Spruch:
Dem Grundnachbarn steht gegen eine durch Bescheid der Wasserrechtsbehörde bewilligte unmittelbare Zuleitung von Wasser auf seinen Grund kein Untersagungsrecht, sondern nur der Anspruch auf Schadenersatz zu
OGH 28. Jänner 1976, 1 Ob 338/75 (LGZ Graz 5 R 208/75; BGZ Graz 27 C 643/75)
Text
Die gefährdete Partei begehrt als Eigentümerin der Liegenschaft EZ 594 KG L die Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch das Verbot an ihre Gegnerin, in das über die genannte Liegenschaft führende Rinnsal oberhalb derselben Abwässer des Kurinstitutes L einzuleiten. Sie behauptet, daß trotz der Errichtung einer Kläranlage, die nach der bevorstehenden Eröffnung dieses Betriebes zu erwartenden Immissionen weit über das ortsübliche Maß hinausgingen und daß sie dem Wasserrechtsverfahren, das dem Bau der Anlage voranging, widerrechtlich nicht beigezogen worden sei.
Das Erstgericht bewilligte die einstweilige Verfügung. Es nahm, zumal die Gegnerin der gefährdeten Partei wie auch die zuständige Verwaltungsbehörde eine sachgerechte Aufklärung verhindert hätten, als bescheinigt an, daß das über die Liegenschaft der gefährdeten Partei fließende Rinnsal oberhalb dieses Grundstückes auf Privatgrund entspringt und erst unterhalb der Liegenschaft der gefährdeten Partei in ein öffentliches Gewässer mundet. Die von der Gegnerin der gefährdeten Partei errichtete Kläranlage für das Sanatorium L wurde zwar von der Wasserrechtsbehörde bewilligt, die Antragstellerin aber von der mündlichen Verhandlung nicht verständigt. Da das Rinnsal wegen seiner geringen Wasserführung nicht geeignet ist. Vorfluter für die Einleitung selbst biologisch geklärter Abwässer zu sein, ist eine weit über das ortsübliche Maß hinausgehende Beeinträchtigung der Antragsteller zu erwarten. Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes ist das Rinnsal im Bereich der Liegenschaft der gefährdeten Partei noch ein privates Gewässer, die Abwasserbeseitigungsanlage der Gegnerin aber keine öffentliche Anlage, weil sie bloß zugunsten eines exklusiven Kreises von Privatrechtssubjekten betrieben werden soll. Die gefährdete Partei habe ihren Anspruch auf Unterlassung der Einleitung von Abwässern aus dem Titel des Eigentums- und des Nachbarrechtes bescheinigt, die Gefahr für ihre Rechte sei evident. Eine Unzulässigkeit des Rechtsweges sei nicht erkennbar.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gegnerin der gefährdeten Partei Folge und wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Gänze ab. Es übernahm zwar die Feststellungen des Erstgerichtes über den bescheinigten Sachverhalt und bejahte in der Begründung seines Beschlusses auch die Zulässigkeit des Rechtsweges, weil der Anspruch aus dem Privatrechtstitel des Eigentums erhoben werde, sowie den Eingriff der Gegnerin in ein Privatgewässer. Das Rekursgericht hielt aber den Unterlassungsanspruch mit Rücksicht darauf nicht für gegeben, daß die Wasserrechtsbehörde die Wasserbenutzungsanlage im Sinne des § 32 WRG genehmigt habe, so daß nach § 364a ABGB in Verbindung mit § 26 WRG nur noch Schadenersatz begehrt werden könne. Im Ergebnis käme die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung der Außerkraftsetzung eines Bescheides der Verwaltungsbehörde gleich, die mit dem Grundsatz der Gewaltentrennung nach Art. 94 B-VG unvereinbar wäre. Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurse der gefährdeten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß Streitigkeiten über wasserrechtliche Fragen sowohl Gegenstand eines gerichtlichen als auch eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens sein können, z. B. wenn sich ein Gründeigentümer oder Wasserberechtigter durch eine eigenmächtige Neuerung beschwert erachtet. In einem solchen Fall kann sowohl ein auf § 138 Abs. 1 WRG gegrundeter Antrag bei der Wasserrechtsbehörde als auch eine auf § 364 Abs. 2 ABGB gegrundete Klage bei Gericht eingebracht werden (Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, 388). Es kommt darauf an, ob nach dem Inhalt des bei Gericht gestellten Begehrens ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird; hierüber haben die ordentlichen Gerichte zu entscheiden (EvBl. 1972/204 u. a.). Für die Klage auf Unterlassung von Verletzungen des Eigentumsrechtes steht der Rechtsweg offen (vgl. zuletzt EvBl. 1974/69). Mit Rücksicht auf diese Rechtslage kann unerörtert bleiben, ob die bloß in der Begründung der vorinstanzlichen Entscheidungen ausgesprochene Rechtsansicht, daß der Rechtsweg zulässig sei, den OGH nach § 42 Abs. 3 JN, bindet.
In der Sache selbst kann dahingestellt bleiben, ob das über die Liegenschaft der Rekurswerberin führende Rinnsal ein privates Gewässer ist. Dem Rekursgericht ist nämlich im Ergebnis darin beizupflichten, daß der zu sichernde Anspruch selbst bei Bejahung dieser Frage nicht bescheinigt ist. Allerdings ist das Fehlen eines Untersagungsanspruches im Sinne des § 364 Abs. 2 ABGB nicht aus § 364a ABGB ableitbar. Denn diese Gesetzesbestimmung gilt nur für mittelbare Immisionen, während unmittelbare Zuleitung nach der allgemeinen Vorschrift des § 364 Abs. 2 letzter Satz ABGB ohne besondere Rechtsmittel unter allen Umständen, also selbst bei behördlich genehmigten Anlagen, unzulässig ist (Klang in Klang[2] II 177; Ehrenzweig I/2, 132 f.; I Ob 307, 308/75); die Zuführung von Abwässern stellt eine unmittelbare Zuleitung dar (JBl. 1966, 133 u. a.).
Mit Recht hat das Rekursgericht aber auf die besondere Rechtslage nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 hingewiesen. Im Verwaltungsverfahren über die Genehmigung einer bewilligungspflichtigen Wasserbenutzungsanlage, als welche nach § 32 Abs. 2 lit. a und Abs. 6 WRG die von der Antragsgegnerin errichtete Kläranlage infolge der Einbringung von Stoffen in ein Gewässer gilt, sind gemäß § 12 Abs. 1 und 2 WRG "bestehende Rechte" wie z. B. Nutzungsbefugnisse an Privatgewässern nach § 5 Abs. 2 WRG und das Gründeigentum von der Verwaltungsbehörde zu schützen. Solche Rechte dürfen nach § 12 Abs. 1 WRG durch die zu bewilligende Wasserbenutzung nicht verletzt und nur allenfalls durch Begründung von Zwangsrechten nach den §§ 60 ff. WRG abgefunden werden. Daraus folgt, daß diese materiell zum Privatrecht gehörenden, infolge der besonderen Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes aber in die Kompetenz und den Schutz der politischen Behörde überwiesenen Rechte in formeller Beziehung in das Gebiet desöffentlichen Rechtes fallen, so daß Einwendungen dieser Art als öffentlich-rechtlich anzusehen sind und hierüber die Wasserrechtsbehörde abzusprechen hat (Krzizek 71; VwGH, Slg. NF 5008 A, 5069 A; vgl. auch Hartig - Grabmayr, Das österreichische Wasserrecht, 70 und 377 Anm 1 zu § 113 WRG). Die Wasserrechtsbehörde hätte auch die Möglichkeit gehabt, gemäß § 98 Abs. 2 WRG festzustellen, daß das fragliche Gewässer ein öffentliches sei.
Im vorliegenden Fall ist allerdings aus dem Bescheid der Wasserrechtsbehörde keinerlei Berücksichtigung der angeblich bestehenden Rechte der Rekurswerberin zu erkennen. Die Verwaltungsbehörde, deren Verfahren die Rekurswerberin nicht zugezogen wurde, scheint stillschweigend von der Annahme ausgegangen zu sein, daß es sich nicht um ein privates Gewässer handle und daß infolgedessen oder mangels zu erwartender Beeinträchtigung bestehende Rechte der Rekurswerberin nicht bemüht werden. In beiden Fällen gewährte die Wasserrechtsbehörde die Wasserbenutzung im Rahmen des Genehmigungsbescheides, dessen Gesetzmäßigkeit das Gericht nicht überprüfen kann. Das Wasserrechtsgesetz räumt übergegangenen Parteien nur befristete nachträgliche Einwendungen ein (§ 107 WRG und gewährt auch dem übergegangenen Träger bestehender Rechte (im Sinn des § 12 WRG) bei verspäteter Kenntnis oder verspätetem Einschreiten in § 26 Abs. 3 WRG nur noch Anspruch auf Schadenersatz (Krzizek, 125, 437,; derselbe, Das öffentliche Nachbarrecht, 164; VfGH Slg. 3246/1957; VwGH, Zl. 21 19/57). Mit dem nachbarrechtlichen Untersagungsanspruch nach § 364 Abs. 2 ABGB hat sich allerdings diese herrschende Rechtsansicht nicht ausdrücklich auseinandergesetzt. Auch meint Moser (ÖJZ 1974, 380), daß zwar § 364a ABGB ausdrücklich ausgeschlossen sein sollte, daß aber nach der allgemeinen Bestimmung des § 364 ABGB wohl ein Unterlassungsanspruch möglich sei. Hartig - Grabmayr, die in einem anderen Zusammenhang der Wasserrechtlichen Bewilligung die Rechtsfolge absprechen, daß der Berechtigte in das Vermögen oder in die Rechte Dritter eingreifen dürfe (S. 72), könnte im gleichen Sinn verstanden werden. Nach Ansicht des OGH muß aber wegen des schon vom Rekursgericht zutreffend herangezogenen verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gewaltentrennung (Art. 94 B-VG) unterschieden werden, welche Auswirkungen der wasserrechtlichen Genehmigung auf bestehende Rechte unumgänglich sind, so daß der Bescheid der Verwaltungsbehörde im Falle des Eingreifens des Gerichtes schlechthin wertlos wäre. Letzteres ist hier der Fall, weil die wasserrechtliche Genehmigung die Zuleitung der Abwässer der Kläranlage in das später über das Grundstück der Rekurswerberin fließende Rinnsal beinhaltet, so daß gerade diese von der Rekurswerberin bekämpfte Auswirkung auf ihre Rechte eine notwendige Folge der Genehmigung ist, die sonst inhaltsleer würde. Der Bescheid der Verwaltungsbehörde umfaßte somit, auch wenn im Einzelfall nicht ausdrücklich auf die bestehenden Rechte im Sinn des § 12 WRG Bedacht genommen wurde, diese Auswirkung; dies muß wegen der verfassungsmäßigen Aufteilung der Kompetenzen hingenommen werden, zumal das Wasserrechtsgesetz selbst den Anhaltspunkt bietet, daß übergangene bestehende Rechte der Rechtskraft des Bescheides nicht entgegenstehen und auf den Weg des Schadenersatzes verwiesen sind.
Zusammenfassend ergibt sich, daß das Untersagungsrecht des Grundnachbarn nach § 364 Abs. 2 zweiter Satz ABGB zufolge der Spezialnormen des Wasserrechtsgesetzes bei konsensgemäßen Betrieb einer genehmigten Wasserbenutzungsanlage ausgeschlossen ist, wenn der Bescheid der Verwaltungsbehörde die bekämpfte Zuleitung denknotwendigerweise deckt. Der verletzte Eigentümer eines Nachbargrundstückes oder eines Privatgewässers ist daher in diesen Fällen selbst bei unmittelbarer Zuleitung auf die Schadenersatzansprüche nach § 26 WRG beschränkt.
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