläranlage der letztgenannten Anstalt sei vollkommen unzureichend.

Beim Lokalaugenschein am 19. 2. 1980 wurden vom Gericht im Lagerraum für Chemikalien der beklagten Partei, einem Gebäude westlich des Fabriksareals, eine Reihe von Plastikfässern vorgefunden, die Schilder mit der Aufschrift "Imbonal" tragen. Werksdirektor Franz L konnte nicht aufklären, für welche Zwecke Imbonal verwendet wird. Auf dem Aufklebezettel der betreffenden Fässer ist die Anweisung zu finden, daß diese Mittel niemals konzentriert auf Filz aufgebracht werden dürfen, die Verdünnung mit Wasser müsse mindestens 1 : 10 betragen, woraus zu schließen ist, daß dieses Mittel in voller Konzentration geliefert wird. Beim Ausgang des Chemikalienlagerraumes wurde ein Plastikbehälter mit der Aufschrift Baltane CS gefunden; es handelt sich um ein Pflanzenschutzmittel, über dessen Verwendungszweck ebenfalls keine Aufklärung gegeben werden konnte; dieser Behälter war nur mehr zur Hälfte gefüllt. Vom Chemikalienlagerraum müssen die Behälter mittels eines Hubstaplers an der Nordseite der Fabrikationshalle vorbei über eine dort befindliche Brücke über den Werkskanal zur Stoffaufbereitung gebracht werden, die sich im ersten Stock der Fabrikationshalle in deren Südteil befindet. In einer Fabrikshalle ist in Form eines Ausgusses eine kreisrunde etwa 10 bis 15 cm im Durchschnitt messende Auslaßöffnung im Betonfußboden angebracht, die direkt zum Unterwerkskanal führt. Diese betonierte Auslaßöffnung ist vertieft angelegt, um ein Abrinnen von Flüssigkeit zu erleichtern. In der Umgebung der Ausflußöffnung fanden sich beim Lokalaugenschein Schlammreste unbestimmter Herkunft, die darauf hindeuten, daß die Abflußöffnung in Funktion ist und Verwendung findet. Es wurden Chemikalienbehälter ohne Aufschrift vorgefunden, die zum Teil nicht voll gefüllt waren und über deren Inhalt kein Aufschluß gegeben werden konnte. An dem zum Vorfluter führenden Ausguß ist keine Vorrichtung angebracht, die verhindern könnte, daß nicht ausreichend geklärte oder ungeklärte Abwässer in den Vorfluter gelangen. Auch ein Ölabscheider ist nicht vorhanden. Auch unter den beiden Papiermaschinen befinden sich Abflußöffnungen ohne Ölabscheider, so daß bei der Reinigung der Maschinen anfallende Abwässer ungeklärt in den Vorfluter gelangen.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt und stellte fest:

Die Firma M GesmbH, die ihre Abwässer oberhalb des W-Wehrs in die P einbringe, sei als Verursacher des Schadens auszuschließen, da in der Flußstrecke zwischen den Betriebsanlagen dieser Firma und dem W-Wehr eine normale Fischmenge festgestellt habe werden können. Da bei der Besichtigung des Chemikalienlagers der beklagten Partei teilweise volle, teilweise geleerte Gefäße vorgefunden worden seien, sei die Aussage des Werksdirektors Hans L der beklagten Partei, daß die vollen Chemikalienfässer ungeöffnet mittels Hubstaplers in die Produktionsstätten gebracht und erst dort abgefüllt werden, mit den tatsächlichen Gegebenheiten nicht in Einklang zu bringen. Dem Augenschein zufolge würden bereits im Chemikalienlager Chemikalien in andere Behälter umgefüllt und in die Werkshalle gebracht. Ein Verschütten der Chemikalien auf diesem Wege sei nicht ausgeschlossen. Es seien auch Irrtümer beim Mischungsverhältnis des Filzreinigungsmittels Imbonal nicht auszuschließen, von dem Franz L erwähnt habe, es würde bereits in verdünntem Zustand (1 : 10) vom Erzeuger angeliefert, wogegen die Aufschrift auf den betreffenden Behältern im Chemikalienlager eine unverdünnte Anlieferung dieses Mittels erkennen ließen. Nach den beim Augenschein getroffenen Feststellungen lasse sich nicht ausschließen, daß Chemikalien unabsichtlich durch den Ausfluß in den Unterwerkskanal gelangen konnten. Nachdem zwischen W-Wehr und Mundung des Unterwerkskanals im Flußbett der P normaler Fischbestand festgestellt habe werden können, sei auch ein eventueller Verunreiniger am E-Bach als