OGH 1Ob309/59

OGH1Ob309/5922.10.1959

SZ 32/133

Normen

ABGB §879
ABGB §879

 

Spruch:

Bierlieferungsverträge, die den freien Wettbewerb der Brauereien teilweise ausschalten sollen, können den mitbewerbenden Brauereien gegenüber sittenwidrig sein.

Ein solcher Vertrag kann im Verhältnis zum Vertragspartner (Gastwirt) den guten Sitten widerstreiten, wenn sein Inhalt mit den Grundsätzen der Rechtsordnung nicht in Einklang gebracht werden kann.

Für den Berechtigten kann die Möglichkeit bestehen, den Bierlieferungsvertrag mit verminderter Geltungsdauer aufrechtzuerhalten.

Entscheidung vom 22. Oktober 1959, 1 Ob 309/59.

I. Instanz: Kreisgericht Ried im Innkreis; II. Instanz:

Oberlandesgericht Linz.

Text

Der klagende Eigentümer der A.-Brauerei begehrte von den beklagten Eigentümern einer Gastwirtschaft in W., daß sie auf Grund der Vereinbarung vom 8. März 1958 in den Abschluß eines Bierlieferungsvertrages auf fünfundzwanzig Jahre einzuwilligen hätten. Die Beklagten wendeten dagegen ein, daß es sich bei der Vereinbarung vom 8. März 1958 um einen Vorvertrag (§ 936 ABGB.) handle, der die wesentlichen Stücke des abzuschließenden Vertrages nicht enthalte und daher nicht die Grundlage des Klagebegehrens abgeben könne. Außerdem sei die Abmachung wegen Ausnützung der Unerfahrenheit der Beklagten nach § 879 Abs. 2 Z. 4 ABGB. und wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes mit Rücksicht auf die lange Dauer der Bierbezugsverpflichtung der Beklagten sowie wegen Sittenwidrigkeit (Knebelungsvertrag) nichtig.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Im Jahre 1958 hätten Karl und Theresia E. - so stellte das Erstgericht fest - ihr Gasthaus in W. verkaufen wollen. Hievon habe der Kläger erfahren, der daran interessiert gewesen sei, daß die Ehegatten E. einen Käufer bekämen, der das Bier aus seiner Brauerei allein beziehe, da bis dahin das Gasthaus außer vom Kläger auch von den Brauereien R. und M. beliefert worden sei. Um sich den Bierbezug zu sichern, habe sich der Kläger vom Ehepaar E. bevollmächtigen lassen, ihr Gastwirtsgeschäft um 360.000 S zu verkaufen. Außerdem sei dem Kläger vom Ehepaar E. die Befugnis eingeräumt worden, dem Käufer des Gasthauses die Verbindlichkeit des ausschließlichen Bierbezuges aus der Brauerei des Klägers und die Verpflichtung zur vertraglichen Fixierung aufzuerlegen. Der Kläger hingegen habe sich verpflichtet, die Verkäufer E. mit Flaschenbier zum Gasthauseinstandspreis zu beliefern und für den Fall, daß er bis 1. Juni 1958 keinen Käufer gefunden haben würde, das Gasthaus um 360.000 S unter erleichterten Bedingungen selbst zu kaufen und ab 15. Mai 1958 zu bewirtschaften. Die Beklagten, die das Gasthaus ohne die Bierlieferungsverpflichtung hätten kaufen wollen, seien zu den Verkäufern gegangen, um mit ihnen den Kaufvertrag direkt zu schließen. Diese hätten die Beklagten aber mit Rücksicht auf den Bevollmächtigungsvertrag an den Kläger verwiesen. Die Beklagten seien dann mit dem Abschluß eines Bierbezugsvertrages einverstanden gewesen und hätten am 8. März 1958 einen vorläufigen Kaufvertrag mit dem Ehepaar E. und einen Bierlieferungsvertrag mit dem Kläger geschlossen. Die Beklagten hätten sich dem Kläger gegenüber verpflichtet, fünfundzwanzig Jahre lang Bier nur aus seiner Brauerei zu beziehen, wogegen sich der Kläger verbunden habe, durch neunzehn Monate von der monatlichen Bierrechnung den Betrag von je 1000 S abzuziehen. Die Beklagten, denen ein gleichartiger rechtsfreundlich errichteter Bierbezugsvertrag vorgelesen worden sei, hätten den Inhalt der dann vom Kläger diktierten Vereinbarung verstanden und sich als gebunden erachtet. Die endgültige Regelung sollte bei einem Notar oder Rechtsanwalt vor sich gehen. Als die Beklagten bei der Verhandlung über den Bierbezug die Befürchtung geäußert hätten, daß die Brauerei R. eine Flaschenbierniederlassung errichten könnte, habe der Kläger erklärt, daß die Brauerei dies nicht machen würde, weil er dann als Gegenmaßnahme in L. ebenfalls eine Flaschenbierniederlassung eröffnen würde. Die Nichteröffnung einer Flaschenbierverkaufsstelle sei aber nicht zur Bedingung der Wirksamkeit des Bierbezugsvertrages gemacht worden.

