Spruch:
Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Hingegen wird der Revision der klagenden Parteien Folge gegeben und die Entscheidung des Berufungsgerichtes dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 9.802,12 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 1.627,02 USt und S 40,-- Barauslagen) und die mit S 13.333,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.388,84 USt und S 5.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Maßgeblich für den Amtshaftungsanspruch der Kläger ist der Inhalt des - noch anhängigen - zivilgerichtlichen Verfahrens AZ 27 Cg 169/85 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien (im Folgenden Vorverfahren), in dem die Kläger als dortige Beklagte (im Folgenden als Kläger bezeichnet) ebenfalls durch ihren nunmehrigen Rechtsbeistand (im Folgenden Klagevertreter) vertreten waren:
Im Vorverfahren belangte am 26. Juni 1985 Martin S*****, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christian J*****, die Kläger wegen Zahlung von zuletzt S 136.521,-- sA mit der Behauptung, der Zweitkläger habe sich mit Verpflichtungserklärung vom 5. Mai 1984 zur Abgeltung der Aufwendungen von Martin S***** an der Martin S***** Gesellschaft mbH zur ratenweisen Zahlung von S 220.000,-- verpflichtet; die Erst- und Drittkläger seien dieser Verpflichtung als Solidarschuldner beigetreten. Infolge Nichteinhaltung der vereinbarten Ratenzahlungen sei Terminsverlust eingetreten; abzüglich von Teilzahlungen hafte der Klagsbetrag aus. Nach fünf Tagsatzungen zur mündlichen Streitverhandlung trat in der Tagsatzung vom 23. Juni 1988 Richterwechsel ein, die Rechtssache wurde nun von der - zwischenzeitig in den Ruhestand getretenen - Richterin des Landesgerichtes Mag. Eva Ludmilla P***** geführt.
Die folgende Tagsatzung vom 12. August 1988 (Dauer 7/2 Stunden) endete ohne Vernehmung des anwesenden Erstklägers, weil die Richterin dem Klagevertreter (des Vorverfahrens) zugesagt hatte, die Tagsatzung um 13.50 Uhr zu beenden; die Tagsatzung wurde auf 25. August 1988, 13.00 Uhr, erstreckt, die voraussichtliche Verhandlungsdauer mit 4/2 Stunden angegeben. Am 23. August 1988 langte bei Gericht ein Beweisantrag des Klagevertreters vom 22. August 1988 ein, in dem er unter anderem ohne weitere Konkretisierung mitteilte, der Erstkläger könne „infolge einer dringlichen Auslandsreise“ zum Verhandlungstermin 25. August 1988 nicht erscheinen, und sein Nichterscheinen entschuldigte.
Zu Beginn der Tagsatzung vom 25. August 1988 forderte die Richterin den Klagevertreter unter Hinweis darauf, dass der Termin im Einvernehmen mit dem Erstkläger getroffen worden sei, auf, seine „lakonisch“ gehaltene Entschuldigung für dessen Nichterscheinen zu konkretisieren. Daraufhin erklärte der Klagevertreter nach dem Inhalt des Protokolles (ON 32 AS 135 im Vorverfahren) zuerst, es sei in der GeO nicht vorgesehen, dass ein Rechtsanwalt seinen Klienten rechtfertige, dann, der Vater des Erstklägers habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass sich letzterer in Spanien aufhalte, weil er einen dringenden Geschäftstermin mit einem Geschäftspartner einzuhalten habe; der Erstkläger sei ein vielbeschäftigter Mann, und zwar auf dem Gebiet von Konzertveranstaltungen und habe bei der Terminvereinbarung während der letzten Tagsatzung auf seine Auslandsaufenthalte hingewiesen. Über Befragen durch die Richterin, ob der Betrieb des Erstklägers ein Einmannbetrieb sei, brachte der Klagevertreter vor, hiezu nichts vorbringen zu können. Daraufhin regte der Gegenvertreter an, die berufsbedingte Verhinderung des Erstklägers auf kurzem Weg durch ein kurzes Telefonat in der „Firma“ des Erstklägers zu klären, zumal seinem Klienten kurz vor dieser Verhandlung mitgeteilt worden sei, dass sich der Erstkläger auf Urlaub befinde; der Klagevertreter (des Vorverfahrens) gab dem Gericht die Telefonnummer des Unternehmens des Erstklägers bekannt. Der Klagevertreter ersuchte, dass die Richterin seine Äußerung nach dem Vorbringen des Gegenvertreters „vielleicht sagt man dem Gericht etwas anderes als dem Kläger“ im Verhandlungsprotokoll festhalte. Nun rief die Richterin die ihr angegebene Telefonnummer an, es meldete sich dort „L***** Productions“ und eine Frau erteilte der Richterin, die ihren Namen ohne Beifügung der Dienststelle genannt hatte, die Auskunft, dass sich der Erstkläger bis Freitag geschäftlich außerhalb Wiens aufhalte. Sodann wies die Richterin den Klagevertreter darauf hin, die Vermutung, dass dem Gericht etwas anderes mitgeteilt worden sei als dem Kläger (im Vorverfahren), habe sich somit bestätigt. Nach der von 14.30 bis 15.50 Uhr in emotionsgeladener Atmosphäre abgehaltenen Vernehmung des Vaters des Klägers (im Vorverfahren) als Zeuge, ersuchte der Klagevertreter um Erstreckung der Tagsatzung, weil er in seiner Eigenschaft als Anwalt um 16.00 Uhr eine schwer erkrankte Frau im evangelischen Spital besuchen müsse und verwies darauf, dass er sich auf die angegebene Verhandlungsdauer von 4/2 Stunden eingestellt habe, in seiner Kanzlei noch Fristsachen erledigen müsse und ihm aus der Fortsetzung der Tagsatzung unabsehbare kanzleitechnische Schwierigkeiten erwachsen könnten. Die Richterin setzte jedoch, von einer 15-minütigen Unterbrechung abgesehen, die Verhandlung fort, welche nach Vernehmung des Drittklägers nach einer Dauer von 14/2 Stunden um 19.40 Uhr endete. Im Verlauf eines anschließend außerhalb der Verhandlung zwischen der Richterin und dem Klagevertreter geführten Gespräches, in dem beide versuchten, ihren Standpunkt darzulegen, erklärte die Richterin gegenüber dem Klagevertreter, die Heftigkeit seines Verhaltens sei ihr nicht nachvollziehbar, sie habe „eine derartig heftige emotionale Reaktion bisher nur bei einem Baby gesehen, dem man die Milchflasche oder den Schnuller wegnimmt“. Der Klagevertreter lehnte daraufhin mit Schriftsatz vom 26. August 1988 die Richterin wegen Befangenheit ab; sein umfangreicher Ablehnungsantrag war nicht nur auf die zuletzt wiedergegebene Äußerung der Richterin, sondern insbesondere auf das ihm gegenüber im Hinblick auf die Entschuldigung des Erstklägers an den Tag gelegte „unangebrachte Misstrauen“, die „ohne Angabe ihrer richterlichen Funktion erfolgte telefonische Rückfrage in dessen Firma“, die seiner Ansicht nach „sachlich nicht gerechtfertigte Abweisung seines Vertagungsantrages unter Weiterführung der Verhandlung bis zu einer Dauer von sieben Stunden“ und eine Reihe weiterer, für die unsachliche Haltung der Richterin angeblich Zeugnis ablegender Umstände gestützt.
In der folgenden, für 11.00 Uhr anberaumten und um 12.00 Uhr begonnenen Tagsatzung vom 29. August 1988 gab der Klagevertreter nach Wiederholung der bisherigen Verfahrensergebnisse und einvernehmlicher Berichtigung der Protokollausfertigungen von ON 30 und ON 32 bekannt, dass er die Richterin am 26. August 1988 im Hinblick auf § 183 Abs 1 GeO abgelehnt habe. Die Tagsatzung wurde nach einer Dauer von 17/2 Stunden (Ende 20.25 Uhr) auf den 30. August 1988, 12.00 Uhr, erstreckt.