Verursacher des Fischsterbens auszuschließen. Der P-Bach, der die mehr oder weniger mangelhaft gereinigten Abwässer der Kläranlage der Krankenanstalt der PVA in den Oberwerkskanal einbringe, sei stark verunreinigt, diese Abwässer trügen mit Sicherheit zu einer schlechten Wasserqualität im Werkskanal bei. Mit Sicherheit sei jedoch auszuschließen, daß es auf Grund einer organischen Verunreinigung zu einer so starken Sauerstoffzehrung gekommen sei, daß ein kilometerlanges Fischsterben verursacht worden sei. Da jedoch der P-Bach auf Lebewesen nicht untersucht worden sei, könne nicht ausgeschlossen werden - wenn es auch unwahrscheinlich erscheine -, daß von der Krankenanstalt der PVA chemische Mittel in den P-Bach eingebracht worden seien. Demgegenüber müsse die sehr leicht eintretende Möglichkeit bedacht werden, daß versehentlich Chemikalien in konzentrierter Form in den Unterwerkskanal eingebracht worden seien, die zu Kiemenverätzungen und zum Ersticken der Fische geführt hätten. Eindeutig lasse sich der Verursacher des Fischsterbens nicht feststellen.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß der Wasserberechtigte gemäß § 26 Abs. 1 WRG zum Ersatz des Schadens, der aus dem Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage entstehe, nach den Bestimmungen des 30. Hauptstückes des ABGB verpflichtet sei. Voraussetzung für die Schadenersatzpflicht sei, daß der Schaden aus einer einmal bewilligten Wasserbenutzungsanlage entstanden sei, sich die Wasserbenutzungsanlage in einem konsenswidrigen Zustand befinde oder konsenswidrig und damit rechtswidrig betrieben werde und schließlich den Ersatzpflichtigen am konsenswidrigen Bestand ein Verschulden anzulasten sei. Für einen nach § 26 Abs. 1 WRG zu beurteilenden Schadenersatzanspruch sei gemäß § 26 Abs. 5 WRG die Beweislast umgekehrt. Es bestehe die Vermutung, daß die Schäden von demjenigen verursacht worden seien, der örtlich und nach der Beschaffenheit der Abwässer als Schadensverursacher in Betracht komme. Diese Vermutung könne nur durch den Nachweis der Unwahrscheinlichkeit der Verursachung entkräftet werden. Dieser Nachweis sei der beklagten Partei nicht gelungen, da die Firma M als Verursacher des Schadens ausscheide und die Verursachung durch den Betrieb der Krankenanstalt der PVA unwahrscheinlich sei. Die beklagte Partei habe daher für den Schaden allein zu haften.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es verneinte die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und billigte auf der Grundlage der vom Erstrichter getroffenen Feststellungen auch dessen Rechtsansicht.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In rechtlicher Hinsicht bestreitet die beklagte Partei die Anwendbarkeit des § 26 WRG mit dem Hinweis, sie sei im Zeitpunkt des Schadenseintritts nicht Wasserberechtigter gewesen, weil in diesem Zeitpunkt die Wasserbenutzungsanlage konsenslos betrieben worden sei. Wasserberechtigter ist gemäß § 22 Abs. 1 WRG bei ortsfesten Wasserbenutzungsanlagen der jeweilige Eigentümer der Betriebsanlage oder der Liegenschaft, mit der ein Wasserbenutzungsrecht verbunden ist. Daß die beklagte Partei zur Nutzung des P-Baches schon auf Grund der wasserrechtlichen Bewilligung vom 23. 6. 1954 berechtigt war, ist nicht strittig. Die Überschreitung dieser wasserrechtlichen Bewilligung war nur wegen des Bestehens einer bewilligten Wasserbenutzungsanlage möglich und ist für die Frage der Haftung nach § 26 WRG schon deshalb ohne Belang, weil die im Zeitpunkt des Schadenseintrittes von der beklagten Partei betriebene Anlage in der Folge ohnehin wasserrechtsbehördlich bewilligt wurde und der eingetretene Schaden, wie die beklagte Partei selbst einräumt, auch bei Vorliegen der nachträglich erteilten wasserrechtlichen Bewilligung nicht vermieden worden wäre. Mit dem nicht genehmigten Betrieb waren demnach keine anderen Gefahren verbunden als jene, die von der dann genehmigten Betriebsanlage ausgehen.

