OGH 1Ob290/66

OGH1Ob290/6624.11.1966

SZ 39/200

Normen

AußStrG §6
AußStrG §16
Jugendgerichtsgesetz 1961 §2 (1)
JWG §29
JWG §34
JWG §39
ZPO §102
ZPO §103
AußStrG §6
AußStrG §16
Jugendgerichtsgesetz 1961 §2 (1)
JWG §29
JWG §34
JWG §39
ZPO §102
ZPO §103

 

Spruch:

Ersatzzustellung im außerstreitigen Verfahren

Im Falle der Rechtskraft der Anordnung einer Maßnahme nach einer der im § 2 (1) JGG. zitierten Gesetzesstellen durch das (unzuständige) Vormundschaftsgericht statt durch das (zuständige) Strafgericht bleibt es bei der Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichtes

Entscheidung vom 24. November 1966, 1 Ob 290/66

I. Instanz: Jugendgerichtshof Wien; II. Instanz: Jugendgerichtshof Wien

Text

Unter 1 P .../52 war beim Bezirksgericht H. die Vormundschaft über den mj. Heinrich H. (geb. am 29. Dezember 1951) anhängig; Amtsvormund ist das Bezirksjugendamt für den 16. Bezirk.

Am 15. März 1966 stellte das Bezirksjugendamt für den 20. Bezirk im Einvernehmen mit dem Bezirksjugendamt für den 16. Bezirk beim Jugendgerichtshof Wien den Antrag auf Übernahme des Vormundschaftsaktes vom Bezirksgericht H. gemäß § 22 (1) Z. 2 lit. a JGG., auf Anordnung der vorläufigen Fürsorgeerziehung gemäß § 31 (1) JWG. wegen Gefahr im Verzug, auf Anordnung der Fürsorgeerziehung gemäß § 29 JWG. zur Beseitigung der Verwahrlosung und auf Abnahme des mj. Heinrich H. im Wege der Vollstreckungsabteilung.

Mit Beschluß vom 16. März 1966, ONr. 2, ordnete der Erstrichter daraufhin in der nunmehr beim Jugendgerichtshof Wien eröffneten Vormundschaftssache die vorläufige Fürsorgeerziehung gemäß § 31 (1) JWG. an.

Nach Vernehmung der Kindesmutter, bei der sich der mj. Heinrich H. befand, ordnete der Erstrichter mit dem Beschluß vom 5. April 1966, ONr. 4, die Fürsorgeerziehung gemäß § 29 JWG. an. Dieser Beschluß sollte der Mutter am 6. April 1966 zugestellt werden; da sie in ihrer Wohnung nicht anwesend war, nahm der Postbeamte eine Ersatzstellung an den mj. Heinrich H. vor. Da in der Folge kein Rechtsmittel einlangte, erklärte der Erstrichter den Beschluß ONr. 4 am 20. Mai 1966 als rechtskräftig. Eine Abnahme des mj. Heinrich H. war bis dahin nicht erfolgt und erfolgte wegen Platzmangels in der Unterbringungsanstalt auch weiterhin zunächst nicht. Laut Amtsvermerk vom 5. Juli 1966, ONr. 6, sprachen am 15. Juni 1966 die Kindesmutter, ihr Gatte, die Leiterin des Bezirksjugendamtes für den 16. Bezirk und Rechtsanwalt Dr. Z., der in einem beim Jugendgerichtshof Wien unter 3 Vr .../66 laufenden Strafverfahren zum Armenverteidiger des mj. Heinrich H. bestellt worden war, beim Erstrichter vor. Die Kindesmutter machte geltend, daß ihr die Ausfertigung des Beschlusses ONr. 4 bis dahin nicht zugekommen sei und stellte die Rechtswirksamkeit der an den mj. Heinrich H. bewirkten Ersatzzustellung in Frage. Nachdem ein von Dr. Z. angekundigter Antrag auf Zustellung des Beschlusses ONr. 4 an die Kindesmutter bis 18. Juli 1966 nicht eingelangt war, verfügte der Erstrichter an diesem Tag die neuerliche Zustellung des Beschlusses an die Kindesmutter. Sie erfolgte diesmal zu Handen der mj. Brigitte H., einer ebenfalls bei der Mutter wohnhaften Zwillingsschwester des mj. H., und zwar am 20. Juli 1966.

Am 27. Juli 1966 erhob die Kindesmutter Rekurs gegen den Beschluß ONr. 4.

Das Rekursgericht nahm dieses Rechtsmittel zum Anlaß, das gesamte Verfahren I. Instanz als nichtig aufzuheben und dem Erstrichter den Auftrag zu erteilen, die das Verfahren einleitenden Anträge des Bezirksjugendamtes für den 20. Bezirk der Abteilung 3 des Jugendgerichtshofes Wien als dem zur Entscheidung zuständigen Strafgerichte zu 3 Vr .../66 zuzuleiten. Es begrundet seinen Beschluß im wesentlichen wie folgt: Ob die an den mj. Heinrich H. vorgenommene Ersatzzustellung rechtswirksam gewesen sei, könne ebenso unerörtert bleiben wie die Frage, ob der von der Mutter nunmehr erhobene Rekurs zulässig sei; maßgebend sei nämlich, daß schon seit 10. März 1966 das erwähnte Strafverfahren gegen den mj. Heinrich H. wegen Verdachtes des Verbrechens nach § 155 lit. a StG. geführt worden sei; an diesem Tag habe die Staatsanwaltschaft "in der Strafsache gegen Heinrich H .... wegen § 155 lit. a StG." beim Jugendgerichtshof die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Eignung eines Messers zur Herbeiführung lebensgefährlicher Verletzungen beantragt, dessen sich der mj. Heinrich H. laut polizeilicher Anzeige bei einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem Mitschüler als Waffe bediente; am 14. März 1966 habe der Untersuchungsrichter daraufhin das gerichtsmedizinische Institut der Universität Wien zum Sachverständigen bestellt; zufolge der Bestimmungen des § 27 (2) JGG. im Zusammenhalt mit jenen des § 2 leg. cit. und jenen der §§ 29 und 31 JWG. sei also der Jugendgerichtshof als Vormundschaftsgericht am 16. März 1966, dem Tag der Fassung des Beschlusses ONr. 2, unzuständig gewesen; da es sich um eine unheilbare Unzuständigkeit gehandelt habe, sei das gesamte Verfahren als nichtig anzusehen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Amtes der Wiener Landesregierung Folge, hob den Beschluß des Rekursgerichtes auf und beauftragte dieses Gericht, über den Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes ONr. 4 zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Auszugehen ist davon, daß - entgegen der Meinung des Rekursgerichtes - die Frage der Zulässigkeit des ihm vorliegenden Rekurses der Mutter gegen den Beschluß ONr. 4 nicht unerörtert gelassen werden kann. Nur aus Anlaß eines zulässigen Rechtsmittels kann nämlich eine der Unterinstanz etwa unterlaufene, vom Rechtsmittelwerber selbst nicht gerügte Nichtigkeit wahrgenommen werden. Dies ist ständige Judikatur, von der z. B. die Entscheidung vom 23. Februar 1955, 1 Ob 83/55, und vom 14. März 1958, 3 Ob 134/58, aus jüngerer Zeit erwähnt seien.

Daß die Mutter, in deren Erziehung sich der mj. Heinrich H. auch nach Anordnung der Fürsorgeerziehung noch geraume Zeit befand - nach der Aktenlage wurde seine Abnahme erst am 16. September 1966 durchgeführt -, die Rekurslegitimation hat, ergibt sich aus §§ 34

(3) und (4), 39 JWG.

Der von ihr am 27. Juli 1966 erhobene Rekurs gegen den Beschluß ONr. 4 wäre allerdings verspätet, wenn schon die Ersatzzustellung zu Handen des mj. Heinrich H. am 6. April 1966 rechtswirksam gewesen wäre. Ein verspäteter Rekurs ist zwar gemäß § 11 (2) AußStrG. nicht unter allen Umständen unbeachtlich, kann aber nicht berücksichtigt und auch nicht zum Anlaß genommen werden, eine in I. Instanz unterlaufene Nichtigkeit von Amts wegen wahrzunehmen, wenn bereits ein Dritter durch die angefochtene Entscheidung Rechte erworben hat (vgl. dazu SZ. XXIII 99). Letzteres ist diesmal der Fall, weil der mj. Heinrich H. durch den ihn betreffenden Beschluß das Recht erworben hat, durch die Fürsorgeerziehung aus seiner bisherigen Umgebung zwecks Behebung seiner Verwahrlosung entfernt zu werden.

Es kann darum - entgegen der Meinung des Rekursgerichtes - auch nicht ungeprüft bleiben, ob die Ersatzzustellung vom 6. April 1966 rechtswirksam war. Daß die Mutter laut Amtsvermerk vom 5. Juli 1966, ONr. 6, schon am 15. Juni 1966 Kenntnis von dem Beschluß ONr. 4 erlangt hatte, ist hingegen unerheblich, weil die Rechtsmittelfrist gemäß § 11 (1) AußStrG. jedenfalls erst ab Zustellung läuft, mag ein Beschluß auch schon vor Zustellung anfechtbar sein; auch Akteneinsicht ersetzt die Beschlußzustellung nicht (SZ. XXIII 70 und 264 u. a.). Maßgebend für die Beurteilung sind hier gemäß § 6 AußStrG. die Bestimmungen der §§ 102, 103 ZPO. Die zunächst auftauchende Frage, ob der Postbote den Eindruck haben konnte, der mj. Heinrich H. sei als "erwachsen" anzusehen (vgl. dazu Fasching, Kommentar, zu § 102 ZPO. unter Anm. 6, S. 586) - eine Frage, für deren Bejahung sich zufolge der Beschreibung des mj. Heinrich H. im Gutachten des Erziehungsberatungsdienstes vom 27. Jänner 1966 (S. 1 c) immerhin gewisse Anhaltspunkte ergäben -, kann allerdings auf sich beruhen, weil eine Ersatzzustellung zu Handen des mj. Heinrich H. aus dem Gründe des § 103 (3) ZPO. unzulässig war. Das Verbot der Ersatzzustellung an eine Person, die "am Rechtsstreit als Gegner des Empfängers beteiligt ist", bezieht sich im Außerstreitverfahren in erster Linie wohl auf den formellen Antragsgegner (so schon die E. vom 24. Februar 1954, 3 Ob 98/54), darüber hinaus aber auf jede Person, deren Rechte im laufenden Verfahren in Widerstreit zu den Rechten des Empfängers treten können (vgl. dazu Fasching, a. a. O., unter Anm. 13, S. 587, und zu § 103 ZPO. unter Anm. 11, S. 589). Eine solche Interessenkollision bzw. Interessenkollisionsgefahr besteht gerade auch im vorliegenden Fall, in dem es sich darum handelt, den mj. Heinrich H. aus dem Erziehungsbereich der Mutter zu entfernen, sofern auf das wohlverstandene Interesse des ersteren, durch Fürsorgeerziehung doch noch der Verwahrlosung entrissen zu werden, abgestellt wird. War also die Ersatzzustellung an ihn unzulässig, dann war sie auch wirkungslos; es muß daher von der Rechtzeitigkeit des der II. Instanz vorliegenden Rekurses ausgegangen werden, weil nicht hervorgekommen ist, daß die Mutter den seinerzeit vom mj. Heinrich H. übernommenen Beschluß vor der vom Gericht verfügten zweiten Zustellung irgendwann einmal bekommen hätte (§ 108 ZPO. in Verbindung mit § 6 AußStrG.).

Dieser Rekurs bekämpfte nur den Beschluß ONr. 4, weshalb als nächstes zu prüfen ist, ob das Rekursgericht bei Verfolgung der von ihm wahrgenommenen Nichtigkeit den Beschluß vom 16. März 1966, ONr. 2, aufheben bzw. mitaufheben durfte, obgleich es selbst erwähnte, er sei rechtskräftig geworden. Das ist - unter der Voraussetzung, daß der Beschluß ONr. 2 wirklich rechtskräftig wurde - zu verneinen, weil darin selbst eine Nullität liegt (SZ. XXV 190 u. a., zuletzt etwa 6 Ob 79/66). Auch die von einem absolut unzuständigen Gericht gefällte Entscheidung ist rechtswirksam. Erwächst sie in Rechtskraft, ist die Nichtigkeit geheilt und die Rechtskraft zu beachten (E. vom 14. März 1958, 3 Ob 134/58). Daß sich aus der Sonderbestimmung des § 11 (2) AußStrG. nichts für den Standpunkt der II. Instanz gewinnen läßt, wurde bereits in anderem Zusammenhang erwähnt.

Die Rechtskraft des Beschlusses ONr. 2 könnte angezweifelt werden, weil er dem Jugendamt für den 16. Bezirk, das die Vormundschaft über den mj. Heinrich H. führt, nicht zugestellt worden war, sondern nur dem Bezirksjugendamt für den 20. Bezirk - in zweifacher Ausfertigung -, ferner der Magistratsabteilung 11 und der Kindesmutter. Amtsvormund ist gemäß § 16 JWG. aber jedenfalls die Bezirksverwaltungsbehörde als solche, das ist in Wien gemäß § 2 (1) Wr. JWG. der Magistrat. Die Bezirksjugendämter sind keine selbständigen, ihm untergeordneten Instanzen, sondern nur Außenstellen des Magistrates, der mit allen seinen Abteilungen und Dienststellen eine Einheit darstellt (vgl. dazu 8 Ob 249/65 = RiZ. 1966 S. 70 und die dort zitierte Judikatur u. a.). Die Zustellung des Beschlusses ONr. 2 war daher auch gegenüber dem Vormund wirksam und die Auffassung des Rekursgerichtes, dieser Beschluß sei rechtskräftig geworden, ist richtig.

Zur Frage, welche Bedeutung der rechtskräftigen Anordnung einer Maßnahme nach einer der im § 2 (1) JGG. zitierten Gesetzesstellen durch das (unzuständige) Vormundschaftsgericht statt durch das (zuständige) Strafgericht (§ 27 (2) erster Satz JGG.) für die Zuständigkeit im Fall einer Änderung oder Aufhebung derselben zukommt, hat der Oberste Gerichtshof in seiner ausführlich begrundeten Entscheidung vom 11. Juli 1962, 6 Nd 45/62 (EvBl. 1962 Nr. 463 = JBl. 1963 S. 217), Stellung genommen. Er ist damals zum Ergebnis gekommen, daß es zufolge der neu geschaffenen Bestimmung des zweiten Satzes im § 27 (2) JGG. ("Das Gericht, das eine vormundschaftsbehördliche Verfügung getroffen hat, hat - unbeschadet der Bestimmung des Abs. 4 - stets auch über deren Änderung oder Aufhebung zu entscheiden") bei der nun einmal rechtskräftig in Anspruch genommenen Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichtes bleiben müsse. Diese Entscheidung ist im Schrifttum auf Kritik gestoßen (vgl. z. B. Piska in JBl. 1963 S. 218 f., Vock in ÖJZ. 1963 S. 654), aber nicht durchwegs abgelehnt worden (vgl. etwa Obendorf in JBl. 1963 S. 612). Der Oberste Gerichtshof selbst hat den in 6 Nd 45/62 eingenommenen Standpunkt nach abermaliger Prüfung des Problems in der Entscheidung vom 18. September 1963, 6 Ob 235/63, aufrechterhalten. Diese Entscheidung ist auch deshalb bemerkenswert, weil sie auf die Entscheidung vom 7. Dezember 1962, 10 Os 171/62, einging, deren unter EvBl. 1963 Nr. 177 und RiZ. 1963 S. 62 nicht veröffentlichter, aber von Obendorf a. a. O. unter Anm. 2 wiedergegebener Teil auch auf die Bestimmung des § 27 (2) JGG. 1961 Bezug nahm. Der Oberste Gerichtshof sah zwischen der in 6 Nd 45/62 und 6 Ob 235/63 einerseits und 10 Os 171/62 anderseits vertretenen Auffassung keinen Widerspruch, weil es sich bei letzterer Entscheidung doch um einen anders gelagerten Fall handelt, nämlich den, daß neben einer früher schon vom Vormundschaftsrichter getroffenen Maßnahme eine weitere Maßnahme neu anzuordnen war, während es sich in den Fällen 6 Nd 45/62 und 6 Ob 235/63 um die vom zweiten Satz des § 27 (2) JGG. normierte Regelung für die Änderung oder Aufhebung früher getroffener Maßnahmen handelte.

Der Vollständigkeit halber sei auch noch die unveröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 19. Jänner 1965, 8 Ob 11/65, erwähnt. Sie betraf einen Fall, in dem der Vormundschaftsrichter seinerzeit die Fürsorgeerziehung angeordnet hatte und später während des Laufes einer gemäß § 13 JGG. 1961 bestimmten Probezeit nach einer vom Mundel im Fürsorgeerziehungsheim begangenen Straftat die Einweisung in die Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige in Kaiser-Ebersdorf angeordnet hatte, mit dieser Anordnung allerdings auch den Ausspruch verbunden hatte, mit der Rechtskraft seines Beschlusses werde die seinerzeit angeordnete Fürsorgeerziehung aufgehoben. Mag auch dieser Fall also mehr jenem der Entscheidung 6 Nd 45/62 ähneln, muß hiezu doch festgehalten werden, daß der Oberste Gerichtshof in 8 Ob 11/65 weder auf die Entscheidungen 6 Nd 45/62 und 6 Ob 235/63 noch auf die Vorschrift des zweiten Satzes des § 27 (2) JGG. 1961 eingegangen ist.

In 6 Ob 235/63 hat sich der Oberste Gerichtshof auch noch mit der Entscheidung vom 26. Juli 1963, 10 Os 189, 190/63 = SSt. XXXIV 40 = JBl. 1964 S. 98 befaßt, die allerdings hier nicht unmittelbar heranziehbar ist, weil sie den Fall einer probeweisen Entlassung aus einer Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige betraf, für den im § 27

(4) JGG. eine besondere Bestimmung getroffen ist. Aber auch diese Bestimmung liegt auf der Linie der Schaffung einer "Art perpetuatio fori" (Foregger, Einführungsvorträge, S. 119, vgl. auch die Bemerkungen Liebschers in JBl. 1964 S. 99), deren Sinn und Zweck im Interesse des betroffenen Minderjährigen weit eher verwirklicht wird, wenn das Gericht, das eine vormundschaftsbehördliche Verfügung getroffen hat, wirklich "stets" auch über deren Änderung oder Aufhebung zu entscheiden hat. Daß diese Ansicht des Obersten Gerichtshofes den Wortlaut des Gesetzes für sich hat, mußte ja auch die Kritik zugeben (vgl. Piska und Vock a. a. O.). Er hält deshalb an ihr auch in einem Fall wie dem vorliegenden fest, daß die nunmehr abzuändernde oder aufzuhebende vormundschaftsbehördliche Verfügung von einem Gericht angeordnet wurde, das an und für sich dafür unzuständig gewesen wäre, sofern sie nur seinerzeit rechtskräftig wurde.

Daß sich aus der Eigenart der Organisation des Jugendgerichtshofes Wien (§ 22 JGG. 1961) für die Beurteilung nichts gewinnen läßt, ergibt sich aus den Darlegungen in 10 Os 189, 190/63.

Schließlich sei noch festgehalten, daß es sich im vorliegenden Fall nicht nur der Natur der Sache nach (vgl. 6 Nd 45/62) um eine Änderung der ursprünglich getroffenen Maßnahme handelt. Das Gesetz selbst bezeichnet die Anordnung der Fürsorgeerzieung nach zunächst getroffener Anordnung der vorläufigen Fürsorgeerziehung ausdrücklich als "Umwandlung" (§ 31 (1) zweiter Satz JWG.), sodaß nach der Bestimmung des § 27 (2) zweiter Satz JGG. vorgegangen werden muß.

Diese Erwägungen führen zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Das Rekursgericht wird also in die meritoritische Prüfung des ihm vorliegenden Rekurses gegen den Beschluß ONr. 4 eingehen müssen.

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