In dieser Tagsatzung vom 30. August 1988 (Dauer 11/2 Stunden) wurde der Klagevertreter (des Vorverfahrens) als Zeuge vernommen und gab dabei eine - im Verhandlungsprotokoll nicht festgehaltene - Äußerung seines früheren Chefs, des Vaters des Klägers (des Vorverfahrens), wieder, der ihn mit folgenden Worten vor den Klägern gewarnt habe:
„Kollege, passen's auf, das sind Schlitzohren ...“. Im Anschluss an diese Äußerung des Zeugen bemerkte die Richterin (zu dem ihr gegenüber sitzenden Rechtspraktikanten): „Das sage ich auch!“ Sie wollte damit zum Ausdruck bringen, dass auch sie manchmal ihre Freunde im lockeren Gespräch als „Schlitzohren“ bezeichne. Die Verhandlung wurde nach § 193 Abs 3 ZPO (Urteilsfassung vorbehalten bis zur Entscheidung über die Befangenheitsanzeige) geschlossen.
Die Kläger brachten am 2. September 1988 einen weiteren Ablehnungsantrag ein, in welchem sie unter anderem die Äußerung von den „Schlitzohren“ als weiteren Befangenheitsgrund geltend machten. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien sprach mit Beschluss vom 6. Dezember 1988, AZ 45 Nc 47/88 = GZ 27 Cg 169/85-37, den Parteienvertretern zugestellt am 30. Dezember 1988, die Befangenheit der Richterin aus; die Befangenheit erachtete es mit Rücksicht auf die „nicht recht verständliche Abweisung des Vertagungsantrages, die exorbitante Überschreitung der vorgesehenen Verhandlungsdauer trotz Vorliegens eines begründeten Erstreckungsantrages und die grobe Ungehörigkeit, die in der Äußerung vom Baby mit der Milchflasche bzw dem Schnuller zum Ausdruck komme“, gegeben.
Im Vorverfahren wurde in der folgenden Tagsatzung vom 4. April 1989 vom neuen Richter der Beschluss auf Neudurchführung des Verfahrens wegen Richterwechsel nach § 412 ZPO gefasst, ohne dass Aktenteile verlesen worden wären. Hierauf beantragte der Klagevertreter, das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien möge in Form eines ergänzenden Beschlusses feststellen, inwieweit das (bisherige) Verfahren von der Nichtigkeitswirkung der Ablehnungsentscheidung erfasst sei. Hierauf wurde die Tagsatzung auf unbestimmte Zeit erstreckt und der Akt dem zuständigen Ablehnungssenat übermittelt, der mit Ergänzungsbeschluss vom 25. Juli 1989, AZ 45 Nc 47/88 = GZ 27 Cg 169/85-41, die Verhandlungstagsatzungen vom 29. und 30. August 1988 für nichtig erklärte. Über Rekurs der Kläger sprach das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht schließlich mit Beschluss vom 13. September 1989, AZ 18 R 189/89 = 27 Cg 169/85-42, aus, dass das Vorverfahren ab der Tagsatzung vom 23. Juni 1988 für nichtig erklärt werde; zufolge § 25 letzter Satz JN sei das gesamte, dem Ablehnungsbeschluß vorhergehende Verfahren, an dem der abgelehnte Richter teilgenommen habe, von der Nichtigkeit betroffen.
Die Kläger vereinbarten mit dem Klagevertreter die Geltung der Autonomen Honorarrichtlinien (AHR).
Die Kläger begehren von der Republik Österreich aus dem Rechtsgrund der Amtshaftung Zahlung von je S 28.215,12 (insgesamt S 84.645,35) sA; a) als Kosten des gesamten für nichtig erklärten Verfahrens (Tagsatzungen vom 23. Juni 1988, 12., 25., 29. und 30. August 1988 sowie Beweisantrag vom 22. August 1988) von S 78.135,98 und b) - je zu einem Drittel - S 6.509,38 aus höheren Kosten (100 % Zuschlag gemäß § 16 AHR) für die Tagsatzungen vom 25. und 29. August 1988 infolge Vereinbarung der AHR mit ihrem Rechtsbeistand. Das in den Ablehnungsanträgen dargestellte Verhalten der Richterin im Vorverfahren sei sowohl wegen Parteilichkeit und Unsachlichkeit (Verstoß gegen § 57 Abs 1 RDG, § 52 Abs 1 und 2 GeO, § 1295 Abs 2 ABGB, § 22 GOG, §§ 111 Abs 1, 115 Abs 1 StGB, Art 6 MRK) rechtswidrig als auch (grob) schuldhaft gewesen.
