OGH 1Ob245/08y

OGH1Ob245/08y30.6.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. Edith M*****, 2. *****, 1., 6.-16., 18.-22., 24., 25., 27.-47., 51.-60., 63.-70., 73.-77., 79.-86., 88.-92., 94.-102., 105., 106., 109.-111., 117.-122., 127.-139., 142.-144., 146.-148. beklagte Parteien vertreten durch Rosecker & Killer, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wiener Neustadt, 4. beklagte Partei vertreten durch Dr. Wolfgang Boesch und Dr. Clemens Vintschgau, Rechtsanwälte in Wien, 71. und 72. beklagte Partei vertreten durch Dr. Wolfgang Rumpl, Rechtsanwalt in Mödling, 114. beklagte Partei vertreten durch Hajek & Boss & Wagner Rechtsanwälte OEG in Eisenstadt, 116. beklagte Partei vertreten durch Dr. Alois Leeb, Rechtsanwalt in Neunkirchen, 126. beklagte Partei vertreten durch Goldsteiner Strebinger Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, wegen Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft (Streitwert 69.039,19 EUR), infolge Revisionsrekurses der durch die Rosecker & Killer Rechtsanwaltspartnerschaft vertretenen beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 3. September 2008, GZ 11 R 63/08b-49, womit der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 21. Februar 2008, GZ 26 Cg 36/06h-43, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekurswerber haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin und die Beklagten sind Miteigentümer einer aus einem Badesee und weiteren Grundflächen bestehenden Liegenschaft. In einem Vorverfahren (18 C 479/03t des Bezirksgerichts Wiener Neustadt) hatte die jetzige Klägerin als Drittklägerin die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft an der Grundfläche durch gerichtliche Feilbietung begehrt. Die Klage wurde mit der Begründung abgewiesen, dass zumindest die Erstklägerin (und allenfalls auch der Zweitkläger) jenes Verfahrens auf den Teilungsanspruch verzichtet habe; da auf Seiten der Kläger eine einheitliche Streitpartei im Sinne des § 14 ZPO vorliege, müssten die Voraussetzungen für die Klagestattgebung bei allen Klägern vorliegen.

Mit der gegenständlichen Klage begehrte die Klägerin neuerlich die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft an den Grundflächen, in eventu auch an den Gewässerflächen der Liegenschaft.

Zahlreiche Beklagte (in der Folge „die Beklagten") wendeten unter anderem das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Streitsache ein.

Das Erstgericht wies die Klage aus diesem Grund zurück. Die Hauptbegehren der beiden Verfahren seien ident. Auch das Eventualbegehren sei von der Rechtskraft des Urteils im Vorverfahren umfasst, sei es doch aus demselben Sachverhalt abgeleitet und auf dieselbe Rechtsfolge gerichtet wie das Begehren im Vorverfahren. Die Wirkung des klageabweisenden Urteils im Vorverfahren erstrecke sich auf alle dort klagenden Parteien, somit auch auf die jetzt alleine klagende seinerzeitige Drittklägerin.

Das Rekursgericht wies die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache ab. Unter Zugrundelegung der Begründung der Entscheidung im Vorverfahren stehe dieses Urteil der von der damaligen Drittklägerin jetzt allein eingebrachten Klage nicht entgegen. Über den von der Klägerin jetzt allein erhobenen Teilungsanspruch sei im Vorverfahren nicht entschieden worden. Der Vorprozess entfalte nur den Teilhabern und deren Rechtsnachfolgern gegenüber Rechtskraftwirkung, die nach der Begründung der Entscheidung einen Teilungsverzicht abgegeben hatten. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof die Frage der Bindungswirkung eines eine Teilungsklage mehrerer Miteigentümer abweisenden Urteils für die nochmalige Teilungsklage durch nur einen der damaligen Kläger, den der Abweisungsgrund selbst nicht betroffen habe, noch nicht entschieden habe.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen geltend, dass die Kläger des Vorverfahrens eine einheitliche Streitpartei bildeten. Demgemäß erstrecke sich die Wirkung des klageabweisenden Urteils im Vorverfahren auch auf alle dort klagenden Parteien, somit auch auf die Klägerin dieses Verfahrens. Im Übrigen erstrecke sich die Wirkung der Rechtskraft auch auf Einzelrechtsnachfolger der Parteien aus dem Vorprozess. Die Klägerin sei Einzelrechtsnachfolgerin jener Klägerin des Vorverfahrens, welche einen Teilungsverzicht abgegeben habe. Sie habe ihre Anteile an der klagsgegenständlichen Liegenschaft mit Kaufvertrag vom 30. 5. 2001 von der Erstklägerin des Vorverfahrens erworben. Diese habe im Sinne der Urteilsfeststellungen im Vorverfahren spätestens mit 23. 6. 2000 einen Teilungsverzicht abgegeben. Schon allein aus diesem Grund sei der Einwand der rechtskräftig entschiedenen Streitsache berechtigt.

