European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127487
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie lauten:
„Die beklagte Partei ist gegenüber der klagenden Partei schuldig,
a) die Quellnutzung auf Grundstück Nr 291, inneliegend in EZ *, KG *, Bezirksgericht *, zu unterlassen und
b) sämtliche auf dem Grundstück Nr 291, inneliegend in EZ *, KG *, Bezirksgericht *, vorhandenen unterirdischen Einbauten, die der Quellnutzung und Wasserableitung dienen, zu entfernen, den natürlichen Zustand wiederherzustellen und den betroffenen Bereich auf dem Grundstück Nr 291 zu rekultivieren.“
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 7.292 EUR (darin 1.635,10 EUR Barauslagen und 942,82 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks 291 („Gut D*“) und der Beklagte Eigentümer einer benachbarten Liegenschaft („Gut O*“).
Zugunsten der Liegenschaft des Beklagten ist im Grundbuch die Dienstbarkeit des „Brunnenwasserleitungsrechts“ gemäß einer bestimmten Regulierungsurkunde aus dem Jahr 1859 auf einer einem Dritten gehörenden Liegenschaft einverleibt. Nach dem unstrittigen (RIS‑Justiz RS0121557 [T2, T3]) Inhalt dieser Regulierungsurkunde ist der Eigentümer des „Guts O*“ berechtigt, das Brunnenwasser zu diesem in teilweise in die Erde eingelegten Röhren zu leiten und zu benützen, wobei als belastetes Grundstück die im Eigentum des Dritten stehende Liegenschaft angeführt ist. Nach Punkt III. der Regulierungsurkunde dürfen diese Brunnenleitungen „ohne Bewilligung des verpflichteten Waldeigentümers weder umgelegt, noch erweitert werden“.
Auf dem Grundstück des Dritten befindet sich – südlich des Grundstücks 291 (der Klägerin) gelegen – ein Nirostabassin des Beklagten, das mit Wasser aus zwei Quellen gespeist wird. Von diesem Bassin führt eine Zuleitung Richtung (Nord‑)Westen zu einer auf dem Grundstück des Dritten befindlichen Quelle und eine Zuleitung Richtung Norden zu der auf dem Grundstück 291 der Klägerin entspringenden Quelle. Diese Quelle befindet sich ein paar Meter von der Grenze zwischen den Grundstücken der Klägerin und des Dritten entfernt, sodass auch der entsprechende Teil der Zuleitung auf dem Grundstück der Klägerin gelegen ist.
Zulasten des Grundstücks der Klägerin ist kein Dienstbarkeitsrecht einverleibt.
Der Rechtsvorgänger des Beklagten, sein Vater, war von 1958 bis zur „Übergabe“ der Liegenschaft an den Beklagten im Jahr 2011 Eigentümer und zwar nach 1974 gemeinsam mit der Mutter des Beklagten. Der Vater des Beklagten fasste 1958 die auf dem Grundstück der Klägerin gelegene Quelle, errichtete auf dem Grundstück des Dritten einen Wasserbehälter aus Kunststoff und verlegte zu diesem die Zuleitung von der Quellfassung. Er nahm an, dass sich die Grenze zwischen dem Grundstück des Dritten und dem Grundstück der nunmehrigen Klägerin weiter nördlich befindet, und zwar dort, wo ein Zaun aufgestellt war, und vermutete deshalb eine Situierung der Quelle auf dem Grundstück des Dritten. Da er davon ausging, insofern ohnehin ein verbüchertes Recht zugunsten seiner Liegenschaft zu haben, sprach er vor Fassung der Quelle und Verlegung der Zuleitung auch nicht mit dem Dritten.
Zwischen den Parteien und ihren Rechtsvorgängern existiert keine Vereinbarung über die Nutzung der auf dem Grundstück der Klägerin befindlichen Quelle. Die Klägerin erwarb die Liegenschaft im Mai 2004. Der Beklagte und seine Eltern waren der Meinung, dass die Quelle auf dem Grundstück des Dritten entspringt, was er der Klägerin im Jahr 2018, als sie Grabungsarbeiten bei der Quelle entdeckte, auch mitteilte.
