OGH 1Ob360/47

OGH1Ob360/477.6.1947

SZ 21/36

Normen

ABGB §7
ABGB §1118
Mietengesetz §19 Abs2 Z3
ZPO §503 Z2
ZPO §503 Z4
ZPO §510
ZPO §560
ABGB §7
ABGB §1118
Mietengesetz §19 Abs2 Z3
ZPO §503 Z2
ZPO §503 Z4
ZPO §510
ZPO §560

 

Spruch:

Gekoppelter Miet- und Darlehensvertrag.

Zulässigkeit der vorzeitigen Kündigung des Bestandverhältnisses bei unleidlichen Verhalten des Untermieters, wenn der Hauptmieter keine Abhilfe schafft.

Ruf oder Interessen des Bestandgebers schädigendes Verhalten des Bestandnehmers (Untermieters), nachteiliger Gebrauch der Bestandsache.

Vorzeitige Kündigung an Stelle der Räumungsklage.

Entscheidung vom 7. Juni 1947, 1 Ob 360/47.

I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Die beiden unteren Instanzen haben die Aufkündigung der vom beklagten Ärar gemieteten Drei-Zimmer-Wohnung aufgehoben. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision Folge und hob die beiden untergerichtlichen Urteile auf.

Rechtliche Beurteilung

Begründung

Das Erstgericht hat die am 2. August 1946 für 1. November 1946 erfolgte Aufkündigung der von der Beklagten gemieteten Wohnung im Hause in Innsbruck, Rstraße 1/1, richtig 3/1, bestehend aus drei Zimmern, Küche und Zubehöre, als rechtswirksam erkannt. Es hat aus der von der Klägerin der Beklagten ausgestellten Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 18. September 1941 folgendes festgestellt:

Die Klägerin hat von der beklagten Partei (früher Deutsches Reich) ein Darlehen im Betrage von 10.000 RM, rückzahlbar in jährlichen Teilungsraten von einem Prozent und zum Zinsfuß des jeweiligen Reichsbanddiskontsatzes zur Fertigstellung ihres Wohnhausbaues in Innsbruck, Rstraße 3, erhalten. Das Darlehenskapital ist von seiten des Darlehensgebers bis zu dessen vollständiger Teilung unkundbar, von seiten der Darlehensnehmerin aber erst nach fünf Jahren, vom Tage der Zuzählung (18. September 1941) ab gerechnet (das ist also ab 18. September 1946), halbjährig kundbar. Die Darlehensnehmerin hat sich außerdem verpflichtet, die im Hause Rstraße 3 für einen Reichsbeamten zur Verfügung gestellt Wohnung auf jeden Fall insolange mietweise zu überlassen, bis die vollständige Tilgung oder die Rückzahlung des Darlehens erfolgt ist. Die Klägerin hat nun unleidliches Verhalten des von der beklagten Partei in die Wohnung gesetzten Polizeiobersekretärs Josef W. und seiner Familie als Kündigungsgrund im Sinne des § 19, Abs. 2, Z. 3 MietG. geltend gemacht. Sie behauptet, daß ihr Mann von Josef W. derart mißhandelt worden sei, daß er 14 Tage dienstunfähig gewesen wäre und daß auf Grund unbegrundeter Anzeigen des Josef W. wegen angeblich von ihrem Gatten verübter Kohlendiebstähle in einer einzigen Woche nicht weniger als drei ergebnislose Hausdurchsuchungen vorgenommen worden wären. Auch habe es die beklagte Partei trotz Vorstellungen unterlassen, die ihr mögliche Abhilfe zu schaffen. Hiezu wurde außer Streit gestellt, daß die Finanzlandesdirektion Innsbruck versucht habe, im Wege eines Wohnungstausches Abhilfe zu schaffen, daß aber dieser Versuch an der mangelnden Tauschbereitschaft der Interessenten scheiterte.

Das Erstgericht ging auf die von der Klägerin für das unleidliche Verhalten des W. und für die Unterlassung der der beklagten Partei obliegende Abhilfe angebotenen Beweise nicht ein, sondern hob die Kündigung aus dem rechtlichen Gründe als rechtsunwirksam auf, weil es sich hier in der Hauptsache um einen Darlehensvertrag handle und die mietweise Überlassung der Wohnung in dem der Klägerin gehörigen, mit den aus dem Darlehensvertrag gewonnenen Geldmitteln fertiggestellten Wohnhause an die beklagte Partei zum Zwecke der Unterbringung eines Staatsbeamten eine Gegenleistung der Klägerin für die Zuzählung des Darlehens sei; daher könne sich die Klägerin nicht einseitig von diesem Teile ihrer Vertragsverpflichtung befreien; sie müßte vielmehr zu diesem Zwecke den Darlehensvertrag halbjährig kundigen und die Darlehensschuld zurückzuzahlen, erst dann würde sie von ihrer Verpflichtung zur mietweisen Überlassung der Wohnung an die Beklagte frei werden.

Gegen dieses Urteil erhob die Klägerin die Berufung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens.

Das Berufungsgericht gab dieser Berufung unter Zulassung der Revision nicht Folge. Zwar schloß es sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes nicht an, daß die Überlassung der Wohnung an die Beklagte ein Teil der gesamten Vertragsleistung der Klägerin wäre, sondern gab vielmehr der Rechtsansicht Ausdruck, daß hier zwei selbständige, aber miteinander gekoppelte Verträge vorlägen, u. zw. der Darlehensvertrag mit der Verpflichtung der Klägerin auf mietweise Überlassung der Wohnung an die beklagte Partei bis zur vollständigen Tilgung oder Zurückzahlung des Darlehens und ein Mietvertrag über die fragliche Wohnung, dessen Dauer durch den aufrechten Bestand des Darlehenvertrages begrenzt sei. Diesen Darlehensvertrag habe aber die Klägerin nicht früher als nach dem 18. September 1946 kundigen können. Sie hat aber die vorliegende Kündigung schon am 2. August 1946 eingebracht. Dazu sei sie nicht berechtigt gewesen. Eine vorzeitige Auflösung des Bestandvertrages sei für sie lediglich aus den Gründen des § 1118 ABGB. möglich. Einen solchen mache sie aber gar nicht geltend. Daher gelangte das Berufungsgericht, allerdings aus anderen Gründen als das Erstgericht, zur Aufhebung der Kündigung und daher dazu, der Berufung nicht Folge zu geben.

Gegen dieses Berufungsurteil wendet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nach § 503, Z. 4 ZPO.

Der Oberste Gerichtshof hat hiezu folgendes erwogen:

Der Oberste Gerichtshof schließt sich der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes an, daß es sich hier um zwei miteinander gekoppelte Verträge handelt, u. zw. um einen Darlehensvertrag und um einen Mietvertrag, dessen zeitliche Begrenzung durch den aufrechten Bestand des Darlehensvertrages und auch durch dessen fünfjährige Unkundbarkeit auf Seiten der Klägerin gegeben ist, und ebenso auch der weiteren Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß eine vorzeitige Auflösung des Mietvertrages aus den Gründen des § 1118 ABGB. möglich ist; er billigt aber nicht die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die Behauptungen der Klägerin nicht zur Anwendung des § 1118 ABGB. ausreichten und ebenso auch nicht dessen Rechtansicht, daß die Klägerin infolge der für sie bis 18. September 1946 vereinbarten Unkundbarkeit des Darlehensvertrages auch den Mietvertrag nicht vorher, nämlich schon am 2. August 1946, hätte aufkundigen dürfen.

Es ist herrschende Lehre (Swoboda, Kommentar zum Mietengesetz 1929, Seite 209) und auch schon wiederholt vom Obersten Gerichtshof entschieden worden (E. vom 9. Juli 1932, 4 Ob 304/32, Gerichtshalle 1933, S. 8, vom 14. Dezember 1927, 1 Ob 1214/27, JBl. 1937, S. 204, allenfalls auch vom 1. Dezember 1931, 1 Ob 952/32, Zentralblatt 1932, Nr. 83), daß auch ein für eine bestimmte Zeit unkundbar abgeschlossener Bestandvertrag seitens des Bestandgebers kundbar ist, wenn der Bestandnehmer ein derartiges Verhalten an den Tag legt, daß dem Bestandgeber die weitere Zuhaltung des Vertrages nicht zuzumuten ist. Dem Verhalten des Hauptbestandnehmers steht naturgemäß auch das Verhalten des Unterbestandnehmers gleich, für dessen Verschulden der Bestandnehmer einzustehen hat (Klang, Kommentar zum ABGB., Band III, Seite 87 ff.), wobei es allerdings ein Erfordernis redlicher Rechtsausübung ist, daß der Bestandnehmer vom Verhalten seines Unterbestandnehmers zwecks Abhilfe in Kenntnis Gesetz wird.

