Spruch:
In die Erbteilung nach § 10 AnerbenG. ist das freivererbliche Vermögen einzubeziehen.
Entscheidung vom 17. Oktober 1962, 1 Ob 225/62.
I. Instanz: Bezirksgericht Feldbach; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Die Erblasserin Josefa H. hat nebst freivererblichem Vermögen einen Erbhof hinterlassen. Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens wurde der erbl. Sohn Anton H. gemäß § 3 AnerbG. als Alleinerbe bestimmt und ihm der Erbhof unter Bestimmung eines Übernahmspreises von 225.000 S zugewiesen. Hinsichtlich der Teilung des freivererblichen Vermögens ist es zwischen den drei Erben, dem Übernehmer Anton H. einerseits und seinen beiden Schwestern Josefine F., geb. H., und Anna M. geb. H., andererseits, zu keiner Einigung gekommen.
Das Erstgericht hat die Abfindungsforderungen der Miterbinnen Josefine F. und Anna M. mit je 75.000 S bestimmt und dem Anerben Anton H. die Bezahlung dieser Summen in drei gleichen Teilbeträgen zum 1. Jänner 1963, 1. Jänner 1964 und 1. Jänner 1965 samt 4% Zinsen pro Jahr von der jeweils aushaftenden Höhe, angefangen vom Todestag der Erblasserin, aufgetragen. Hinsichtlich der Wertsicherung verwies das Erstgericht auf einen im Protokoll enthaltenen Index, bezüglich der pfandrechtlichen Sicherstellung der Abfindungsansprüche auf die zu erlassende Einantwortungsurkunde. Mit dem gleichen Beschluß verwies das Erstgericht die Miterbinnen Anna M. und Josefine F. mit ihren Anträgen auf Ergänzung des Inventars auf der Aktiv- und Passivseite auf den Rechtsweg. Schließlich bestimmte das Erstgericht die Gebühren des Notars als Gerichtsabgeordneten und trug ihre Zahlung den drei Erben zur ungeteilten Hand auf.
Der erstgerichtliche Beschluß ist hinsichtlich der Verweisung der zwei Miterbinnen auf den Rechtsweg in Rechtskraft erwachsen. In den übrigen Punkten wurde der erstgerichtliche Beschluß von der Miterbin Josefine F. mit Rekurs angefochten. Sie bekämpft die Aufteilung des Übernahmspreises von 225.000 S in drei gleiche Teile und begehrt für ihre Person im Hinblick auf ihre langjährige Arbeit auf dem Erbhof die Erhöhung der Abfindungssumme auf 110.000 S; weiter wendet sie sich gegen die vom Erstgericht festgelegten Zahlungstermine und begehrt die Begrenzung der Zahlungsfrist auf drei Jahre; sie rügt ferner die Nichtaufnahme der Wertsicherung in den Gerichtsbeschluß, wobei sie die Verweisung auf ein Protokoll als ungenügend bezeichnet; schließlich bekämpft sie den Zuspruch eines 150%igen Zuschlags zu den Gebühren des Notars als Gerichtsabgeordneten und wendet sich auch gegen die Auferlegung dieser Kosten an alle drei Erben, wobei sie den Standpunkt einnimmt, daß die weichenden Erben keine Kosten zu tragen haben.