Die Klägerin begehrt die Unterlassung der Quellnutzung auf ihrem Grundstück 291 durch den Beklagten sowie dessen Verpflichtung zur Entfernung der dort vorhandenen unterirdischen Einbauten, die der Quellnutzung und Wasserableitung dienen, die Wiederherstellung „des ursprünglichen Zustands und die Rekultivierung“ ihres Grundstücks. Sie habe erstmals im Jahr 2018 festgestellt, dass auf ihrem Grundstück Grabungsarbeiten stattgefunden haben und eine neue Wasserleitung verlegt worden ist, von der Wasser von einer auf ihrem Grundstück befindlichen Quelle zu einem auf der Liegenschaft eines Dritten gelegenen Sammelbehälter abgeleitet wird. Selbst wenn eine mehr als 30‑jährige Quellnutzung durch den Beklagten und seinem Rechtsvorgänger vorliege, scheide eine Ersitzung aus, zumal weder ihr und ihren Rechtsvorgängern die Quellnutzung bekannt gewesen noch dem Beklagten selbst bewusst gewesen sei, die Quelle der Klägerin zu nutzen, sodass es ihm am Ersitzungswillen fehle. Aus der Regulierungsurkunde von 1859 ergebe sich lediglich das Recht der Leitung und Benützung des Brunnenwassers des „Guts O*“ über öffentliches Gut, nicht jedoch das Recht auf Besitz und Erhaltung der gesamten Wasserversorgungsanlage einschließlich der Quelle der Klägerin. Auch aus der Regulierungsurkunde sei ein Recht auf Benützung dieser Quelle nicht hervorgegangen.
Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, südlich des Grundstücks der Klägerin befinde sich auf dem Grundstück des Dritten ein Bassin, wobei von dort bereits seit 150 Jahren zwei Zuleitungen Richtung Norden verlegt seien. Sein Recht auf Besitz und Erhaltung der gesamten Wasserversorgungsanlage gehe auf die Regulierungsurkunde des Jahres 1859 zurück. Seitdem sei die Wasserversorgungsanlage samt all ihren Bestandteilen bereits in ihrer heutigen Ausgestaltung vorhanden. Zumindest seit dem Jahr 1971 werde die Quelle so genutzt wie heute. Er und sein Rechtsvorgänger seien stets der Ansicht gewesen, dass sich sämtliche Wasserleitungen sowie die Quelle auf dem Grundstück des Dritten befinden würden. Soweit kein vertraglich vereinbartes Wasserbezugsrecht bestehe, sei die entsprechende Dienstbarkeit jedenfalls seit 1988 ersessen, zumal er und sein Rechtsvorgänger die gesamte Schüttung der Quelle seit 1958 nutzten und dabei stets in gutem Glauben gewesen seien, dass ihnen dieses Recht zustehe. Zudem sei das Klagebegehren unschlüssig, weil der ursprüngliche Zustand weder bekannt sei noch beschrieben werde und das Begehren insofern nicht exequierbar sei.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Der Beklagte und sein Rechtsvorgänger hätten die Dienstbarkeit zur Quellnutzung und Wasserableitung auf dem Grundstück der Klägerin ersessen. Die auf ihrem Grundstück gelegene Quelle sei vom Rechtsvorgänger des Beklagten im Jahr 1958 gefasst und von dieser Zuleitungen zu dem auf dem Grundstück des Dritten befindlichen Bassin verlegt worden, wobei in den nächsten 30 Jahren eine entsprechende Quellnutzung und Wasserableitung zugunsten der Liegenschaft des Beklagten erfolgt sei. Dem Beklagten sei der ihm obliegende Beweis der entsprechenden Besitzausübung sowie der Vollendung der Ersitzungszeit gelungen. Aus der Art der Benützungshandlungen (Fassung der Quelle und Ableitung des Quellwassers zum Bassin, wodurch das zuvor vorhandene Rinnsal verschwunden sei) wäre jedenfalls erkennbar gewesen, dass damit nach dem Willen des Beklagten bzw seines Rechtsvorgängers ein – gegen jedermann wirkendes – entsprechendes Recht ausgeübt werde. Die mangelnde Redlichkeit des Beklagten bzw dessen Rechtsvorgängers sei von der Klägerin weder konkret behauptet noch unter Beweis gestellt worden. Dem Erwerb des Rechtsbesitzes stehe auch der Umstand nicht entgegen, dass der Rechtsvorgänger des Beklagten die gesamte 30‑jährige Ersitzungszeit davon ausgegangen sei, dass die von ihm gefasste Quelle auf dem Grundstück eines Dritten gelegen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und führte rechtlich aus, die Eigentümer der belasteten Liegenschaft hätten aus der Art der Benützungshandlungen erkennen müssen, dass damit ein Recht zur Nutzung der Quelle ausgeübt werde, sei doch nach der Fassung der Quelle der zuvor vorhandene kleine Bach verschwunden. Eine Unredlichkeit des Rechtsvorgängers des Beklagten ergebe sich nicht allein deshalb, weil er eine zweite Quelle gefasst habe, von der er der Ansicht gewesen sei, diese befinde sich gleichfalls auf dem Waldgrundstück des Dritten. Der Rechtsvorgänger des Beklagten sei davon ausgegangen, insofern ohnehin ein verbüchertes Recht zu haben, sodass allein aus dem Inhalt der Regulierungsurkunde noch nicht auf seine Unredlichkeit geschlossen werden könne. Den Einwand, sie habe die Liegenschaft im Jahr 2004 gutgläubig und damit lastenfrei nach § 1500 ABGB erworben, habe die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht erhoben.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige, und erklärte die Revision für zulässig, weil die Frage, ob durch den Rechtsvorgänger des Beklagten überhaupt ausreichende Benützungshandlungen gesetzt worden seien (nach der Fassung der Quelle und der Verlegung der dafür erforderlichen Rohrleitungen habe auf die Nutzung der Quelle nur mehr aus dem Verschwinden des kleinen Baches geschlossen werden können), von erheblicher Bedeutung sei. Zudem habe sich der Oberste Gerichtshof noch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Grundsätze zur Ersitzung bei Nutzung eines vermeintlich eigenen Grundstücks auch für den Fall gelten, wenn im Rahmen einer bestehenden Dienstbarkeit irrtümlich ein von der vertraglich eingeräumten Dienstbarkeit nicht erfasstes Grundstück genutzt werde.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Klägerin erhobene – vom Beklagten beantwortete – Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und auch berechtigt.
1. Der Beklagte behauptet das Recht ersessen zu haben, Wasser aus der Quelle auf dem Grundstück der Klägerin zu beziehen und zum Bassin auf dem Grundstück des Dritten zu leiten. Voraussetzung für die Ersitzung einer Dienstbarkeit ist (unter anderem), dass der Besitz redlich ist (§ 1463 ABGB) und zumindest 30 Jahre (§ 1470 ABGB) gedauert hat. Redlich ist der Besitzer gemäß § 326 ABGB, wenn er aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er besitzt, für die seinige hält. Der gute Glaube geht verloren, wenn der Besitzer positiv Kenntnis erlangt, dass sein Besitz nicht rechtmäßig ist, oder wenn er zumindest solche Umstände erfährt, die zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Besitzausübung Anlass geben (RS0010137 [T1]; RS0010184). Der Besitz muss während der gesamten Ersitzungszeit redlich sein, andernfalls ist die Ersitzung ausgeschlossen (§ 1477 ABGB). Zwar hängt die Beurteilung der Redlichkeit von den Umständen des Einzelfalls ab und wirft regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RS0010184 [T13]; RS0010185 [T7]) auf, jedoch ist – worauf die Klägerin zutreffend hinweist – eine diesbezügliche Fehlbeurteilung der Vorinstanzen aufzugreifen.
2. Der Beklagte leitet die Gutgläubigkeit seines Vaters und Rechtsvorgängers daraus ab, dass dieser aufgrund der Regulierungsurkunde aus dem Jahr 1859 der Meinung gewesen sei, zur Nutzung der Quelle auf dem Grundstück der Klägerin berechtigt zu sein. Nach dem Inhalt der Regulierungsurkunde sind die Eigentümer der Liegenschaft des Beklagten („Gut O*“) berechtigt, auf der Liegenschaft eines Dritten das Brunnenwasser in teilweise in die Erde eingelegte Röhre zu leiten und zu nutzen. In Punkt III. der Regulierungsurkunde wird aber ausdrücklich festgehalten, dass diese Brunnenleitungen „ohne Bewilligung des verpflichteten Waldeigentümers weder umgelegt, noch erweitert werden“ dürfen. Daraus ergibt sich (wie die Revisionswerbin richtig aufzeigt, wogegen der Revisionsgegner nur – unverständlich – ausführt, die aufgeworfene „Fragestellung zur Unredlichkeit“ sei „vom Revisionsgericht als Rechtsinstanz“ nicht zu behandeln), dass das in der Regulierungsurkunde festgelegte Recht den Vater des Beklagten als vormaligen Liegenschaftseigentümer nicht einmal zur Erweiterung der bestehenden Brunnenleitungen und damit schon gar nicht zur Erschließung neuer Quellen berechtigte. Nach den Feststellungen fasste er erstmals im Jahr 1958 die auf der Liegenschaft der Klägerin befindliche Quelle und legte von dort Leitungen zum Bassin auf der Liegenschaft des Dritten. Die Zustimmung des Dritten als vermeintlicher Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich die neu gefasste Quelle befindet, holte er nicht ein, obwohl die Brunnenleitungen ohne dessen Bewilligung nicht erweitert hätten werden dürfen. Die Fassung einer neuen Quelle und auch die Verlegung einer weiteren Zuleitung sind von der Berechtigung nach der Regulierungsurkunde gerade nicht erfasst, sodass der Besitz vom Vater des Beklagten als dessen Rechtsvorgänger nicht redlich ausgeübt wurde. Er konnte nach dem Inhalt der Regulierungsurkunde eben nicht im guten Glauben an die Rechtmäßigkeit der Besitzausübung sein. Damit scheidet aber eine Ersitzung einer Grunddienstbarkeit durch den (Rechtsvorgänger des) Beklagten zugunsten seiner Liegenschaft aus.
Soweit der Revisionsgegner vermeint, es fehlten Feststellungen, ob die Quelle erstmals im Jahr 1958 gefasst wurde, erscheint dieser Einwand geradezu mutwillig, sind doch nicht nur die erstinstanzlichen Feststellungen dazu eindeutig, sondern beruhen sie zudem auf der unmissverständlichen Aussage seines eigenen Vaters.
3. Die Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB dient dem Schutz des Eigentümers vor der Anmaßung oder unberechtigten Erweiterung einer Servitut wie auch zur Abwehr jeder sonstigen Störung des Eigentums durch unberechtigte Eingriffe (RS0012040). Das Klagebegehren kann je nach den Verhältnissen des Falls auf die Feststellung des Nichtbestehens einer Servitut, die Wiederherstellung des früheren Zustands, die Unterlassung künftiger Störungen, aber auch auf Schadenersatz gerichtet sein (RS0112687 [T10]; RS0106908 [T7]). Die Wiederherstellung des früheren Zustands besteht regelmäßig in der Beseitigung der verursachten Beeinträchtigung (5 Ob 65/17w mwN).
Die Unterlassungs‑ und Wiederherstellungsbegehren der Klägerin sind daher berechtigt. Entgegen dem Einwand des Beklagten ist die begehrte Wiederherstellung nicht unschlüssig, wird doch erkennbar die Herstellung des ursprünglichen, natürlichen Zustands, der keiner näheren Beschreibung bedarf, nach Entfernen der unterirdischen Einbauten angestrebt. Dies ist im Urteilsspruch entsprechend zu verdeutlichen.
4. Der Revision der Klägerin ist daher Folge zu geben.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO. Entsprechend den Einwendungen des Beklagten nach § 54 Abs 1a ZPO stehen der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nur die bescheinigten Abfragegebühren für die eingeholten Grundbuchsauszüge von 18,30 EUR und für die ZMR‑Abfrage von 4,80 EUR zu (zum Erfordernis der Bescheinigung s § 54 Abs 1 ZPO und Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 1.54). Die Einholung einer ZMR‑Abfrage war im konkreten Fall durchaus zweckentsprechend. Die Befundaufnahme am 14. 11. 2018 fand am Ort des Kanzleisitzes der damaligen Rechtsvertreterin der Klägerin statt, sodass ihr der dafür verzeichnete doppelte Einheitssatz nicht zusteht, sondern nur der einfache (vgl § 23 Abs 5 RATG).
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