Spruch:
Zur Frage des Beginnes der Bestreitungsfrist der Ehelichkeit des Kindes durch den Ehemann.
Entscheidung vom 14. November 1968, 1 Ob 254/68.
1. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Marius H., der Kläger, war seit 22. April 1954 mit Anna H. verheiratet; die Ehe wurde mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 13. Juni 1966 rechtskräftig geschieden.
Anna H. brachte am 28. Oktober 1962 einen Knaben zur Welt, der den Namen Edmund erhielt; im Geburtenbuch ist der Kläger als ehelicher Vater eingetragen.
Im vorliegenden, seit 10. Februar 1965 anhängigen Prozeß, bestritt der Kläger die Ehelichkeit des mj. Edmund; nach seiner Meinung sei das Kind von Edmund W. gezeugt worden; die Rechtzeitigkeit der Prozeßführung ergebe sich daraus, daß ihm erst im März oder April 1964 eindeutige Beweise in dieser Richtung zur Verfügung gestanden seien.
Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen, wendete aber auch ein, daß die Klage nicht innerhalb der im § 156 ABGB. normierten Frist erhoben worden sei.
Der Erstrichter gab dem Klagebegehren statt. Er begrundete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Der letzte Geschlechtsverkehr zwischen dem Kläger und seiner damaligen Frau habe im Frühjahr 1961 stattgefunden; der Kläger sei deshalb bereits bei der Geburt des Kindes überzeugt gewesen, daß es nicht von ihm stammen könne; er habe sich deshalb schon damals auch Rat bei seinem Rechtsfreund Dr. H. geholt; da er diesem aber keine Beweise für seine Nicht-Vaterschaft namhaft machen konnte, sei es nicht zu einer Klage gekommen; anfangs 1964 habe der Kläger von Josefa P. erfahren, seine Gattin habe ihr gesagt, daß er "die Vaterschaft annehmen müsse, weil er es versäumt habe"; beim Welser Volksfest des Jahres 1964 habe der Kläger dann von Berta Sch. erfahren, daß seine Gattin seit Oktober oder November 1960 oder 1961 mit Edmund W. ein Verhältnis habe; nunmehr habe er die Bestreitung der Ehelichkeit des Kindes für aussichtsreich gehalten und sich zur Einbringung der vorliegenden Klage entschlossen; nach den Blutgruppen, Faktoren, Serum- und Sekretoreigenschaften sei weder der Kläger noch Edmund W. als Vater des Kindes ausgeschlossen; nach dem erbbiologischenanthropologischen Gutachten sei die Zeugung des Kindes durch den Kläger "hochgradig unwahrscheinlich", eine Zeugung des Kindes durch Edmund W. mit "Wahrscheinlichkeit" bis "großer Wahrscheinlichkeit" als gegeben anzunehmen; unter diesen Umständen sei davon auszugehen, daß der Kläger die Bestreitungsfrist gewahrt habe, weil er erst durch die Mitteilung der Berta Sch. Kenntnis von genügend beweiskräftigen Umständen erhalten habe, um die Klage mit Erfolg anstrengen zu können; da der Kläger seiner damaligen Gattin während der kritischen Zeit nicht beigewohnt habe, sei die Rechtsvermutung des § 138 ABGB. widerlegt.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren hingegen mit der Begründung ab, der Kläger habe die Bestreitungsfrist versäumt; nach den auf den eigenen Angaben des Klägers beruhenden und zudem unbedenklichen Feststellungen des Erstrichters habe der letzte Geschlechtsverkehr zwischen dem Kläger und seiner Gattin im Frühjahr 1961 stattgefunden; da das Kind am 28. Oktober 1962 geboren wurde, habe er es - selbst bei Annahme der längsten möglichen Tragdauer - nicht gezeugt haben können; dieser Unmöglichkeit der Zeugung sei sich gewiß jeder Mann auch nur durchschnittlicher Lebenserfahrung bewußt; der Kläger war denn auch festgestelltermaßen im Hinblick auf den Zeitpunkt seines letzten Geschlechtsverkehrs mit seiner Frau davon überzeugt, daß