European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2004:0010OB00223.03F.0318.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 749,70 (darin EUR 124,95 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu zahlen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger bezog von seinem Lieferanten Pferdemischfutter, das er u.a. an den Beklagten weiterveräußerte. Dieser verweigerte die Begleichung der hiefür gelegten Rechnung mit dem Bemerken, das Pferdefutter sei zum bedungenen Gebrauch ungeeignet gewesen; nach dessen Verfütterung seien fünf Pferde verendet. Unter Hinweis auf die vom Beklagten behauptete Unbrauchbarkeit des Pferdefutters verweigerte nun der Kläger seinerseits die Zahlung des ihm von seinem Lieferanten für das gelieferte Pferdefutter in Rechnung gestellten Kaufpreises. Deshalb brachte der Lieferant gegen den Kläger zwei Klagen ein; der Kläger unterlag in beiden Verfahren.
Nun begehrte der Kläger die Verurteilung des Beklagten zum Ersatz seines mit 12.172,48 EUR bezifferten Schadens, weil er Prozesskosten in dieser Höhe habe aufwenden müssen. Er hätte sich in beide Verfahren nicht eingelassen, hätte er gewusst, dass der Beklagte seine Behauptungen über die Unbrauchbarkeit des Pferdefutters nicht werde beweisen können. Der Kläger habe dem Beklagten in beiden Vorprozessen den Streit verkündet, doch sei dieser nicht als Nebenintervenient beigetreten und habe seine Behauptungen nicht unter Beweis gestellt. In dem vom Kläger gegen den Beklagten geführten Rechtsstreit auf Bezahlung des diesem gelieferten Pferdefutters habe der Beklagte zunächst die Unbrauchbarkeit des Tierfutters eingewendet, in der Folge die Forderungen des Klägers aber anerkannt.
Der Beklagte wendete insbesondere ein, er habe nicht rechtswidrig gehandelt. Der Kläger habe frei entscheiden können, ob er sich in den vom Lieferanten eingeleiteten Rechtsstreit einlasse. Das zwischen den Streitteilen abgeführte Verfahren habe mit einem Vergleich geendet, weil der Beklagte angesichts seiner Beweisschwierigkeiten weitere Prozesskosten habe vermeiden wollen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte fest, in den beiden Verfahren zwischen dem Lieferanten und dem Kläger sei festgestellt worden, dass dieser Mängel der gelieferten Futtermittel nicht gerügt habe und somit seiner Rügepflicht gemäß § 377 HGB nicht nachgekommen sei. Besondere Vereinbarungen über einen Preisnachlass oder über eine dem Kläger gewährte Provision seien nicht feststellbar gewesen. Der vom Kläger gegen den Beklagten angestrengte Prozess wegen offener Rechnungen über die diesem gelieferten Pferdefuttermittel habe mit einem Vergleich geendet, in dem sich der Beklagte zur Zahlung eines Kapitalbetrags und eines Kostenbeitrags in monatlichen Raten verpflichtet habe.
Rechtlich meinte das Erstgericht, in den vom Lieferanten angestrengten Prozessen wäre der Kläger mangels fristgerechter Erhebung einer Mängelrüge nach § 377 HGB auch dann unterlegen, wenn der Beklagte verdorbenes Pferdefutter zu Recht bemängelt hätte. Der Kläger hätte spätestens zu dem Zeitpunkt, in dem er auf die Verfristung der Mängelrüge hingewiesen worden sei, wissen müssen, dass er sich auf die vom Beklagten behaupteten Mängel des gelieferten Futters nicht erfolgreich stützen könne. Darüber hinaus sei in einem der beiden Verfahren, nachdem dort ein Teilanerkenntnisurteil ergangen war, nur mehr über Streitpunkte verhandelt worden, die mit dem nach der Behauptung des Beklagten verdorbenen Pferdefutter nichts zu tun gehabt hätten.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach letztlich aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Wissenserklärung des Beklagten, das vom Kläger als Zwischenhändler gelieferte Pferdefutter sei zum bedungenen Gebrauch ungeeignet gewesen, sei dafür ursächlich gewesen, dass der Kläger die Rechnungen seines Lieferanten nicht beglichen habe und von diesem klageweise belangt worden sei. Diese Wissenserklärung sei demnach für die vom Lieferanten angestrengten Prozesse und damit auch für die dort aufgelaufenen Prozesskosten ursächlich gewesen. Auch die Adäquanz des in den Prozesskosten bestehenden Schadens sei zu bejahen, doch sei das Verhalten des Beklagten nicht rechtswidrig gewesen. Es sei dem Beklagten vielmehr freigestanden, seinen Rechtsstandpunkt darzulegen. Allein aus der Tatsache, dass er sich in dem zwischen den Streitteilen geführten Vorprozess zur Bezahlung der gelieferten Pferdefuttermittel verpflichtet habe, könne nicht geschlossen werden, dass der Beklagte seinerzeit einen aussichtslosen Standpunkt eingenommen habe und dass er das bei gehöriger Aufmerksamkeit auch habe erkennen können. In dieser Richtung habe der Kläger auch nichts Konkretes behauptet. Die Erklärung, das Pferdefutter sei unbrauchbar, sei nicht als Verstoß gegen vertragliche Schutz‑ und Sorgfaltspflichten zu qualifizieren. Der Kläger habe dem Beklagten zwar in einem der beiden zwischen ihm und dem Lieferanten geführten Verfahren den Streit verkündet, und dieser sei nicht als Nebenintervenient beigetreten; das sei indes für den Prozessverlust des Klägers und den daraus resultierenden Prozesskostenschaden nicht kausal gewesen. Er sei vielmehr deshalb unterlegen, weil er als Kaufmann die rechtzeitige Mängelrüge gemäß § 377 HGB unterlassen habe. Es hätte demnach am Prozessverlust nichts geändert, wäre der Beklagte dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beigetreten. Die Rechtsansicht des Klägers, die Rechtzeitigkeit der Mängelrüge hätte auch im vorliegenden Rechtsstreit geprüft werden müssen, sei verfehlt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.
Zutreffend erkannte das Gericht zweiter Instanz, dass die dem Kläger vom Beklagten zur Rechtfertigung seiner Zahlungsverweigerung entgegengehaltene Behauptung, also eine Wissenserklärung, das gelieferte Pferdefutter sei zum bedungenen Gebrauch ungeeignet, seien doch nach dessen Verfütterung fünf Pferde verendet, für die Weigerung des Klägers, die von dessen Lieferanten gelegten Rechnungen über die gelieferten Futtermittel zu begleichen, und dessen Einlassung in zumindest einen der daraufhin von seinem Lieferanten gegen ihn angestrengten Prozesse ursächlich war. Dabei handelt es sich um einen Fall psychischer Kausalität, bei der der Täter nur insofern schadensstiftend handelte, als er eine Bedingung für die Willensbetätigung eines anderen schuf, der den Schaden ‑ im vorliegenden Fall in seinem eigenen Vermögen ‑ herbeiführte. Der Täter verursachte damit bloß die Willensbetätigung, die erst für den Schaden kausal war, sodass die Entstehung des Schadens vom freien Entschluss eines anderen abhängig war, den dieser allerdings ohne das Verhalten des Täters nicht gefasst hätte, sodass der Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Ersttäters und dem schließlich eingetretenen Schaden zu bejahen ist (zum Ganzen Koziol, Haftpflichtrecht I3, Rz 3/16 mwN). Das trifft auch hier zu:
Hätte sich der Beklagte ‑ wie letztlich im Vorprozess in Gestalt eines (Submissions‑)Vergleichs ‑ zahlungsbereit erklärt, so hätte der Kläger seinerseits die Zahlung (wohl jedenfalls der auf die Lieferungen an den Beklagten entfallenden Rechnungen) nicht verweigert und sich daher auch ‑ zumindest ‑ nicht in den ersten der beiden von seinem Lieferanten gegen ihn anhängig gemachten Prozesse, in dem es letztlich allein um die Lieferungen an den Beklagten ging, eingelassen. Auch die Adäquanz der hier aufgezeigten psychischen Kausalität ist zu bejahen, kann doch nicht gesagt werden, dass das Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit seiner Zahlungsweigerung für die ‑ erfolglose ‑ Prozesseinlassung des Klägers schon nach allgemeiner Lebenserfahrung gleichgültig gewesen wäre.
Damit ist indes für den Standpunkt des Klägers nichts gewonnen. Auch wenn das Verhalten des Beklagten adäquat ursächlich war, steht einem Erfolg des Klägers ein anderes Zurechnungsproblem ‑ die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten ‑ entgegen. Die Frage, ob dieses Verhalten, das den Kläger zur Einlassung in zumindest einen der beiden Prozesse mit dessen Lieferanten bewog, rechtswidrig war, kann nur nach einer umfassenden Interessenabwägung, der gerade bei der Veranlassung einer fremden Willensbetätigung besonderer Stellenwert zukommt, beantwortet werden. Vor allem ist in Rechnung zu stellen, dass an sich jedermann selbst zu entscheiden hat, ob er Gefahren und bejahendenfalls, welche Gefahren er auf sich zu nehmen bereit ist und wie er sich Dritten gegenüber zu verhalten gedenkt. Dafür ist er selbst verantwortlich; im Übrigen würde die Handlungsfreiheit jedes Einzelnen in unerträglicher Weise eingeengt, müsste er schlechthin bei jedem Schritt überlegen, dass dadurch ein anderer zu sorglosem Verhalten veranlasst werden könnte. Daher entfällt regelmäßig die Haftung des Ersttäters mangels Rechtswidrigkeit, wenn der Zweite sich selbst oder einem anderen einen Schaden zufügt. Nur wenn besondere Umstände ‑ so etwa eine gefährliche Situation, mangelndes Einsichtsvermögen des Zweiten, gezieltes Einwirken des Ersttäters auf diesen oder vergleichbare Begleitumstände - vorliegen, kann die Interessenabwägung zu Lasten des Ersttäters ausfallen (Koziol aaO Rz 4/52 ff). Solche besondere Umstände sind indes im vorliegenden Fall nicht zu erkennen:
Dem Beklagten stand es an sich frei, die Begleichung der vom Kläger über die Lieferung von Pferdefuttermitteln ausgestellten Rechnungen zu verweigern, muss es doch jedem Vertragspartner anheimgestellt bleiben, auf seinem Rechtsstandpunkt ‑ hier die Gegenleistung wegen vermeintlich schwerwiegender Mängel des Lieferguts zu verweigern ‑ zu bestehen, selbst wenn sich später ‑ im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens oder auch nur außerhalb eines solchen ‑ dessen Unhaltbarkeit herausstellen sollte.
An sich ist jedermann berechtigt, sich zur Durchsetzung eigener oder zur Abwehr fremder Ansprüche in einen Rechtsstreit einzulassen, weshalb eine über die Kostenersatzpflicht hinausgehende Verpflichtung zum Ersatz der durch die Prozessführung verursachten Schäden an einen Dritten nur dann in Betracht zu ziehen ist, wenn der im Verfahren Unterlegene wusste oder wenigstens wissen musste, dass sein Rechtsstandpunkt entweder der tatsächlichen Voraussetzungen entbehrt oder schon an sich unhaltbar ist (JBl 1993, 394 ua; zuletzt wieder 1 Ob 198/99w mwN), sodass sein gegenteiliger Standpunkt bei zumutbarer Aufmerksamkeit als schlechthin aussichtslos erscheinen muss oder er den Prozess gar überhaupt wider besseres Wissen oder mutwillig geführt hat (1 Ob 198/99w mwN).
Da aber eine gutgläubige Anrufung des Gerichts vermutet wird, ist § 1298 ABGB trotz der vertraglichen Beziehungen zwischen den Streitteilen nicht anwendbar. Vielmehr muss der Geschädigte behaupten und beweisen, dass der Schädiger den (Vor‑)Prozess schuldhaft rechtswidrig führte (SZ 59/159 ua). Die selben Grundsätze müssen auch für eine vorprozessuale Rechtsbehauptung gelten, die den Gegner zur Streiteinlassung mit einem Dritten bestimmte (7 Ob 549/82).
Bestand für den Beklagten infolge des zeitlichen Zusammenhangs mit dem Verenden seiner Pferde der nicht von der Hand zu weisende Verdacht, dass dieser Schaden auf die mangelhafte Beschaffenheit (oder Zusammensetzung) des gelieferten Pferdemischfutters zurückzuführen sei, so durfte er es zur Klärung der Mängel bzw der Ursache seines Schadens selbst auf einen Rechtsstreit ankommen lassen, auch wenn seine Haltung für den Kläger Anlass sein konnte, nun seinerseits seinem Lieferanten die Zahlung zu verweigern und die daran geknüpften Konsequenzen ‑ vor allem den damit verbundenen Prozessaufwand ‑ auf sich zu nehmen. Wie schon erörtert, hätte der Kläger als Geschädigter daher Tatsachen behaupten und unter Beweis stellen müssen, aus denen erschlossen werden kann, dass der Beklagte als Schädiger ‑ hier dadurch, dass er auf einem für ihn völlig aussichtslosen oder gar mutwilligen Rechtsstandpunkt beharrte ‑ schuldhaft rechtswidrig gehandelt habe (1 Ob 198/99w; SZ 60/176; SZ 57/128; 7 Ob 549/82). Konkrete Behauptungen im Sinne der aufgezeigten Kriterien hat der Kläger nicht aufgestellt, geschweige denn dazu geeignete Beweise angeboten.
Zu Unrecht vertritt der Kläger die Ansicht, die Vorinstanzen hätten die Frage, ob er die Mängel des Lieferguts fristgerecht gerügt habe, im vorliegenden Verfahren (erneut) prüfen müssen; er rügt deshalb die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, weil weder die Streitteile noch sein Lieferant als Zeuge vernommen worden seien. Soweit es um die angestrebte Vernehmung des Klägers selbst geht, hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Verfahren als mängelfrei erkannt, sodass der behauptete Mangel nicht neuerlich im Revisionsverfahren geltend gemacht werden kann (SZ 62/157 uva). Aber auch sonst ist die Verfahrensrüge nicht gerechtfertigt: Im ersten der beiden rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren, die der Lieferant des Klägers gegen diesen angestrengt hatte, traf das (dortige) Erstgericht die vom Gericht zweiter Instanz gebilligte Feststellung, der Kläger habe keine Mängelrüge erhoben, sondern weitere Futtermittel von seinem Lieferanten bezogen; deshalb kamen die mit diesem Verfahren befassten Gerichtsinstanzen zum Schluss, der Kläger habe die aus Mängeln der gelieferten Ware abzuleitenden Gewährleistungs‑ und Schadenersatzansprüche verloren. Ist diese Frage aber in dem Verfahren, in dem sie Hauptfrage ist, dem Kläger, der dort Beklagter war, gegenüber mit der der Rechtskraft in der dort ergangenen Entscheidung innewohnenden Bindungswirkung gelöst, so bleibt es dem Kläger verwehrt, diese Frage im vorliegenden Verfahren, in dem sie lediglich eine Vorfrage bildet, erneut aufzuwerfen: Steht demnach fest, dass der Kläger im Vorprozess wegen der unterlassenen Mängelrüge unterlag, so kann er im Regressverfahren den Ersatz der ihm deshalb erwachsenen Prozesskosten nicht darauf stützen, dass er im Prozess mit seinem Lieferanten nur deshalb unterlegen sei, weil ihn der Regressbeklagte über die Beschaffenheit der gelieferten Ware falsch unterrichtet habe. Für das zweite der beiden Verfahren war diese Frage im Übrigen überhaupt unerheblich, weil der Kläger dem nach Erlassung eines Teilanerkenntnisurteils noch offen gebliebenen Anspruch seines Lieferanten das Leistungsverweigerungsrecht wegen vertragswidriger Beschaffenheit des Lieferguts gar nicht mehr entgegenhielt.
Nach wie vor misst der Kläger dem Umstand, dass der Beklagte einem der beiden Vorverfahren des Klägers mit dessen Lieferanten trotz Streitverkündung nicht als Nebenintervenient beitrat, Bedeutung zu. Eine solche ist aber nicht zu erkennen. Die Streithilfe, die der Kläger vom Beklagten einforderte, hätte nämlich nur darin bestehen können, den Kläger beim Beweis der mangelhaften Beschaffenheit der gelieferten Pferdefuttermittel zu unterstützen. Dem Beklagten hätte die unterbliebene Nebenintervention nur dann schaden können, wenn die dem Kläger maßgeblich erschienenen Einwendungen des Beklagten für den Ausgang der Vorprozesse ausschlaggebend gewesen wären (RdW 2002, 657; SZ 72/52; SZ 70/200 uva); das war aber ‑ wie schon erwähnt ‑ nicht der Fall.
Da somit die Rechtsmittelausführungen allesamt verfehlt sind, kann der Revision kein Erfolg beschieden sein.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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