Dazu ist wie folgt auszuführen:

1. Das Gesetz ordnet keine allgemeine Rechtskrafterstreckung auf die Teilgenossen eines einheitlichen und unteilbaren Rechtsverhältnisses an (5 Ob 15/00t).

Das Rekursgericht hat den Umfang der Rechtskraftwirkung einer abweisenden Entscheidung zutreffend dahin beurteilt, dass zwar das Ausmaß der Rechtskraft- und Bindungswirkung nur durch den Urteilsspruch bestimmt wird, aber auch die Entscheidungsgründe zur Auslegung und Individualisierung des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs heranzuziehen sind (vgl RIS-Justiz RS0043259). Im Sinne des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs liegt den beiden Verfahren kein identer Streitgegenstand zugrunde. Dieser wird nämlich sowohl durch den Entscheidungsantrag, als auch durch die zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen, über die im Urteil auch entschieden wurde, bestimmt (5 Ob 236/06a). Im vorliegenden Fall erfolgte die Klagsabweisung im Vorverfahren (lediglich) aufgrund des Teilungsverzichts der Erstklägerin jenes Verfahrens. Dieses Urteil steht daher einer (neuerlichen) Teilungsklage der nunmehrigen (einzigen) Klägerin nicht entgegen.

2. Gemäß ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird grundsätzlich der nach Streitanhängigkeit in das Recht eingetretene Einzelrechtsnachfolger durch die Rechtskraftwirkung eines Urteils getroffen (Fasching/Klicka in Fasching/Konecny2 § 411 ZPO Rz 112 mwN). Im vorliegenden Fall wird jedoch ein Tatbestand von Einzelrechtsnachfolge vor Streitanhängigkeit der Klage im Vorverfahren behauptet, was keine erweiterte Rechtskraftwirkung des im Vorprozess erflossenen Urteils begründen kann, vielmehr eine Beurteilung nach den Regeln des materiellen Rechts erfordert. Die gegenteilige Sichtweise würde die Klägerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör beschneiden (vgl Fasching/Klicka, aaO Rz 106), wurde doch im Vorverfahren nicht über „ihren Anspruch" entschieden.

Mangels Vorliegens des Prozesshindernisses der rechtskräftig entschiedenen Streitsache wird das Erstgericht die Frage, ob sich der Teilungsverzicht der Erstklägerin des Vorverfahrens auf die Klägerin dieses Verfahrens - als allfälliger Einzelrechtsnachfolgerin - auswirkt, in materieller Hinsicht zu prüfen haben.

3. Über das Eventualbegehren wird nach Maßgabe des Ausgangs des Verfahrens betreffend das Hauptbegehren zu entscheiden sein. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass ein Grundbuchskörper idR Gegenstand des einheitlichen Rechtsverkehrs ist, weshalb sich bücherliche Rechte und Lasten nur auf den ganzen Grundbuchskörper beziehen und einverleibt werden können. Verfügungen über einzelne Bestandteile eines Grundbuchskörpers können nur erfolgen, wenn gleichzeitig dessen Umfang nach Maßgabe der Bestimmungen des LiegTeilG geändert wird (Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht § 3 GBG Rz 9 und Rz 11).

Dem Revisionsrekurs ist sohin ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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