Der Revision ist unter dieser Voraussetzung zuzubilligen, daß die beklagte Partei den eingetretenen Schaden allenfalls nicht vermeiden hätte können, so daß eine Haftung nach § 26 Abs. 1 WRG, wie sie das Berufungsgericht annahm, eventuell entfallen müßte. Die beklagte Partei hat aber nach § 26 Abs. 2 WRG zu haften, welche Bestimmung die Haftung des Wasserberechtigten auch für von der Wasserrechtsbehörde nicht vorhergesehene Schäden normiert, die durch den rechtmäßigen Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage entstanden. Die Haftung nach § 26 Abs. 2 WRG stellt eine Sonderregelung der sonst gegebenen nachbarrechtlichen Haftung dar. Ebenso wie der Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB hat auch die verschuldensunabhängige Haftung nach § 26 Abs. 2 WRG den Zweck, die durch eine behördlich genehmigte Anlage erfolgenden enteignungsgleichen Eingriffe zu entschädigen, weil sich der Betroffene infolge der erteilten behördlichen Bewilligung gegen die vom genehmigten Betrieb ausgehenden Einwirkungen nicht oder nicht rechtzeitig zur Wehr setzen kann (SZ 51/114; SZ 48/131 ua.). Wie der OGH bereits ausgesprochen hat (1 Ob 41/80), ist § 26 Abs. 2 WRG dahin zu verstehen, daß dem Wasserberechtigten auch jene Risken einer rechtmäßig errichteten und im Rahmen der Bewilligung betriebenen Wasserbenutzungsanlage aufzuerlegen sind, die sich daraus ergeben, daß im Rahmen des bewilligungsgemäßen Betriebes und der damit verbundenen Betriebsgefahren einem Bediensteten ein schadensstiftendes Fehlverhalten unterlaufen kann. Die Rechtfertigung der Einführung der Erfolgshaftung liegt gerade darin, daß im öffentlichen Interesse und im Interesse der Volkswirtschaft (vg. SZ 51/114) der Betroffene zusätzlichen Belastungen und Gefahren ausgesetzt wird; er muß diese zwar auf sich nehmen, kann aber wenigstens damit rechnen, daß dadurch eintretende Schäden stets ersetzt werden. Das gilt für die Folgen eines bewilligungsgemäßen Betriebes einer Wasserbenutzungsanlage und muß auch für Folgen gelten, die sich aus einem auch bei bewilligungsgemäßem Betrieb letztlich kaum vermeidlichen menschlichen Fehlverhalten wie dem Einbringen von im Betrieb verwendeten gefährlichen Chemikalien in die Wasserbenutzungsanlage und damit in ein Gewässer, an dem auch andere Rechte bestehen, ergeben.

