Spruch:
Bei der bürgerlichen Gesellschaft wird die Ausschließung eines Gesellschafters schon durch außergerichtliche Erklärung bewirkt, wenn diese begrundet ist. Die Ausschließungserklärung kann jedoch auch in der Klage abgegeben werden, wodurch die Wirkungen der Erklärung mit Zustellung der Klage eintreten. Die Ausschließung kann auch seitens der Minderheit der Gesellschafter gegenüber der Mehrheit erklärt werden.
Entscheidung vom 25. April 1951, 1 Ob 270/51.
I. Instanz: Bezirksgericht St. Pölten; II. Instanz: Kreisgericht St. Pölten.
Text
Die Klägerin und die beiden Beklagten sind je zu einem Drittel Mitglieder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes zum Betriebe eines Gasthauses.
Das Erstgericht hat ausgesprochen, daß die Beklagten mit Wirkung vom Klagstag aus der Gesellschaft ausgeschlossen sind, und hat die Klägerin für berechtigt erklärt, den Gasthausbetrieb der genannten Gesellschaft ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven zu übernehmen.
Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren abgewiesen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Berufungsgericht hält die Klage aus zwei Gründen für verfehlt:
1. Die Auflösung einer bürgerlichen Gesellschaft erfolge nicht, wie die Auflösung einer Handelsgesellschaft, durch rechtsgestaltendes Urteil, sondern durch den Gesellschafterbeschluß. Es ist nun richtig, daß bei der bürgerlichen Gesellschaft schon die außergerichtliche Ausschließungserklärung die beabsichtigten Rechtswirkungen hervorruft, wenn sie rechtmäßig abgegeben wird. Dies ergibt sich aus § 1213 ABGB., welcher die Wirkung einer bestrittenen aber in der Folge für rechtmäßig befundenen außergerichtlichen Erklärung auf den Tag zurückbezieht, an welchem diese erfolgte. Die Ausschließungserklärung muß jedoch nicht vor der Klage abgegeben werden. Sie kann auch, wie andere ähnliche privatrechtliche rechtsgestaltende Erklärungen, in der Klage selbst enthalten sein. Wenn in einer Klage eine frühere Ausschließungserklärung nicht behauptet wird, muß also die Klage immer selbst als eine solche gewertet werden.
Die Fassung des Klagebegehrens selbst läßt erkennen, daß die Klägerin eine Feststellung und nicht eine Rechtsgestaltung in Anspruch genommen hat. Denn der erste Teil des Spruches wählt, wenn zwar auch nicht ausdrücklich von einer Feststellung die Rede ist, doch die Wendung, daß die Beklagten aus der Gesellschaft ausgeschlossen sind, und nicht die Fassung, daß sie ausgeschlossen werden. Der zweite Teil des Spruches, durch welchen die Klägerin für berechtigt erklärt werden soll, den Betrieb zu übernehmen, könnte wohl im Sinne einer Rechtsgestaltung gedeutet werden. Im Zusammenhang mit dem ersten Teil kommt für das Urteil nur eine Verdeutlichung des Feststellungscharakters auch des zweiten Teiles des Spruches, aber nicht eine Abweisung der Klage in Betracht.
Abgesehen davon, ist die Frage: Feststellung oder Rechtsgestaltung vorwiegend für den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtswirkungen der Ausschließung von Bedeutung. Die Klägerin hat im Verfahren diesbezüglich keinen Antrag gestellt. Es mag daher bedenklich erscheinen, daß das Erstgericht in seinem Urteilsspruch den Beisatz "mit Wirkung vom Klagstag" aufgenommen hat. Aber gerade die Aufnahme dieses in der Berufung nicht angefochtenen Beisatzes zeigt, daß auch das Erstgericht nicht selbst erst ausschließen, sondern die schon durch die Klage bewirkte Ausschließung der Beklagten feststellen wollte. Denn es wind die Ausschließung in allen ihren Rechtswirkungen auf diesen Tag zurückbezogen, nicht etwa, wie dies § 140 Abs. 2 HGB. vorsieht, nur die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens. Allerdings hätte statt des Tages der Klage erst der Tag der Klagszustellung gewählt werden sollen. Jedenfalls aber konnte die Klage nicht deswegen abgewiesen werden, weil das Klagebegehren eine Rechtsgestaltung statt einer Feststellung zum Gegenstand hat.
2. Das Berufungsgericht ist weiter der Meinung, daß die Klägerin, die selbst nur einen Drittelanteil an der Gesellschaft besitzt, nicht die Beklagten, welche die Mehrheit der Anteile besitzen, ausschließen könne. Es ist nun verfehlt, wenn das Berufungsgericht auf die Frage der Ausschließung gemäß § 1188 die §§ 833 ff. ABGB. und damit das Mehrheitsprinzip angewendet wissen will. Das Recht, einen oder mehrere Gesellschafter aus der Gesellschaft auszuschließen, ist keine gesellschaftliche Angelegenheit. Es gelten für sie also nicht die angeführten Bestimmungen. Wenn ein oder mehrere Gesellschafter ausgeschlossen werden sollen, so machen die übrigen Gesellschafter von einem ihnen in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter zukommenden Individualrechte Gebrauch. Es ist nicht die Gesellschaft, die selbst ihre Mitglieder ausschließt. Das Ausschließungsrecht kann also auch der Minderheit gegenüber der Mehrheit zustehen.
Dies ist auch die Meinung Bettelheims in Klangs Kommentar, 1. Aufl., zu § 1210 ABGB., S. 499. Allerdings verdunkelt neben der unangebrachten Berufung auf § 1188 eine Ungenauigkeit des Ausdruckes die entsprechende Stelle. Denn mit den Worten: "die nach Anteilen berechnete Mehrheit der ausschließenden Gesellschafter" ist nicht gemeint, es sei erforderlich, daß die ausschließenden Gesellschafter die anteilsmäßige Mehrheit an der Gesellschaft darstellen, sondern es genügt, wenn der Beschluß auf Ausschließung von der Mehrheit der in der Gesellschaft nach dem Ausschließungsbeschlusse verbleibenden, also nicht ausgeschlossenen Gesellschafter gefaßt wurden ist. Dies ergibt sich deutlich aus Note 10, in welcher diese Meinung der für die offene Handelsgesellschaft geltenden Regel gegenübergestellt wird, daß die Klage von allen übrigen, also allen nicht auszuschließenden Gesellschaftern ausgehen muß. Bettelheim spricht auch in der Folge mit voller Deutlichkeit aus, daß die Minderheit die Mehrheit eben auch bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechtes ausschließen kann. Es ist im übrigen für den gegebenen Fall bedeutungslos, ob der von Bettelheim behauptete Unterschied zwischen offener Handelsgesellschaft und bürgerlicher Gesellschaft wirklich besteht. Jedenfalls genügt die Tatsache, daß die Beklagten die Mehrheit der Anteile besitzen, nicht schon an sich, um die Ausschließungs- und Übernahmserklärung der Klägerin als wirkungslos bezeichnen zu können.
Die rechtlichen Erwägungen, aus welchen das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes abgeändert hat, sind also nicht zutreffend. Es mußte das Urteil des Berufungsgerichtes demgemäß mit dem Auftrag aufgehoben werden, die übrigen geltend gemachten Berufungsgrunde einer Prüfung zu unterziehen.
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