Spruch:
Die Erklärung, daß der Kläger selbst bereit sei, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen, muß nicht in das Klagebegehren aufgenommen werden.
Auf die Bestimmung des § 1052 ABGB. ist nicht von Amts wegen, sondern nur auf Grund einer Einwendung des Beklagten Bedacht zu nehmen.
Entscheidung vom 13. Oktober 1948, 1 Ob 293/48.
I. Instanz: Kreisgericht Wiener Neustadt; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Mit ihrer am 22. September 1947 überreichten Klage hatte die Klägerin das Begehren gestellt zu erkennen, der Beklagte sei schuldig, 162 m3 Blockholz mittlerer Güte zu liefern, dieses gestützt auf die Behauptung, am 29. September 1944 vom Beklagten mittels Einkaufscheines 162 m3 Blockholz gekauft zu haben, die ehestens zu liefern der Beklagte sich verpflichtet habe, und worauf sie eine Teilzahlung von 3000 RM. auch bereits geleistet habe.
In der Klagebeantwortung hatte der Beklagte zugegeben, die Einkaufscheine für 162 m3 Blockholz erhalten und seinerseits erklärt zu haben, das Holz so bald wie möglich zu liefern; das für die Lieferung bestimmte Holz sei jedoch durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse verkommen, er - Beklagter - sei nun nicht mehr in der Lage, Holz aufzutreiben, da er keine Scheine bekomme; es liege also auf seiner Seite Unmöglichkeit der Leistung vor.
Bei der Streitverhandlung vom 27. November 1947 wurde von der Klägerin noch nachgetragen, der Preis sei mit 29 S pro m3 Holz vereinbart worden, welche Behauptung von dem Beklagten unwidersprochen blieb; bei der Streitverhandlung vom 19. März 1948 hat die Klägerin die Erklärung abgegeben, daß sie die Lieferung nur Zug um Zug gegen neuerliche Beistellung von Holzeinkaufscheinen begehre.
Mit Urteil vom 26. März 1948 hat das Kreisgericht Wiener Neustadt als Erstgericht erkannt, der Beklagte sei schuldig, der Klägerin Zug um Zug gegen Übergabe von Holzeinkaufscheinen für 162 m3 Rundholz binnen zwei Monaten bei Exekution 162 m3 Fichten- oder Tannenblockholz der Stärkeklasse II a (20 bis 30 cm) mittlerer Art und Güte an eine Abfuhrstraße zu liefern. Das Erstgericht hatte als erwiesen angenommen, daß die zur Lieferung bestimmte Holzmenge ohne Verschulden der Beklagten abhanden gekommen sei, hat sich aber auf den Standpunkt gestellt, daß Nutzholz der verkauften Art eine Gattungssache sei, deren Nachschaffung möglich sei. Der Verlust sei ein Zufall, der sich im Vermögen des Beklagten ereignet habe und bei Nachschaffungsmöglichkeit die Lieferungspflicht nicht aufhebe.
Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hat mit Urteil vom 25. Juni 1948 der Berufung teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es zu lauten hat: "Der Beklagte ist schuldig, Zug um Zug gegen Übergabe von Holzeinkauscheinen für 103 m3 Rundholz binnen zwei Monaten bei Exekution 103 m3 Fichten- oder Tannenblockholz der Stärkeklasse II a (20 bis 30 cm) mittlerer Art und Güte am Autoparkplatz an der Hohen Wand beim Gasthaus Schober zu liefern. Das Mehrbegehren wird abgewiesen."
Das Berufungsgericht geht bei der Begründung der Abweisung des Mehrbegehrens davon aus, daß der Kläger nicht behauptet habe, er sei dem Beklagten zur Vorleistung verpflichtet; es sei daher von einer Verpflichtung zur Leistung Zug um Zug auszugehen. Kläger habe nun nicht nur nicht Lieferung bloß Zug um Zug begehrt, sondern er habe sich im ganzen Verfahren auch nicht zu der ihm obliegenden Leistung bereit erklärt. Daher sei die Klage, soweit sie auf die Lieferung eines größeren Holzquantums gerichtet sei, als durch die Zahlung von 3000 RM vom 13. November 1945 gedeckt sei, im Sinne des § 1052 ABGB. derzeit abzuweisen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge und änderte das Urteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß der Berufung der beklagten Partei nicht Folge gegeben wird.
Rechtliche Beurteilung
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begrundet. Es handelt sich im gegebenen Falle um die Lösung der Frage, unter welchen Voraussetzungen das Begehren auf Erfüllung gestellt, bzw. ihm entsprochen werden muß. § 1052 ABGB. stellt den Grundsatz auf, daß derjenige, der auf Übergabe dringen will, seine Verbindlichkeit erfüllt haben muß oder sie zu erfüllen bereit sein und hiezu auch imstande sein muß. Die alte Theorie, insbesondere vor Erlassung der 3. Teilnovelle, vertrat die Auffassung, daß der Kläger schon in der Klage die Gegenleistungen anbieten müsse, widrigenfalls die Klage unvollständig sei. Diese Auffassung, welche offenkundig das Berufungsgericht übernommen hat, hat den Wortlaut des Gesetzes für sich. Eine derart streng doktorinäre Auffassung entspricht aber keineswegs der Geschäftsübung des Alltags und den Notwendigkeiten der Flüssigkeit des Verkehres. Die Erklärung, daß der Kläger selbst bereit sei, seine Verbindlichkeit zu erfüllen, kann nach Übung des Verkehres als dem Klagebegehren unterstellt angesehen werden. Auf die Bestimmung des § 1052 ABGB. ist daher nicht von Amts wegen Bedacht zu nehmen, vielmehr ist es Sache des Beklagten und muß ihm überlassen bleiben, eine darauf bezügliche Einwendung zu machen. Nur bei begrundeter Einrede wäre der Beklagte zur Leistung bloß gegen gleichzeitige Gegenleistung zu verurteilen. Im gegebenen Falle hat nun, wie die Aktenlage ergibt, der Beklagte seine Lieferpflicht anerkannt, eine Einwendung aus § 1052 ABGB. jedoch nie erhoben; es wurde vielmehr in diesem Zusammenhange lediglich die Frage der neuerlichen Beistellung von Holzeinkaufscheinen erörtert und von der Klägerin eingeräumt, die Lieferung nur Zug um Zug gegen neuerliche Beistellung von Holzeinkaufscheinen zu begehren. Erst in der Berufung wurde geltend gemacht, daß Klägerin sich nicht einmal zur Zahlung des Kaufpreises angeboten habe.
Da die Bestimmung des § 1052 ABGB. aber, wie oben ausgeführt, nicht zwingendes Recht ist, ist auf sie nicht von Amts wegen Bedacht zu nehmen.
Es war daher der Revision Folge zu geben und das Berufungsurteil dahin abzuändern, daß der Berufung zur Gänze nicht Folge gegeben wird.
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