OGH 1Ob303/60

OGH1Ob303/6029.9.1960

SZ 33/97

Normen

ABGB §1091
EO §381 Z1
ABGB §1091
EO §381 Z1

 

Spruch:

Einstweilige Verfügung nach § 381 Z. 1 EO. zur Durchsetzung der Betriebspflicht gegen den Pächter.

Entscheidung vom 29. September 1960, 1 Ob 303/60.

I. Instanz: Bezirksgericht Kufstein; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Das Erstgericht verbot zur Sicherung des Anspruches der gefährdeten Partei auf Betriebsausübung durch den Gegner der gefährdeten Partei im Fleischhauereiunternehmen in K. Nr. 7 aus dem Pachtvertrag vom 25. August 1956 dem Antragsgegner, den gepachteten Betrieb einzustellen. Es begrundete seine Entscheidung damit, daß der Anspruch der gefährdeten Partei durch den vorgelegten Pachtvertrag vom 25. August 1956 hinreichend bescheinigt sei. Punkt V des Vertrages sehe für den Gegner Betriebspflicht vor, im Punkt II sei die Pachtdauer mit zehn Jahren festgelegt. Der Antragsgegner habe in seiner Äußerung das Bestehen des Pachtvertrages und die Vertragsdauer anerkannt. Aus seinen Schreiben vom 20. April und 12. Mai 1960 und aus seiner Äußerung zum Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ergebe sich sein ernstlicher Wille zur Einstellung des Betriebes, damit aber auch die Gefährdung der Interessen seiner Vertragspartnerin.

Infolge Rekurses des Gegners der gefährdeten Partei änderte das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antrag der gefährdeten Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abwies.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der gefährdeten Partei Folge, hob die untergerichtlichen Beschlüsse auf und trug dem Erstgericht auf, nach Ergänzung des Verfahrens neuerlich zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Gemäß § 381 EO. können zur Sicherung anderer Ansprüche als Geldforderungen einstweilige Verfügungen getroffen werden:

1.) wenn zu besorgen ist, daß sonst die gerichtliche Verfolgung oder Verwirklichung des fraglichen Anspruches, insbesondere durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes, vereitelt oder erheblich erschwert werden würde;

2.) wenn derartige Verfügungen zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden, unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen.

Der unter Z. 1 angeführte Grund kommt bei Gefährdung der Prozeßführung oder der Exekution in Betracht. Bei Besorgnis der Vereitlung oder erheblichen Erschwerung der gerichtlichen Verfolgung durch eine Änderung des bestehenden Zustandes liegt ein Grund zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung schon vor, wenn die Änderung des bestehenden Zustandes auch nur droht; es ist nicht erforderlich, daß sie schon begonnen hat (Neumann - Lichtblau, Kommentar zur EO., 3. Aufl. II S. 1181 f.). Der Rechtsmittelwerberin kann darin zugestimmt werden, daß wesentlicher Grundgedanke von Unternehmensverpachtungen mit auferlegter Betriebspflicht auf bestimmte Zeitdauer die Sicherung der Kontinuität des Betriebes als eines lebendigen Wirtschaftsorganismus ist und im Fall einer Einstellung jeder Betriebstätigkeit sich der Kundenstock verflüchtigt, das Ansehen des Geschäftes beeinträchtigt wird und der Charakter des Bestandobjektes als einer Gesamtsache untergeht. Die Möglichkeit, daß die Verwirklichung des Anspruches der Klägerin durch eine Änderung des bestehenden Zustandes bei Einstellung jedweder Betriebstätigkeit erheblich erschwert werden würde, besteht, wenn auch nicht verkannt werden soll, daß der Verfall eines Unternehmens oder der Verlust seines Ansehens vielleicht mehr noch als durch eine Einstellung des Betriebes durch unzulängliche oder schlechte Geschäftsführung herbeigeführt werden kann. Ist somit bereits nach § 381 Z. 1 EO. ein zureichender Grund zur Erlassung der einstweiligen Verfügung gegeben, so kann die Frage auf sich beruhen, ob hier auch noch ein Grund nach Z. 2 der bezogenen Gesetzesstelle vorhanden und ob die Behauptung von der Unwiederbringlichkeit eines etwa eintretenden Schadens genügend konkretisiert worden ist. Der Anspruch der Antragstellerin ist durch den Pachtvertrag und die vom Antragsgegner eingenommene Haltung genügend bescheinigt.

Der Antragsgegner hat nun allerdings zur Begründung für sein Verhalten angeführt, daß er schwer herzleidend sei und ihm in diesem Zustand ohne Gefahr für seine Gesundheit und sein Leben die Weiterführung der Fleischhauerei nicht mehr zugemutet werden könne. Zu diesem Einwand des Antragsgegners gegen den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung hat weder das Erstgericht noch das Rekursgericht Stellung genommen. Wenn der Antragsgegner in einem solchen Zustand ist, daß er die gepachtete Fleischhauerei ohne Gefahr für Gesundheit und Leben nicht führen kann, ihm auch die bloße Führung des Betriebes als Aufsichtsperson nicht zugemutet werden darf, dann ist das von der Antragstellerin begehrte Verbot in der Tat als sittenwidrig nicht vertretbar. Die untergerichtlichen Beschlüsse waren daher zur Prüfung und Bescheinigung der Einwände des Antragsgegners sowie zur neuerlichen Entscheidung aufzuheben.

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