OGH 1Ob246/46

OGH1Ob246/4615.10.1946

SZ 21/7

Normen

Reichspachtschutzordnung §1
Reichspachtschutzordnung §3
ZPO §190
ZPO §411
ZPO §496
ZPO §499
ZPO §527
Reichspachtschutzordnung §1
Reichspachtschutzordnung §3
ZPO §190
ZPO §411
ZPO §496
ZPO §499
ZPO §527

 

Spruch:

§§ 190, 411 ZPO. Bindung der Gerichte an rechtskräftige Entscheidungen der Pachtämter.

Entscheidung vom 15. Oktober 1946, 1 Ob 246/46.

I. Instanz: Bezirksgericht Lienz; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Rechtliche Beurteilung

Begründung

Der Kläger stellte das Klagebegehren auf Räumung des Wohnhauses in V. Nr. 31 samt dem dazugehörigen Gründe. Das Erstgericht gab diesem Begehren statt und begrundete diese Entscheidung im wesentlichen in nachstehender Weise: Das Pachtamt Lienz hatte mit Beschluß vom 25. März 1946, Psch 1/46-12, den Antrag der beiden Beklagten auf Unwirksamerklärung der vom Kläger am 2. Jänner 1946 für den 1. Februar 1946 außergerichtlich an sie erfolgten Aufkündigung des Bestandgegenstandes und auf Festsetzung der Pachtdauer für weitere zwei Jahre abgelehnt. Mit dieser Entscheidung sei das Vorliegen eines der ReichspachtschutzO. vom 30. Juli 1940, DRGBl. I S. 1065, unterliegenden Pachtvertrages über die zu räumende Liegenschaft zwischen den Streitteilen festgestellt und über die Wirksamkeit der Kündigung rechtskräftig entschieden worden. Daher seien die Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes auf dieses Bestandverhältnis nicht anzuwenden.

Wenn auch vom Pachtamt über die Rechtswirksamkeit der Kündigung nicht rechtsgültig entschieden worden sei, so sei einer Entscheidung doch zu entnehmen, daß die Kündigung als wirksam erkannt worden ist. Aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre, wäre mit Rücksicht auf den unbestrittenermaßen erfolgten Eintritt der ebenfalls unbestrittenermaßen im Pachtvertrag enthaltenen auflösenden Bedingung: "Bis Herr J. O. selbst einziehen kann", das Pachtverhältnis als aufgelöst anzusehen.

Der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht Folge. Es faßte nach §§ 496, 499 ZPO. den Beschluß auf Aufhebung des Urteiles des Erstgerichtes und auf Zurückverweisung der Streitsache an dieses; zugleich bestimmte es nach § 527, Abs. 2 ZPO., daß das Verfahren I. Instanz erst nach Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses fortzusetzen sei. Es verneinte die Frage, ob durch die Entscheidung des Pachtamtes auch die vorliegende Streitsache rechtskräftig entschieden sei, vermeinte aber, das Pachtamt sei für die Entscheidung des Antrages der beiden Beklagten nicht zuständig gewesen, weil es die Vorfragen gar nicht gelöst hätte, ob eine Pacht oder Miete vorliege und ob die Kündigung wirksam ausgesprochen worden wäre. Da diese Fragen nicht in einer einen Exekutionstitel bildenden Form durch das Pachtamt gelöst worden seien, läge eine rechtskräftige Entscheidung dieses Amtes nicht vor und es hätte das Erstgericht diese Vorfragen selbst lösen müssen.

Die Beklagten haben sich gegenüber dem Pachtamte zur Begründung ihres Antrages auf Unwirksamerklärung der vom Kläger gegen sie erlassenen außergerichtlichen Aufkündigung und auf Festsetzung der Dauer der Pacht auf weiter zwei Jahre selbst auf das Vorliegen eines Pachtverhältnisses berufen und behauptet, daß auf der Liegenschaft so viel Grund vorhanden sei, daß zwei Schweine gefüttert und sonstiges Kleinvieh gehalten werden könne; auch gehöre zur Liegenschaft ein Obstgarten. Das Pachtamt hat nun mit seinem schon erwähnten Beschluß vom 25. März 1946, also in einem Zeitpunkt, als die vorliegende, am 8. April 1946 eingebrachte Räumungsklage noch gar nicht anhängig war, die oben erwähnten Anträge der Beklagten unter Anrufung des § 3, Abs. 2, Z. 3 der ReichspachtschutzO. abgelehnt. Diese Entscheidung wurde an die Parteien am 27. März 1946 abgefertigt und ist unbestrittenermaßen rechtskräftig geworden. Das Pachtamt entschied deswegen so, weil ernährungswirtschaftliche Gründe für die Verlängerung der Pacht nicht vorhanden waren; dabei wies es auf den Eintritt der auflösenden Bedingungen des Pachtvertrages: "bis Herr J. O. selbst einziehen kann", ausdrücklich hin. Es ist also daran festzuhalten, daß einerseits die Beklagten selbst sich gegenüber dem Pachtamte auf den Rechtsstandpunkt eines Pachtverhältnisses gestellt hatten und daß anderseits das Pachtamt nur deswegen über deren Antrag entscheiden konnte, weil es den Bestandvertrag als eine Pacht im Sinne des § 1, Abs. 4 ReichspachtschutzO. ansah, wenn es dies auch nicht ausdrücklich aussprach. Aus diesen beiden Momenten ergibt sich, daß das Pachtamt zwischen den Parteien bindend das Vorliegen eines Pachtvertrages festgestellt hat und daß die Beklagten nunmehr, da der Spruch des Pachtamtes über ihre Anträge erfolgt ist, im vorliegenden Prozeß ihren Rechtsstandpunkt nicht mehr dahin ändern können, daß eine bloße Miete vorläge; denn der, wenn auch ihren Antrag ablehnende Spruch des Pachtamtes hat zwischen ihnen endgültiges Recht geschaffen. Es handelt sich eben sowohl hier, als auch im seinerzeitigen Verfahren vor dem Pachtamt um dieselben Parteien und um dieselbe Sache. Die Ablehnung des Antrages der Beklagten auf Unwirksamerklärung der Kündigung, ist, wie sich aus der Begründung der Entscheidung des Pachtamtes ergibt, als eine materielle Abweisung und nicht bloß als eine formelle Zurückweisung dieses Antrages aufzufassen, denn andernfalls hätte die Berufung des Pachtamtes auf § 3, Abs. 2, Z. 3 ReichspachtschutzO. keinen Sinn. Nur dann wäre der Spruch selbst für die Parteien und für das Prozeßgericht nicht bindend, wenn das Pachtamt für die von ihm getroffene Entscheidung absolut unzuständig gewesen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Es hat daher im Gegensatz zu der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtansicht das Pachtamt sowohl über die Vorfrage, ob Miete oder Pacht vorliegt, als auch über die Frage, ob die seinerzeitige Aufkündigung des Pachtvertrages wirksam war, zwischen den Parteien endgültig und für das Prozeßgericht bindend entschieden. Es kommt also auf die Erörterung der Frage, ob eine Miete oder eine Pacht vorliege, nicht mehr an, denn diese Frage ist eben durch die Entscheidung des Pachtamtes endgültig zugunsten einer Pacht entschieden. Auf eine solche finden aber die Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes keine Anwendung. Ist dies aber so, dann hat das Pachtverhältnis infolge des Eintrittes der vereinbarten und keiner weiteren Erörterung mehr bedürftigen auflösenden Bedingung geendet.

Dem Rekurse des Klägers war daher im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Rekursgerichtes Folge zu geben.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte