Normen
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm §1
WRG 1959 §39
Einführungsgesetz zur Jurisdiktionsnorm §1
WRG 1959 §39
Spruch:
Konkurrierende Zuständigkeit von Gericht und Wasserrechtsbehörde.
Entscheidung vom 20. Dezember 1963, 1 Ob 38/63.
I. Instanz: Bezirksgericht Murau; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.
Text
Laut dem Vorbringen in der Klage sind die Kläger Eigentümer der Liegenschaften EZ. 60 KG. R. mit dem Grundstück 283/1 Acker, der Beklagte ist seit dem Jahre 1959 Eigentümer der Liegenschaft EZ. 76, 130 KG. R. mit dem Grundstück 278/3 Wiese. Der Beklagte habe - so brachten die Kläger weiters vor - noch im Jahre 1959 bezüglich eines bis dahin über dieses Grundstück abfließenden und dort versickernden Quellwassers Vorkehrungen getroffen, nach denen das Quellwasser bergabwärts geflossen und auf diese Weise auf das tiefer gelegene, den Klägern gehörige Flurstück 283/1 gelangt sei; es habe dort Geschiebe abgelagert und das Grundstück versumpft; der Beklagte habe Versuche der Kläger, den früheren Zustand wiederherzustellen, verhindert und sei auch einem Ersuchen des Klagevertreters, die Wasserableitung zu unterlassen und den vor 1959 bestandenen Zustand wiederherzustellen, nicht nachgekommen; aus diesem Verhalten ergebe sich, daß sich der Beklagte das Recht anmaße, das über seine Grundstücke fließende Quellwasser auf das Flurstück 283/1 abzuleiten. Die Kläger haben auf Grund dieser Behauptungen das Begehren gestellt 1. es werde dem Beklagten gegenüber festgestellt, daß ihm weder als Eigentümer der Liegenschaft EZ. 130 KG. R. noch persönlich die Dienstbarkeit dieser Wasserableitung zustehe, 2. dem Beklagten werde die Ableitung des Quellwassers untersagt, 3. er sei schuldig, das durch das Quellwasser auf das Flurstück 283/1 herabgeschwemmte Geschiebe binnen 14 Tagen von diesem Grundstück zu entfernen und 4. er sei schuldig, den Klägern den Betrag von 450 S s. A. zu bezahlen, wovon ein Betrag von 300 S für die bisher aufgewendeten Arbeiten der Kläger zur Beseitigung des Geschiebes und ein Betrag von 150 S als Ersatz für den Minderertrag der Kläger auf dem versumpften Grundstück während zweier Jahre verlangt werden.
Das Erstgericht, welches zunächst das Verfahren in der Hauptsache durchführte, gab der in der Folge vom Beklagten erhobenen Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges statt und wies die Klage, unter Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens, mit der Begründung zurück, daß gemäß § 98 WRG. die Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmannschaft) die Wasserrechtsbehörde sei, die nun auch über die Änderung der natürlichen Ablaufverhältnisse von Wässern zu entscheiden habe (§ 39 WRG.); es sei daher auch bei der Bezirkshauptmannschaft M. ein Verfahren eröffnet worden. Das Erstgericht stellte auf Grund der aufgenommenen Beweise noch fest, daß das Quellwasser zunächst über einen Schwemmhügel auf das Grundstück der Kläger geflossen sei und der Beklagte sodann etwas weiter westlich mehr gegen die Grenze (seines Grundstückes 278/3) einen 15 bis 25 cm tiefen Graben gezogen habe, durch den das Wasser direkt auf die südlich gelegene Parzelle der Kläger geleitet worden sei; diese Handlung stelle eindeutig eine Änderung des natürlichen Wasserlaufes dar und gehöre daher in die Kompetenz der Wasserrechtsbehörden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kläger statt. Es vertrat die Rechtsansicht, daß die geltend gemachten Ansprüche nicht auf den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes 1959 beruhten; zur Entscheidung über das Feststellungsbegehren, das sich im wesentlichen auf das Eigentumsrecht der Kläger stütze (§ 523 ABGB.), sei nur das Zivilgericht berufen; das gleiche gelte für den in der Klage erhobenen Untersagungs- und Wiederherstellungsanspruch; der Schadenersatzanspruch grunde sich nicht auf § 26 WRG. 1959, sodaß hiefür gleichfalls die verwaltungsbehördliche Zuständigkeit fehle; der Umstand, daß wegen der behaupteten Veränderung des Wasserablaufes durch den Beklagten vor der Verwaltungsbehörde bereits ein Verfahren anhängig sei, spreche nicht gegen die Zuständigkeit des Zivilgerichtes zur Entscheidung über die in der Klage erhobenen Ansprüche, weil derselbe Sachverhalt, ja sogar derselbe Anspruch, Gegenstand eines wasserrechtlichen und eines gerichtlichen Verfahrens sein könne (siehe Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, S. 388).
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Rekursgericht ist bei der Beantwortung der Frage, ob zur Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch die ordentlichen Gerichte zuständig sind, ob also die Zulässigkeit des Rechtsweges gegeben ist, zutreffend von den Behauptungen der Klage ausgegangen. Diesen zufolge hat der Beklagte den natürlichen Abfluß des Quellwassers in unzulässiger Weise verändert, er hat sich so verhalten, als ob ihm entweder als Eigentümer der Liegenschaft EZ. 130 KG. R. oder persönlich das Recht zustehe, die Wasserverhältnisse zu verändern und Eingriffe in das Eigentum der Kläger vorzunehmen. Das Begehren der Kläger geht daher, wie bereits ausgeführt, auf Feststellung des Nichtbestehens einer Dienstbarkeit, auf Untersagung der weiteren Ableitung, auf Entfernung des auf das Grundstück der Kläger herabgeschwemmten Geschiebes und auf Ersatz der bisherigen Auslagen. Das Ziel der Klage ist daher die Feststellung, daß das Eigentum der Kläger nicht durch eine Servitut belastet ist, das daraus sich ergebende Gebot an den Beklagten, weitere Eingriffe in das Eigentum der Kläger zu unterlassen und das Begehren, den entstandenen Schaden teils durch Naturalrestitution (Entfernung des Geschiebes), teils durch Geldleistung wiedergutzumachen. Die Entscheidung über eine derartige Negatorien- und Schadenersatzklage steht den ordentlichen Gerichten zu (vgl. SZ. XIII 216, SZ. XIX 155, u. a.).
Die Rekursausführungen des Beklagten sind nicht geeignet, die Unrichtigkeit dieser Rechtsansicht darzutun, da sie im wesentlichen davon ausgehen, daß die Klage eine Beschwerde nach § 39 WRG. 1959 darstelle. Das Begehren der Klage geht aber über die den Klägern nach dem Wasserrechtsgesetz zustehenden Möglichkeiten hinaus. Diese sind nämlich (vgl. Anm. 2 zu § 138 WRG. 1959 von Hartig, Ausgabe 1961) dadurch begrenzt, daß der Beklagte eine Strafanzeige nach § 137 WRG. erstatten oder nach § 138 WRG. die Beseitigung der eigenmächtigen Neuerung verlangen oder - zur Vorbereitung eines zivilrechtlichen Ersatzanspruches - lediglich die Feststellung seitens der Wasserrechtsbehörde verlangen kann, daß mit einer bestimmten nachteiligen Wirkung bei Erteilung der Bewilligung nicht gerechnet wurde.
Der von den Klägern geltend gemachte Sachverhalt mag also der Wasserrechtsbehörde wohl Anlaß zu einem Einschreiten geben können, aber nicht in der Richtung der von den Klägern in der Klage gestellten Begehren. Daß die Wasserrechtsbehörde im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung I. Instanz dessenungeachtet Verfügungen getroffen hätte, die sich als Entscheidung über das eine oder andere dieser Begehren darstellen würden, dies noch dazu rechtskräftig, ist von keiner Seite behauptet worden.
Dem Revisionsrekurs, in dessen Ausführungen letzten Endes die Rechtsnatur der geltend gemachten Ansprüche verkannt wird, ist daher ein Erfolg zu versagen.
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