OGH 1Ob32/08z

OGH1Ob32/08z3.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Maxwald und Dr. Georg Bauer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei A***** KG, *****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen 268.384,65 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. Dezember 2007, GZ 6 R 212/07z-10, mit dem das Zwischenurteil des Landesgerichts Linz vom 20. September 2007, GZ 1 Cg 130/07v-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Zwischenurteil zu lauten hat:

„Die Klageforderung von 268.384,65 EUR samt Zinsen besteht insoweit dem Grunde nach zu Recht, als sie aus nach dem 3. 7. 2004 erbrachten Lieferungen abgeleitet wird, im Übrigen hingegen nicht zu Recht."

Die Entscheidung über die Kosten aller drei Instanzen wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte bezog von der Klägerin über mehrere Jahre hindurch Fleischwaren. Ein mit dem Abwiegen und dem Herrichten der bestellten Fleischwaren für die jeweiligen Käufer betrauter Mitarbeiter führte planmäßig und gezielt über einen beträchtlichen Zeitraum Manipulationen beim Wiegevorgang durch, was dazu führte, dass - unter anderem - an die Beklagte Fleischlieferungen abgefertigt wurden, für die auf den Rechnungen und Lieferscheinen ein deutlich zu niedriges Gewicht ausgewiesen wurde. Davon hatten die Organe der Klägerin keine Kenntnis. Der betreffende Mitarbeiter wurde rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt, wobei dem Strafurteil für den Zeitraum von Oktober 2005 bis März 2006 bei den Lieferungen an die Beklagte eine Schadenssumme von rund 26.000 EUR zugrundegelegt wurde.

Mit ihrer am 3. 7. 2007 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten 268.384,65 EUR samt Zinsen und brachte dazu vor, dass der Beklagten ab dem 1. 1. 2004 aufgrund der Manipulationen des Mitarbeiters nicht in Rechnung gestellte Fleischwaren in diesem Wert zugekommen seien, die die Beklagte ihrem Produktionsprozess zugeführt habe. Die Beklagte sei durch diese entgeltlosen Mehrlieferungen bereichert, weshalb sie aus dem Titel der Bereicherung den ihr zugekommenen Vorteil zu vergüten habe.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, einem Rückforderungsanspruch stehe § 1432 ABGB entgegen, weil keine irrtümliche, sondern vielmehr eine bewusste Mehrlieferung erfolgt sei. Der für den Abwiegevorgang und die Fleischmengenzuteilung zuständige Mitarbeiter der Klägerin habe von der Mehrlieferung Kenntnis gehabt. Diese Kenntnis sei der Klägerin zuzurechnen. Darüber hinaus sei die behauptete Menge der angeblich zusätzlich erfolgten Lieferungen nicht nachvollziehbar. Letztlich werde auch Verjährung eingewendet, soweit die Klägerin Ansprüche geltend mache, welche die Zeit von mehr als drei Jahren vor Klageeinbringung betreffe; auf den geltend gemachten Bereicherungsanspruch sei die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 ABGB analog anzuwenden.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass „das Klagebegehren" dem Grunde nach zu Recht bestehe. Zwischen den Streitteilen habe ein Fleischlieferungs- und bezugsvertrag bestanden. In Erfüllung dieses Vertrags seien Fleischlieferungen durchgeführt, somit Leistungen an die Beklagte erbracht und deren Vermögen bewusst vermehrt worden. Soweit kein Rechtsgrund bestehe, der den Empfänger berechtige, die Leistung zu behalten, könne der Leistende seine Leistung vom ungerechtfertigt Bereicherten zurück verlangen. Im Falle einer irrtümlichen Leistung könne sich der Leistende auf die Leistungskondiktion nach § 1431 ABGB berufen. Nach § 1432 ABGB verdiene jener Leistende keinen Schutz, der bewusst eine Nichtschuld bezahle. Auch wenn der für die Manipulationen verantwortliche Mitarbeiter der Sphäre der Klägerin zuzuordnen sei, sei das Wissen dieses Mitarbeiters im Rahmen des § 1432 ABGB nicht der Klägerin zuzurechnen. Diese habe sich in einem Irrtum befunden, da sie nicht gewusst habe, dass ihr Mitarbeiter den Abwiegevorgang zugunsten der Beklagten manipuliert habe. Der Verjährungseinwand sei unberechtigt, da für Bereicherungsansprüche die 30-jährige Frist des § 1479 ABGB gelte.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Mitarbeiter der Klägerin habe den Rahmen seines Verantwortungs- bzw Ermächtigungsbereichs erheblich überschritten. Bei einer „Innenvollmacht" sei der auf die Angaben des angeblich Bevollmächtigten vertrauende Dritte bei Vollmachtsüberschreitung weder geschützt noch schutzwürdig. Von einer wissentlichen Leistung einer Nichtschuld der Klägerin an die Beklagte könne daher keine Rede sein. Das Erstgericht habe zu Recht auch den Verjährungseinwand der Beklagten verworfen; schließlich liege dem geltend gemachten Bereicherungsanspruch kein ungültiges - sonst jedoch § 1486 ABGB unterliegendes - Rechtsgeschäft, sondern ein mit dem Vorsatz, die Beklagte unrechtmäßig zu bereichern, begangener schwerer gewerbsmäßiger Diebstahl zugrunde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist zulässig und teilweise berechtigt.

Unstrittig ist, dass die von der Klägerin behaupteten Mehrlieferungen jeweils über die Bestellungen der Beklagten hinausgegangen sind, also ohne ein die (zusätzlichen) Vermögensverschiebungen rechtfertigendes Rechtsverhältnis erfolgt sind. Die Vorinstanzen haben die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche - deren Höhe noch im fortzusetzenden Verfahren zu ermitteln sein wird - zutreffend als Leistungskondiktionen qualifiziert. Mangels abweichender Prozessbehauptungen der Parteien ist auch vom Vorliegen eines Irrtums auf Seiten der Klägerin bei den jeweiligen „Mehrlieferungen" auszugehen, womit der Tatbestand des § 1431 ABGB erfüllt ist. Aus den insoweit übereinstimmenden Prozessbehauptungen - die Klägerin spricht vom „Ausliefern", die Beklagte von der „Anlieferung" - hat den letzten Akt des Leistungsvorgangs jeweils nicht jener Mitarbeiter der Klägerin vorgenommen, der für die Mehrlieferungen verantwortlich war. Nach dem (manipulierten) Verwiegen und „Herrichten" der Waren erfolgte vielmehr ein weiterer Schritt, nämlich die Auslieferung an die Beklagte, womit erst der Tatbestand der „Leistung" vollendet wurde. Dafür, dass der Auslieferer der Klägerin von den Manipulationen wusste, gibt es keine Anhaltspunkte. Es ist daher - ohne dass es einer weiteren Erörterung bedürfte - von einem insoweit typischen Sachverhalt auszugehen, also davon, dass die die Auslieferung vornehmende Person irrig annahm, mit der Übergabe der Ware an die Beklagte werde eine vertraglich begründete Verbindlichkeit der Klägerin erfüllt. Soweit tatsächlich eine über die vertragliche Verpflichtung hinausgehende Lieferung erfolgt ist, wurde damit der Tatbestand des § 1431 ABGB erfüllt.

Im Ergebnis zu Recht haben die Vorinstanzen auch die - in der Revision neuerlich aufgeworfene - Frage verneint, ob der für die Manipulationen verantwortliche Mitarbeiter der Klägerin dieser im Rahmen des § 1432 ABGB als „Wissensvertreter" zuzurechnen ist. Nach dieser Gesetzesstelle ist eine rechtsgrundlos erbrachte Leistung unter anderem dann nicht rückforderbar, wenn der Leistende weiß, dass er zur Leistung nicht verpflichtet ist. Nach herrschender Auffassung findet der Ausschluss der Kondiktion seinen Grund in der mangelnden Schutzwürdigkeit des Leistenden (vgl nur Koziol in KBB2, § 1432 ABGB Rz 3 mwN). Da die Leistung - wie bereits ausgeführt - als solche der Klägerin anzusehen ist und es damit um deren Schutzwürdigkeit geht, spricht der Gesetzeszweck - entgegen der Auffassung der Revisionswerberin - keineswegs dafür, den Kreis jener Personen, deren Kenntnis jener des (rechtlich) Leistenden gleichzuhalten ist, weit zu ziehen. Die Auffassung der Beklagten führte im Übrigen auch dazu, dass sie ohne Rechtsgrund erhaltene Vermögenszuwendungen (auch solche erheblichen Werts) ohne jede Gegenleistung behalten dürfte, nur weil einem Mitarbeiter der Klägerin, der in den gesamten Leistungsprozess eingebunden war, bewusst war, dass es letztlich zu einer über die bestehende Verbindlichkeit hinausgehenden Leistung kommen werde.

Klarzustellen ist auch, dass der erörterte Rückforderungsausschluss auf die mangelnde Schutzwürdigkeit des Leistenden, nicht aber etwa auf eine besondere Schutzbedürftigkeit des Bereicherten abstellt, was sich auch daraus ergibt, dass Letzterem regelmäßig nicht bekannt ist, ob die (ungerechtfertigte) Vermögensverschiebung - ausnahmsweise - im Bewusstsein des Leistenden vom Fehlen einer Verbindlichkeit - oder aber irrtümlich - erfolgte. Da somit keine Vertrauensschutzvorschrift vorliegt, kann für den Ausschluss eines Rückforderungsanspruchs auch nicht das formale Argument ausreichen, der betreffende Mitarbeiter sei maßgeblich in den Leistungsprozess eingebunden gewesen, weshalb sein Wissen wie jenes des Leistenden selbst zu behandeln sei. Dass die Organe der Klägerin von den Manipulationen ihres Mitarbeiters nichts wussten, wurde von den Vorinstanzen festgestellt. Ob die Wissenszurechnung allenfalls anders zu beurteilen wäre, sollte die ungerechtfertigte Leistung von einem mit (weitgehender) Vertretungsmacht nach außen ausgestatteten Mitarbeiter veranlasst oder bewirkt worden sein, muss im vorliegenden Zusammenhang nicht geprüft werden.

§ 1486 Z 1 ABGB statuiert eine dreijährige Verjährungsfrist für „Forderungen für Lieferung von Sachen oder Ausführung von Arbeiten oder sonstige Leistungen in einem gewerblichen, kaufmännischen oder sonstigen geschäftlichen Betrieb". Von seinem Wortlaut her erfasst er damit keineswegs nur (vertragliche) Entgeltansprüche, sondern alle Forderungen, die durch die in einem geschäftlichen Betrieb erfolgte Lieferung von Sachen oder Ausführung von sonstigen Leistungen begründet wurden. Nach der Rechtsprechung werden von § 1486 Z 1 ABGB daher nicht nur Forderungen aus einem gültigen Vertragsverhältnis erfasst, sondern etwa auch solche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, Aufwandersatzansprüche nach § 1041 ABGB oder Bereicherungsansprüche aus ungültigen, sonst jedoch § 1486 ABGB unterliegenden Rechtsgeschäften (vgl nur Dehn in KBB2 § 1486 ABGB Rz 2 mwN). Darüber hinaus wurde etwa ausgesprochen, dass für Kondiktionsansprüche (nur) grundsätzlich, aber nicht ausnahmslos die 30-jährige Verjährungsfrist gelte (RdW 1998, 293 = 9 ObA 157/97x; MietSlg 71/10 mwN) bzw dass Kaufleute „ihre Geschäftsforderungen" grundsätzlich binnen drei Jahren geltend zu machen haben (JBl 1935, 412). Auch für den Rückforderungsanspruch gemäß § 1431 ABGB wegen irrtümlich zu viel ausbezahlten Arbeitsentgelts zieht die Rechtsprechung die kurze Verjährungsfrist des § 1486 Z 5 ABGB heran (Nachweise bei Dehn aaO Rz 9).

Sieht man in § 1486 ABGB eine Ausprägung des Gedankens, dass die Verjährungsvorschriften auch ein erzieherisches Druckmittel zur Vermeidung von Nachlässigkeiten in der Rechtsausübung darstellen sollen (vgl nur M. Bydlinski, Unberechtigte Inanspruchnahme einer Haftrücklassgarantie und Analogie im Verjährungsrecht, FS F. Bydlinski [2002], 16 f mN in FN 48), wobei gerade von Unternehmern zu erwarten ist, dass sie sich um rasche Klärung der Sach- und Rechtslage bemühen, so spricht nach Ansicht des erkennenden Senats viel dafür, auch Kondiktionsansprüche wegen einer irrtümlichen Mehrlieferung in vermeintlicher Erfüllung bestehender vertraglicher Verbindlichkeiten der kurzen Verjährungsfrist des § 1486 Z 1 ABGB zu unterwerfen. Wenn etwa im Zusammenhang mit der Rückforderung zu viel bezahlten Arbeitslohns (RdW 1998, 293) darauf hingewiesen wurde, dass für die Einführung der kurzen Verjährungsfrist für Forderungen aus Geschäften des täglichen Lebens das Bedürfnis nach Rechtssicherheit maßgeblich gewesen sei, weil bei diesen Geschäften nach längerer Zeit Beweisschwierigkeiten auftreten, weshalb auch der Rückforderungsanspruch in der kurzen Verjährungsfrist bereinigt werden sollte, so trifft gerade dies auch auf Fälle wie den hier zu beurteilenden zu. Auch die Frage, ob und wieviel Ware allenfalls über die Bestellung hinaus geliefert wurde, soll - bei entsprechender Einwendung des Beklagten (§ 1501 ABGB) - nicht auf einen Zeitraum ausgedehnt werden, der länger als drei Jahre vor der Klageerhebung liegt.

Entgegen der Auffassung der Revisionsgegnerin hat die Klageforderung keinen „quasi schadenersatzrechtlichen Charakter". Der Verjährungsbeginn setzt daher nicht (erst) mit Kenntnis von „Schaden und Schädiger" ein. Eine Verlängerung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre iSd § 1489 Satz 2 zweiter Fall ABGB kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte an einer Straftat nicht mitgewirkt hat (vgl nur Dehn in KBB2 § 1489 ABGB Rz 8 mwN). Bei Bereicherungsansprüchen beginnt die Verjährungsfrist mit Eintritt der Bereicherung (vgl nur M. Bydlinski in Rummel II/33, § 1478 ABGB Rz 6 aE mwN).

In Abänderung der Urteile der Vorinstanzen ist die Klageforderung daher nur insoweit als zu Recht bestehend zu erkennen, als es um Ansprüche aus im genannten Zeitraum erfolgten Lieferungen geht. Die Klägerin wird ihr ursprüngliches Klagebegehren im fortzusetzenden Verfahren entsprechend aufzuschlüsseln - bzw einzuschränken - haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 4 ZPO.

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