Die beklagte Partei wendet im Wesentlichen ein, das inkriminierte Verhalten der Richterin im Vorverfahren sei weder kausal für den Schadenseintritt noch rechtswidrig noch schuldhaft gewesen. Der behauptete Schaden könnte erst eintreten, wenn im Anlassverfahren eine Kostenentscheidung getroffen worden sei; bis dahin hätten die Parteien ihre Kosten jedenfalls selbst zu bestreiten (§ 40 Abs 1 ZPO). Die Kostendifferenz zwischen den AHR und den Ansätzen nach dem RATG sei kein ersatzfähiger Schaden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Richterin im Vorverfahren habe den Bestimmungen des § 57 Abs 1 RDG (unparteiische Pflichterfüllung, vorwurfsfreies Verhalten und Unterlassung alles dessen, was das Vertrauen in die richterlichen Amtshandlungen oder die Achtung vor dem Richterstand schmälern könnte) und § 52 GeO (Wahrung der gebotenen Höflichkeit im dienstlichen Verkehr gegenüber den Parteien, ruhige Begegnung diesen gegenüber, streng sachliche Führung des Parteienverkehrs, Unterlassung von Streitigkeiten mit den Parteien und ihren Vertretern, von nicht das prozessuale Verhalten betreffenden Rügen, von Werturteilen oder spöttischen Bemerkungen) zuwider gehandelt. Dies zeige insbesondere ihr Verhalten zu Beginn der Tagsatzung vom 25. August 1988 anlässlich der Entschuldigung des Erstklägers durch den Klagevertreter, die Nichtstattgebung von dessen Vertagungsbitte in dieser Tagsatzung, die ebenfalls an diesem Tag gemachte Bemerkung zum Klagevertreter, eine derartig heftige emotionelle Reaktion bisher nur bei einem Baby, dem man die Milchflasche oder den Schnuller weggenommen habe, gesehen zu haben, wie auch ihre im Anschluss an die Aussage des Klagevertreters (des Vorverfahrens), betreffend die „Schlitzohren“ gemachte Bemerkung „Das sage ich auch!“. Die Richterin habe daher gegen die genannten, das richterliche Verhalten normierenden Verpflichtungen verstoßen und somit rechtswidrig und - weil sie über ihre richterlichen Pflichten Bescheid gewusst habe - auch schuldhaft gehandelt. Die beklagte Partei habe daher den Klägern sämtliche Kosten des für nichtig erklärten Verfahrens einschließlich der auf den AHR beruhenden Kosten zu ersetzen, weil die Kläger, zwischen denen und ihrem Rechtsbeistand die Anwendung der AHR vereinbart gewesen sei, auch insoweit einen Schaden erlitten haben.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil teilweise dahingehend ab, dass es den Klägern nur einen Betrag von je S 12.031,13 sA zusprach und das Mehrbegehren von je S 16.183,99 sA abwies. Dabei traf es noch einige ergänzende, oben gleichfalls wiedergegebene Feststellungen über den Inhalt des Vorverfahrens. Die ordentliche Revision ließ es zu. Rechtlich vertrat die zweite Instanz im Wesentlichen die Auffassung, dass nur jener Verfahrenskostenaufwand, der nach der Bekanntgabe der erfolgten Ablehnung in der Tagsatzung vom 29. August 1988 aufgelaufen sei, einen vom richterlichen Organ adäquat kausal, rechtswidrig und schuldhaft zugefügten Schaden darstelle. Weder die telefonische Überprüfung der Entschuldigung des Erstklägers noch die Ablehnung der Erstreckung der Tagsatzung hätten eine Befangenheit der Richterin begründen können, wohl aber ihre Äußerungen gegenüber dem Klagevertreter im Anschluss an die Tagsatzung vom 25. August 1988, sie habe eine derartig heftige emotionelle Reaktion bisher nur bei einem Baby gesehen, dem man die Milchflasche oder den Schnuller wegnimmt, und in der Tagsatzung vom 29. August 1988 („Schlitzohren“ ... „Das sage ich auch.“). Von der Nichtigkeitssanktion seien nur jene Prozesshandlungen betroffen, die zum Anlass der erfolgreichen Ablehnung genommen worden seien. Müsse bereits bezweifelt werden, dass das der Richterin die Ablehnung nach sich ziehende Verhalten für diesen Verfahrensabschnitt (bis einschließlich der Tagsatzung vom 25. August 1988) überhaupt adäquat kausal gewesen sei, so könne jedenfalls kein Zweifel daran bestehen, dass ihr an der Nichtigerklärung dieses Verfahrensteiles kein Verschulden zur Last gelegt werden könne. Mangelndes Verschulden der Richterin sei aber auch insoweit anzunehmen, als es sich um die Kosten des für nichtig erklärten Verfahrens für die ersten beiden halben Stunden der Tagsatzung vom 29. August 1988 handle. Der Klagevertreter habe nämlich die Tatsache, dass er die Richterin abgelehnt habe, in dieser Tagsatzung erst nach Wiederholung der bisherigen Verfahrensergebnisse gemäß § 138 ZPO sowie nach einvernehmlicher Berichtigung der vorhergehenden Verhandlungsprotokolle ON 30 und 32 bekanntgegeben, sodass der Richterin, die vom Ablehnungsantrag offensichtlich vorher keine Kenntnis gehabt habe, nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, dass sie von der Verhandlungsführung nicht gleich zu Beginn dieser Tagsatzung Abstand genommen habe. Da diese Tagsatzung für 11.00 Uhr anberaumt gewesen sei, wäre es dem Klagevertreter als Ablehnungswerber überdies möglich und zumutbar gewesen, das Gericht schon in den Morgenstunden des Verhandlungstages von der Ablehnung in Kenntnis zu setzen. Demgemäß habe der beklagte Rechtsträger für die Kosten der Tagsatzung vom 29. August 1988 erst ab der dritten halben Stunde Ersatz zu leisten.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen der Parteien sind zulässig, weil die Ansprüche der iS des § 11 Z 1 ZPO streitgenössischen Kläger nach § 55 Abs 1 Z 2 JN zusammenzurechnen sind und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes über die amtshaftungsrechtlichen Kostenfolgen bei erfolgreicher Ablehnung eines Verhandlungsrichters in Zivilsachen fehlt.
Die Revision der beklagten Partei ist nicht, die der klagenden Parteien hingegen gerechtfertigt.
Das Amtshaftungsgericht ist an die, den rechtskräftigen Entscheidungen des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 6. Dezember 1988 und vom 25. Juli 1989, AZ 45 Nc 48/88, sowie des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 13. September 1989, AZ 18 R 189/89, zugrunde liegenden Tatsachen im Vorverfahren über die Befangenheit der Richterin und die Nichtigerklärung des Vorverfahrens ab der Tagsatzung vom 23. Juni 1988 gebunden, muss aber jedenfalls das Verschulden im Verhalten der Richterin im Vorverfahren als Organ des Rechtsträgers ebenso selbständig prüfen (vgl SZ 63/223) wie die Tatsache, ob den Klägern (bereits) ein Schaden entstanden ist.
Gemäß § 25 JN sind, wird der Ablehnung stattgegeben, die vom abgelehnten Richter vorgenommenen Prozesshandlungen nichtig und, soweit erforderlich, aufzuheben. Über die Nichtigkeit der vom abgelehnten Richter vorgenommenen Prozesshandlungen ist im Ablehnungsbeschluss zu entscheiden. Sein Inhalt ist für die Beurteilung maßgebend, inwieweit das vom abgelehnten Richter geführte Verfahren nichtig ist (NZ 1988, 76; ÖA 1988, 109 = EFSlg 49.241). Die Ablehnungsgründe sind grundsätzlich nur über Parteienantrag zu berücksichtigen und bewirken eine Nichtigkeit der durch den abgelehnten Richter gesetzten Verfahrenshandlungen. Während die Nichtigkeit beim ausgeschlossenen Richter ex lege gegeben ist, wird sie beim abgelehnten Richter durch den Ablehnungsbeschluss rückwirkend festgestellt. Nichtig ist schon angesichts des Gebotes des Art 6 MRK nach einem „fair trial“ jeder Akt, der unter Mitwirkung des abgelehnten Richters zustande kam. War der Richter von Prozessbeginn an beteiligt, ist das Verfahren ab einschließlich der Klagszustellung als nichtig aufzuheben, bei Richterwechsel wie hier vom Eintritt des (erfolgreich) abgelehnten Richters an (Fasching I 214 und Lehrbuch2 Rz 161).
Der Schadensbegriff des § 1293 ABGB ist sehr weit gefasst. Er umfasst jeden rechtlich als Nachteil zu beurteilenden Zustand, an dem ein geringeres rechtliches Interesse besteht als am bisherigen Zustand (RdW 1989, 221; 1 Ob 533/92 ua; Wolff in Klang 2 VI 1). Nachteil am Vermögen ist somit jede Minderung im Vermögen, der kein volles Äquivalent gegenübersteht (1 Ob 533/92; Reischauer in Rummel 2, Rz 5 zu § 1293 ABGB). Vermögensminderung ist nicht bloß die Einbuße an Aktiven, sondern auch jedes Anwachsen der Passiven, etwa durch eine Honorarforderung des eigenen Rechtsbeistandes. Wie der erkennende Senat in der Entscheidung SZ 59/141 mit ausführlicher Begründung und ihr folgend in SZ 62/6 mwN dargelegt hat, kann auch ein Verfahrenskostenaufwand bei Zutreffen der sonstigen Voraussetzungen als Schaden iS des § 1 Abs 1 AHG mit Erfolg geltend gemacht werden, selbst wenn die in Betracht kommende Verfahrensordnung keinen Kostenersatz kennt. Der Schaden der Kläger besteht hier als frustrierte (sinnlos gewordene) Aufwendungen in der Honorarforderung des Klagevertreters - einschließlich der aus den AHR begründeten - an die Kläger für den infolge der erfolgreichen Ablehnung der Richterin als nichtig aufgehobenen Verfahrensabschnitt und nicht, wie die beklagte Partei meint, in den durch die Ablehnung der Richterin und Nichtigerklärung eines Verfahrensabschnittes erforderlich werdenden zusätzlichen Kosten. Entgegen der Auffassung der zweiten Instanz sind adäquat kausal alle in diesen Verfahrensabschnitt fallenden - als durch die Ablehnung betroffenen - Kosten und nicht nur die Kosten für die Verfahrenshandlungen, die ab Eintritt eines Ablehnungsgrundes durch die Richterin gesetzt werden.
Nach Lehre und Rechtsprechung (RdW 1989, 221; SZ 53/107 ua; Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht Allgemeiner Teil3 256; Reischauer in Rummel, Rz 5 zu § 1293 ABGB; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 15 f) tritt ein Nachteil am Vermögen schon mit dem Entstehen der Verbindlichkeit ein, auch wenn diese noch nicht fällig sein sollte. Hier entstanden die die Kläger treffenden Kosten ihres Vertreters mit der Vornahme der entsprechenden Prozesshandlung.
Liegt die schädigende Handlung in der Veranlassung einer erfolgreichen Ablehnung, so kann der auf Ersatz von Kosten des deshalb für nichtig erklärten Verfahrens(-abschnittes) gerichtete Schadenersatzanspruch nicht mit der Begründung verneint werden, dass der Geschädigte einen öffentlich-rechtlichen Kostenersatzanspruch nach der ZPO hätte (vgl dazu Meier, Prozesskosten und Amtshaftung in JBl 1979, 617 ff, 619). Den Beweis, dass die Geschädigten bereits von ihrem Prozessgegner diese Kosten obsiegt und erhalten hätten (vgl ecolex 1992, 557) hat die beklagte Partei nicht angetreten. Das Vorverfahren ist ja noch anhängig.
