OGH 1Ob268/58

OGH1Ob268/585.11.1958

SZ 31/131

Normen

AußStrG §9
Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit §126
KartG §1
AußStrG §9
Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit §126
KartG §1

 

Spruch:

Die Satzung einer von mehreren Viehverwertungsgenossenschaften zwecks Marktausgleichs gegrundeten Aktiengesellschaft für Viehverwertung enthält eine Kartellvereinbarung. Ohne vorherige Eintragung der Vereinbarung ins Kartellregister darf die Aktiengesellschaft nicht in das Handelsregister eingetragen werden.

Die Kammer der gewerblichen Wirtschaft kann gegen Eintragungsbeschlüsse des Handelsregistergerichtes Rekurs erheben.

Entscheidung vom 5. November 1958, 1 Ob 268/58.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht hatte am 17. Juli 1957 die Eintragung der "V.", Genossenschaftliche Viehverwertungs-Aktiengesellschaft, mit dem Sitz in Wien und dem Gegenstand des Unternehmens, "die Tätigkeit der österreichischen Viehverwertungsgenossenschaften beim Absatz und Bezug von Zucht-, Nutz- und Schlachtvieh zu ergänzen, den erforderlichen Marktausgleich zwischen den einzelnen Bundesländern Österreichs unter Berücksichtigung der jeweiligen Absatz- und Bedarfsinteressen herzustellen und Überschüsse von Vieh jeder Art im In- und Auslande zu verwerten", in das Handelsregister in HRB 6995 und am 16. Oktober 1957 auf erfolgreichen Rekurs der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien die Löschung der Gesellschaft verfügt. Die wesentliche Begründung des rekursgerichtlichen Beschlusses ging dahin, daß die Firma gesetzwidrig gebildet sei.

Sohin grundeten sieben Genossenschaften, und zwar die oberösterreichische, die steirische, die niederösterreichische Viehverwertungsgenossenschaft, der Landesverband der landwirtschaftlichen Genossenschaften in Kärnten, die Tiroler Viehverwertungsgenossenschaft, die landwirtschaftliche Genossenschaft Lienz und die Vorarlberger Viehverwertungsgenossenschaft, die "Aktiengesellschaft für Viehverwertung" mit dem gleichen Gegenstand des Unternehmens.

Das Erstgericht bewilligte nunmehr die Eintragung.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kammer der gewerblichen Wirtschaft Folge und lehnte die Eintragung ab. Zur Begründung führte das Rekursgericht diesmal aus:

Die einzelnen Landesviehverwertungsgenossenschaften und der Viehverband dürften ihre Tätigkeit über die durch das Genossenschaftsgesetz oder den Genossenschaftsvertrag gezogenen Grenzen nicht ausdehnen. Sie dürften daher weder selbst noch durch Gesellschaftsvertrag über die Errichtung der Aktiengesellschaft für Viehverwertung (durch die nachmalige Satzung der Gesellschaft) ihre Tätigkeit beim Absatz und dem Bezug von Zucht-, Nutz- und Schlachtvieh auch nur "ergänzen". Ferner müsse der Gegenstand des Unternehmens (§ 16 Abs. 3 Z. 2 AktG.) hinreichend deutlich bestimmt sein, was selbst nach der Rechtsübung, die für den Grad der Bestimmtheit keinen strengen Maßstab anlege, auf eine "Ergänzung" der Tätigkeit der österreichischen Viehverwertungsgenossenschaften beim Absatz und Bezug von Zucht-, Nutz- und Schlachtvieh nicht mehr zutreffe. Vollständig entferne sich der Gesellschaftsvertrag über die Gründung der Aktiengesellschaft für Viehverwertung (Satzung) mit der Bestimmung über die Herstellung des erforderlichen Marktausgleiches zwischen den einzelnen Bundesländern Österreichs unter Berücksichtigung der jeweiligen Bedarfsinteressen und über die Verwertung der Überschüsse von Vieh jeder Art im Inland oder Ausland von den der Tätigkeit der Landesviehverwertungsgenossenschaften und des Viehverbandes gezogenen Grenzen, da mit der Bestimmung der Aktiengesellschaft für Viehverwertung - und mittelbar den Landesviehverwertungsgenossenschaften sowie ihren Mitgliedern - u.

a. auch die Möglichkeit zum Bezug bzw. zum Absatz von Vieh geboten werde, das weder für Landesviehverwertungsgenossenschaften noch ihre Mitglieder bestimmt sei bzw. weder von Landesviehverwertungsgenossenschaften noch ihren Mitgliedern herrühre. Vom genossenschaftsrechtlichen Standpunkt aus betrachtet, dürfe also die Tätigkeit der Aktiengesellschaft für Viehverwertung der Tätigkeit des Viehverbandes nicht gleichgestellt werden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Aktiengesellschaft nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Da im Revisionsrekurs vor allem geltend gemacht wird, der Rekurs der Kammer der gewerblichen Wirtschaft gegen den erstgerichtlichen Beschluß sei unzulässig gewesen, und da dieser Umstand - zutreffendenfalls - zur Zurückweisung dieses Rekurses und Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses führen müßte, hatte sich der Oberste Gerichtshof zunächst mit dieser Vorfrage zu beschäftigen. Ihre Prüfung führt zu dem Ergebnis, daß der Rekurs zulässig war.

Das Rekursrecht der Kammer der gewerblichen Wirtschaft folgt unmittelbar aus § 126 FGG., wonach die Organe des Handelsstandes verpflichtet sind, die Registergerichte bei der Verhütung unrichtiger Eintragungen, bei der Berichtigung und Vervollständigung des Handelsregisters sowie beim Einschreiten gegen unzulässigen Firmengebrauch zu unterstützen, und ferner berechtigt sind, zu diesem Zwecke Anträge bei den Registergerichten zu stellen und gegen Verfügungen der Registergerichte das Rechtsmittel der Beschwerde zu erheben.

Schlegelberger - Gessler - Hefermehl - Hildebrandt - Schröder, Kommentar zum HGB., 3. Aufl. I S. 76 Anm. 9 zu § 8, führen zwar aus, daß "gegen die Eintragungsverfügung, die lediglich einen inneren Vorgang des Gerichtes bildet, und gegen die Eintragung selbst eine Beschwerde nicht zulässig" sei. Würdinger im Reichsgerichtsrätekommentar zum HGB., 2. Aufl. I S. 161 Anm. 12 zu § 8, meint, daß mit der Beschwerde zwar die Ablehnung eines Eintragungsantrages, nicht aber eine Eintragung angefochten werden könne; dies gelte für die Eintragung überhaupt, für ihre Fassung und Art wie auch für die Verfügung des Registergerichtes, durch die es ablehne, die Fassung einer Eintragung zu ändern. Laut Schlegelberger, Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 7. Aufl. I S. 242 ff. Anm. 4 zu § 19, können Eintragungen in öffentliche Bücher nicht mit einem Rechtsmittel angefochten werden. Diese im Revisionsrekurs beigebrachten Belegstellen können - zumindest für den Bereich des österreichischen Rechts - nicht dahin verstanden werden, daß gegen die Bewilligung einer Eintragung ein Rechtsmittel ausgeschlossen sein solle, sondern gehen anscheinend dahin, daß die Verfügung auf Durchführung einer bewilligten Eintragung und die Tatsache, daß eingetragen wurde, nicht angefochten werden können. Gegen die von der Eintragungswerberin angenommene Ausschließung der Anfechtbarkeit von Eintragungsbewilligungen spricht, abgesehen davon, daß sie nicht auf das Gesetz gegrundet werden kann, vor allem auch der allgemeine Gedanke, daß ein Rechtsmittelausschluß in so wichtigen Belangen "ohne auffällige, dem Zweck der Rechtsordnung widersprechende und dem Gesetz nicht zuzutrauende Unbilligkeit" nicht angenommen werden kann (so schon Unger, Die Rechtsmittel im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach Reichsrecht, ZZP. 1907 S. 67). Im früheren österreichischen Recht ist denn auch die Anfechtbarkeit eines die Eintragung in das Handelsregister bewilligenden Beschlusses ohne weiteres angenommen worden (Staub - Pisko, Kommentar zum AHGB., 3. Aufl. I S. 127 f. Art. 12 § 45).

Der Hinweis im Revisionsrekurs auf Staub - Heinichen, Kommentar zum HGB., 14. Aufl. I S. 122 f. Anm. 15 zu § 14, geht schon deswegen ins Leere, weil es sich im vorliegenden Fall nicht um den an dieser Stelle erörterten Fall der Untersagung des Gebrauchs einer zu Unrecht geführten Firma gemäß § 37 HGB. handelt. Ebensowenig liegt hier eine Frage der Gründungsprüfung bei der Aktiengesellschaft vor (§ 15 AktG.), so daß auch der Hinweis in dieser Richtung nur irreführend ist.

Richtig ist es, daß Staub - Bondi a. a. O. auch ausführen, daß den Organen des Handelsstandes ein Rechtsmittel nur gegen solche Verfügungen zustehe, durch die über einen von ihnen gestellten Antrag entschieden wird. Dabei übersieht aber die Revisionsrekurswerberin, daß durch das dieser literarischen Äußerung nachfolgende Gesetz vom 10. August 1937, DRGBl. I S. 897, § 126 FGG. dahin geändert wurde, daß ein Beschwerderecht nicht mehr bloß gegen Verfügungen, durch die über Anträge dieser Organe entschieden wurde, sondern ganz allgemein eingeräumt ist.

Mit der hier zu entscheidenden Frage der Rechtsmittelbefugnis der Kammer der gewerblichen Wirtschaft hat es auch nichts zu tun, ob die Gesellschaft entsteht, wenn Mängel der Eintragung vorliegen, wozu im Revisionsrekurs auf Gadow, Aktiengesetz, S. 102, verwiesen wird. Durch das Rechtsmittel der Kammer ist eine Entscheidung darüber angestrebt worden, ob die Eintragung stattfinden soll, ob sie dem Gesetz entspricht; daß eine gesetzwidrige Eintragung auch unrichtig ist und daher gemäß § 126 FGG. bekämpft werden kann, kann nicht mit einigermaßen vertretbaren Gründen bezweifelt werden. Was im Revisionsrekurs hiezu ausgeführt wird, überzeugt nicht.

Ob schließlich die Kammern im "Gebiet des Genossenschaftswesens im formellen Sinn" ein Rekursrecht besitzen, ist hier bedeutungslos, weil es sich um die Eintragung einer Aktiengesellschaft handelt.

Da der Rekurs der Kammer der gewerblichen Wirtschaft gegen den erstrichterlichen Eintragungsbeschluß zulässig war, kommt die von der Revisionsrekurswerberin zunächst beantragte Zurückweisung dieses Rekurses und die Wiederherstellung der Entscheidung der ersten Instanz aus diesem Grund nicht in Betracht. Der Oberste Gerichtshof muß daher auch die materiellrechtliche Frage untersuchen, ob der Eintragung der Aktiengesellschaft ein gesetzliches Hindernis entgegensteht. Insoweit ist der Revisionsrekurs im Ergebnis nicht begrundet.

Dazu braucht auf die Frage, ob die Gründung der Aktiengesellschaft dem Zweck der grundenden Genossenschaften entspricht und ob eine allfällige Zwecküberschreitung die Gründung rechtsunwirksam machen könnte (in diesem Sinne wohl Ehrenzweig 2. Aufl. I/1 S. 206 und GlUNF. 2594; dagegen Enneccerus - Nipperdey, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, 14. Aufl. I S. 411 unter Hinweis auf RGZ. 49, 294), nicht eingegangen zu werden, weil der Gründung ein anderes - bisher von den Gerichten und den Beteiligten in ihren Rechtsmitteln nicht beachtetes -, sich aus der Kartellgesetzgebung ergebendes Hindernis entgegensteht. Gemäß § 1 Abs. 1 KartellG. sind Kartelle Zusammenschlüsse von wirtschaftlich selbständig bleibenden Unternehmungen oder Verbänden von Unternehmern, die durch vertragliche Bindungen (Kartellvereinbarungen) eine Regelung oder Beschränkung des Wettbewerbes, insbesondere in Ansehung der Erzeugung, des Absatzes oder der Preise, bewirken sollen. Die einzutragende Aktiengesellschaft soll nun den erforderlichen Marktausgleich zwischen den einzelnen Bundesländern Österreichs unter Berücksichtigung der jeweiligen Absatz- und Bedarfsinteressen herstellen und Überschüsse von Vieh jeder Art im In- und Ausland verwerten. Damit ist klar als wirtschaftliches Ziel der Aktiengesellschaft die Regelung, wenn nicht Beherrschung, der Wettbewerbsverhältnisse offengelegt. Dabei kann es nicht darauf ankommen, daß die Kartellvereinbarung in einem Gesellschaftsvertrag, hier in der Satzung der Aktiengesellschaft, enthalten ist. Aus diesen Erwägungen folgt, daß der Gesellschaftsvertrag, soweit er eine Kartellvereinbarung enthält, zu seiner Gültigkeit der rechtskräftigen Eintragung ins Kartellregister bedürfte (§ 3 Abs. 1 KartellG.). Daß eine solche Eintragung stattgefunden hätte, ist gar nicht behauptet worden. Infolge der - zumindest teilweisen - Ungültigkeit des Gesellschaftsvertrages, die von Amts wegen wahrgenommen werden muß, kann daher die Aktiengesellschaft nicht eingetragen werden.

Der Ausnahmefall des § 2 Abs. 2 Z. 2 KartellG., wonach die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht Anwendung finden auf Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, soweit sie durch eine Vereinbarung im Sinne des § 1 Abs. 1 den Rahmen der Bestimmungen des Genossenschaftsgesetzes nicht überschreiten, liegt hier schon deswegen nicht vor, weil es sich nicht um die Satzung einer Genossenschaft, sondern um jene einer Aktiengesellschaft handelt.

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