OGH 1Ob232/97t

OGH1Ob232/97t14.10.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Nicole R*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen als Unterhaltssachwalter, infolge Rekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien gegen den Beschluß des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgerichts vom 28.Mai 1997, GZ 16 R 60/97f und 16 R 61/97b-79, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Aspang vom 8. und 22.Jänner 1997, GZ P 1218/95g-74 und 75, aufgehoben wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Vater hat der mj. Nicole aufgrund gerichtlicher Titel seit 1.März 1991 Geldunterhalt zu leisten. Zuletzt wurde der Unterhaltsbeitrag mit Beschluß des Erstgerichts vom 9.Mai 1995 mit 2.500 S monatlich ab 1.März 1995 festgesetzt. Der Minderjährigen werden seit 1.März 1992 laufend Unterhaltsvorschüsse - solche gemäß §§ 3 und 4 Z 1 UVG vom 1.März 1992 bis 31.März 1994 und vom 1.November 1994 bis 30.Juni 1996, solche gemäß § 4 Z 3 UVG vom 1.April bis 31.Oktober 1994 und vom 1.Juli 1996 bis 28.Februar 1998 - gewährt.

Am 12.Dezember 1996 beantragte der Präsident des Oberlandesgerichts Wien die Einstellung der Titelvorschüsse, weil der Unterhaltsschuldner infolge Arbeitsunfähigkeit nicht imstande sei, die festgesetzten Leistungen zu erbringen.

Das Erstgericht stellte die Unterhaltsvorschüsse rückwirkend ab 1.März 1992 ein. Der Vater sei wegen Krankheit (Entzugserscheinungen nach Drogensucht) seit 1.März 1991 arbeitsunfähig. Das führe nach dem Gesetz zur Einstellung der Unterhaltsvorschüsse.

Das Rekursgericht hob die angefochtenen Beschlüsse auf und trug dem Erstgericht auf, nach Ergänzung des Verfahrens neuerlich zu entscheiden. Es sprach im übrigen aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, und erwog in rechtlicher Hinsicht: Unterhaltsvorschüsse seien gemäß § 20 Abs 2 UVG rückwirkend mit Ablauf des Monats einzustellen, in dem der Einstellungsgrund verwirklicht worden sei. Das gelte auch, wenn ein Versagungsgrund nach Ablauf des Zeitraums der Vorschußgewährung offenkundig werde. Für die rückwirkende Einstellung ab einem vor der Präklusivfrist liegenden Zeitpunkt ändere daran auch § 22 Abs 3 UVG nichts, ordne doch § 23 UVG den Ausspruch an, daß kein Anspruch auf Ersatz zu Unrecht gewährter Vorschüsse bestehe. Titelvorschüsse seien bei begründeten Bedenken am Bestehen oder Weiterbestehen der Unterhaltspflicht gemäß § 20 Abs 1 Z 4 lit b und § 7 Abs 1 Z 1 erster Fall UVG von Amts wegen oder - wie hier - auf Antrag einzustellen. Obgleich der Unterhaltsschuldner seit 1.März 1991 arbeitsunfähig sei, erhebe sich dennoch die Frage nach seinem allfälligen Einkommen außerhalb der Haftzeiten. Dem Akt sei lediglich zu entnehmen, daß er drei Monate nach Haftentlassung am 21.Oktober 1994 Sozialhilfe bezogen habe. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren zu klären haben, ob der Unterhaltsschuldner ungeachtet seiner Arbeitsunfähigkeit ab 1.März 1991 nicht dennoch Einkünfte bezogen habe, die „ihm (zumindest teilweise) die Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtung ermöglicht hätten“. Nur wenn die maßgeblichen Tatumstände mit hoher Wahrscheinlichkeit nahelegten, daß die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltsleistung bereits damals unangemessen gewesen oder infolge einer Änderung der Bemessungsgrundlage seither nicht mehr angemessen sei, könnten Vorschüsse ganz oder teilweise versagt werden. Ein derart hoher Wahrscheinlichkeitsgrad habe sich an den tatsächlichen Gegebenheiten zu orientieren, weshalb Feststellungen über allfällige Einkünfte des Unterhaltsschuldners für eine abschließende rechtliche Beurteilung unumgänglich seien.

Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 3 UVG fänden ihre Rechtfertigung in den Arbeitsleistungen des Strafgefangenen während des Vollzugs der Freiheitsstrafe, die als Deckungfonds für die vom Bund gewährten Vorschüsse aufzufassen seien. Sei der Strafgefangene infolge seines Gesundheitszustandes nicht arbeitsfähig, bestehe kein derartiger Deckungsfonds. Jeder Unterhaltsvorschuß setze eine „aufrechte - und allenfalls anzuspannende - Fähigkeit des Unterhaltsschuldners voraus, für den gesetzlichen Unterhalt aufzukommen“. In Ermangelung eines solchen Leistungsvermögens - bei Vorschüssen gemäß § 4 Z 3 UVG in Gestalt der minder entlohnten Arbeitsleistungen des Unterhaltsschuldners während des Strafvollzugs - fehle während der Dauer der Leistungsunfähigkeit eine Voraussetzung für die Vorschußgewährung. Aus dem Sachverständigengutachten über die Arbeitsfähigkeit des Unterhaltsschuldners während der 1990 verbüßten Haftstrafe könne nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß dieser auch während der hier maßgeblichen Haftzeiten (1.April bis 31.Oktober 1994 und ab 1.Juli 1996) noch immer leistungsfähig gewesen und eine allfällige Verschlechterung des Gesundheitszustands auszuschließen sei. Soweit das Erstgericht jedoch offenbar eine ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit des Unterhaltsschuldners seit 1.März 1991 angenommen habe, lasse sich das aus dem Sachverständigengutachten nicht ableiten. Im fortgesetzten Verfahren seien daher aufgrund „zweckdienlicher Erhebungen ... die entscheidenden Feststellungen zur Leistungsfähigkeit des Kindesvaters während der Haft“ noch zu treffen. Der Anlaßfall erweise überdies die „rechtliche Selbst- und Eigenständigkeit“ von Titel- und Haftvorschüssen innerhalb der einzelnen Vorschußperioden. Anderenfalls müßte die allfällige Einstellung der Titelvorschüsse auch zur Einstellung der Haftvorschüsse führen, obgleich der Unterhaltsschuldner sein „Leistungspotential“ während der Haftzeit allenfalls zur Verfügung habe stellen können.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unzulässig.

Der Rechtsmittelwerber bekämpft den Aufhebungsbeschluß des Gerichts zweiter Instanz nur soweit, als sich dieser auf die Einstellung der Vorschüsse gemäß § 4 Z 3 UVG für den Zeitraum vom 1.April bis 31.Oktober 1994 und vom 1.Juli 1996 bis 28.Februar 1998 bezieht, und wendet sich in dem als „Revisionsrekurs“ bezeichneten Rechtsmittel gar nicht gegen die Rechtsansicht des Rekursgerichts. Wie dieses geht er davon aus, daß nur ein „Leistungspotential des Unterhaltsschuldners“ während dessen Strafhaft einen Unterhaltsvorschuß gemäß § 4 Z 3 UVG rechtfertigen könne. Dagegen soll - entgegen den Erörterungen im angefochtenen Beschluß - bereits feststehen, daß „der Unterhaltsschuldner ... zumindest seit 1.März 1991 arbeitsunfähig ist“ und die Einstellung der Vorschüsse gemäß § 4 Abs 3 UVG deshalb zu Recht erfolgt sei.

Der Rechtsmittelwerber zeigt damit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG auf, weil er die Rechtsansicht des Gerichts zweiter Instanz vollständig teilt. Ein solcher Rekurs kann nicht zur Korrektur der rechtlichen Beurteilung führen, die dem angefochtenen Beschluß zugrundeliegt, sondern er verfehlt den Zweck des § 14 Abs 1 AußStrG, durch die Anrufung des Obersten Gerichtshofs der Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung zu dienen (so schon 5 Ob 244/97m zur - in Wortlaut und Wesensgehalt identischen - Regelung des § 528 Abs 1 ZPO). Auch in einem gemäß § 14 Abs 4 AußStrG zugelassenen Rechtsmittel muß daher als Mindestvoraussetzung einer sachlichen Erledigung wenigstens in Ansätzen versucht werden, eine Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts zu behandeln, deren Lösung von der Rechtsansicht des Gerichts zweiter Instanz abweicht. Diesen Anforderungen genügt der vorliegende Rekurs nicht. Der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, kann aber mangels Bekämpfung der Rechtsansicht des Rekursgerichts nicht dessen weiteren Ausführungen entgegentreten, es müsse im fortgesetzten Verfahren erst geklärt werden, ob der Unterhaltsschuldner während der hier maßgeblichen Haftperioden arbeitsunfähig war.

Der unzulässige Rekurs ist daher zurückzuweisen.

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