OGH 1Ob258/04d

OGH1Ob258/04d25.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Mag. DDDr. Hans-Peter S***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Dr. Anton Mikosch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die gefährdende Partei Leonie M*****, vertreten durch Dr. Paul Georg Appiano und Dr. Bernhard Kramer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der gefährdenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 27. September 2004, GZ 2 R 260/04v-9, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 20. Juli 2004, GZ 16 C 1857/04z-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Verfahrenskosten.

Die Revisionsrekursbeantwortung der gefährdeten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die gefährdete Partei begehrte zur Sicherung ihres Anspruchs auf Zuhaltung eines Kaufvertrages die Erlassung eines Veräußerungs- und Belastungsverbots in Bezug auf eine Eigentumswohnung der gefährdenden Partei. Der Stifter der gefährdeten Partei habe als deren Bevollmächtigter und in deren Namen mit der gefährdenden Partei am 21. 6. 2004 telefonisch einen Kaufvertrag über die Wohnung geschlossen. Die vereinbarte Anzahlung sei unverzüglich geleistet worden. Dennoch habe die gefährdende Partei am 22. 6. 2004 erklärt, sie wolle die Wohnung nicht mehr verkaufen, weil sich ihr Verhandlungspartner listig verhalten habe. Sie beabsichtige nun, ihre Eigentumswohnung an einen Dritten zu verkaufen, wodurch die Durchsetzung des Anspruchs der gefährdeten Partei auf Übertragung des Eigentums vereitelt bzw gefährdet würde.

Die gefährdende Partei wandte in ihrer über Auftrag des Erstgerichts erstatteten Äußerung ein, ein Kaufvertrag sei nicht zustandegekommen. Der Stifter der gefährdeten Partei habe ausdrücklich erklärt, nicht bevollmächtigt zu sein und den vertretungsbefugten Vorstand mit der Frage eines allfälligen Erwerbs der Wohnung befassen zu müssen. Die gefährdende Partei habe ihre Preisvorstellung mit 145.000 EUR angegeben, jeglichen Kontrakt jedoch von einem sofortigen Barerlag von 10.000 EUR abhängig gemacht und unter dieser Voraussetzungen eine Vertragsunterfertigung zugesagt, worin ein eindeutiger Schriftformvorbehalt liege. Unmittelbar nach dem Telefonat mit dem Stifter der gefährdeten Partei habe sie von einem von ihr beauftragten Immobilienmakler erfahren, dass ein verbindliches Kaufanbot eines anderen Interessenten über 150.000 EUR vorliege. Weiters habe sich herausgestellt, dass der Stifter der gefährdeten Partei am 19. 6. 2004 bei dem Gespräch des Maklers mit dem anderen Interessenten anwesend gewesen sei und so von dessen Kaufabsicht Kenntnis erlangt habe. Er habe offenbar durch sein Telefonat am 20. 6. 2004 die damalige Unkenntnis von einem (höheren) bindenden Kaufoffert ausnützen wollen und die gefährdende Partei darüber nicht informiert. Darin liege ein arglistig herbeigeführter Irrtum, der auch zur Aufhebung eines allenfalls zustandegekommenen Vertrags zwischen den Streitteilen berechtige. Darüber hinaus sei der Stifter bei dem Telefongespräch im eigenen Namen aufgetreten und habe sich weder auf eine Vollmacht berufen, noch ein Bevollmächtigungsverhältnis offen gelegt. Jedenfalls sei auch die vereinbarte Anzahlung bis zum 24. 6. 2004 nicht auf ihrem Konto eingelangt. Bereits am 22. 6. 2004 sei ihr Verhandlungspartner über ihre Irrtümer aufgeklärt worden.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung und trug der gefährdeten Partei den Erlag einer Sicherheitsleistung von 5.000 EUR auf. Es nahm folgenden Sachverhalt als bescheinigt an:

Nach einem telefonischen Kontakt am 20. 6. 2004 sei es am 21. 6. 2004 zu einem weiteren Telefonat gekommen, in dem sich die Streitteile auf einen Kaufpreis von 145.000 EUR sowie darauf geeinigt hätten, dass ein von der gefährdenden Partei vorgeschlagener Notar den Vertrag verfassen solle. Dieser habe in der Folge einen Vertragsentwurf verfasst, wobei nicht festgestellt werden konnte, von wem er damit beauftragt worden sei. Ebensowenig sei feststellbar, ob es im Zuge der Telefonate zu einer Einigung über alle wesentlichen Hauptpunkte des Kaufvertrags gekommen und ob der gefährdenden Partei mitgeteilt worden sei, dass ihr Verhandlungspartner als Bevollmächtigter der gefährdeten Partei handeln wollte.

Das Erstgericht überging mit Ausnahme der Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden die von den Streitteilen beantragten Bescheinigungs- bzw Gegenbescheinigungsmittel. Es führte rechtlich aus, das summarische Bescheinigungsverfahren lasse zwar keine abschließenden Feststellungen und Beurteilungen der maßgeblichen Fragen zu. Nach § 390 Abs 1 EO könne das Gericht aber auch bei einer nicht ausreichenden Bescheinigung des behaupteten Anspruchs eine einstweilige Verfügung anordnen, wenn die dem Gegner hieraus drohenden Nachteile durch Geldersatz ausgeglichen werden könnten und vom Antragsteller eine vom Gericht zu bestimmende Sicherheit geleistet werde. Lediglich der völlige Mangel einer Bescheinigung des behaupteten Anspruchs könne durch Sicherheitsleistung nicht ersetzt werden. An einer Bescheinigung mangle es jedoch nicht gänzlich, da Hinweise dafür gegeben seien, dass es zum Vertragsabschluss gekommen sein könne. Da auf Grund der angebotenen Bescheinigungsmittel eine positive Feststellung über den behaupteten Anspruch nicht getroffen werden könne, sei eine Sicherheitsleistung aufzuerlegen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige. Es verwies im Wesentlichen auf die seiner Ansicht nach zutreffende Begründung des Erstgerichts. Dieses habe zu den wesentlichen Fragen nur negative Feststellungen getroffen. Dem Erstgericht sei beizupflichten, dass die Bescheinigung keineswegs gänzlich mangelhaft wäre und dass wegen der nur negativen Feststellungen im Zusammenhang mit der behaupteten Willensübereinstimmung in allen Punkten eine Sicherheitsleistung erforderlich sei. Wenn die Rekurswerberin die materielle Rechtslage bis ins Einzelne geklärt wissen wolle, übersehe sie den Zweck des Provisorialverfahrens. Ihre Einwände seien zwar nicht "abschneidbar", aber doch dem Hauptverfahren vorbehalten. Ein weiteres Eingehen darauf erübrige sich auch, weil ohnedies keine Feststellung vorliege, dass ein Kaufvertrag tatsächlich zustandegekommen sei. Mit der von der Rekurswerberin erhobenen Rüge der Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens setzte sich das Rekursgericht nicht auseinander.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der gefährdenden Partei ist zulässig und mit seinem Aufhebungsantrag berechtigt.

Der Revisionsrekurswerberin kann allerdings nicht gefolgt werden, soweit sie die Auffassung vertritt, negative Feststellungen zu für die Anspruchsbegründung maßgeblichen Tatsachen stünden einer Anwendung des § 390 Abs 1 EO entgegen. Wenn diese Bestimmung von einer "nicht ausreichenden Bescheinigung" spricht, so können damit nur Fälle erfasst sein, in denen der gefährdeten Partei eine Bescheinigung eben nicht gelungen ist, zugleich aber nicht bereits im Provisorialverfahren mit ausreichender Wahrscheinlichkeit gesagt werden kann, dass nach dessen Ergebnissen der Anspruch nicht besteht. Sind etwa nach Aufnahme von Bescheinigungs- und Gegenbescheinigungsmitteln nach Auffassung des Erstgerichts die von den Streitteilen behaupteten (widersprechenden) Sachverhaltsvarianten gleichermaßen wahrscheinlich, wird es zu einer Negativfeststellung zu kommen haben. Dies kann das Gericht allerdings im Regelfall nicht hindern, iSd § 390 Abs 1 EO eine einstweilige Verfügung unter Auferlegung einer Sicherheitsleistung zu erlassen. Forderte man eine "ausreichende" Bescheinigung aller für den Anspruch maßgeblichen Tatsachen, hätte die genannte Norm keinen Anwendungsbereich.

Keinen Bedenken begegnet auch die vom Rekursgericht gebilligte Höhe der auferlegten Sicherheitsleistung. Diese ist nach dem Gesetzeswortlaut nach freiem Ermessen zu bestimmen und soll jene Vermögensnachteile abdecken, die der gefährdenden Partei durch eine ungerechtfertigte einstweilige Verfügung entstehen könnten. Hier kommt in erster Linie ein Verzögerungsschaden, aber auch ein entgangener Gewinn durch die Verhinderung einer lukrativeren Veräußerung in Betracht. Ist die Frage, ob und in welcher Höhe ein Schaden entstehen könnte, im Zeitpunkt der Beschlussfassung noch nicht mit Sicherheit zu beantworten, dann genügt regelmäßig die Festsetzung einer verhältnismäßig niedrigen Kaution, zumal später immer noch die Möglichkeit einer Erhöhung gegeben ist, wenn sich die Sicherheit als unzureichend herausstellen sollte (Nachweise bei Kodek in Angst, § 390 EO Rz 9).

Zu Recht wirft die Revisionsrekurswerberin dem Rekursgericht hingegen vor, sich mit ihrer Verfahrensrüge nicht auseinandergesetzt zu haben, was zu einer Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens führt. Im Rekurs war insbesondere bemängelt worden, dass das Erstgericht die von ihr angebotenen Bescheinigungsmittel - mit Ausnahme der vorgelegten Urkunden - nicht berücksichtigt habe, obwohl sie diese einerseits zur Widerlegung des Antragsvorbringens, andererseits aber auch zur Bescheinigung ihrer Berechtigung zur Anfechtung eines allenfalls zustandegekommenen Vertrags wegen Irrtums angeboten hatte. Darüber hinaus führte die Rekurswerberin ins Treffen, das Erstgericht habe zu Unrecht eine eidesstättige Erklärung des Stifters herangezogen, obwohl es sich dabei um ein unzulässiges Bescheinigungsmittel handle.

Das Rekursgericht wird sich im fortzusetzenden Verfahren mit der Mängelrüge zu befassen und zu beurteilen haben, ob die im Rekurs behaupteten Verfahrensmängel vorliegen (zur Gegenbescheinigung siehe etwa Kodek aaO, § 389 EO, Rz 22 ff).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO iVm § 402 Abs 4 und § 78 EO.

Der gefährdeten Partei wurde am 1.12.2004 mitgeteilt, dass ihr die Beantwortung des Revisionsrekurses freistehe. Die Revisionsrekursbeantwortung wurde erst am 22.12.2004 und somit außerhalb der 14-tägigen Frist des § 402 Abs 3 EO zur Post gegeben. Demnach ist sie als verspätet zurückzuweisen.

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