OGH 1Ob2/75

OGH1Ob2/7522.1.1975

SZ 48/4

Normen

ABGB §36
ABGB §523
ABGB §833
ABGB §1238
ZPO §14
ABGB §36
ABGB §523
ABGB §833
ABGB §1238
ZPO §14

 

Spruch:

Werden Wiederherstellungsarbeiten an einer Liegenschaft begehrt, sind deren Miteigentümer an sich notwendige Streitgenossen. Ohne Widerspruch der Ehegattin kann jedoch der Ehemann allein die Beseitigung einer von einem Dritten rechtswidrig herbeigeführten Beschädigung der im (Mit)Eigentum der Ehegattin stehenden Liegenschaft begehren

Der aus § 364 ABGB abgeleitete nachbarrechtliche Anspruch setzt ein Verhalten des Beklagten voraus, das für eine Einwirkung in Richtung auf das Nachbargrundstück des Klägers hin ursächlich war

OGH 22. Jänner 1975, 1 Ob 2/75 (OLG Wien 7 R 197/74; KG Krems 1 Cg 68/73)

Text

Der Kläger und seine Ehegattin Maria P sind Eigentümer der Liegenschaft EZ 70 KG U, zu der auch der Weinkeller 68/1 gehört. Die Beklagten sind Eigentümer der Liegenschaft EZ. 75 KG U mit dem an den Keller des Klägers und seiner Gattin unmittelbar anschließenden Weinkeller 67/3. Unter Aufsicht des Erstbeklagten wurden am 28. und 29. März 1973 im Weinkeller der Beklagten Flaschen gewaschen. Zu diesem Zwecke wurde an den im Keller befindlichen Wasserbahn ein Schlauch angeschlossen, der wieder am Sterilisator befestigt war. Das aus dem Hahn durch den Schlauch fließende Wasser sollte durch seinen Druck die dem Entkeimen dienende Sterilflüssigkeit aus den Flaschen herauspressen. Am 29. März 1974 trug der Erstbeklagte nach Beendigung der Arbeit einem seiner Söhne auf, den Wasserhahn abzudrehen, was jedoch unterblieb. In der Nacht platzte der am Wasserhahn angeschlossene Schlauch in einer Länge von 2 bis 3 m; das ausfließende Wasser rann durch den Kellerkanal in einen auf der Straße vor dem Keller befindlichen Fallschacht. Der Ablauf aus diesem Schacht in den öffentlichen Kanal war verstopft, so daß das Wasser durch diesen nicht abfließen konnte. Es suchte sich dann selbst einen Weg und sickerte in den unterhalb des Fallschachtes befindlichen Kellerhals des Kellers des Klägers und seiner Ehegattin, tropfte von Decke und Wänden und führte dazu, daß Erdreich eingeschwemmt wurde und Abbrüche entstanden. Es ist notwendig, neue Fußwände samt Fundamenten und ein neues, in Zementmörtel gemauertes einschaliges zirka 15 cm starkes, in der Gewölbeachse 2.5 Laufmeter langes Mauerwerk aus Ziegeln oder Betonsteinen herzustellen; der Zwischenraum zwischen dem neuen und alten Mauerwerk und Gewölbe ist dabei kraftschlüssig mit Zementmörtel aufzutragen; die Arbeiten sind abschnittweise bei entsprechendem Fortgang der Mauerung und sorgfältig durchgeführter Pölzung bzw. Schalung vorzunehmen; die links vom Kellereingang gelegene Nische ist durch Einbringung einer entsprechend starken Decke über der nun aufzumauernden Nische zu sanieren, wobei eine satte kraftschlüssige Verfüllung aller um das Mauerwerk und über der Decke verbleibenden Hohlräume vorzunehmen ist.

Der Kläger begehrt, die Beklagten zu verhalten, binnen drei Monaten die zuletzt erwähnten Wiederherstellungsmaßnahmen durchzuführen. Der Erstbeklagte hafte wegen seines Verschuldens aus dem Titel des Schadenersatzes und gemeinsam mit der Zweitbeklagten darüber hinaus nach § 364 Abs. 2 ABGB.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dem Kläger als Nachbarn stehe ein Ausgleichsanspruch nach § 364 Abs. 2 ABGB zu, ihm sei volle Genugtuung zu gewähren. Er könne daher auch die Behebung des Schadens durch Wiederherstellung verlangen. Der Kläger könne den Anspruch allein geltend machen, weil sein Verlangen durch § 1238 ABGB gedeckt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteige. Jedem Teilhaber einer Eigentumsgemeinschaft stehe das Recht zu, sich der zur Wahrung des Gesamtrechtes erforderlichen Rechtsbehelfe zu bedienen, deren er zur Wahrung seines Anteilsrechtes bedürfe; bei unteilbaren Ansprüchen könne jeder Teilhaber den gesamten Anspruch geltend machen. Der Kläger könne den unteilbaren Anspruch gegen die Beklagten als Miteigentümer geltend machen. Das Wasser sei auf den Grund des Klägers und seiner Ehegattin unmittelbar zugeleitet worden, was immer dann der Fall sei, wenn die Zuleitung durch eine Veranstaltung bewirkt sei, die für eine Einwirkung auf das Nachbargrundstück hin ursächlich sei; daß die Zuleitung zum öffentlichen Kanal verstopft gewesen sei, ändere daran nichts. Nach Lehre und Rechtsprechung ergäben sich aus § 364 Abs. 2 ABGB auch Wiederherstellungs- und Entschädigungsansprüche, auf ein Verschulden komme es nicht an.

Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile der Untergerichte auf und wies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Revision wiederholt die Rüge, der Kläger sei zur Erhebung der Klage allein nicht legitimiert gewesen, da er einen Anspruch geltend mache, der zwangsläufig auch die Miteigentümerin berühre; es liege eine einheitliche und notwendige Streitgenossenschaft vor. Der Teilhaber einer Eigentumsgemeinschaft könne zwar ihm zustehende possessorische Rechtsmittel ergreifen, nicht aber Ansprüche auf Schadloshaltung. Es wäre denkbar, daß über gleichartige Ansprüche des Miteigentümers konträr entschieden werde, es dürften aber nicht über das gleiche Rechtsverhältnis divergierende Urteile ergehen.

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß jedem Teilhaber das Recht zusteht, die zur Wahrung des Gesamtrechtes erforderlichen Rechtsbehelfe geltend zu machen, um die Wahrung seines Anteilsrechtes zu ermöglichen (EvBl. 1974/275; Klang in seinem Kommentar[2] III, 1093). Jeder Miteigentümer hat insbesondere alle possessorischen Rechtsmittel und kann auch ohne Zustimmung der übrigen Miteigentümer gegen einen Dritten die Räumungs- und Negatorienklage, aber auch die Eigentumsklage erheben EvBl. 1974/275; SZ 39/189 u. v. a.; Klang II, 602; Ehrenzweig[2] I/2, 152; Swoboda, Fragen aus dem Miteigentumsrecht, 8). Im vorliegenden Fall darf jedoch nicht übersehen werden, daß der Kläger nicht sein bücherliches Recht gegen die Beklagten durchsetzen oder Eingriffe abwehren will, sondern die Wiederherstellung des vorigen Zustandes der Liegenschaft begehrt, die nicht nur in seinem Eigentum, sondern auch in dem seiner Ehegattin steht; solche Maßnahmen können ohne Einverständnis der Ehegattin nicht durchgeführt werden. Da es zu unlösbaren Verwicklungen kommen könnte, wenn der Kläger und seine Ehegattin etwa voneinander abweichende Wiederherstellungsmaßnahmen an ihrem Eigentum durch die Beklagten verlangen würden, liegt sicherlich das Bestehen einer notwendigen Streitgenossenschaft nahe. Ihr Wesen besteht darin, daß der Klagsanspruch kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift nur von allen an einem Rechtsverhältnis Beteiligten erhoben werden kann; sie liegt im Zweifel vor, wenn bei Nichterfassung aller Teilhaber die Gefahr unlösbarer Verwicklungen durch verschiedene Entscheidungen zu besorgen wäre. Ob eine derartige Gefahr gegeben ist, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen (MietSlg. 20 u. a.). Im vorliegenden Fall kann nicht übersehen werden, daß die Miteigentümerin der Liegenschaft die Ehegattin des Klägers ist. Gemäß § 1238 ABGB gilt, solange die Ehegattin nicht widersprochen hat, die rechtliche Vermutung, daß sie dem Manne die Verwaltung ihres freien Vermögens anvertraut habe. In den Rahmen der vermuteten Vertretungsmacht des Mannes fallen insbesondere Maßnahmen zur Erhaltung und Vermehrung des Vermögens der Frau und zu dessen Bewahrung vor Nachteilen (RZ 1973/14). Dazu gehört es auch, im Bereich des zu verwaltenden Vermögens für die Herstellung von mit der Rechtsordnung im Einklang stehenden Verhältnissen zu sorgen (RZ 1968, 194; vgl. Weiß in Klang[2] V, 835). Ohne Widerspruch der Ehegattin kann also, wenn es um die Beseitigung eines von Dritten rechtswidrig herbeigeführten Zustandes geht, der Ehemann bestimmen, in welcher Weise die Wiederherstellung begehrt wird. Die Gefahr unlösbarer Verwicklungen kann dann aber, wenn der Kläger als Miteigentümer allein Ansprüche wie die in der Klage erhebt und seine Ehegattin an die Beurteilung durch den Kläger gebunden bleibt, nicht bestehen. Das könnte vielmehr nur der Fall sein, wenn der Kläger und seine Ehegattin ihr Eigentumsrecht im maßgeblichen Rahmen nur zusammen verwalten und darüber verfügen dürften (Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht Erkenntnisverfahren, 71). Bedenken gegen das Recht des Klägers, als bloßer Miteigentümer Wiederherstellungsansprüche gegen die Beklagte zu erheben, bestehen daher im vorliegenden Fall nicht.

Die Beklagten bestreiten auch die Berechtigung des Anspruches des Klägers. Eine unmittelbare Zuleitung des Wassers auf den Grund des Klägers und seiner Ehegattin liege nicht vor; es sei aus dem Keller der Beklagten zunächst in den öffentlichen Kanal geflossen und erst deswegen, weil dieser verstopft gewesen sei, in den Keller des Klägers und seiner Ehegattin eingedrungen. Die Bestimmung des § 364 Abs. 2 ABGB gewähre zudem nur ein Untersagungsrecht, nicht aber einen Schadloshaltungs- oder Wiederherstellungsanspruch. Der Klagsanspruch könne nur auf Bestimmungen des Schadenersatzes gestützt werden, es müßte also ein Verschulden der Beklagten vorliegen.

Die Bestimmung des § 364 Abs. 1 ABGB ordnet zunächst grundsätzlich an, daß die Ausübung des Eigentumsrechtes nur insofern stattfinden darf, als dadurch in die Rechte eines Dritten kein Eingriff geschieht. Die Bestimmung des § 364 Abs. 2 ABGB macht gewisse Einschränkungen für mittelbare, d. h. von einem Grund ausgehende, auf Nachbargrund übergreifende Einwirkungen, sogenannte Immissionen (vgl. Gschnitzer, Sachenrecht, 60), die nur dann als rechtswidrig gelten, wenn sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benützung des Grundstückes des Nachbarn wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Einwirkungen, z. B. das Betreten fremden Gründes, das Eindringenlassen größerer fester Körper (von Geschoßen, Fußbällen, Gesteinssplittern u. ä.; vgl. Ehrenzweig[2] I/2, 132) und die unmittelbare Zuleitung von Flüssigkeiten sind hingegen ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig (Gschnitzer 59; Klang in seinem Komm.[2] II, 167). Keine Frage kann nun bestehen, daß die Beklagten selbstverständlich nicht berechtigt gewesen wären, Wasser aus ihrer Wasserleitung oder einem Schlauch auf die Liegenschaft des Klägers und seiner Gattin abzuleiten oder auch nur abfließen zu lassen und hiedurch einen Schaden zu verursachen. Nach dem im Revisionsverfahren unbestrittenen Sachverhalt rann nun aber das aus dem geplatzten Schlauch ausströmende Wasser keineswegs unmittelbar auf den Grund des Klägers und seiner Ehegattin; es gelangte vielmehr durch den Kellerkanal in einen auf der (öffentlichen) Straße vor dem Keller und damit nicht mehr auf dem Grund der Beklagten befindlichen Fallschacht. Nur weil der Ablauf aus diesem Schacht in den öffentlichen Kanal verstopft war, so daß das Wasser durch diesen nicht abfließen konnte, suchte es sich selbst einen Weg und sickerte dann in den Keller des Klägers und seiner Ehegattin ein. Das Wasser wurde damit aber, ohne Schaden angerichtet zu haben, von der Liegenschaft der Beklagten auf öffentlichen Grund abgeleitet und gelangte dann erst aus einer dort bestehenden Ursache, nämlich der Verstopfung des Ablaufes vom Fallschacht in den öffentlichen Kanal, auf den Grund des Klägers und seiner Ehegattin. Von einer vom Berufungsgericht angenommenen Veranstaltung der Beklagten, die für eine Einwirkung in der Richtung auf das Nachbargrundstück des Klägers und seiner Ehegattin hin ursächlich war (SZ 35/28) und damit von einer unmittelbaren Zuleitung des Wassers auf den Grund des Klägers kann damit keine Rede sein. Eine unmittelbare Immission liegt vielmehr nur vor, wenn die Beklagten eine auf den eingetretenen Schaden gerichtete Tätigkeit entwickelt hätten (SZ 45/7). Entgegen der Auffassung der Untergerichte kann damit aber der Kläger aus der Bestimmung des § 364 ABGB keine Ansprüche gegen die Beklagten ableiten.

Der Kläger stützt nun aber seinen Anspruch, zumindest gegen den Erstbeklagten, auch auf den Titel des Schadenersatzes. Eine nähere Erörterung des Verschuldens und eines allenfalls noch in den Haftungsbereich der Beklagten fallenden adäquaten Kausalzusammenhanges fand in den Unterinstanzen nicht statt, weil eine Haftung ohne Verschulden nach § 364 ABGB anerkannt wurde. Es wurde insbesondere aus rechtlichen Gründen der dem Kläger bei Erhebung seiner Klage offenbar unbekannten Tatsache, daß der öffentliche Kanal verstopft gewesen war, keine weitere Bedeutung beigemessen, sodaß auch nicht feststeht, inwieweit die Beklagten, etwa weil ihnen die Verstopfung bekannt war oder weil sie gar von ihnen selbst schuldhaft veranlaßt worden wäre, dies zu verantworten hätten. Es bedarf daher noch einer Erörterung des Sachverhaltes zum ebenfalls geltend gemachten Klagsgrund des Schadenersatzes in erster Instanz.

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