Spruch:
Zur Frage der Zivilteilung innerhalb der Sperrfrist des § 23 EStG. Berücksichtigung bei der Interessenabwägung.
Entscheidung vom 16. Jänner 1963, 1 Ob 254/62.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Streitteile sind Eigentümer der Liegenschaft EZ. 435 KG. X in Wien, und zwar der Kläger zu 34/40, der Beklagte zu 6/40 Anteilen. Die Liegenschaft besteht aus der Gartenparzelle 231/7 im Ausmaß von 1393 m2. Der Kläger begehrt die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch gerichtliche Feilbietung.
Das Erstgericht hatte mit Urteil vom 31. Mai 1960 im Sinne des Klagebegehrens erkannt. Diese in der Hauptsache mit Urteil des Berufungsgerichtes vom 30. August 1960 bestätigte Entscheidung wurde mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 12. Oktober 1960, 1 Ob 374/60, aufgehoben und die Rechtssache zu ergänzender Verhandlung und neuerlicher Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Für die Aufhebung der untergerichtlichen Urteile waren zwei Gründe maßgebend. Der Oberste Gerichtshof vertrat einerseits die Ansicht, die vom Beklagten eingewendete Möglichkeit der Realteilung ohne Wertminderung sei nicht entsprechend geprüft worden. Es gehe nicht an, durch bloßen Hinweis auf eine Bestimmung der Wiener Bauordnung ohne Abführung jedweden Beweises die Unmöglichkeit einer Realteilung anzunehmen. Andererseits führte der Oberste Gerichtshof aus, auch die Behauptung des Beklagten, daß ein baldiger Abverkauf wegen der damit verbundenen hohen Steuervorschreibung zu seinem Nachteil ausschlage, sei noch zu überprüfen. Treffe die Behauptung zu, so komme ein Aufschub der Teilung bis zum Ablauf der den Beklagten beschwerenden Frist in Frage, weil die Aufhebung der Gemeinschaft nicht zum Nachteil der übrigen verlangt werden dürfe, der Kläger sich vielmehr in einem solchen Fall einen den Umständen nach angemessenen, nicht wohl vermeidlichen Aufschub gefallen lassen müsse. Der vom Beklagten behauptete Nachteil sei kein dauernder, sondern ein vorübergehender, so daß es hier schon einer Interessenabwägung bedürfe; ohne diese würde dem Willen des Gesetzgebers geradezu zuwidergehandelt werden. In allen übrigen Fragen trat der Oberste Gerichtshof den rechtlichen Erwägungen der Untergerichte bei. Er billigte also die Rechtsansicht, daß "Unzeit" schon wegen der Hochkonjunktur auf dem Grundstückmarkte nicht gegeben sei. Auch der Umstand, daß der Liegenschaftsanteil des Klägers belastet sei, mache die Teilung nicht unzeitgemäß.
Mit Urteil vom 6. Juli 1961 gab das Erstgericht der Klage wieder Folge. Es ging hinsichtlich der behaupteten Unzeit und der Belastung des Anteiles des Klägers von den gleichen Feststellungen mit demselben rechtlichen Ergebnis wie bisher aus und stellte weiter fest, daß eine Realteilung der Liegenschaft nicht möglich, aber auch untunlich sei, weil eine Teilung in Trennstücke, welche keinen eigenen Grundbuchskörper bilden können, also an die Anrainer verkauft werden müssen, auf deren Zustimmung zum Ankauf das Gericht keinen Einfluß nehmen könne, nicht gangbar und mit einer wesentlichen Wertverminderung verbunden sei. Bezüglich der Höhe der Einkommensteuer, welche den Beklagten im Falle einer Veräußerung der Liegenschaft treffe, habe keine Feststellung getroffen werden können, weil der Beklagte trotz entsprechender Aufforderung über die Höhe seines Einkommens weder Behauptungen aufgestellt noch Beweise angeboten habe.
Der gegen dieses Urteil vom Beklagten erhobenen Berufung wurde mit Beschluß des Berufungsgerichtes Wien vom 19. September 1961, Folge gegeben, das Urteil aufgehoben und die Rechtssache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Dabei wurde das erstgerichtliche Verfahren lediglich in der Richtung für mangelhaft erachtet, daß das Erstgericht Beweisanträge des Beklagten über den Wert seines Liegenschaftsanteiles und über die für ihn zu erwartende Einkommensteuer nicht erhoben hatte. Das Berufungsgericht erteilte dem Erstgericht den Auftrag, die vom Beklagten beantragten Beweise über den von ihm behaupteten Schaden im Falle eines alsbaldigen Verkaufs der Liegenschaft durch höhere Steuervorschreibungen, und zwar die Schätzung des Wertes der Liegenschaft, des Veräußerungsgewinnes, den der Beklagte voraussichtlich erzielen werde, durchzuführen, die Höhe der zu erwartenden Steuervorschreibung im Zusammenhang mit dem anzunehmenden Einkommen des Beklagten zu erörtern und festzustellen, wobei es Sache des Beklagten sein werde, sein bisherigen Einkommen nachzuweisen, weil dies wegen der Steuerprogression Bedeutung habe. Wenn auf Grund der diesbezüglichen Beweislage ein Aufschub der Zivilteilung in Betracht komme, werde im Hinblick darauf, daß der Kläger ein Interesse an einer möglichst raschen Teilung behaupte, die Interessenlage zu prüfen sein.
Mit dem letzten Urteil vom 27. Juli 1962, gab das Erstgericht unter Abstandnahme der hierüber vom Beklagten angebotenen Beweise dem Klagebegehren neuerlich statt und führte hiezu aus, daß alle Einwendungen des Beklagten bis auf jene der Unzeit infolge der für ihn durch die erhöhte Einkommensteuer zu erwartenden Belastung und der Existenz eines Bestandverhältnisses auf dieser Liegenschaft durch die Vorentscheidungen des Berufungsgerichtes und des Obersten Gerichtshofes als nicht stichhältig erkannt worden seien. Hinsichtlich der für den Beklagten bei einer Veräußerung zu erwartenden Steuervorschreibung aus dem Veräußerungsgewinn, die entgegen der Ansicht der Rechtsmittelgerichte rechtlich unbeachtlich sei, habe der Beklagte seine diesbezüglichen Behauptungen in der erkennbaren Absicht, den Prozeß zu verschleppen, nicht früher vorgebracht, sodaß die Aufnahme der diesbezüglichen Beweise zu verweigern gewesen sei. Dem Beklagten sei daher der Nachweis nicht gelungen, daß die Zivilteilung zur Unzeit oder zu seinem Nachteil begehrt werde.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil im wesentlichen mit folgender Begründung auf:
Die Frage der unzumutbaren Belastung des Beklagten mit einer erhöhten Einkommensteuer gemäß § 23 EStG. sei nach wie vor nicht hinreichend erörtert. Der Beklagte habe seine Liegenschaftsanteile mit den Kaufverträgen vom 18. und 24. Juli 1958 und vom 30. April und 26. August 1959 erworben. Nach der ursprünglichen Fassung des § 23 (1) Z. 1 lit. a EStG. habe die dort normierte Frist am 26. August 1961 geendet. Bei der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 12. Oktober 1960 sei dieser Termin verhältnismäßig nahe gewesen. Die Einkommensteuernovelle vom 15. Dezember 1960, BGBl. Nr. 285, habe jedoch die Frist auf fünf Jahre verlängert und bestimmt, daß im Falle des Erwerbes der Liegenschaft nach dem 31. Dezember 1954 die Frist nicht vor dem 31. Dezember 1965 ende. Gleichwohl sei die vom Obersten Gerichtshof dargelegte Rechtsansicht weiter zu beachten, weil darin unmißverständlich zum Ausdruck komme, daß die Mehrbelastung durch eine erhöhte Steuer vom Veräußerungsgewinn dann als vorübergehendes Teilungshindernis dem Klagebegehren entgegenstehe, wenn sich der Kläger nach der vorzunehmenden Interessenabwägung einen angemessenen Aufschub gefallen lassen müsse. Zu Unrecht habe das Erstgericht eine Prozeßverschleppungsabsicht des Beklagten angenommen. Das Erstgericht habe die Aufnahme weiterer Beweise deshalb abgelehnt, weil die Sache spruchreif sei, habe sich daher in der Urteilsbegründung nicht auf eine angebliche Verschleppungsabsicht berufen dürfen. Primäre Grundlage für die Frage, welche Einkommensteuervorschreibung der Beklagte im Falle der Zivilteilung der Liegenschaft vor dem Jahre 1966 zu erwarten habe, sei die Erhebung des Wertes der Liegenschaft durch einen Sachverständigen. Wegen der Steuerprogression spiele auch das ständige Einkommen des Beklagten eine Rolle. Dieses derzeit unbekannte Einkommen des Beklagten müsse allenfalls mit Zuziehung eines Sachverständigen eingeschätzt werden. Gebe der Beklagte überhaupt keine Erklärung über sein Einkommen ab, so habe dies nur zur Folge, daß der voraussichtliche Verkaufserlös allein zu schätzen und die Weigerung des Beklagten gemäß § 272 ZPO. entsprechend zu würdigen sei.
In den weiteren Ausführungen befaßt sich das Berufungsgericht mit der Frage der Möglichkeit einer Realteilung der Liegenschaft und kommt zu dem Ergebnis der rechtlichen Unmöglichkeit und Untunlichkeit einer Realteilung. Das Erstgericht werde in die neuerlich zu fällende Entscheidung auch die Gründe wieder aufzunehmen haben, aus welchen es eine Realteilung als unmöglich erachtet habe, weil der Beklagte erst anläßlich einer Rechtsmittelentscheidung über das vom Erstgericht zu fällende Urteil die diesbezüglichen Rechtsfragen wieder an den Obersten Gerichtshof herantragen könne.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes, das seinem Beschluß einen Rechtskraftvorbehalt beifügte, richten sich die Rekurse beider Parteien.
Der Oberste Gerichtshof gab keinem der beiden Rekurse Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, hat das Erstgericht den Aufträgen des Obersten Gerichtshofes zur Ergänzung des Verfahrens ohne hinlänglichen Grund nicht entsprochen. Die Änderung des Einkommensteuergesetzes durch die Novelle 1960, BGBl. Nr. 285, hat keinen entscheidenden Einfluß auf die grundsätzliche Frage, ob dem Beklagten durch Besteuerung des Spekulationsgewinnes ein Nachteil entsteht. Die Verlängerung der Frist auf fünf Jahre und, soweit es den vorliegenden Fall betrifft, bis 31. Dezember 1965, spielt nur bei der allenfalls vorzunehmenden Interessenabwägung eine Rolle.
Auch den rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichtes zur Frage der Untunlichkeit der Naturalteilung ist beizupflichten, sofern von den Feststellungen auszugehen ist, die das Berufungsgericht seinen rechtlichen Argumenten zugrunde legt, daß nämlich keine der überhaupt möglichen Arten einer Realteilung ohne wesentliche Wertminderung durchführbar ist. Ist eine Realteilung nur bei gleichzeitiger erheblicher Wertminderung möglich, so ist sie rechtlich als untunlich anzusehen. Da das Erstgericht in seiner letzten, dem angefochtenen Beschluß zugrunde liegenden Entscheidung zu dieser Frage überhaupt nicht Stellung genommen hat, ist auch eine endgültige Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof nicht möglich.
Zu den beiden Rekursen ist im einzelnen folgendes zu sagen:
Wenn der Beklagte anführt, die Berücksichtigung des § 23 EStG. sei auf Grund der Novellierung noch wichtiger geworden, so bekämpft er damit nicht die angefochtene Entscheidung. Seine Ausführungen in der Richtung, der Kläger habe nicht begrundet, warum er die Teilung anstrebe, gehören nicht in den Rekurs, sondern sind allenfalls Prozeßvorbringen zur Frage der Interessenabwägung. Die bloße Anführung, in erster Instanz seien verschiedene Urkunden unbeachtet geblieben oder die Vernehmung bestimmter Zeugen ausgeblieben, ist für sich allein keine gesetzmäßige Ausführung eines Rechtsmittels. Solange nicht Feststellungen des Erstgerichtes zur Frage der Möglichkeit einer Realteilung vorliegen, kann auf eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens in dieser Richtung nicht näher eingegangen werden. Der Kläger hat wohl zu beweisen, daß eine Realteilung unmöglich oder untunlich ist, doch hat der Beklagte, wenn er trotzdem die Möglichkeit einer Realteilung behauptet, auch konkrete Möglichkeiten einer solchen Teilung anzuführen. Eine "positive Stellungnahme" des Klägers, wie sie der Beklagte verlangt, ist hiezu nicht erforderlich. Es trifft daher auch nicht zu, daß es der Kläger dem Beklagten durch Unterlassung einer solchen Stellungnahme unmöglich gemacht haben soll, eine Realteilung vorzubereiten.
Alle diese Ausführungen des Beklagten sind also nicht geeignet, den Obersten Gerichtshof von der Ansicht des Beklagten, die Sache sei im Sinne einer Klageabweisung bereits spruchreif, zu überzeugen. Das gleiche gilt für die Rekursausführungen des Klägers.
In der Frage der "Unzeit" bekämpft der Kläger die Rechtsansicht der Untergerichte nicht. Was er zur Frage einer Naturalteilung statt einer Zivilteilung ausführt, ist deshalb nicht näher zu erörtern, weil der Kläger im wesentlichen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die ohnehin vom Obersten Gerichtshof gebilligt wird, wiederholt und herausstreicht. Der Versuch des Klägers, darzulegen, daß eine Benachteiligung des Beklagten durch die Bestimmung des § 23 EStG. nicht gegeben sei, übersieht, daß der Oberste Gerichtshof seine Rechtsansicht im Aufhebungsbeschluß zu dieser Frage bereits festgelegt hat und an diese Rechtsansicht im vorliegenden Verfahren gebunden ist. Daß auch durch die Novellierung des § 23 EStG. keine entscheidungswesentliche Änderung der Rechtslage eingetreten ist. Wurde bereits oben gesagt. Auch der Kläger übersieht, daß Ausführungen zur Interessenabwägung verfrüht sind, solange nicht feststeht, ob und in welcher Höhe dem Beklagten überhaupt ein Nachteil aus der Aufhebung der Gemeinschaft erwächst.
Das Erstgericht wird also im Sinne der Anordnungen des Berufungsgerichtes das Verfahren zu ergänzen und neuerlich in der Sache zu entscheiden haben.
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