OGH 1Ob290/67

OGH1Ob290/6721.3.1968

SZ 41/34

Normen

ABGB §1497
AHG §1
AHG §6 (1)
StPO §47
ABGB §1497
AHG §1
AHG §6 (1)
StPO §47

 

Spruch:

Keine Unterbrechung der Verjährung des Amtshaftungsanspruches gegen den Rechtsträger, wenn sich der Geschädigte dem Strafverfahren gegen das schuldtragende Organ als Privatbeteiligter angeschlossen hat.

Entscheidung vom 21. März 1968, 1 Ob 290/67.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Der Kläger macht mit der am 12. Jänner 1967 eingebrachten Klage gegen die beklagte Partei einen Amtshaftungsanspruch von 42.000 S s. A. geltend. Er behauptet, am 3. Juli 1963 nach seiner Maturafeier in S. im Zuge einer Anhaltung von Polizeirayonsinspektor L. einen Schlag gegen das linke Ohr erhalten zu haben, wodurch eine traumatische Perforation im vorderen unteren Trommelfell herbeigeführt worden sei. L. sei mit Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 21. Dezember 1965 wegen Übertretung gegen die körperliche Sicherheit nach § 431 StG. verurteilt worden. Dieses Urteil sei vom Landesgericht Klagenfurt als Berufungsgericht bestätigt worden. Der Kläger sei mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden.

Die beklagte Republik Österreich beantragte Klagsabweisung und wendete u. a. Verjährung ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Der Kläger sei nach einer Maturafeier in den Morgenstunden des 3. Juli 1963 in S. von Polizeirayonsinspektor L., der mit einem Funkstreifenwagen erschienen war, im Zuge einer Amtshandlung durch einen Schlag gegen das linke Ohr verletzt worden. Am 10. Juli 1963 habe der Kläger wegen dieses Vorfalles bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt die Anzeige gegen L. erstattet und erklärt, daß er sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anschließe. Auf Grund der Strafanzeige sei das Strafverfahren eingeleitet worden. L. sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 21. Dezember 1965 schuldig erkannt worden, am 3. Juli 1963 in S. durch Außerachtlassung der notwendigen Vorsicht, und zwar dadurch, daß er zur Abwehr eines vermeintlichen Angriffes gegen ihn dem Kläger einen Schlag gegen das linke Ohr versetzt habe, wobei dieser eine leichte Körperbeschädigung, nämlich eine kleine traumatische Perforation im vorderen Trommelfellabschnitt des linken Ohrs, verbunden mit Schmerzen, erlitten habe, die Übertretung gegen die körperliche Sicherheit nach § 31 StG. begangen zu haben; er sei zu einer Geldstrafe von 400 S verurteilt worden, wobei der Vollzug der Strafe für die Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufgeschoben worden sei. Gemäß § 366 (2) StPO. sei der Privatbeteiligte mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen worden. Die Berufung des L. gegen dieses Urteil sei vom Landesgericht Klagenfurt als Berufungsgericht mit Urteil vom 28. November 1966 als unbegrundet zurückgewiesen worden. Der Kläger habe durch seinen Rechtsfreund mit Schreiben vom 29. September 1966 an die Finanzprokuratur, das dort am 30. September 1966 einlangte, 42.000 S als Ersatz für die ihm von L. zugefügten Schäden begehrt. Die Finanzprokuratur sei der Aufforderung zur Anerkennung des Schadens nicht nachgekommen und habe eine Erklärung über das Begehren des Klägers innerhalb der Frist von drei Monaten nicht abgegeben.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß die Verjährung spätestens am 10. Juli 1963 begonnen habe, weil dem Kläger damals der Schaden eindeutig bekannt gewesen sei. Die Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 6 (1) AHG.) sei spätestens am 11. Juli 1966, also noch vor dem Aufforderungsschreiben des Klägers vom 29. September 1966, eingetreten. Durch den Anschluß als Privatbeteiligter im Strafverfahren gegen L. sei die Verjährung nicht unterbrochen worden. Die Privatbeteiligung im Strafverfahren gelte grundsätzlich nur dann als Klageführung im Sinne des § 1497 ABGB., wenn sich das Strafverfahren gegen den richte, der sich dann auf die Verjährung berufen wolle. L. habe die vom Kläger behauptete Verletzung zwar als Organ der beklagten Partei begangen, doch sei Schuldner des Klägers aus dieser Rechtsverletzung nur die beklagte Partei, die zwar am Ausgang des Strafverfahrens ein Interesse gehabt habe, aber am Verfahren nicht beteiligt gewesen sei. Aber selbst wenn die Anschlußerklärung im Strafverfahren gegen L. die Wirkung der Unterbrechung der Verjährung gehabt hätte, wäre für den Kläger nichts gewonnen, weil nach der Verweisung auf den Zivilrechtsweg am 21. Dezember 1965 die Klage nicht gehörig fortgesetzt worden sei. Die Anbringung der Klage am 12. Jänner 1967 sei keine gehörige Fortsetzung der Klage im Sinne des § 1497 ABGB. gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Da gemäß der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes EvBl. 1967 Nr. 232 der Amtshaftungsanspruch nicht ein privatrechtlicher, sondern ein öffentlich-rechtlicher Anspruch sei, § 47 StPO. aber nur einen Anschluß wegen privatrechtlicher Ansprüche kenne, wäre die Privatbeteiligung von vornherein unzulässig gewesen und hätte wie eine unzulässige Klagserhebung die Verjährung im Sinne des § 1497 ABGB. nicht unterbrechen können. Das Gesetz (§ 1 AHG.) stehe jedoch auf dem Standpunkt, daß der Rechtsträger für fremdes Verschulden hafte, womit aber die sogenannte Organtheorie, wonach Handlungen des Organs zugleich Handlungen der Körperschaft seien, für den Bereich der Amtshaftung abgelehnt sei. Der schuldtragende Polizeibeamte sei auch kein vertretungsbefugtes Organ der beklagten Partei, denn gemäß Art. 19 B.-VG. seien die obersten Organe der Vollziehung der Bundespräsident, die Bundesminister und die Staatssekretäre. Unter deren Leitung führten nach Art. 20 B.-VG. auf Zeit gewählte oder berufsmäßige Organe die Verwaltung. Durch den Anschluß als Privatbeteiligter im Strafverfahren gegen L. sei also keine Unterbrechung der Verjährung nach § 1497 ABGB. eingetreten. Das Zuwarten des Klägers nach der Verweisung auf den Zivilrechtsweg mit der Klagserhebung bis zum Eintritt der Rechtskraft des Strafverfahrens könnte nicht als ungebührliche Verzögerung aufgefaßt werden, weil erst durch das Urteil des Berufungsgerichtes die für das Zivilverfahren entscheidende Schuldfrage gelöst worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach Loebenstein - Kaniak, Kommentar zum Amtshaftungsgesetz S. 27 f., kann daraus, daß im § 1 AHG. von den als "Organe" handelnden Personen gesprochen wird, nicht abgeleitet werden, daß sich der Gesetzgeber für die Lösung des sogenannten Zurechnungsproblems der Organtheorie angeschlossen hat. Denn obwohl sich das Amtshaftungsgesetz des Ausdrucks "Organe" bediene, ziehe es nicht die aus der Organtheorie folgende letzte Konsequenz. Das Wesen der Organschaft bestehe darin, daß die Handlungen der Organe unmittelbar Handlungen der Körperschaft seien. Folgerichtig müßte dann § 1 AHG.

lauten: "Der Bund, die Länder ..... haften für den Schaden, den sie

durch die als ihre Organe handelnden Personen ..... zugefügt haben."

Das Amtshaftungsgesetz spreche aber von der Haftung der Rechtsträger für den Schaden, den die als Organe der Rechtsträger handelnden Personen zugefügt haben, also nicht von der Haftung für eigenen Schaden, sondern von der Haftung für fremden Schaden. Der Gesetzgeber habe offenbar besondere Gründe gehabt, die Amtshaftung nicht als Haftung für eigenen, sondern für fremden Schaden zu normieren. Der Gesetzgeber habe allerdings nur die Identifizierung der Handlung des Organes mit den Rechtsträgern abgelehnt, nicht aber die Haftung selbst.

Rechtsträger und Organ sind somit nach dem Amtshaftungsgesetz nicht identisch, wenn das Organ in Vollziehung der Gesetze rechtswidrig und schuldhaft Schaden stiftet, doch übernimmt der Rechtsträger für sein Organ die Haftung für solche Schäden. Dies hat aber zur Folge, daß die Anschlußerklärung als Privatbeteiligter im Strafverfahren gegen das Organ nicht die Unterbrechung der Verjährung bewirkt (§ 1497 ABGB.), weil diese den Anschluß im Strafverfahren gegen die Person voraussetzt, gegen welche auch der Schadenersatzanspruch besteht, dessen Verjährung unterbrochen werden soll (SZ. XXVIII 108).

Auf die Frage, was für ähnlich gelagerte Fälle auf dem Gebiet des Privatrechtes gilt, braucht nicht eingegangen zu werden, weil für die Amtshaftung eine positivrechtliche Regelung besteht. Es ist jedoch in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß die subjektive Wirkung der Unterbrechung der Verjährung durch gerichtliche Geltendmachung des Anspruches, insbesondere auch bei Gesamtschuldverhältnissen, angenommen wird (vgl. Klang[2] IV/1 307). Selbst die gegen den persönlichen Schuldner erhobene Klage unterbricht nicht die Verjährung der Hypothek (Ehrenzweig[2], Sachenrecht S. 503). Wenn in Klang[2] IV/1 308 für besondere Verhältnisse, wie das zwischen Bürgen und Zahler und Hauptschuldner, eine Ausnahme von der Regel der bloß subjektiven Wirkung der Unterbrechung der Verjährung durch Klageführung anerkannt wird, so ist dies aus der streng akzessorischen Natur der Haftung des Bürgen für eine fremde Schuld zu erklären. In Amtshaftungssachen aber, in denen das schuldtragende Organ dem Zugriff des Geschädigten entzogen sein soll und nur die Haftung des Rechtsträgers besteht, ist kein stichhältiger Grund vorhanden, "besondere Verhältnisse" der in Klang[2] IV/I 308 gemeinten Art anzunehmen. Diese Darlegungen zeigen aber auch, daß der Gleichheitsgrundsatz des Art. 7 B.-VG. nicht verletzt wird, wenn im vorliegenden Fall eine Unterbrechung der Verjährung durch die Privatbeteiligung des Verletzten im Strafverfahren gegen das schuldtragende Organ verneint wird.

Nicht zu billigen ist aber die Annahme des Berufungsgerichtes, daß die Qualifizierung des Amtshaftungsanspruches als öffentlichrechtlichen Anspruches (EvBl. 1967 Nr. 232) eine Anschlußerklärung als Privatbeteiligter wegen eines Amtshaftungsanspruches hindere. Denn trotz der in der angeführten Entscheidung angenommenen öffentlich-rechtlichen Natur dieses Anspruches bleibt doch auch nach dieser Entscheidung für die Ermittlung des Ausmaßes der Ersatzpflicht das bürgerliche Recht maßgebend. Es kann also der Amtshaftungsanspruch in dieser Beziehung wie ein privatrechtlicher Anspruch behandelt werden, dies umso mehr, als er laut ausdrücklicher Vorschrift des Gesetzes an und für sich auf dem Zivilrechtsweg zu verfolgen ist.

Die Behauptung der klagenden Partei, die beklagte Partei hätte sittenwidrig gehandelt, wenn sie einen Widerstreit zwischen dem formalen Recht und der materiellen Rechtslage ausnützte, der selbst arglistig herbeigeführt worden sei, ist völlig unbegrundet. Für den Amtshaftungsprozeß war die Durchführung des Strafverfahrens gegen das schuldtragende Organ nicht entscheidend in dem Sinne, daß dessen Ausgang vor Klagserhebung gegen den Rechtsträger hätte abgewartet werden müssen. Es kann also die lange Dauer des Strafverfahrens, wenn diese überhaupt der beklagten Partei anzulasten wäre, die Säumigkeit des Klägers in der Klageführung nicht rechtfertigen.

Die Revision muß aus diesen Gründen erfolglos bleiben, ohne daß noch erforderlich wäre, auf die Frage einzugehen, ob nicht auch Verjährung deshalb eingetreten war, weil die Klage nicht gehörig fortgesetzt worden sei.

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