Der Oberste Gerichtshof stimmt also dem Berufungsgericht bei, daß eine vorzeitige Auflösung des Bestandvertrages im Sinne des § 1118 ABGB. erwirkt werden kann; der normale Weg wäre allerdings eine Räumungsklage; hier hat aber die Klägerin den Weg einer Kündigung beschritten; das ist aber bedeutungslos, denn einerseits ist eine Kündigung nach den strengeren Bestimmungen der §§ 560 ff. ZPO. für den Mieter günstiger als eine nicht an diese Erfordernisse gebundene Räumungsklage, anderseits hat nach erstatteten Einwendungen der Kundigende ohnedies die Stellung eines Klägers, also genau dieselbe, die er hätte, wenn er von vornherein auf Räumung im Sinne des § 1118 ABGB. geklagt hätte. Die fünfjährige Unkundbarkeit des Mietvertrages auf Seite der Klägerin kann daher der Einbringung einer Kündigung vor Ablauf dieser Frist nicht unbedingt im Wege stehen.

Das Berufungsgericht ist weiterhin der Meinung, daß die von der Klägerin aufgestellten Behauptungen über das unleidliche Verhalten des Untermieters Josef W. und über die Unterlassung der nötigen Abhilfe seitens der beklagten Partei einen vorzeitigen Auflösungsgrund nach § 1118 ABGB. nicht darstellen; auch hierin pflichtet der Oberste Gerichtshof dem Berufungsgericht nicht bei. Vielmehr ist in den Anführungen der Klägerin bei einer den Gedanken des § 7 ABGB. entsprechenden Auslegung die Behauptung eines nachteiligen Gebrauches des Bestandgegenstandes durch die beklagte Partei im Sinne des § 1118 ABGB. zu erblicken. In seiner Entscheidung vom 9. Juli 1932, 4 Ob 304/32, Gerichtshalle 1933, S. 8 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß auch in einem den Ruf oder die Interessen des Bestandgebers schädigenden Verhalten des Bestandnehmers, ja sogar schon gegenüber seinen Mitbewohnern, auch dann ein nachteiliger Gebrauch der Bestandsache erblickt werden muß, wenn auch die Substanz des Bestandgegenstandes nicht beschädigt wird, also inbesondere dann, wenn sich dieses Verhalten gegen den Hauseigentümer und dessen Angehörige richtet. Das ist aber hier nach den Behauptungen der Klägerin der Fall.

Sie hatte nämlich, wie schon oben erwähnt wurde, behauptet, daß der Untermieter der beklagten Partei Josef W. ihren Gatten schwer mißhandelt habe, so daß dieser 14 Tage dienstunfähig gewesen sei, daß er auch gegen ihn unbegrundete Anzeigen wegen Kohlendiebstähle erstattet habe, die in einer Woche bei ihr zu drei ergebnislosen Hausdurchsuchungen geführt hätten, und daß die beklagte Partei die ihr mögliche Abhilfe unterlassen hätte; daher könne ihr, wie sie in ihrer Revision ausführt, die Zuhaltung des Mietvertrages trotz dessen Unkundbarkeit auf ihrer Seite bis zum 18. September 1946 und trotz seiner Dauer bis zur vollständigen Tilgung ihrer Darlehensschuld nicht zugemutet werden. Sie hatte auch für ihr Vorbringen in erster Instanz Beweise angeboten, welche die Untergerichte nicht durchgeführt haben.

Da also das Berufungsgericht von Rechtsansichten ausgegangen ist, die der Oberste Gerichtshof nicht teilt, und daher das Verfahren mit dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens nach § 503, Z. 2 ZPO. behaftet ist, diese Mangelhaftigkeit aber auch von der Klägerin mit Recht als Berufungsgrund in ihrer Berufung gegen das erstgerichtliche Urteil geltend gemacht wurde, mußte der Revision Folge gegeben und nach § 510, Abs. 1 ZPO. nicht nur das Berufungsurteil, sondern auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Streitsache an das Erstgericht zurückverweisen werden.

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