das Kind nicht von ihm stammen könne; ein Umstand, der besser beweisen könnte, daß ein Kind nicht vom Ehemann der Mutter gezeugt worden sei, als der, daß zwischen ihm und der Mutter in einem irgendwie für die Zeugung in Frage kommenden Zeitraum kein Geschlechtsverkehr stattgefunden habe, sei auch kaum denkbar; der Kläger sei deshalb schon bei Geburt des Kindes in Kenntnis eines Umstandes gewesen, der geeignet war, seine Nicht-Vaterschaft zu beweisen; damit habe die Bestreitungsfrist mit der Geburt des Kindes bzw. mit der Kenntnis des Klägers von der Geburt für ihn zu laufen begonnen; diese Kenntnis habe der Kläger laut eigener Angabe im Berufungsverfahren etwa 14 Tage bis 3 Wochen nach der Geburt des Kindes erlangt; die Auffassung des Erstrichters, für den Beginn der Frist wäre auch die Kenntnis von (weiteren) Beweisen für das ehebrecherische Verhalten der Anna H. erforderlich gewesen, könne nicht geteilt werden; für die Feststellung der Unehelichkeit eines Kindes sei es ohne Belang, welcher Mann als außerehelicher Vater in Frage komme; wesentlich sei nur, daß nicht der Ehemann der Mutter das Kind gezeugt haben könne; das Erfordernis von beweiskräftigen Umständen bestehe in Ansehung der Kenntnis der Unehelichkeit, nicht aber in Ansehung der Beweise für die Prozeßführung; daß eine Hemmung der 2 bis 3 Wochen nach dem 28. Oktober 1962 begonnenen Frist eingetreten wäre (§ 156 (3) AGB.), sei weder behauptet worden noch hervorgekommen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Oberste Gerichtshof hat sich schon wiederholt mit Bestreitungsprozessen befaßt, in denen die seit dem letzten Geschlechtsverkehr des Ehemannes mit seiner Gattin bis zu deren Entbindung verstrichene lange, mit der Schwangerschaftsdauer beim Menschen unvereinbare Zeit jene Tatsache war, aus der sich für ersteren der Verdacht, um nicht zu sagen die Gewißheit, ergab, das Kind sei von einem anderen Manne gezeugt worden. In derartigen Fällen wurde die Berechnung der Frist des § 156 (2) ABGB. auf die Geburt des Kindes bzw. auf den Zeitpunkt abgestellt, in dem der Ehemann Kenntnis von der Geburt des Kindes erlangt hat (vgl. dazu z. B. SZ. XXVII 196, zuletzt etwa 1 Ob 210/67 = RiZ. 1968 S. 52). Die Ausführungen des Klägers, die im wesentlichen auf eine Hervorhebung der Beweisschwierigkeiten in Bestreitungsprozessen hinauslaufen, bieten keinen Anlaß, von dieser Auffassung abzugehen. Auch wenn man die Möglichkeit berücksichtigt, daß die Kindesmutter als Zeugin angeben kann, mit dem Ehemann länger als von ihm behauptet Geschlechtsverkehr gepflogen zu haben, insbesondere auch in der empfängniskritischen Zeit, bleibt doch in dem Fall, daß die Behauptung des Mannes als richtig festgestellt wurde, die unüberbrückbare Diskrepanz zwischen der bis zur Geburt des Kindes verstrichenen Zeit und der Tragzeitdauer beim Menschen jener Umstand, der für die Unehelichkeit des Kindes spricht. An die Kenntnis dieses Umstandes knüpft das Gesetz den Beginn der Bestreitungsfrist. Da der letzte Geschlechtsverkehr des Klägers mit seiner damaligen Gattin erwiesenermaßen im Frühjahr 1961 stattfand und das Kind am 28. Oktober 1962 geboren wurde, vom Kläger also nicht gezeugt worden sein kann, der Kläger, der von der Geburt des Kindes zwei oder drei Wochen später, also im November 1962, erfuhr, sich dessen nach den Lebenserfahrungen auch bewußt sein mußte und erwiesenermaßen sogar bewußt war, kann in der Abweisung der erst am 10. Februar 1965 anhängig gemachten Klage wegen Fristversäumung keine Fehlentscheidung erblickt werden.
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