Ob die Überprüfung der nicht ausreichenden Entschuldigung des der Tagsatzung vom 25. August 1988 ferngebliebenen Erstklägers durch die Richterin des Vorverfahrens und ihre Ablehnung einer Vertagung der Tagsatzung ihre Befangenheit begründen konnte, kann auf sich beruhen. Denn jedenfalls ihre Äußerung zum Klagevertreter, eine derartig heftige emotionelle Reaktion bisher nur bei einem Baby, dem man die Milchflasche oder den Schnuller weggenommen habe, gesehen zu haben, wenngleich außerhalb einer gerichtlichen Tagsatzung (vom 25. August 1988) gefallen, stellt als unzulässige beleidigende Bemerkung einen Verstoß gegen das dem Richter durch § 52 GeO auferlegte Sachlichkeitsgebot dar. Der Richter darf lebhaft sein, auch laut und deutlich sprechen und seiner Pflicht mit Eifer und Leidenschaft nachgehen, aber Entgleisungen, grobe Unsachlichkeiten, rein gefühlsmäßig wertende, herabwürdigende oder gar beleidigende Äußerungen begründen die Besorgnis der Befangenheit, auch wenn in freier Rede und Gegenrede während der mündlichen Verhandlung (oder auch danach) dem Richter schon eher einmal unbeabsichtigt ein „Ausrutscher“ unterlaufen kann (Feiber in Münchener Kommentar zur ZPO, Rz 24 zu § 42 dZPO). Die genannte Äußerung geht aber darüber hinaus und stellt, wie die Vorinstanzen übereinstimmend und zutreffend erkannten, auch im Kontext mit den Begleitumständen eine Beleidigung des Klagevertreters dar. Vom Richter wird (zu Recht) mehr Disziplin erwartet als von anderen Prozessbeteiligten. Dieses rechtswidrige Verhalten der Richterin führte zu Recht zu ihrer Ablehnung wegen Befangenheit und damit zwingend (§ 25 JN) zur Nichtigerklärung des gesamten Verfahrensabschnittes. Auf die Äußerung der Richterin in der Tagsatzung vom 30. August 1988 („Schlitzohren“ ... „Das sage ich auch“) kommt es nicht mehr an, weil auch diese Tagsatzung vom Ablehnungsgrund der obgenannten Beleidigung betroffen war.
Die Schadenersatzpflicht des Rechtsträgers wird nur dann ausgelöst, wenn die vom Organ übertretene Vorschrift - gerade oder auch - den Schutz des Geschädigten vor Nachteilen, wie sie tatsächlich eingetreten sind, bezweckt. Die Vorschrift des § 52 GeO bezweckt zumindest auch die Gewährleistung eines fairen Verfahrens, womit der Rechtswidrigkeitszusammenhang nicht fraglich sein kann und im Rechtsmittel der beklagten Partei auch nicht mehr in Frage gestellt wird.
Rechtsträger haften nicht nur für grobes, sondern auch für leichtes, am Maßstab des § 1299 ABGB zu messendes Verschulden ihrer Organe (SZ 63/106, SZ 62/6, je mwN ua). Es begründet allerdings nicht schon jedes rechtswidrige Organverhalten einen Amtshaftungsanspruch. Ein Verschulden eines Organs liegt dann nicht vor, wenn seine Entscheidung oder sein Verhalten auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruht (SZ 62/6 mwN ua). Das in der genannten Äußerung als rechtswidrig zu beurteilende Verhalten der Richterin im Vorverfahren ist iS der genannten Kriterien in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen auch als schuldhaft zu bezeichnen, weil es zum Wissensstand eines Richters oder einer Richterin gehören muss, dass er einerseits Parteien und deren Vertreter nicht beleidigen darf und andererseits bei berechtigten Ablehnungsanträgen mit der Nichtigerklärung von Prozesshandlungen nach § 25 letzter Satz JN und damit auch dem Auflaufen von frustriertem Kostenaufwand für diesen gesamten Verfahrensabschnitt rechnen muss.
Demgemäß ist der Revision der beklagten Partei nicht, hingegen der Revision der klagenden Parteien Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Den klagenden Parteien waren Kosten für ihre Rechtsmittelschriften nur auf der Basis ihres Rechtsmittelinteresses zuzusprechen.
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