OGH 1Ob28/86

OGH1Ob28/8628.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf B***, Kaufmann, Gmunden, Kirchengasse 5, vertreten durch Dr. Heinz Ortner, Rechtsanwalt in Gmunden, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 126.403,27 s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Jänner 1986, GZ. 14 R 305/85-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19. September 1985, GZ. 52 a Cg 1014/85-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen den in das Urteil des Berufungsgerichtes aufgenommenen Beschluß über das Zinsenbegehren richtet, zurückgewiesen.

Im übrigen wird ihr teilweise Folge gegeben; die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 126.376,27 und die mit S 45.657,05 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin S 2.041,55 Umsatzsteuer und S 23.200,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von S 27,- wird hingegen abgewiesen."

Text

Entscheidungsgründe:

Das Kreisgericht Wels hat den Kläger (dort als Beklagten) über Klage des Österreichischen Wettbewerbsverbandes mit Urteil vom 2.8.1982, 1 Cg 54/82-12, schuldig erkannt, im geschäftlichen Verkehr beim Einzelverkauf von Artikeln des täglichen Bedarfs die Gewährung oder Ankündigung eines 3 % übersteigenden Barzahlungsnachlasses an Letztverbraucher zu unterlassen, und die dort klagende Partei zur Urteilsveröffentlichung ermächtigt. Es stellte fest, der Kläger habe dem Testkäufer Dr. Johannes H***, der vorgegeben habe, Mitglied des Turnvereins Attnang-Puchheim zu sein, am 18.12.1981 einen 3 % übersteigenden Rabatt gewährt. Am 3.12.1981 habe sich Dr. Bernd I*** in Begleitung des Dr. Viktor S*** jun. im Laden des Klägers in Gmunden für einen bestimmten Schi interessiert; dabei sei ihm bedeutet worden, für den Schi selbst gebe es keinen Preisnachlaß, wohl könne ihm aber für die Bindung ein Rabatt von 10 % gewährt werden. Die Feststellungen über den Vorfall am 3. Dezember 1981, den die klagende Partei erst in der letzten Tagsatzung vorgebracht hatte, stützte das Prozeßgericht ausschließlich auf allein zum Beweis angebotene eidesstättige Erklärungen des Dr. Bernd I*** und des Dr. Viktor

S*** jun. und führte in den Erwägungen zur Beweiswürdigung aus, der Kläger (dort Beklagter) habe den Inhalt dieser eidesstättigen Erklärungen nicht bestritten, sondern bloß erklärt, der angebliche Prozentsatz von 3,5 % hänge von Preishöhe für Schi und Bindung ab. Tatsächlich hatte der dort beklagte Kläger jedoch nur die Echtheit der beiden eidesstättigen Erklärungen anerkannt und zum Vorfall vom 3. Dezember 1981 ausgeführt, daß ein Rabatt weder angekündigt noch gewährt worden und die Gewährung eines 3,5 %igen Nachlasses nur eine Annahme sei, da dieser Prozentsatz von der Preishöhe, Bindung und Schi abhänge.

In der Berufung gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels führte der Kläger unter dem Anfechtungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung aus, das Erstgericht hätte die Feststellungen über den Vorfall am 3. Dezember 1981 schon deshalb nicht treffen dürfen, weil eidesstättige Erklärungen kein zulässiges Beweismittel im Sinne der Zivilprozeßordnung seien; der Berufungswerber habe die Richtigkeit der beiden eidesstättigen Erklärungen - entgegen den Ausführungen des Erstgerichts - bestritten und hiezu vorgebracht, am 3. Dezember 1981 sei ein Rabatt weder angekündigt noch gewährt worden.Zu dieser Rüge nahm die klagende Partei in ihrer Berufungsmitteilung dahin Stellung, die Feststellung, daß es bereits am 3. Dezember 1981 bei der Vorsprache Dris. Bernd I***, Dris. Viktor S*** jun. zum Anbieten eines Rabatts gekommen sei, sei auf Grund der zweifelsfreien eidesstättigen Erklärungen zu Recht getroffen worden; der Beklagte übersehe, daß es sich auch ohne Einvernahme der Betreffenden bei den vorgelegten Erklärungen um zulässige Beweismittel im Sinne der ZPO, nämlich Augenscheinsobjekte, handle. Das Oberlandesgericht Linz gab der Berufung des Klägers (dort Beklagter) mit Urteil vom 11. November 1982, 5 R 179/82-18, teilweise Folge und änderte das Urteil dahin ab, daß es das Veröffentlichungsbegehren abwies. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen über den Vorfall am 3. Dezember 1981 und führte zur Beweisrüge des Klägers aus, dieser habe zum Beweis der Richtigkeit seiner Einwendungen lediglich seine Parteienvernehmung angeboten. Dabei habe er zum Vorfall am 3. Dezember 1981 nur insoweit Stellung genommen, als seine Verkäufer angewiesen gewesen seien, grundsätzlich überhaupt keinen Rabatt und lediglich über Aufforderung durch den Kunden einen Preisnachlaß von 3 % zu gewähren. Eidesstättige Erklärungen könnten zwar die Vernehmung ihrer Verfasser nicht ersetzen, doch habe der Kläger die Widerlegung der Richtigkeit der beiden Erklärungen nicht ernstlich versucht. Den Beweisergebnissen könne kein Hinweis entnommen werden, daß diese Erklärungen unrichtig seien.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers mit Urteil vom 31. Mai 1983, 4 Ob 311/83-24, teilweise statt und änderte das bekämpfte Urteil dahin ab, daß dem Kläger nur die Gewährung eines 3 % übersteigenden Barzahlungsnachlasses untersagt werde; das Mehrbegehren, dem Kläger auch das Ankündigen eines solchen Rabatts zu verbieten, wies er ab. Zur Mängelrüge führte das Revisionsgericht aus, dem Revisionswerber sei zuzugeben, daß durch die von ihm beanstandete Vorgangsweise des Erstgerichts - Feststellungen ausschließlich auf Grund eidesstättiger Erklärungen, ohne deren Verfasser in der mündlichen Streitverhandlung als Zeugen zu vernehmen - das Gebot der Mündlichkeit des Zeugenbeweises mißachtet und damit eines der Grundprinzipien des österreichischen Verfahrensrechtes veletzt worden sei. Da das Bestehen von Verfahrensmängeln immer nur in der nächsthöheren Instanz geprüft werden könne und der Revisionswerber diesen Verfahrensfehler schon in der Berufung - wenngleich erfolglos - geltend gemacht habe, sei es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, auf die Mängelrüge der Revision einzugehen. Da der Angestellte des Klägers am 18. Dezember 1981 durch eine wahrheitswidrige Behauptung zu der gesetzwidrigen Rabattgewährung bestimmt worden sei, habe sich der Testkäufer in diesem Falle als Lockspitzel betätigt; sein Vorgehen sei sittenwidriger Rechtsmißbrauch, der dem Vorwurf eines Rabattverstoßes die rechtliche Grundlage entziehe. Das Unterlassungsgebot der Vorinstanzen hielt das Revisionsgericht dennoch allein auf Grund des Vorfalls vom 3. Dezember 1981 aufrecht. Der Kläger hatte die gesamten Kosten des Vorprozesses in der Höhe von S 126.376,27 (Kosten seines Vertreters von S 68.769,94, die ihm zum Ersatz auferlegten Kosten von S 46.711,33 und die Urteilsgebühr von S 10.895,-), zu tragen.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei den Ersatz des Gesamtaufwandes von S 126.403,27 samt 10 % Zinsen seit 27. Februr 1984. Er sei im Vorprozeß nur deshalb unterlegen, weil das Prozeßgericht allein auf Grund der von der (dort) klagenden Partei vorgelegten eidesstättigen Erklärungen festgestellt habe, ein Angestellter des (hier) Klägers sei am 3. Dezember 1981 zur Gewährung eines Rabatts von 10 % auf eine Schibindung bereit gewesen. Das Oberlandesgericht als Berufungsgericht habe die vom Kläger deshalb erhobene Mängelrüge für nicht berechtigt erachtet und die erstinstanzlichen Feststellungen übernommen, so daß der Oberste Gerichtshof die vom Kläger im Revisionsverfahren aus diesem Grund erneut erhobene Mängelrüge zwar als berechtigt bezeichnet habe, aber nach seiner ständigen Rechtsprechung nicht aufgreifen habe dürfen. Das Erstgericht hätte den Rabattverstoß vom 3. Dezember 1981 nicht feststellen dürfen; dann aber wäre das gesamte Klagebegehren abzuweisen gewesen. Da die Vorinstanzen im Vorprozeß gegen das Gebot der Mündlichkeit und damit gegen Grundsätze des österreichischen Verfahrensrechtes verstoßen hätten, falle ihnen eine unvertretbare Rechtsansicht zur Last, so daß die beklagte Partei als deren Rechtsträger dem Kläger den ihm aus dem Prozeß erwachsenen Schaden zu ersetzen habe.

Die beklagte Partei wendete vor allem ein, die Rechtsansicht der Vorinstanzen im Vorprozeß sei nicht unvertretbar gewesen, weil die Zivilprozeßordnung die Beweismittel nicht erschöpfend aufzähle. Jedenfalls wären die eidesstättigen Erklärungen auch als Urkundenbeweis verwertbar gewesen. Der Kläger hätte die Entgegennahme der eidesstättigen Erklärungen auch sofort rügen müssen. Außerdem habe er deren Berücksichtigung durch das Erstgericht im Rechtsmittel an die zweite Instanz nicht als Verfahrensmangel bekämpft und damit seine Rettungspflicht gemäß § 2 Abs. 2 AHG verletzt.

Das Erstgericht wies das Zinsenbegehren zurück und das übrige Klagebegehren ab. Die Tatsacheninstanzen im Vorprozeß hätten die vorgelegten eidesstättigen Erklärungen als Urkunden bei freier Beweiswürdigung verwerten dürfen; diese Auffassung sei nicht unvertretbar, das Amtshaftungsbegehren daher nicht berechtigt. Das Berufungsgericht gab dem Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluß und der Berufung gegen das Urteil des Erstgerichtes nicht Folge und ließ die Revision nicht zu. Obgleich der Kläger die Verwertung der vorgelegtn eidesstättigen Erklärungen im Vorprozeß in seiner Berufung unrichtig mit der Beweisrüge geltend gemacht habe, sei das Oberlandesgericht Linz auf dieses Argument eingegangen und habe die Rüge mit dem Hinweis erledigt, der Kläger habe den Inhalt der beiden Erklärungen nicht ernstlich zu widerlegen versucht. Damit habe das Berufungsgericht offenbar auf die Bestimmung des § 267 ZPO verweisen und zum Ausdruck bringen wollen, das Erstgericht hätte zu beurteilen gehabt, ob der Kläger eine Behauptung der Prozeßgegnerin implicite zugestanden habe oder nicht. Dabei sei zu berücksichtigen gewesen, daß der Kläger im Vorprozeß zu den vorgelegten Erklärungen nur zu erwidern gewußt habe, die Gewährung eines Preisnachlasses von 3,5 % sei bloß eine Annahme gewesen und dieser Hundertsatz hänge von Preishöhe, Bindung und Schi ab. Der Kläger habe also auf das Vorbringen der Prozeßgegnerin über den Vorfall am 3. Dezember 1981 nur mit Hypothesen antworten können, was etwa auf der Ebene des Nichtwissens oder Nichterinnerns im Sinne von § 267 Abs. 2 ZPO liege. Zu Recht habe das Oberlandesgericht Linz den Vorfall vom 3. Dezember 1981 als nicht bestritten beurteilt, so daß kein (aufwendiges) Beweisverfahren erforderlich gewesen sei und die Feststellungen des Kreisgerichtes Wels auch richtig seien. Von unvertretbarer Vorgangsweise der Tatsacheninstanzen im Vorprozeß könne deshalb keine Rede sein.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers richtet sich, da er die vollinhaltliche Stattgebung des Klagebegehrens anstrebt, erkennbar auch gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes, mit dem es den das Zinsenbegehren in Stattgebung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückweisenden Beschluß des Erstgerichtes bestätigte. In diesem Umfang liegt ein gemäß § 528 Abs. 1 Z 1 ZPO nicht mehr weiter bekämpfbarer Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz vor, so daß die insoweit als Rekurs anzusehende Revision zurückzuweisen ist. Im übrigen ist sie zulässig, weil die Frage, ob und inwieweit aus vom Obersten Gerichtshof nicht mehr als anfechtbar angesehenen Verfahrensmängeln Amtshaftungsansprüche abgeleitet werden können, bisher noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung war; die Revision ist auch berechtigt.

Zunächst ist zu prüfen, ob der Amtshaftungsanspruch ausgeschlossen ist, weil im Vorprozeß der Oberste Gerichtshof, aus dessen Erkenntnissen ein solcher Anspruch nicht abgeleitet werden kann (§ 2 Abs. 3 AHG), befaßt war. Die Tatsache, daß ein österreichisches Höchstgericht in einer Rechtssache entschieden hat, schließt Amtshaftungsansprüche jedoch nicht vollständig aus. Erkenntnisse eines Höchstgerichts decken gleichlautende Entscheidungen der Vorinstanzen nur insoweit, als es sonst mittelbar zu einer Nachprüfung der Rechtmäßigkeit höchstgerichtlicher Entscheidungen käme. Keineswegs alle behördlichen Akte, die eine notwendige Voraussetzung für das Entstehen einer höchstgerichtlichen Entscheidung bilden, können von ihnen aber auch rechtlich überprüft werden. Der Oberste Gerichtshof kann nur im Rahmen der Verfahrensvorschriften angerufen werden. Ist dem Höchstgericht die Überprüfung bekämpfter Entscheidungen nur im eingeschränkten Ausmaß möglich, sind Amtshaftungsansprüche aus nicht überprüfbaren Verhaltensweisen möglich, weil sie nicht aus einem Erkenntnis eines Höchstgerichtes abgeleitet werden. So können die Art der Verfahrensführung und die Herbeiführung der Grundlagen für die freie Beweiswürdigung, aber auch deren Mißbrauch vom angerufenen Höchstgericht nicht immer wahrgenommen werden (Loebenstein-Kaniak, AHG 2 179 f). Das trifft hier zu, weil der Kläger seinen Amtshaftungsanspruch aus einem Mangel des Verfahrens erster Instanz, den er bereits im Berufungsverfahren - wenngleich

erfolglos - geltend gemacht hat, ableitet und der Oberste Gerichtshof eine Überprüfung der wiederholten Mängelrüge durch ihn für unzulässig hielt. Der Kläger leitet damit seinen Anspruch aus in dritter Instanz als nicht mehr überprüfbar angesehenen Akten der Vorinstanzen des Vorprozesses und damit nicht aus einem Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes ab. Der Anspruch ist dann trotz Anrufbarkeit und tatsächlicher Anrufung des Höchstgerichtes im Vorprozeß nicht ausgeschlossen. Soweit die beklagte Partei einen Verstoß gegen die den Kläger treffende Rettungspflicht gemäß § 2 Abs. 2 AHG darin erblickt, daß er in der Berufung den Mangel fälschlich mit Beweisrüge ins Treffen führte, genügt zur Widerlegung dieser Ausführungen ein Hinweis auf den damals zwar noch nicht geltenden, aber schon damals durch die Rechtsprechung anerkannten (JBl 1957, 566 ua), § 84 Abs. 2 ZPO, wonach die bloß unrichtige Bezeichnung tatsächlich ausgeführter Rechtsmittelgründe nicht schadet. Tatsächlich hat das Berufungsgericht die Rüge auch erledigt. Grund für die teilweise Stattgebung des Klagebegehrens im Vorprozeß mit jenen Kostenfolgen, die der Kläger nunmehr als Vermögensschaden im Amtshaftungsverfahren geltend macht, war allein der Vorfall am 3. Dezember 1981. Seine Feststellungen zum Vorfall vom 3. Dezember 1981 hat das Erstgericht ausschließlich auf die beiden eidesstättigen Erklärungen des Dr. Bernd I*** und des Dr. Viktor S*** jun. gestützt und in den Erwägungen zur Beweiswürdigung ausgeführt, der Kläger (dort Beklagter) habe den Inhalt der beiden Erklärungen nicht bestritten. Der Kläger hat diese Erwägung des Erstgerichts in seiner Berufung - wenn auch unrichtig mit Beweisrüge - mit dem Argument bekämpft, die beiden eidesstättigen Erklärungen seien unzulässige Beweismittel, so daß das Erstgericht seine allein auf diese gestützten, dem Kläger nachteiligen Feststellungen über den Vorfall am 3. Dezember 1981 nicht hätten treffen dürfen. Das Berufungsgericht hat zwar erkannt, daß die vorgelegten schriftlichen Erklärungen die Vernehmung ihrer Verfasser nicht ersetzen könne, doch hat es die Rüge des Klägers damit abgetan, dieser habe gar nicht ernstlich versucht, den Inhalt der Erklärungen zu widerlegen. Die Begründung des Erst- und des Berufungsgerichtes (im Vorprozeß) für die Verwertung der beiden Schriftstücke, der Kläger habe deren Richtigkeit nicht bzw. nicht ernstlich bestritten, ist aktenwidrig: Der Kläger hat nur die Echtheit zugestanden, zur Richtigkeit dagegen ausdrücklich vorgebracht, daß bei dem Vorfall am 3. Dezember 1981 ein Rabatt weder angekündigt noch gewährt worden sei. Für die anspruchsbegründenden Behauptungen über den Inhalt des Verkaufsgesprächs an diesem Tag war die dort klagende Partei beweispflichtig: Die Aussteller der vorgelegten Erklärungen waren für das streitentscheidende Beweisthema jedenfalls Zeugen, die ihre Wahrnehmung über das Gespräch im Prozeß bekunden sollten (vgl. Fasching Zivilprozeßgericht Rz 967). Zeugen sind im Verfahren mündlich zu vernehmen; schriftliche Zeugenaussagen (wie etwa nach § 377 Abs. 3 dZPO) sind dem österreichischen Recht fremd. Der erkennende Senat stimmt mit dem im Vorprozeß zur Entscheidung über die Revision des Klägers (dort Beklagten) berufenen Senat des Obersten Gerichtshofs darin überein, daß das Erstgericht, das seine Feststellungen ausschließlich auf die beiden inhaltlich bestrittenen schriftlichen Erklärungen stützte, das Gebot der Mündlichkeit des Zeugenbeweises mißachtet (Fasching Komm III 457 f und Zivilprozeßrecht Rz 641; Petschek-Stagel, Zivilprozeß 179) und damit eines der Grundprinzipien des österreichischen Prozeßrechtes verletzt hat. Das Argument Mohrs (in ÖJZ 1985, 524), die Verwertung schriftlicher Aufsätze der Zeugen über ihre Wahrnehmungen verstoße nicht gegen den Grundsatz der Mündlichkeit, sondern (nur) gegen das Unmittelbarkeitsgebot, läßt außer acht, daß die Streitverhandlung gemäß § 259 Abs. 1 ZPO auch die Beweisaufnahme umfaßt; Zeugen sind mündlich zu vernehmen; die Parteien können das ihnen vom Gesetz zugestandene Fragerecht auch nur bei der mündlichen Vernehmung wahrnehmen (vgl. §§ 289 Abs. 1, 341 Abs. 1 ZPO). Schriftliche, auch nicht unter der Strafdrohung des § 288 Abs. 1 StGB stehende Zeugenaussagen (wie hier die eidesstättigen Erklärungen) laufen sowohl dem Grundsatz der Unmittelbarkeit, der Beweise fordert, die - soweit möglich - unmittelbare Erkenntnisquelle sind (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 678), als auch dem Gebot der Mündlichkeit zuwider und sind somit als Beweismittel unzulässig

(Fasching Komm. III 458; Mohr aaO 527).

Die Verwertung der genannten inhaltlich bestrittenen Schriftstücke bildete - zumal die letztlich streitentscheidenden Feststellungen ausschließlich auf diese Beweismittel gegründet wurden - einen erheblichen Verfahrensmangel (Fasching Komm III 458), den der Kläger (als Beklagter) in seiner Berufung im Vorprozeß, wenn auch unter einem nicht zutreffenden Berufungsgrund, berechtigt gerügt hatte. Der dem Erstgericht und dem Berufungsgericht im Vorprozeß unterlaufene Verfahrensfehler beruht - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - nicht auf einer vertretbaren Rechtsansicht. Die Vorinstanzen im Vorprozeß haben die Beweismittel verwertet, weil sie annahmen, daß der Kläger die Richtigkeit dieser Erklärungen zugestanden bzw. keinen ernstlichen Versuch unternommen habe, die Erklärung zu widerlegen. Diese Auffassungen waren nach der Aktenlage nicht vertretbar, weil das Vorbringen der klagenden Partei erkennbar bestritten war und es angesichts der klaren Beweislastverteilung Sache der (dort) klagenden Partei gewesen wäre, ihre Behauptungen über das angebliche Verkaufsgespräch am 3. Dezember 1981 in zulässiger Art unter Beweis zu stellen. In der Berufung hatte der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er das neue Vorbringen der klagenden Partei bestritten hatte, was das Berufungsgericht nicht übersehen durfte. Hätten die Gerichte im Vorprozeß die vorgelegten eidesstättigen Erklärungen nicht als Beweismittel verwertet, hätten sie - mangels anderer Beweisanträge in dieser Richtung - den für den Streitausgang und die damit verbundenen Kostenfolgen allein entscheidenden Sachverhalt nicht feststellen können, so daß letztlich das gesamte Klagebegehren abgewiesen worden und dem Kläger der behauptete Schaden nicht erwachsen wäre.

Zu prüfen ist, ob das Verfahrensergebnis gleich geblieben wäre, wenn die Vorinstanzen des Vorprozesses die Unzulässigkeit der vorgelegten Beweismittel erkannt hätten und dieser Erkenntnis gemäß vorgegangen wären. Die beklagte Partei hat in der Tagsatzung vom 30. April 1985 vorgebracht, die Vernehmung der Verfasser der eidesstättigen Erklärungen als Zeugen hätte das gleiche Beweisergebnis gezeitigt. Das Erstgericht hätte die klagende Partei (des Vorprozesses) im Rahmen seiner materiellen Prozeßleitungspflicht (§ 182 ZPO) zur Anbietung zulässiger Beweismittel für deren (neues) Vorbringen auffordern müssen. Eine Unterlassung ist für den konkreten Schadenserfolg dann als ursächlich anzusehen, wenn die Vornahme der gebotenen Handlung das Eintreten des schädlichen Erfolges verhindert hätte und diese Handlung möglich gewesen wäre (Koziol, Haftpflichtrecht 2 I 60). Bei einer Unterlassung kommt im allgemeinen nur eine Beweisführung unter Bedachtnahme auf die Wahrscheinlichkeit des Tatsachenzusammenhanges in Betracht. Der Geschädigte ist beweispflichtig, daß überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten eines Organs des Rechtsträgers, das zu einem Handeln verpflichtet gewesen wäre, herbeigeführt worden (Loebenstein-Kaniak aaO 161). Die im Vorprozeß klagende Partei hat zum Vorbringen des Klägers (in seiner dortigen Berufung), das Erstgericht hätte die Feststellungen über den Vorfall am 3. Dezember 1981 nicht treffen dürfen, in der Berufungsmitteilung nur dahin Stellung genommen, daß die Feststellungen auf Grund der beiden eidesstättigen Erklärungen zu Recht getroffen worden seien, weil diese Schriftstücke auch ohne Einvernahme ihrer Verfasser zulässige Beweismittel, nämlich Augenscheinsobjekte, seien. Sie stellte sich demnach auf den Standpunkt, sie sei berechtigt gewesen, anstelle des Anbietens des Zeugenbeweises allein diese Erklärungen vorzulegen; sie sah also die Schriftstücke als zulässigen und ausreichenden Beweis ihres Vorbringens an und legte sie demnach keineswegs bloß versehentlich als einzige Beweismittel vor. Es muß angenommen werden, daß sich die im Vorprozeß klagende Partei auch bei einem Vorgehen des Erstgerichtes nach § 182 ZPO nicht anders verhalten und, wenn das Erstgericht das Klagebegehren mangels Anbietens zulässiger Beweismittel nicht auf den Vorfall vom 3. Dezember 1981 gestützt hätte, in einer Mängelrüge nichts anderes vorgebracht hätte. Bei eiem solchen Verhalten ist nicht anzunehmen, daß das Gericht zweiter Instanz immer noch einen Verfahrensmangel warhgenommen und gegebenenfalls zum Vorfall vom 3. Dezember 1981 dem Erstgericht ein abermaliges Vorgehen nach § 182 ZPO aufgetragen hätte; es ist vielmehr anzunehmen, daß es den Vorfall am 3. Dezember 1981 mangels Anbietens zulässiger Beweismittel als nicht erwiesen angenommen hätte. Damit ist aber mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit dargetan, daß der Oberste Gerichtshof das gesamte Klagebegehren abgewiesen hätte und demnach bei pflichtgemäßem Vorgehen der Organe des beklagten Rechtsträgers der Schaden des Klägers nicht eingetreten wäre.

Zutreffend verweist der Kläger auch darauf, daß er nicht verpflichtet gewesen wäre, die Entgegennahme der beiden Schriftstücke und deren Verlesung durch das Erstgericht gemäß § 196 ZPO unverzüglich zu rügen. Es war für ihn nicht erkennbar, daß es, obwohl es in bezug auf das neue Vorbringen weder den Beweisbeschluß ergänzt noch sonst seine Absicht, die unzulässigen Beweismittel zu verwerten, bekundet hatte, die entscheidenden Feststellungen ausschließlich auf den Inhalt der beiden aktenwidrig als nicht bestritten angesehenen Erklärungen stützen werde. Da demnach alle Voraussetzungen für den geltend gemachten Amtshaftungsanspruch vorliegen, ist das Klagebegehren in Stattgebung der Revision für berechtigt zu erkennen; die Schadenshöhe ist - nach der Klagseinschränkung - nicht mehr strittig; nur ein auf einem Rechenfehler beruhendes geringfügiges Mehrbegehren ist abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 43 Abs. 2 und 50 ZPO.

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