Das Rekursgericht ließ den unangefochtenen Teil des erstgerichtlichen Beschlusses unberührt, hob den Beschluß in Stattgebung des Rekurses im übrigen jedoch auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es nahm den Standpunkt ein, daß bei der Ausmessung der Abfindungsbeträge eine frühere Mitarbeit der weichenden Erben zu berücksichtigen sei, daß aber die für eine Entscheidung in diesem Belange erforderlichen Erhebungen, und Feststellungen, ungeachtet des Umstandes, daß die beiden Miterbinnen Anna M. und Josefine F. im Zuge der Abhandlung solche Ansprüche geltend machten, vom Erstgericht noch nicht gemacht worden seien; weiters, daß bei der Entscheidung über die Abfindungsbeträge Rücksicht auf das genommen werden müsse, was die weichenden Erben aus dem freivererblichen Vermögen der Erblasserin zugeteilt erhalten, wobei auch in diesem Punkt die Sache noch nicht entscheidungsreif sei, weil eine Aufteilung des freivererblichen Vermögens noch nicht erfolgte; ferner, daß die Tatsache der rechtskräftigen Festsetzung des Übernahmspreises mit 225.000 S entgegen der vom Erstgericht vertretenen Rechtsmeinung nicht eine Erhöhung der Abfindungsansprüche der einzelnen Erben im Rahmen des feststehenden Übernahmspreises ausschließe, so daß die Miterben nach Maßgabe ihrer einzuschätzenden Tätigkeit am Erbhof entweder durch Erhöhung der Abfindungsansprüche im Rahmen der festen Summe von 225.000 S oder durch vermehrte Zuteilung aus dem freivererblichen Vermögen befriedigt werden müßten. Das Rekursgericht gelangte zu dem Schluß, daß vor Aufteilung des freivererblichen Vermögens eine Entscheidung über die Höhe der Abfindungssumme nicht erfolgen könne und daß sich, weil das Verlassenschaftsverfahren noch nicht beendet ist, nach dessen Ergänzung im Sinne der für erforderlich gehaltenen weiteren Feststellungen und Erwägungen auch die Notwendigkeit einer neuerlichen Entscheidung über die Gebühren des Gerichtskommissärs ergeben werde. Abschließend führt das Rekursgericht aus, daß der erstgerichtliche Beschluß im bekämpften Umfang trotz der Tatsache, daß nur eine der Miterbinnen den erstgerichtlichen Beschluß angefochten hat, zur Gänze aufzuheben sei, weil sich das Ergebnis der erforderlich befundenen Ergänzungen des Abhandlungsverfahrens notwendigerweise auf alle Miterben erstrecke, eine alle Erben erfassende Erbteilung hinsichtlich des freivererblichen Vermögens erst stattfinden müsse und auch die Gebühren des Gerichtsabgeordneten erst nach Vornahme aller seiner Amtshandlungen bestimmt werden könnten.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Anton H. nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Im Zeitpunkt der Festsetzung des Übernahmspreises nach Einholung des Gutachtens zweier bäuerlicher Sachverständiger im Sinne des § 11 Anerbengesetz (Punkt 4 des erstgerichtlichen Beschlusses vom 19. Dezember 1961, der in Rechtskraft erwachsen ist) war von langjähriger Mitarbeit der zwei weichenden Erbinnen auf dem Erbhof keine Rede. Die gestützt auf die vorliegenden Gutachten vorgenommene und rechtskräftig gewordene Festsetzung des Übernahmspreises mit 225.000 S erfolgte im Sinne des § 11 Anerbengesetz in der Weise, daß der Anerbe wohl bestehen kann. Nur wenn unter Berücksichtigung langjähriger Mitarbeit weichender Erben der Übernahmspreis höher als ohne solche Mitarbeit festgesetzt worden wäre, leuchtet es ein, daß der Abfindungsanspruch solcher Erben im Rahmen des Übernahmspreises höher auszumessen ist als der anderer Erben. Der Übernahmspreis, der - entsprechendes Vorbringen vorausgesetzt - auf alle Belange sowohl des Anerben als auch der weichenden Erben Bedacht zu nehmen hat, ist endgültig und kann durch nachträgliches Vorbringen der weichenden Erben, die zum Nachteil des Anerben eine Erhöhung ihrer Abfindungssummen anstreben, nicht mehr geändert werden. Denn die Festsetzung des Übernahmspreises, der im Interesse der Erhaltung der Lebensfähigkeit des Erbhofs unter Zuziehung von zwei bäuerlichen Sachverständigen zu bestimmen ist, hätte wenig Sinn, wenn die den Anerben treffende finanzielle Belastung - eine solche liegt in der Verpflichtung zur Auszahlung der Abfindungssummen - hinterher erhöht werden könnte. Geht man davon aus, dann erweist sich die vom Rekursgericht vertretene Rechtsansicht, daß eine frühere Mitarbeit der weichenden Erben bei der Festsetzung der Abfindungssummen im gegenständlichen Fall nachträglich noch Berücksichtigung finden muß, wenn sie bei Festsetzung des Übernahmspreises aus welchem Gründe immer keine Berücksichtigung gefunden hat, als verfehlt. Die Festsetzung der Abfindungssummen mit je 75.000 S, wie sie das Erstgericht vorgenommen hat, ist mithin zu Recht erfolgt, einer Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses aus diesem Gründe bedarf es daher nicht.
Was die zweite im vorliegenden Fall zu entscheidende Frage anlangt, ob die im Sinne des § 10 (1) Anerbengesetz geforderte Erbteilung auch das freivererbliche Vermögen zu umfassen hat, so enthält das Gesetz hierüber keine ausdrückliche Regelung. Aus der Textierung des § 10 (1) Anerbengesetz "... In die Erbteilung ist der Übernahmspreis des Erbhofs als Forderung der Verlassenschaft einzubeziehen ...", kann jedoch gefolgert werden, daß auch das freie Vermögen in die Erbteilung einzubeziehen ist. Denn andernfalls müßte die Bestimmung etwa lauten: "Der Erbteilung ist der Übernahmspreis zugrunde zu legen". Der Gebrauch des Wortes "einbeziehen" läßt immerhin erkennen, daß neben dem Übernahmspreis bei der Erbteilung auch anderes Vermögen in Rechnung zu stellen ist. Daß dies auch der Wille des Gesetzgebers gewesen ist, erhellt aus den Erläuternden Bemerkungen zu der Regierungsvorlage zu § 10 Anerbengesetz (76 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrats, VIII. GP.): "Gegenstand der weiteren Erbteilung sind somit nur mehr das freivererbliche Vermögen des Erblassers und der Übernahmspreis ...". Der Oberste Gerichtshof folgt demzufolge in diesem Punkt der im Schrifttum vertretenen Ansicht, daß in die von Amts wegen vorzunehmende Erbteilung auch das freivererbliche Vermögen des Erblassers einzubeziehen ist (Edlbacher, S. 50/51; Meyer, S. 41). Es hat demnach hinsichtlich des freivererblichen Vermögens das Verlassenschaftsgericht zunächst eine Einigung zwischen den Erben zu versuchen und, wenn diese nicht zum Erfolg führt, im Sinne des § 10
(1) Anerbengesetz eine Erbteilung auch hinsichtlich des freivererblichen Vermögens vorzunehmen.
Wendet man diese Rechtssätze auf den gegenständlichen Fall an, dann erweist sich die Ansicht des Rekursgerichtes, daß die Sache noch nicht entscheidungsreif ist, weil hinsichtlich des freivererblichen Vermögens noch keine Erbteilung erfolgt ist und die den einzelnen Erben im Zuge der Erbteilung hinsichtlich des freivererblichen Vermögens zufallenden Werte bisher noch nicht Berücksichtigung gefunden haben, als richtig.
Aus Anlaß der Erbteilung auch hinsichtlich des freivererblichen Vermögens wird sich das Erstgericht mit der von der weichenden Erbin Josefine F., in ihrem Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß vorgenommenen Bekämpfung des Ausspruchs des Erstgerichtes über die zeitliche Verteilung der einzelnen Raten der Abfindungssummen, zu welchem Punkt das Rekursgericht in seiner Entscheidung im einzelnen nicht Stellung genommen hat, auseinanderzusetzen haben; dabei wird zu beachten sein, daß gerade die Erbteilung des freivererblichen Vermögens die Aufteilungsdauer der Raten wie überhaupt den Abzahlungsmodus beeinflussen kann.
Die vom Rekursgericht für erforderlich gehaltene Aufhebung des Punktes 1 des erstgerichtlichen Beschlusses ist dem Gesagten zufolge, wenn auch aus zum Teil anderen Gründen gerechtfertigt.
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