Insbesondere in Fällen, in denen die Durchsetzung von Ansprüchen auf Beseitigung oder Untersagung einer Wasserbenutzungsanlage (vgl. Krzizek, Komm. z. WRG 124) oder der Untersagung einer bestimmten Betriebsweise zu spät kommen mußte, der Geschädigte sich also gar nicht zur Wehr setzen konnte, muß als Ausgleich die Erfolgshaftung des § 26 Abs. 2 WRG und damit auch die Haftung für Verfehlungen von Besorgungsgehilfen zum Tragen kommen, die bloße, eine Berufung auf die Haftungsbeschränkung des § 1315 ABGB zulassende Verschuldenshaftung des § 26 Abs. 1 WRG also auf sonstigen unrechtmäßigen (Grabmayr - Rossmann, Das österreichische Wasserrecht[2] 126 Anm. 8) Bestand oder Betrieb einer Wasserbenutzungsanlage, dem der Geschädigte rechtzeitig entgegentreten konnte, beschränkt bleiben. Nur so wird dem hauptsächlichen Grund für die von § 364a ABGB abweichende Sonderregelung des § 26 Abs. 2 WRG, die im Wasserrecht ungewöhnlich schwierige Beurteilung des "nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnlichen Maßes" zu vermeiden (Grabmayr - Rossmann aaO 123 Anm. 3), an sich aber gleichartigen Schutz zu gewähren, Rechnung getragen. Im Bereich der nachbarrechtlichen Haftung ist es aber herrschende Rechtsprechung, daß in analoger Anwendung des § 364a ABGB ein vom Verschulden unabhängiger, die Haftung für die Besorgungsgehilfen mitumfassender nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch stets auch dann zu gewähren ist, wenn dem Geschädigten ein Abwehrrecht, das ihm wegen Bestehens einer an sich gefährlichen Situation nach dem Inhalt seines dinglichen Rechtes sonst zugestanden wäre, genommen war (SZ 51/47; SZ 50/160; EvBl. 1976/190; SZ 48/61 mwN). Eine solche gefährliche, wegen der erteilten wasserrechtsbehördlichen Bewilligung hinzunehmende Situation ist für denjenigen, dem als Unterlieger einer bewilligten Wasserbenutzungsanlage ein Fischereirecht zusteht, in aller Regel stets gegeben. Die Bestimmung des § 26 Abs. 2 WRG ist daher auf solche Fälle sinngemäß anzuwenden (vgl. EvBl. 1981/9). Sie gilt auch für einmalige Eingriffe (vgl. SZ 51/164). Nur auf diese Weise kann der Zweck des § 15 Abs. 1 WRG, Fischereirechte unbeeinträchtigt zu lassen oder gemäß § 117 WRG zu entschädigen, erreicht bleiben.

Was die Frage betrifft, ob die beklagte Partei die Folgen der Gewässerverunreinigung, die zum Fischsterben führte, voll zu vertreten hat, ist von der Bestimmung des § 26 Abs. 5 WRG auszugehen, wonach in den Fällen der Haftung nach § 26 Abs. 1 bis 4 WRG vermutet wird, daß die Gewässerverunreinigung von denjenigen verursacht worden ist, die örtlich und nach der Beschaffenheit der Abwässer in Betracht kommen. Diese Vermutung wird nur durch den Nachweis der Unwahrscheinlichkeit der Verursachung entkräftet. Beide Vorinstanzen nahmen als erwiesen an, daß die beklagte Partei in diesem Sinn als Verursacher in Betracht komme, und erachteten den Beweis der Unwahrscheinlichkeit der Verursachung als nicht erbracht. Ob aber die beklagte Partei nach der Art und Beschaffenheit der Abwässer als Verursacher in Betracht zu ziehen ist und ob ihr der Beweis der Unwahrscheinlichkeit der Verursachung gelungen ist, ist als Frage der Beweisführung der Beurteilung durch den OGH entzogen. Gemäß § 26 Abs. 5 WRG haften mehrere Verursacher zur ungeteilten Hand, wenn sie den Schaden vorsätzlich oder mit auffallender Sorglosigkeit zugefügt haben, sonst haftet jeder nur für seinen Anteil an der Schadenszufügung; lassen sich die Anteile nicht bestimmen, haften mehrere Personen zu gleichen Teilen. Diese von der Bestimmung des § 1302 ABGB abweichende Regelung setzt aber voraus, daß mehrere Schadensverursacher festgestellt wurden. Im vorliegenden Fall trifft dies nicht zu. Die Firma M GesmbH scheidet als Verursacher aus, die Verursachung durch die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten wurde als unwahrscheinlich erachtet. Demnach kommt aber eine bloß anteilsweise Haftung der beklagten Partei für den eingetretenen Schaden nicht in Betracht.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte