OGH 1Ob271/05t

OGH1Ob271/05t31.1.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Daniela L*****, vertreten durch Dr. Erich Greger, Dr. Sylvia Hochreiter und Dr. Günther Auer, Rechtsanwälte in Oberndorf, wider die beklagte Partei Helfried Hermann L*****, vertreten durch Dr. Peter Schlösser und Dr. Christian Schoberl, Rechtsanwälte in Graz, wegen Einwilligung in die Ausfolgung eines gerichtlich erlegten Geldbetrags von 3.273,15 EUR, infolge „außerordentlicher" Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 21. September 2005, GZ 2 R 269/05a-15, womit das Urteil des Bezirksgerichts Graz vom 6. Juni 2005, GZ 25 C 1862/04w-11, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die „außerordentliche" Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Streitteile waren Ehegatten. Diese Ehe wurde am 21. 1. 2002 gemäß § 55a EheG geschieden. Der Beklagte war Mieter der Ehewohnung. Vor der Scheidung hatten die Streitteile einen gerichtlichen Vergleich über die Scheidungsfolgen geschlossen. Danach trat der Beklagte der Klägerin „sämtliche Rechte aus dem Mietverhältnis ab". Er verpflichtete sich ferner, „sämtliche in diesem Zusammenhang allenfalls notwendigen Erklärungen gegenüber dem Vermieter abzugeben". In der Folge trat die Klägerin in das Mietverhältnis über die Ehewohnung ein. Die Streitteile hatten „im Zuge der aufrechten Ehe bzw vorangegangenen Lebensgemeinschaft gemeinsam" einen Kredit aufgenommen, mit dem u. a. die Leistung einer Kaution an den Vermieter der Ehewohnung finanziert wurde. Nach Auflösung des Mietverhältnisses über die seinerzeitige Ehewohnung forderte den vormaligen Vermieter jeder der Streitteile auf, die Kaution von 3.273,15 EUR an ihn zu zahlen. Ersterer erlegte daraufhin den Kautionsbetrag nach § 1425 ABGB bei Gericht.

Die Klägerin begehrte die Einwilligung des Beklagten in die Ausfolgung des gerichtlich erlegten Geldbetrags an sie. Nach dem gerichtlichen Vergleich über die Scheidungsfolgen seien sämtliche Rechte aus dem von ihr nach der Ehescheidung zunächst aufrecht erhaltenen Mietverhältnis über die seinerzeitige Ehewohnung auf sie übergegangen. Sie habe daher Anspruch auf Ausfolgung des gerichtlich erlegten Kautionsbetrags.

Der Beklagte wendete ein, die Streitteile hätten „im Zuge des durchgeführten Scheidungsverfahrens" vereinbart, dass die streitverfangene Kaution nach Beendigung des Mietverhältnisses über die vormalige Ehewohnung ihm zufließen solle. Nur deshalb habe er „die offenen Kredite in sein Zahlungsversprechen" übernommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stützte diese Entscheidung auf eine mündliche - im gerichtlichen Vergleich über die Scheidungsfolgen nicht dokumentierte - Vereinbarung der Streitteile über einen Rückfluss der Kaution nach Auflösung des Mietverhältnisses über die seinerzeitige Ehewohnung an den Beklagten.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt und ließ die „ordentliche Revision" nicht zu. Nach dessen Ansicht ist die Klägerin Gläubigerin des die Kaution betreffenden Leistungsanspruchs, sei sie doch zunächst als Mieterin in das Bestandverhältnis über die vormalige Ehewohnung eingetreten. Ein „Bestandteil des Mietrechtsverhältnisses" sei die streitverfangene Kaution. Da das Bestandverhältnis die Ehewohnung betroffen habe, habe „eine auch allenfalls vor Eheschließung für diese Wohnung von einem Teil geleistete Kaution als Ausfluss des Rechtsverhältnisses über die Ehewohnung auch im Aufteilungsverfahren Berücksichtigung zu finden". Mangels einer ausdrücklichen Regelung im gerichtlichen Vergleich über die Scheidungsfolgen zur Rechtszuständigkeit des Anspruchs auf Rückzahlung der Kaution, bedürfe es keiner Überprüfung der das Ersturteil tragenden, in der Berufung der Klägerin bekämpften Feststellung zu einer Einigung der Streitteile über das rechtliche Schicksal der Kaution nach Auflösung des Mietverhältnisses. Die Entscheidung hänge nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ab, weil ihr keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Die Revision ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof judiziert in ständiger - in der Lehre überwiegend gebilligter (Mayr in Rechberger, ZPO² § 49 JN Rz 7; Simotta in Fasching² I § 49 JN Rz 38) - Rechtsprechung, dass aus dem gegenseitigen Verhältnis der Ehegatten entspringende Streitigkeiten gemäß § 49 Abs 2 Z 2b JN (früher § 49 Abs 2 Z 2c JN - siehe dazu Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 ZPO Rz 189 f) bloß solche sind, die im Familienrecht wurzeln und ohne Berücksichtigung der den Ehegatten kraft Gesetzes auferlegten besonderen Rechte und Pflichten nicht lösbar sind. Die Streitigkeit darf ohne das Eheverhältnis nicht denkbar sein. Die Wurzel des konkreten Konflikts muss daher in einem Meinungsstreit über Rechte und Pflichten liegen, die sich spezifisch aus dem (ehemaligen) Eheband der Streitteile ergeben. Kann der geltend gemachte Anspruch auch in einem Rechtsverhältnis zwischen Personen bestehen, die nicht miteinander verheiratet sind oder waren, so liegt eine Streitigkeit aus dem Eheverhältnis nicht vor. Für den anspruchsbegründenden Sachverhalt muss somit das Eheverhältnis zumindest mitbestimmend sein (RIS-Justiz RS0044093, RS0046499). Lediglich der Umstand, dass Streitteile einmal miteinander verheiratet waren, ist ohne rechtliche Bedeutung (8 Ob 52/04m). Infolgedessen fallen auch Ansprüche, die sich aus einem vor einer einvernehmlichen Scheidung geschlossenen gerichtlichen Vergleich über die Scheidungsfolgen ergeben, nicht unter die erörterte gesetzliche Bestimmung, sind doch für die Beurteilung der insoweit aufgeworfenen schuldrechtlichen Fragen nicht mehr die dem Eheverhältnis eigentümlichen Rechte und Pflichten maßgebend (Simotta aaO § 49 JN Rz 40, 48). Diese Rechtslage spiegelt auch die von Simotta (aaO § 49 JN Rz 43 ff) für ihren Standpunkt ins Treffen geführte, in der Entscheidung 8 Ob 52/04m gebilligte Rechtsprechung von Gerichten zweiter Instanz wider.

2. Die Klägerin leitete ihren Anspruch aus einem gerichtlichen Vergleich über die Scheidungsfolgen ab. Zu lösen war die Frage, ob sie als Rechtsnachfolgerin des Beklagten als Mieter der seinerzeitigen Ehewohnung nach Auflösung des Bestandverhältnisses Anspruch auf Rückzahlung der dem vormaligen Vermieter geleisteten Kaution hat. Dabei waren nicht spezifische, im Eheverhältnis wurzelnde Rechte und Pflichten zu beurteilen. Gegenstand des Rechtsstreits war somit im Licht der unter 1. referierten Leitlinien nicht ein Anspruch, der unter § 502 Abs 5 Z 1 ZPO zu subsumieren ist. Der aus dem Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision zu erschließenden gegenteiligen Ansicht des Berufungsgerichts ist nicht beizutreten. Maßgebend für die Zulässigkeit der Revision ist hier nur der Entscheidungsgegenstand an Geld, über den die zweite Instanz zu erkennen hatte. Dieser Betrag überstieg bei dem hier geltend gemachten geldgleichen Anspruch (Näheres dazu bei Zechner aaO § 502 ZPO Rz 165 mN aus der Rsp) nicht 4.000 EUR. Demnach ist die Revision des Beklagten als gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

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