OGH 1Ob302/02x

OGH1Ob302/02x24.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Friedrich Krall, Rechtsanwalt in Kufstein, wider die beklagten Parteien 1. ***** K***** & Co, ***** und 2. Peter R*****, vertreten durch Dr. Maximilian Ellinger und Dr. Günter Ellmerer, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen 7.020,20 EUR sA infolge Revisionsrekurses (fälschlich als Revision bezeichnet) der klagenden Partei gegen den Beschluss (fälschlich als Urteil ausgefertigt) des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 26. September 2002, GZ 4 R 364/02m‑12, womit das Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 15. Mai 2002, GZ 4 C 232/02t‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2003:0010OB00302.02X.0224.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

 

Begründung:

 

Die beklagten Parteien sind Bauträger und Wohnungseigentumsorganisatoren einer aus mehreren Wohnungen und Tiefgaragenabstellplätzen bestehenden Wohnanlage. Eine der Wohnungen wurde an die klagende Partei verkauft. Nach Übergabe der Wohnung nahm der Geschäftsführer der klagenden Partei erhebliche Schallimmissionen wahr, was gegenüber dem Zweitbeklagten, der bei der Errichtung der Wohnanlage im Auftrag der erstbeklagten Partei als Bauleiter tätig gewesen war, beanstandet wurde. Der Zweitbeklagte vertrat den Standpunkt, es lägen keine Mängel vor. Daraufhin wurde seitens der klagenden Partei die Zuziehung eines Sachverständigen zum Beweis des Vorliegens der Mängel ebenso angekündigt, wie dass die mit der Gutachtenserstellung verbundenen Kosten von den beklagten Parteien als mutmaßliche Schadensverursacher ersetzt verlangt werden würden. Der Zweitbeklagte äußerte sich hiezu nicht und meinte, es läge an der klagenden Partei, einen Sachverständigen zu beauftragen, denn sie müsse das Vorhandensein von Mängeln beweisen. In der Folge beauftragte die klagende Partei einen Sachverständigen mit der messtechnischen Überprüfung des "Ist‑Standes" des Schallschutzes, und die Bauakustikmessungen wurden schließlich durchgeführt. Ein Rechtsvertreter der beklagten Parteien teilte dem Klagevertreter mit, seine Mandanten seien für die entstandene Schallbrücke nicht verantwortlich; bei tatsächlich von ihnen verursachten Mängeln würden diese unverzüglich behoben werden. Im schallschutztechnischen Gutachten vom 6. 10. 2001 wurde klargelegt, dass zum Teil massive Verstöße gegen bestimmte Bauvorschriften vorlägen. Der beigezogene Sachverständige hielt jedoch fest, dass die durchgeführten "Erstuntersuchungen" lediglich der Schadensfeststellung gedient hätten, aber noch keine Aussagen über die "eigentlichen Schadensursachen" gemacht werden könnten. Für seine Gutachtertätigkeit stellte der Sachverständige 96.600 S in Rechnung, die die klagende Partei beglich. Bei einer späteren Zusammenkunft erklärte sich der Zweitbeklagte grundsätzlich bereit, die vorliegenden Mängel zu beheben, und ließ den Einwand, die klagende Partei müsse sich wegen der Mängelbehebung an einen anderen Wohnungseigentümer wenden, fallen. Die Behebung der Mängel ist noch nicht erfolgt.

Die klagende Partei begehrte die Zahlung von 7.020,20 EUR (als Kosten der Gutachtenserstellung) und brachte vor, zwischen den Streitteilen sei die Einholung eines schalltechnischen Gutachtens vereinbart worden, wobei sich die beklagten Parteien zur Zahlung der Gutachterkosten ‑ und schließlich auch zur Behebung der Mängel ‑ verpflichtet hätten. Die beklagten Parteien hafteten aber auch aus dem Titel der Geschäftsführung ohne Auftrag, denn das Gutachten sei in ihrem Interesse eingeholt worden. Beim eingeklagten Betrag handle es sich nicht um vorprozessuale Kosten, weil das Gutachten der Feststellung der Schallmängel und dazu gedient habe, die von den beklagten Parteien zugesagte Verbesserung durchzuführen.

Die beklagten Parteien wendeten ein, sie hätten sich niemals zur Tragung der Kosten verpflichtet. Die Sachverständigenkosten stellten vorprozessuale Kosten, die nicht selbständig geltend gemacht werden könnten, dar. Darüber hinaus sei die Aktivlegitimation der klagenden Partei nicht gegeben, die beklagten Parteien hafteten nicht zur ungeteilten Hand, und das Klagebegehren sei überhöht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit Urteil ab; in Wahrheit liegt allerdings ein die Zulässigkeit des Rechtswegs verneinender Beschluss vor. Es stellte über den bereits wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt hinaus fest, eine Erklärung des Zweitbeklagten, der klagenden Partei die Kosten des Gutachtens unabhängig von den Ursachen der Schallschutzmängel zu erstatten, sei nicht feststellbar. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, beim Klagsbetrag handle es sich um nicht selbständig einklagbare vorprozessuale Kosten. Eine vertragliche Vereinbarung der Kostenübernahme durch die beklagten Parteien sei nicht erweislich gewesen. Ein Verwendungs‑ bzw Geschäftsführungsanspruch könne erst dann geltend gemacht werden, wenn feststehe, dass kein Hauptanspruch mehr bestehe. Die Behebung der geltend gemachten Schalldämmungsmängel sei jedoch noch nicht erfolgt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass "die ordentliche Revision" (eigentlich: der ordentliche Revisionsrekurs) zulässig sei. Das von der klagenden Partei eingeholte Gutachten habe dazu gedient, das Vorliegen eines Mangels zu dokumentieren und zu beweisen; eine Erforschung der Schadensursache sei unterblieben. Der im Gutachten dokumentierte Mangel sei bislang nicht behoben worden. Ein über die Vorbereitung eines (Gewährleistungs‑ oder Schadenersatz‑)Prozesses hinausgehendes Interesse der klagenden Partei an der Einholung des Gutachtens liege demnach nicht vor. Gerade auf Grund der divergierenden Standpunkte (der Streitteile) sei zur Untermauerung der eigenen Argumentation der klagenden Partei das Gutachten eingeholt worden. Die geltend gemachten Kosten des Sachverständigengutachtens seien daher zum Hauptanspruch der klagenden Partei akzessorisch. Mangels Nachweises einer eigenständigen Vereinbarung über die Kostentragung könne das Klagebegehren auch nicht auf eine vertragliche Grundlage gestützt werden.

Der als Revision bezeichnete Revisionsrekurs der klagenden Partei ist zulässig (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO) und berechtigt.

 

Rechtliche Beurteilung

Vorprozessuale Kosten eines Privatgutachtens können dann Gegenstand eines eigenen Schadenersatzanspruchs sein, wenn ein besonderes Interesse an der Sachverhaltsermittlung unabhängig von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Prozess besteht (JBl 2001, 459; MietSlg 48.586; 2 Ob 647, 648/84; 2 Ob 542/81; 2 Ob 207/78). Im vorliegenden Fall diente das von der klagenden Partei in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten, dessen Kosten sie ersetzt begehrt, letztlich nur der Feststellung, ob ein Schaden (Mangel) im Zusammenhang mit der mangelnden Schalldämmung vorlag, keinesfalls aber der Feststellung der Schadensursache. Die Einholung dieses Gutachtens erfolgte daher jedenfalls nicht in erster Linie zur Beweissammlung und zur Vorbereitung eines gegen die beklagten Parteien anzustrengenden Prozesses, vielmehr bestand das besondere Interesse der klagenden Partei an der Sachverhaltsermittlung unabhängig von der denkbaren prozessualen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gegenüber den beklagten Parteien. Der Klagsanspruch bildet also hier keinen vom Ausgang eines allfälligen Rechtsstreits abhängigen Teil des Hauptanspruchs der klagenden Partei und kann demnach mit gesonderter Klage geltend gemacht werden. Das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs ‑ das die Vorinstanzen der Sache nach bejahten, weshalb sie von ihrem Rechtsstandpunkt die Klage hätten mit Beschluss zurückweisen müssen ‑ steht dieser Geltendmachung nicht entgegen, ist doch davon auszugehen, dass die von der klagenden Partei in Auftrag gegebene Gutachtenserstattung nicht bereits (unmittelbar) der allfälligen späteren Prozessführung gedient hat, sondern ganz überwiegend dazu bestimmt war, dem Auftraggeber eine Grundlage zur Ermittlung seiner Ansprüche bzw seiner Rechtsposition zu verschaffen, obwohl noch gar nicht feststeht, ob es zu einem Rechtsstreit kommen werde (vgl M. Bydlinski in JBl 1998, 69 [79]). Es ist also unerheblich, dass auch noch ein "Hauptprozess" zwischen den Streitteilen über allfällige Gewährleistungs‑ oder Schadenersatzansprüche der klagenden Partei geführt werden könnte. Ebensowenig ist von Bedeutung, dass eine privatrechtliche Vereinbarung über die Tragung dieser Kosten nicht feststellbar war.

In Stattgebung des Revisionsrekurses sind die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

 

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