Der Inhalt eines Bierbezugsvertrages dürfe nach der Rechtsmeinung des Erstgerichtes nicht so beschaffen sein, daß er den Inhaber des Gastgewerbebetriebes zu sehr beschränke oder der Verpflichtung des Gastwirtes keine Gegenleistung des Brauereibesitzers gegenüberstehe. Die fünfundzwanzigjährige Dauer des vorliegenden Bierbezugsvertrages beschränke die wirtschaftliche Freizügigkeit der Beklagten ungebührlich lange, zumal die Verpflichtung auch auf die Rechtsnachfolger der Beklagten übergehen solle. Es liege ein Knebelungsvertrag vor, für dessen Abschluß der Kläger den Beklagten einen Gesamtbetrag von 19.000 S geboten habe. Dieser Betrag stelle keinen erheblichen Verzicht des Klägers auf Gewinn dar und stehe zur langen Dauer der Bierbezugsverpflichtung in keinem Verhältnis. Der Verzicht des Klägers auf sein Vorkaufsrecht bezüglich des Gasthauses sei nicht der Verzicht auf einen Vorteil, sondern die Abnahme eines Risikos durch die Beklagten gewesen, da es dem Kläger nicht um den Besitz des Gasthauses, sondern um den Bierbezug gegangen sei. Bei der Vereinbarung vom 8. März 1958 handle es sich um eine Punktation im Sinne des § 885 ABGB. und nicht um einen Vorvertrag nach § 936 ABGB. Mit Rücksicht darauf, daß sich die Parteien als gebunden angesehen hätten, komme auch die Bestimmung des § 884 ABGB. nicht in Frage. Die Abmachung müsse aber als sittenwidrig und daher für die Beklagten als nicht bindend bezeichnet werden (§ 879 ABGB.). Eine Abänderung der Verpflichtungsdauer oder des Ausmaßes der Gegenleistung des Klägers habe das Erstgericht nicht vornehmen können, da ihm ein Gestaltungsrecht nicht zustehe.

Infolge Berufung des Klägers gegen das Urteil des Erstgerichtes bestätigte es das Berufungsgericht. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und kam so wie dieses zur rechtlichen Überzeugung, daß der Bierlieferungsvertrag den guten Sitten widerstreite. Sittenwidrig sei - so führte das Berufungsgericht aus -, was gegen die guten Sitten verstoße und offenbar, geradezu widerrechtlich sei, ohne ein ausdrückliches gesetzliches Verbot zu verletzen, was also nicht gesetz-, aber grob rechtswidrig sei. Im Wirtschaftskampf gelte jede zu große Einschränkung der wirtschaftlichen Selbständigkeit (Knebelung) als sittenwidrig. Die Entwicklung auf diesem Gebiet verlaufe in der Richtung, daß von allem Subjektiven abgesehen und in dem objektiven auffälligen Mißverhältnis der Leistungen oder Bedingungen allein schon die Sittenwidrigkeit erblickt werde. Damit nähere man sich, jedoch ohne seine starre Begrenzung, dem alten Institut der laesio enormis. Was der Kläger getan habe, sei in schwerer Verstoß gegen die guten Sitten im Wirtschaftskampf. Er habe sich in ungebührlicher Weise nur deshalb in den Verkauf einer Gastwirtschaft eingeschaltet, um zu seinem Nutzen die Käufer geradezu auf Lebensdauer in ihrer wirtschaftlichen Freizügigkeit in krasser Weise beschränken zu können. Er habe versucht, den freien Wettbewerb zu seinem Vorteil und zum Nachteil der Beklagten für die Zeitdauer einer ganzen Generation auszuschalten. Der freie Wettbewerb habe aber wichtige volkswirtschaftliche Funktionen auszuüben, er garantiere dem konkurrenzfähigsten Produzenten den Absatz, er schränke Fehlentwicklungen in der Wirtschaft auf ein Mindestmaß ein und fördere den rationellen Fortschritt und die Privatinitiative. Deshalb gewähre die Rechtsordnung dem freien und geordneten Wettbewerb ihren Schutz. Ein Lieferant, der ihn zum Nachteil seiner Abnehmer und der Konsumenten auf überlange Dauer auszuschalten suche, verstoße in offenbarer Weise gegen die Wirtschafts- und Rechtsordnung und handle daher sittenwidrig. Abgesehen davon, daß schon in der Knebelung die Sittenwidrigkeit gelegen sei, ergebe sich diese auch aus dem auffallenden Mißverhältnis der gegenseitigen Leistungen. Die vom Kläger aufgezählten Risken fielen im Hinblick auf den Vertragsinhalt und den Umstand, daß Bier die wichtigste Handelsware eines ländlichen Gastwirtes sei, nicht besonders ins Gewicht. Der Verzicht auf das Recht, selbst als Käufer einzutreten, sei nach richtiger Ansicht kein Verzicht auf einen Vorteil. Durch den Kaufabschluß werde dem Kläger vielmehr von den Beklagten ein Risiko abgenommen. Es sei nicht sittenwidrig, wenn sich ein Vertragsteil auf die Gesetz- oder Sittenwidrigkeit des Vertrages berufe, da sonst die Sanktion der Unwirksamkeit entkräftet würde. Die Beklagten hätten aber auch nicht die nach der Vereinbarung vom Kläger zu erbringende Leistung in Anspruch genommen und dadurch sittenwidrig gehandelt. Sie hätten nämlich den jeweiligen Abzug von 1000 S abgelehnt und immer die volle Bierrechnung bezahlt. Die Beseitigung des sittenwidrigen Vertragselementes durch freiwillige Einschränkung der Dauer des Bierbezuges komme nicht in Frage, weil sich ein Teil des Vertrages vom anderen mit Rücksicht auf die wechselseitigen Verpflichtungen nicht absondern lasse. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Vereinbarung vom 8. März 1958 nur eine Punktation sei, wie das Erstgericht angenommen habe, obwohl nach dessen Feststellungen der Vertrag durch die übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien zustandegekommen sei. Denn der Vertrag sei jedenfalls nach § 879 ABGB. nichtig. Das Klagebegehren hätte aber keinesfalls auf Einwilligung in den Vertragsschluß lauten dürfen, da ja die Einwilligung bereits erteilt worden sei.

Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Kläger sieht eine dem Berufungsgericht unterlaufene Aktenwidrigkeit darin, daß es ihm zum Vorwurf mache, er habe sich in den Verkauf einer Gastwirtschaft in ungebührlicher Weise zu dem Zweck eingeschaltet, um zu seinem Nutzen die Käufer geradezu auf Lebensdauer in ihrer wirtschaftlichen Freizügigkeit in krasser Weise beschränken zu können. Die Beklagten seien nämlich zur Zeit, als zwischen dem Kläger und den Voreigentümern E. der Bevollmächtigungsvertrag geschlossen worden sei, am Kauf noch nicht interessiert und als Käufer weder dem Ehepaar E. noch dem Kläger bekannt gewesen. Der Vorwurf des Klägers trifft aber nicht zu. Der Sinn der Ausführungen des Berufungsgerichtes liegt nicht darin, daß dem Kläger der Vorwurf gemacht wird, gerade die Beklagten in ihrer wirtschaftlichen Freizügigkeit in krasser Weise beschränkt zu haben, sondern geht in der Richtung, daß der Kläger die in Frage kommenden Käufer allgemein und nicht gerade die ihm damals als Käufer noch nicht bekannten Beklagten beeinträchtigen wollte. Eine Aktenwidrigkeit könnte auch deshalb nicht vorliegen, weil es sich bei den in Frage kommenden Ausführungen des Berufungsgerichtes um rechtliche Erwägungen handelt, denen nur mit dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung begegnet werden könnte.

Nach den Feststellungen der Untergerichte ist die Vereinbarung vom 8. März 1958 zwischen den Parteien bindend zustandegekommen. Die Beklagten erklärten sich darin bereit, mit der Brauerei des Klägers einen Bierlieferungsvertrag auf die Dauer von fünfundzwanzig Jahren ab 1. Juni 1958 abzuschließen, wogegen der Kläger den Beklagten das Vorkaufsrecht am Gasthaus der Ehegatten E. in W. abtrat und sich bereit erklärte, neunzehn Monate lang ab 1. Juli 1958 von der Bierrechnung des jeweils vergangenen Monates einen Betrag von 1000 S abzuziehen. Die Vereinbarung enthält die wesentlichen Punkte des Vertrages, und die Abfassung einer Vertragsurkunde durch einen Notar oder Rechtsanwalt wurde ohne Bindungsausschluß nach § 884 ABGB. bedungen. Nach den Feststellungen der Untergerichte wurde den Beklagten der Inhalt des Bierlieferungsvertrages an Hand eines anderen gleichartigen Vertrages zur Kenntnis gebracht. Die Fassung der Vereinbarung, die Beklagten erklärten sich bereit, einen Bierlieferungsvertrag abzuschließen, ist daher nach den getroffenen Feststellungen nicht ganz zutreffend. Es handelt sich vielmehr um einen in vollem Umfang zustandegekommenen Vertrag und nicht um eine Punktation, wie das Erstgericht angenommen hat. Darum ist das Klagebegehren, die Beklagten sollten erst in den Abschluß des Vertrages einwilligen, nicht ganz glücklich gefaßt. Auf den Mangel des Urteilsantrages, der aber noch behoben werden kann, hat schon das Berufungsgericht hingewiesen.

In den schon seit längerer Zeit üblichen Bierlieferungsverträgen verpflichtet sich der Gastwirt, das Bier innerhalb einer bestimmten Zeit ausschließlich von der mit ihm den Vertrag eingehenden Brauerei zu beziehen, widrigens die Sanktion einer Konventionalstrafe eintreten würde. Die Brauerei gewährt dem Gastwirt dafür Vorteile, die in der Einräumung eines günstigen Darlehens, der Überlassung von Einrichtungsstücken für die Gastwirtschaft, der Zahlung eines Geldbetrages in irgendeiner Form o. dgl. bestehen können. Der Vorteil derartiger Verträge kann auf der Seite beider Vertragsteile liegen. Die Brauerei kann durch eine gewisse Zeit hindurch auf den Absatz ihres Bieres beim Gastwirt rechnen, und dieser ist in der Lage, notwendige Investitionen vorzunehmen oder die Zeit einer finanziellen Schwäche zu überbrücken.

Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, daß im Wirtschaftskampf jede zu große Einschränkung der wirtschaftlichen Selbständigkeit als sittenwidrig gilt, weil es sich dann um eine weitgehende Knebelung des Vertragspartners handelt. Es kann aber nicht gesagt werden, daß jede solche Einschränkung sittenwidrig wäre. Der Hinweis des Berufungsgerichtes auf das zu mißbilligende Bestreben des Klägers, den freien Wettbewerb der Brauereien auszuschalten, ist für diesen Rechtsstreit nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Gewiß hat der freie Wettbewerb die vom Berufungsgericht aufgezählten, wichtigen volkswirtschaftlichen Funktionen, und ein Eingriff in die Wettbewerbsverhältnisse könnte nach § 1 UWG. als unlauterer Wettbewerb angesehen werden. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gibt aber im § 14 das Recht auf Unterlassung nur den Mitbewerbern und Mitbewerbervereinigungen, nicht aber dritten Personen. Die Ausschaltung des gesunden Wettbewerbs ist daher nur im Verhältnis zu den Mitbewerbern als sittenwidrig anzusehen. Im Hinblick auf den engen Zusammenhang zwischen Sitten- und Gesetzwidrigkeit (vgl. Gschnitzer in Klang 2. Aufl. IV 180 ff.) ist darauf zu verweisen, daß Rechtshandlungen gegenüber der einen betroffenen Person als rechtswidrig anzusehen sein können, während sie es im Verhältnis zu einer anderen nicht zu sein brauchen. So wie bei der Rechtswidrigkeit kommt es auch bei der Sittenwidrigkeit auf den Zweck der angenommenen Norm und daher darauf an, welcher Personenkreis durch sie geschützt werden soll. Um eine Rechtshandlung demgemäß in ihrer Tragweite beurteilen zu können, muß der Sittenwidrigkeitszusammenhänge zwischen ihr und der betroffenen Person klargestellt werden. Bierlieferungsverträge, die den freien Wettbewerb der Brauereien teilweise ausschalten sollen, können möglicherweise den mitbewerbenden Brauereien gegenüber sittenwidrig sein, müssen aber im Verhältnis zum Vertragspartner keineswegs als sittenwidrig angesehen werden. Der Vertragspartner (Gastwirt) ist nämlich kein Konkurrent, sondern der Abnehmer der Brauerei; er ist am freien Spiel der wirtschaftlichen Kräfte nur insofern interessiert, als er sich den Bezug desjenigen Bieres nach freiem Entschluß sichern will, das ihm als das beste und preiswerteste erscheint. Die Ausschaltung der Konkurrenz, wie sie in Bierlieferungsverträgen verankert ist, kann daher, für sich allein betrachtet, im Verhältnis zwischen der Brauerei und dem Gastwirt nicht als sittenwidrig angesehen werden.

Auch die Einmischung des Klägers in den vom Ehepaar E. geplanten Verkauf der Gastwirtschaft kann nicht ohne weiteres als sittenwidrig beurteilt werden. Der Kläger wollte dadurch, daß er dem Ehepaar E. auf unbeschränkte Zeit den Bezug des Bieres aus seiner Brauerei zu ermäßigten Preisen versprach, seine Zustimmung erwirken, daß er das Vorkaufsrecht auf die Gastwirtschaft erhielt und der Verkauf nur an einen Käufer durchgeführt werden sollte, der mit dem Kläger den besprochenen Bierlieferungsvertrag schließe. Auch hier steht Leistung gegen Leistung, und es ist freier wirtschaftlicher Entschluß auf beiden Seiten anzunehmen. Von einer paktierten Benachteiligung der Beklagten kann nicht die Rede sein, da es freier Wille der Beklagten war, ob sie die vom Ehepaar E. in Übereinstimmung mit dem Kläger gestellte Bedingung annehmen und auf dieser Grundlage den Kaufvertrag schließen wollten. Eine Zwangslage, die der Kläger ausgenützt haben könnte, kann nach den vorliegenden Feststellungen bei den Beklagten, die nicht gerade die Gastwirtschaft in W. erstehen mußten, nicht vorausgesetzt werden.

Bierlieferungsverträge können überhaupt nicht von vorneherein als wirtschaftsfremd, sittenwidrig und daher nichtig bezeichnet werden (JBl. 1956 S. 617, 3 Ob 154/53, SZ. XIII 113, GlUNF. 2258). Sittenwidrig werden sie erst dann, wenn ihre Bestimmungen einzeln oder im Zusammenhang den Grundsätzen der Rechtsordnung widerstreiten (§§ 879 Abs. 1, 26a. E. ABGB.; Gschnitzer a. a. O. 181, 214). Dies könnte dann angenommen werden, wenn der Vertrag mehrere Jahrzehnte lang wirksam sein soll. Dabei hat freilich der Kläger recht, wenn er die lange Zeit allein nicht für ausreichend ansieht. Die überlange Dauer der Verpflichtung des Gastwirtes vergrößert zwar dessen Risiko in progressivem Fortschreiten, weil für eine ferne Zeit die Möglichkeit wirtschaftlicher Voraussicht immer geringer wird. Allein es läßt sich nicht in Abrede stellen, daß auch für eine solche schwerwiegende Belastung ein entsprechendes Entgelt geboten werden kann, dessen Leistung die sonst anzunehmende Sittenwidrigkeit der allzu langen Knebelung des Gastwirtes beheben kann (vgl. für das deutsche Recht Künstler, Der Bierlieferungsvertrag, 3. Aufl. S. 92 ff.). Allerdings müßte das Ausmaß des Entgelts der Größe der Wahrscheinlichkeit des Eintritts wirtschaftlicher Schäden des Gastwirtes entsprechen (vgl. für einen verlagsrechtlichen Fall lebenslänglicher Bindung die Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofes NJW. 1957 S. 711).

Nach den vorliegenden Beweisergebnissen kann nicht gesagt werden, ob die fünfundzwanzigjährige Dauer der Vereinbarung vom 8. März 1958 im Vergleich zu den vom Kläger gebotenen Gegenleistungen als sittenwidrig angesehen werden muß. Die Untergerichte hätten Sachverständige aus dem Brauerei- und Gastwirtsfach befragen müssen, welche Risken die Beklagten auf sich genommen haben und welches Entgelt in gleichartigen Fällen geboten und als angemessen angesehen wird. Bei der Prüfung wird auch der dem Kläger durch den Vertrag zugekommene Vorteil in Rechnung zu stellen und die Qualität des Bieres aus der A.-Brauerei, die Geschmacksrichtung der Kundschaft in W. und die wirtschaftliche Struktur des Gastwirtsgeschäftes zu berücksichtigen sein. Ebenso wird klarzustellen sein, welche Geldbeträge der Kläger den Beklagten für den (allerdings unwahrscheinlichen) Fall zugedacht hat, daß die monatliche Bierrechnung der Beklagten weniger als die zum Abzug bestimmten 1000 S ausmachen würde.

Was das Risiko der Beklagten betrifft, wird zu beachten sein, daß sich der Kläger nach dem Punkt 4 des abzufassenden Vertrages verpflichtet hat, stets einwandfreies Faß- und Flaschenbier zu liefern, so daß das Risiko der Bierverschlechterung (vgl. Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 144) nicht zu Lasten der Beklagten geht. Überhaupt besteht bei Dauerschuldverträgen auch die Möglichkeit, aus wichtigen Gründen eine unkundbare Vertragsbeziehung vorzeitig zu lösen (vgl. Rspr. 1935 Nr. 188, GlUNF. 5366; Herbatschek, Die Bierbezugsverpflichtung, GerH. 1930 S. 4; Gschnitzer a. a. O. 214).

Schließlich wird von den Untergerichten das Anbot des Klägers zu prüfen sein, sich mit einer zehnjährigen Vertragsdauer zu begnügen, falls sich die Sittenwidrigkeit des längerdauernden Vertrages im konkreten Fall herausstellen sollte. Es wäre nämlich möglich, daß bei zehnjähriger Vertragsdauer unter den gegebenen Voraussetzungen nicht mehr von Sittenwidrigkeit gesprochen werden könnte. Der Zweck des Verbotes sittenwidrigen Vertragsinhaltes erfordert im vorliegenden Fall nicht, daß der ganze Bierlieferungsvertrag beseitigt wird. Die Beklagten könnten sich nämlich nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, daß sie den Vertrag mit dem sittenwidrigen Inhalt oder gar nicht schließen wollten (vgl. §§ 1336 Abs. 2, 934 Satz 2 ABGB.; Gschnitzer a. a. O. 187, 169, 214; Künstler a. a. O. S. 101 ff.). Es bestunde daher allenfalls die Möglichkeit, den Vertrag mit geänderter Geltungsdauer aufrechtzuerhalten (ebenso Rspr. 1935 Nr. 188).

Entgegen der Meinung der Untergerichte muß die Aufgabe des dem Kläger zustehenden Vorkaufsrechtes an der Gastwirtschaft in W. als eine den Beklagten zugekommene Leistung des Klägers angesehen werden. Mag nämlich der Kläger auch froh gewesen sein, das Risiko des Erwerbes durch den Verkauf an die Beklagten vermieden zu haben, war die Aufgabe des Vorkaufsrechtes für die Beklagten, die die Gastwirtschaft erwerben wollten, doch ein Vermögensvorteil, weil sie ohne die Aufgabe um die Möglichkeit des Ankaufes gekommen wären.

Eine abschließende rechtliche Beurteilung des Falles wird freilich erst möglich sein, wenn das Beweisverfahren ergänzt sein wird. Sache des Erstgerichtes wird es auch sein, im Bedarfsfalle auf die über die Einrede der Sittenwidrigkeit hinausgehenden weiteren Einwendungen der Beklagten einzugehen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte