OGH 1Ob228/12d

OGH1Ob228/12d13.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** H*****, Landwirt, *****, vertreten durch Stock & Fahrner Rechtsanwälte OG in Zell am See, gegen die beklagte Partei J***** P*****, Landwirt, *****, vertreten durch Dr. Josef Dengg, Dr. Milan Vavrousek und Mag. Thomas Hölber, Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, wegen Einwilligung in die Einverleibung einer Dienstbarkeit, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 22. August 2012, GZ 22 R 241/12p-10, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Saalfelden vom 5. Juni 2012, GZ 2 C 506/12z-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks (im Folgenden: herrschendes Grundstück), das schon von seinen Rechtsvorgängern für die Almwirtschaft genutzt wurde. Vom Tal aus führt eine über fremde Grundstücke verlaufende Forststraße, die in einen Karrenweg über ein Grundstück des Beklagten (dienendes Grundstück) mündet. Auf dieser Forststraße, dem Karrenweg sowie einem etwa 1960 errichteten traktortauglichen, etwa parallel dazu verlaufenden Weg sind der Kläger und seine Rechtsvorgänger jahrzehntelang durchschnittlich dreimal jährlich mit Fuhrwerken und später mit einem Traktor ohne Beanstandung des jeweiligen Liegenschaftseigentümers gefahren, um ihr Almgrundstück zu erreichen, wobei sie sich zur Wegbenützung auch für berechtigt hielten. Im Jahr 1976 erlangte der Beklagte im Erbweg das Eigentum am dienenden Grundstück. Er will nun keine Nutzung des neuen, also des traktortauglichen, Weges über sein Grundstück dulden und gesteht dem Kläger nur ein Fahrrecht über den früheren Karrenweg zu. Der Kläger betreibt nach wie vor die Weidewirtschaft. Er treibt seine Rinder zu Beginn der Almweidezeit auf und bringt sie im Frühherbst wieder ins Tal. Um dazwischen ein- bis zweimal wöchentlich zu den Tieren zu sehen, beabsichtigt er, mit dem Traktor auf die Alm zu fahren und dafür weiterhin die strittige Wegtrasse über das dienende Grundstück zu benützen.

Der Kläger begehrte nun, den Beklagten schuldig zu erkennen, in die Einverleibung der Dienstbarkeit des landwirtschaftlichen Geh-, Fahr- und Viehtriebsrechts zu Gunsten seines Almgrundstücks einzuwilligen, wobei das Fahrrecht auf die Weidewirtschaft beschränkt ist. Diese Dienstbarkeit habe er durch Ersitzung erworben. Der Beklagte weigere sich, einer Einverleibung zuzustimmen.

Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, in einem Vorprozess sei nur ein durchschnittlich dreimaliges Befahren des dienenden Grundstücks pro Jahr festgestellt worden, sodass er der Einverleibung eines weitergehenden Wegerechts nicht zustimmen müsse. Der Einverleibung einer Dienstbarkeit im Ausmaß von drei Fahrten jährlich hätte der Beklagte zugestimmt. Bei Bedarf hätte der Kläger um weitere Fahrten anfragen können, was für eine Entspannung des Verhältnisses zwischen den Parteien förderlich gewesen wäre.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Kläger behaupte ein Fahrrecht für landwirtschaftliche Zwecke in Form der Weidewirtschaft. Eine Beschränkung auf die vom Beklagten gewünschten drei Fahrten jährlich sei bei ungemessenen Dienstbarkeiten nicht üblich; vielmehr orientiere sich der Umfang des Rechts nach seinem Zweck und dieser liege eben im Befahren zur Ausübung der Weidewirtschaft auf dem herrschenden Grundstück.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision letztlich für zulässig. Angesichts der getroffenen Feststellungen sei jedenfalls von der Ersitzung der im Klagebegehren angeführten Dienstbarkeit auszugehen, da sich der Kläger und seine Rechtsvorgänger zur Nutzung für berechtigt gehalten und die (früheren) Liegenschaftseigentümer des dienenden Grundstücks die Nutzung nie beanstandet hätten. Es treffe zu, dass ungemessene Dienstbarkeiten auf den Zweck ihrer Bestellung im Rahmen der ursprünglichen oder der vorhersehbaren Art der Ausübung einzuschränken seien, sodass der Belastete ohne seine Zustimmung nur zumutbare weitere Erschwernisse hinnehmen müsse. Hier sei ein Nachteil durch das Befahren des neuen Weges nicht anzunehmen, da hiedurch sogar der übrige Almbereich geschont werde. Die technische Entwicklung bringe es mit sich, dass es nun nicht mehr so beschwerlich ist, in Abständen nach den Tieren zu sehen. Der Kläger betreibe nach wie vor die Weidewirtschaft auf seinem Grundstück und müsse ein- bis zweimal wöchentlich nach den Tieren sehen, wozu er mit dem Traktor fahren werde. Dass der Beklagte durch das Befahren des Weges in irgendeiner Form beeinträchtigt würde, habe er in erster Instanz nie vorgebracht. Vielmehr betone er sogar noch in der Berufung, dass er gar keine Spuren der Benutzung durch den Kläger feststellen habe können. Von einer unzulässigen Ausdehnung der Servitut könne somit keine Rede sein, da der Zweck der Dienstbarkeit das Befahren rechtfertige und der Beklagte dadurch nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werde. Es sei auch naheliegend, dass der Beklagte und dessen Rechtsvorgänger davon ausgehen hätten müssen, dass auch der Almnachbar als Berechtigter zur Bewirtschaftung des benachbarten Almgrundstücks aufgrund des technischen Fortschritts auf den besseren Weg ausweichen werde. Die Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage existiere, ob eine Änderung des ursprünglichen Zwecks der Dienstbarkeit dadurch eingetreten sei, dass der Weg nun wesentlich öfter benutzt werde als früher.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nach § 508 Abs 3 ZPO mangels Abhängigkeit der Entscheidung von einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Vorweg ist festzuhalten, dass der Revisionswerber zwar eine Abänderung im Sinne einer vollständigen Klageabweisung begehrt, die Fragen des Geh- und Viehtriebsrechts aber in keiner Weise anspricht, sodass lediglich auf das in der Revision erörterte Fahrrecht einzugehen ist.

Schon das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass für den Umfang der Dienstbarkeit des Fahrrechts (§ 492 ABGB) das jeweilige Bedürfnis des Berechtigten maßgebend ist, soweit nicht die Betriebsform des herrschenden Guts wesentlich geändert wird oder der Belastete eine unzumutbare Beeinträchtigung erleidet (RIS-Justiz RS0016369). Dabei ist insbesondere die Umstellung der Benützungsart auf motorisierte Fahrzeuge zulässig (RIS-Justiz RS0011725 [T14]). Bei ersessenen Dienstbarkeiten kommt es darauf an, zu welchem Zweck das dienstbare Gut während der Ersitzungszeit verwendet wurde (RIS-Justiz RS0011664 [T8]). Bei ungemessenen Servituten ist aber nicht das Bedürfnis des herrschenden Guts im Zeitpunkt der Entstehung der Dienstbarkeit, sondern dessen jeweiliges Bedürfnis innerhalb der Schranken des ursprünglichen Bestands und der ursprünglichen Bewirtschaftungsart (RIS-Justiz RS0016364) maßgebend (RIS-Justiz RS0011720 [T15]). Es kommt daher auf die jeweiligen Bedürfnisse des Berechtigten im Rahmen der ursprünglichen oder der vorhersehbaren Art der Ausübung an (RIS-Justiz RS0097856).

Unstrittig ist, dass der Kläger nach wie vor auf dem herrschenden Almgrundstück die Weidewirtschaft betreibt, was auch vom Revisionswerber ausdrücklich zugestanden wird. Da die Notwendigkeit für den betreffenden Landwirt, das Almgrundstück während der etwa 100-tägigen Almzeit - auch mit Kraftfahrzeugen - aufzusuchen, von zahlreichen Faktoren abhängt, die sich ändern können, kommt es entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nicht in Betracht, die Servitut auf (maximal) drei Fahrten pro Jahr einzuschränken, weil damit den konkreten Erfordernissen des klägerischen Betriebs nicht entsprochen würde. Nur der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass selbst der (fachkundige) Beklagte in seiner Parteienvernehmung angab, der Betreiber einer Weidewirtschaft sehe in der Regel ein- oder zweimal wöchentlich nach seinem Vieh. Es kann somit nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, dass es unter Berücksichtigung der heutigen betrieblichen und technischen Standards in der Landwirtschaft jedenfalls notwendig ist, öfter als dreimal jährlich den Fahrweg zu benützen. Dem Grundsatz, dass ein Servitutsrecht nicht eigenmächtig weiter ausgedehnt werden darf, als es für die Bedürfnisse des Servitutsberechtigten erforderlich ist, hat der Kläger ohnehin dadurch Rechnung getragen, dass er sein Begehren auf die Einverleibung eines auf die Weidewirtschaft beschränkten Fahrrechts eingeschränkt hat. Fahrten, die nicht durch den Weidebetrieb veranlasst sind, darf er daher ohnehin nicht durchführen. Ganz zutreffend führt der Revisionswerber selbst aus, der Berechtigte dürfe (nur) innerhalb der durch den Verwendungszweck abgesteckten Grenzen das ersessene Recht seinen Bedürfnissen entsprechend ausüben. Ob eine zukünftige konkrete Ausübung die Grenzen der ersessenen Dienstbarkeit überschreitet, kann aber stets nur im Einzelfall beurteilt werden, nicht aber bereits bei Verbücherung des Inhalts der Servitut, die notwendigerweise nur abstrakt formuliert werden kann, wobei das Fahrrecht ohnehin auf die vom Kläger betriebene Weidewirtschaft beschränkt wird. Für die Ersitzung ist es auch ohne Bedeutung, ob der Beklagte die Wegbenützung in der Vergangenheit wahrgenommen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, womit sich sein Schriftsatz als zweckentsprechende Rechtsverfolgungsmaßnahme darstellt.

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