OGH 1Ob394/51

OGH1Ob394/5112.9.1951

SZ 24/214

Normen

ABGB §1304
ABGB §1327
Strafgesetz §2e
Strafgesetz §140
Strafgesetz §335
ABGB §1304
ABGB §1327
Strafgesetz §2e
Strafgesetz §140
Strafgesetz §335

 

Spruch:

Der Ersatzanspruch der Hinterbliebenen unterliegt auch dann der Schadensteilung, wenn der Angriff durch den Verletzten provoziert oder durch sein vorsätzliches Verhalten ausgelöst wurde; dies gilt auch bei strafgerichtlicher Verurteilung des Verletzers wegen Notwehrexzesses.

Entscheidung vom 12. September 1951, 1 Ob 394/51.

I. Instanz: Kreisgericht Leoben; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Am 22. Juni 1948 hielt sich der Beklagte im Gasthause des Josef H. als Gast auf. In schon vorgerückter Stunde kam es zwischen einigen anwesenden Gästen zu einem Streit, in dessen Verlauf der Beklagte von einem Chauffeur Ohrfeigen erhielt. Nach dem Verlassen des Gasthauses lief dem Beklagten Emil K., der sich im Gasthaus in Gesellschaft des Gatten der Klägerin befand, nach, holte ihn ein und warf ihn zu Boden. Der Gatte der Klägerin, ein Freund des Emil K., kam nach und mißhandelte dann gleichfalls den am Boden liegenden Beklagten. Bei dieser Gelegenheit führte der Beklagte zwei Messerstiche gegen den Hals des Gatten der Klägerin. Während der erste Stich nur eine oberflächliche Verletzung des Beschädigten herbeiführte, war der zweite Stich tödlich. Wegen dieser Tathandlung wurde der Beklagte zunächst wegen Verdachtes des Verbrechens des Totschlages strafgerichtlich verfolgt und angeklagt, schließlich aber mit Urteil des Kreisgerichtes schuldig erkannt, dadurch, daß er um 0.30 Uhr in M. in M-Tal dem Alfred Sch. (Gatten der Klägerin) zwei Messerstiche in den Hals versetzte, im Zustande der Verteidigung, um einen rechtswidrigen Angriff auf sein Leben abzuwehren, nur aus Furcht die Grenzen der nötigen Verteidigung überschritten, somit eine Handlung unternommen zu haben, von welcher er schon nach ihren natürlichen, für jedermann leicht erkennbaren Folgen und bei gehöriger Aufmerksamkeit einzusehen vermochte, daß sie eine Gefahr für das Leben und die körperliche Sicherheit von Menschen herbeizuführen geeignet sei, woraus der Tod des Alfred Sch. erfolgte. Über den Beklagten wurde eine unbedingte Strafe von sechs Monaten strengen Arrestes verhängt. Die Nichtigkeitsbeschwerde hatte keinen Erfolg, die Berufung nur insoweit, als die Vollziehung der Strafe für eine Probezeit von drei Jahren aufgeschoben worden ist. Ein Beweis dafür, daß der Beklagte außer von Emil K. und Alfred Sch. noch von einem dritten Mann angegriffen wurde, ferner daß die Angreifer bewaffnet waren, konnte nicht erbracht werden. Der Vorfall ereignete sich in der Nähe menschlicher Behausungen und es war der Tatort auch etwas beleuchtet. Der im Gegensatz zu den Angreifern nicht betrunkene Beklagte erlitt nur leichte Verletzungen, die zum Teil auf Mißhandlungen der Angreifer zurückzuführen waren, zum anderen Teil mit dem Sturz auf den Boden zusammenhingen.

Das Erstgericht hat dem Begehren der Klägerin auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung einer Rente von monatlich 150 S ab 15. Juni 1950 vollinhaltlich stattgegeben.

Der gegen das Urteil erster Instanz erhobenen Berufung hat das Berufungsgericht keine Folge gegeben.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Wenn auch dem Beklagten zuzubilligen ist, daß er in Notwehr gehandelt hat, so muß doch die Überschreitung des zulässigen Maßes der Verteidigung angenommen werden, weil es nicht nötig war, daß der Beklagte sich einer Waffe bediente, obwohl er selbst nicht mit Waffen angegriffen wurde. Der Beklagte konnte auch erkennen, und hat erkannt, daß seine Handlungsweise eine Gefahr für die körperliche Sicherheit des Alfred Sch. in sich schließt. Von einem weitaus überwiegenden Verschulden des Gatten der Klägerin und des Emil K. gegenüber jenem des Beklagten kann unter den gegebenen Umständen nicht gesprochen werden, so daß das Verschulden des Beklagten einerseits und jenes der beiden Angreifer anderseits ungefähr gleich groß ist, jedenfalls aber der Anteil sich nicht weiter bestimmen läßt, weshalb Schadensteilung zu gleichen Teilen Platz zu greifen hat.

Bezüglich der Höhe des Anspruches ist festgestellt worden, daß der Gatte der Klägerin als Chauffeur im Juni 1948 1038 S netto verdient und davon nur 200 S für sich behalten hat. Wenn auch berücksichtigt wird, daß Alfred Sch. für ein im Jahre 1948 geborenes eheliches Kind zu sorgen hatte, so muß doch angenommen werden, daß er der Klägerin für ihre Person allein monatlich mindestens 300 S zukommen ließ. Eine Rente bezieht die Klägerin für ihre Person nicht, sondern nur die Waisenrente für das Kind. Der von der Klägerin geforderte monatliche Betrag von 150 S entspricht nicht einmal der Hälfte des tatsächlichen Entganges von mindestens 300 S monatlich.

Zur Rechtsrüge: Zuzugeben ist dem Revisionswerber, daß nach der herrschenden Rechtsprechung der Ersatzanspruch der Witwe nach § 1327 ABGB. bei Mitverschulden des getöteten Ehegatten der Schadensteilung (§ 1304 ABGB.) unterliegt (SZ. XX/218). Das Berufungsgericht findet allerdings die von Wolff in Klang's Kommentar, 2.Aufl., S. 152, zu § 1327 ABGB. vertretene Auffassung, wonach § 1304 ABGB. nur zur Anwendung kommt, wenn ein Schuldtragender selbst Rechte geltend macht oder wenn Verschulden eines Dritten eingewendet wird, für den der Beschädigte haftet, zwingend logisch. Nach dieser Auffassung kommt § 1304 ABGB. daher nicht zur Anwendung, wenn Hinterbliebene nach § 1327 ABGB. Ersatzansprüche geltend machen und der Getötete an seinem Tode mitschuldig war. Das Berufungsgericht hat nun, wie es selbst sagt, zur Frage, welche der beiden Auffassungen dem Gesetze entspricht, nicht Stellung genommen, weil es der Meinung ist, daß die Entscheidung des Erstgerichtes nach beiden Auffassungen dem Gründe nach richtig ist. Damit erledigen sich aber die Ausführungen der Revision, soweit sie darzutun versuchen, daß die in der zweiten Auflage von Klang's Kommentar vertretene Auffassung dem Gesetze nicht entspricht.

Die Revision meint weiter, daß, wenn vorsätzliches und fahrlässiges Verschulden konkurrieren, der Geschädigte, dem Vorsatz zur Last fällt, überhaupt nichts beanspruchen kann, weil in solchem Falle Schadensteilung ausgeschlossen ist. Dieser Auffassung vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu folgen, sie ist auch durch die Bestimmung des § 1304 ABGB. nicht gedeckt und steht in Widerspruch zur ständigen Praxis der Gerichte, die Schadensteilung gerade auch dann annehmen, wenn der Angriff durch den Verletzten provoziert ist oder sonst durch bös vorsätzliches Verhalten des Geschädigten ausgelöst wurde (ZBl. 1935, Nr. 157; ZBl. 1933, Nr. 148). Das Gesagte gilt insbesondere auch nach strafgerichtlicher Verurteilung des Verletzers wegen Notwehrexzeß (Amtl. Slg. XV/5979). Wenn aber die Revision versucht, die Reaktion des Beklagten auf die Angriffe seiner Verfolger als harmlos hinzustellen, so sind diese Ausführungen nicht weiter zu beachten, weil sie ins Gebiet der Beweiswürdigung fallen, das Gesetz aber einen Revisionsgrund unrichtiger Beweiswürdigung nicht kennt. Der Hinweis der Revision auf den Umstand, daß sich beim Überfall auf den Beklagten nicht nur der Getötete, sondern noch mindestens eine zweite Person beteiligte, und im Zusammenhang damit die Beanständung der Schadensaufteilung verdient deshalb keine Beachtung, weil das Prozeßgericht festgestellt hat, daß nach den Begleitumständen der Tat sich das Verschulden des Beklagten einerseits und jenes der Angreifer anderseits so ziemlich die Waage halten. Diese Feststellung ist nicht nur eine solche rechtlicher, sondern auch tatsächlicher Natur.

Zuzugeben ist der Revision, daß der zuerkannte Anspruch nicht nur im Falle der Wiederverehelichung der Klägerin bzw. des Ablaufes von 30 Jahren, sondern auch im Falle des Todes der Klägerin erlischt. Das brauchte aber nicht ausdrücklich gesagt zu werden, weil es sich schon aus dem Gesetze ergibt. Der Anspruch der Witwe nach § 1327 ABGB. ist doch nichts anderes als ein Ersatz für den entgangenen Unterhalt und steht nur dem zu, für dessen Unterhalt der Getötete nach dem Gesetze zu sorgen hatte.

Die Revision behauptet zwar, daß die Untergerichte auf die Rente jene Beträge nicht angerechnet haben, die der Klägerin auf Grund öffentlich-rechtlicher Versicherung als Hinterbliebenenrente zufließen, unterläßt es aber, anzuführen, welche Beträge dies sein sollen. Das Prozeßgericht hat erhoben, daß Klägerin nur eine Rente für das Kind von der Sozialversicherungsanstalt bezieht. Diese Rente hat aber bei Berechnung der Rente der Klägerin außer Anschlag zu bleiben, da sie nicht ihr, sondern dem Kinde gebührt.

Wenn schließlich die Rechtsrüge darauf verweist, daß die Klägerin von Anfang nur 150 S als Monatsrente ohne Bedachtnahme auf Verschuldensteilung begehrt hat, es daher nicht angeht, ihr bei Schadensteilung den vollen Betrag von 150 S statt nur 75 S zuzusprechen, so ist den Untergerichten auch in diesem Belange kein Rechtsfehler vorzuwerfen, weil die Klägerin sich von Anfang an mit Rücksicht auf die Verhältnisse des Beklagten nur auf einen Bruchteil des wirklich entgangenen Unterhalts, wie aus der Klagserzählung deutlich hervorgeht, beschränkt und darüber hinaus im Schriftsatze vom 31. August 1950, ihr Begehren ausdrücklich auch für den Fall der Schadensteilung aufrecht erhielt.

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