OGH 1Ob253/04v

OGH1Ob253/04v25.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gabriele S*****, vertreten durch Dr. Reinhard Rosskopf, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Neriman C*****, vertreten durch Dr. Alois Eichinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. April 2004, GZ 41 R 335/03y-34, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 8. Oktober 2003, GZ 22 C 287/01m-29, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 199,87 EUR (darin 33,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist seit dem Jahre 1986 Mieterin einer im Eigentum der Klägerin stehenden 28 m2 großen Wohnung. Im Mietvertrag war vereinbart worden, dass die Wohnung ohne schriftliche Zustimmung der Vermieterin weder entgeltlich noch unentgeltlich dritten Personen überlassen werden dürfe. Im Sommer 2000 stand diese Wohnung leer. Von Beginn des Jahres 2001 bis zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt knapp nach der hier streitgegenständlichen Aufkündigung (eingebracht am 8. 6. 2001, der Beklagten zugestellt am 15. 6. 2001) wohnte ein namentlich unbekannter Mann in dieser Wohnung, die in der Folge für kurze Zeit leer stand und schließlich wieder für die Dauer von etwa drei bis vier Monaten von einem anderen, ebenfalls unbekannt gebliebenen Mann bezogen war. Danach war dieses Mietobjekt nicht mehr bewohnt.

Die Klägerin kündigte der Beklagten die Wohnung unter ziffernmäßiger Anführung der Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 4, 6 und 8 MRG auf. Weitere Ausführungen zu den geltend gemachten Kündigungsgründen erstattete sie ursprünglich nicht. Nach Erhebung von Einwendungen und nach Fortsetzung des Verfahrens, weil dieses geruht hatte, brachte die Klägerin vor, die Beklagte und deren Familie hätten sich zumindest seit 1. 7. 2000 nie in der aufgekündigten Wohnung aufgehalten. Es habe aber ein junger Mann ihr gegenüber angegeben, in dieser Wohnung zu wohnen, diese Person sei aber nach Einbringung der Kündigung ausgezogen. Von Oktober 2001 bis zur Fortsetzung dieses Verfahrens habe schließlich ein anderer Mann das Mietobjekt bewohnt. Eine regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken durch die Beklagte bzw deren Familie finde nicht statt. In der Verhandlungstagsatzung vom 31. 1. 2003 nahm die Klägerin von der Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 8 MRG Abstand.

Die Beklagte wendete ein, dass die Aufkündigung unschlüssig sei, weil die Klägerin keinen die Kündigung rechtfertigenden Sachverhalt vorgetragen habe. Die Wohnung werde nach wie vor benützt, insbesondere vom (eintrittsberechtigten) Sohn der Beklagten. Infolge nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens habe sich die Klägerin der geltend gemachten Kündigungsgründe verschwiegen.

Das Erstgericht erklärte die gerichtliche Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichtete die Beklagte zur Räumung des Mietobjekts. Es ging davon aus, dass die Klägerin den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG ausreichend - wenngleich erst nach Erhebung der Einwendungen - individualisiert habe und das eine Individualisierung des Kündigungsgrunds nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG nicht notwendig gewesen sei, weil dieser nur einen Tatbestand aufweise. Ein Verhalten der Klägerin, das auf einen Kündigungsverzicht schließen ließe, sei nicht feststellbar. Im Zeitpunkt der Aufkündigung sei die Wohnung gänzlich an eine dritte Person weitergegeben gewesen, weshalb die Voraussetzungen nach § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG erfüllt seien, zumal kein dringender Wohnbedarf der Beklagten bzw deren eintrittsberechtigten Sohns in naher Zukunft vorgelegen sei.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es die Aufkündigung aufhob und das Räumungsbegehren abwies; es erklärte die ordentliche Revision für unzulässig. Die Klägerin habe ihre Aufkündigung auf den "nunmehr allein gegenständlichen" Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG gestützt, der zwei Tatbestände enthalte. Sie habe sich in ihrer Aufkündigung mit der Anführung dieser Gesetzesstelle begnügt und weiteres Vorbringen nicht erstattet. Die Individualisierung eines Kündigungsgrundes habe aber in der Aufkündigung selbst zu erfolgen, auf spätere Ausführungen zum geltend gemachten Kündigungsgrund könne nicht Bedacht genommen werden. Demnach sei der Kündigungsgrund der gänzlichen Weitergabe des Bestandobjekts in der Aufkündigung nicht (ordnungsgemäß) geltend gemacht worden, weshalb diese als rechtsunwirksam aufzuheben sei.

Die Revision der Klägerin ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Dem Berufungsgericht ist durchaus beizupflichten, dass nach ständiger Judikatur ein geltend gemachter Kündigungsgrund bereits in der Aufkündigung individualisiert sein muss. Die ziffernmäßige Nennung der Gesetzesstelle genügt dann nicht, wenn diese mehr als einen Kündigungsgrund enthält (immolex 2004, 217; WoBl 2001, 140; MietSlg 52.430; 51.413; 49.394; 38.493 uva). Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG enthält zwei Tatbestände, und das Berufungsgericht ist deshalb völlig zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin diesen Kündigungsgrund in der Aufkündigung nicht ordnungsgemäß individualisierte, weil sie nur die Gesetzesstelle benannt und weiteres Vorbringen nicht erstattet hatte. Demnach war auf diesen Kündigungsgrund nicht Bedacht zu nehmen.

Den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG berücksichtigte das Berufungsgericht nur insoweit, als es ausführte, es sei der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG "nunmehr allein gegenständlich" (S 3 des Berufungsurteils). Zur Klarstellung sind daher Ausführungen zu diesem Kündigungsgrund geboten:

Die Klägerin hat in ihrer Aufkündigung auch den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG - wenngleich ebenfalls nur ziffernmäßig - genannt. Dieser Kündigungsgrund enthält nur einen Tatbestand, nämlich dass die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen regelmäßig verwendet werde. Damit ist dieser Kündigungsgrund ordnungsgemäß geltend gemacht worden. Nun stellt der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 4 MRG die speziellere Norm gegenüber dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG dar und ist im Fall der Weitergabe einer Wohnung - wie hier - nur § 30 Abs 2 Z 4 MRG als die hiefür getroffene speziellere Norm anzuwenden, nicht aber § 30 Abs 2 Z 6 MRG, der als Abhilfe gegen das Horten mehrerer Wohnungen durch den Mieter gedacht ist (MietSlg 47.365/28; SZ 62/200 mwN; Würth in Rummel ABGB3 Rz 31 zu § 30 MRG; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21, Rz 27 zu § 30 MRG mwN). Die Benennung des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 6 MRG hätte daher für die Klägerin nur dann erfolgreich sein können, wenn der auf der spezielleren Norm des § 30 Abs 2 Z 4 MRG beruhende Kündigungsgrund nicht vorgelegen wäre, hätte doch erst dann eine Prüfung des Kündigungstatbestands nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG erfolgen müssen. Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen war aber der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 4 MRG zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an die Beklagte (siehe Würth aaO Rz 5 zu § 30 MRG mwN bzw Würth/Zingher/Kovanyi aaO Rz 26 zu § 33 MRG mwN) gegeben, weshalb die Aufkündigung nur nach der spezielleren Bestimmung des § 30 Abs 2 Z 4 MRG hätte erfolgreich sein können. Überdies ist anzumerken, dass der Tatbestand des § 30 Abs 2 Z 6 MRG mangels Hortens einer Wohnung zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung eben nicht erfüllt war.

Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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