OGH 1Ob2124/96a

OGH1Ob2124/96a25.6.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Schinko, Dr.Gerstenecker und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** Dr.K*****gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr.Karl Kuprian, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wider die beklagte Partei Dragica J*****, vertreten durch Dr.Hans Wagner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zuhaltung eines Mietvertrags und Unterlassung (Streitwert 60.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das mit Beschluß vom 1.Februar 1996 berichtigte Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichts vom 8.November 1995, GZ 39 R 720/95-23, womit das Urteil des Bezirksgerichts Liesing vom 14.Juni 1995, GZ 2 C 1114/93-15, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Beklagte ist aufgrund eines 1979 mündlich geschlossenen Vertrags Mieterin eines Zimmers von etwa 20 m2. Sie ist im übrigen - neben zwei Mietern, die andere Zimmer bewohnen, - berechtigt, eine Küche und einen Vorraum zu benützen. Bei Vertragsabschluß bestand der Vermieter darauf, „daß nur Ehepaare in diesem Zimmer aufgenommen werden“. Es wurden jedoch auch „Besuche“ erlaubt; diese waren dem Liegenschaftseigentümer mitzuteilen, weil dieser „auf einer polizeilichen An- und Abmeldung bestand“. Die Beklagte hielt sich daran. Befand sich deren 1966 geborene Tochter mehr als eine Woche bei der Beklagten, erfolgte jeweils eine polizeiliche Meldung. Ende Jänner 1991 kam die Tochter der Beklagten mit ihrem Ehemann und deren 1989 geborenem Sohn nach Österreich. Sie wohnten seither im Bestandobjekt. Die Kenntnis des Vermieters davon ist nicht feststellbar. Im Oktober 1991 machte die klagende Partei erfolglos „den Überbelag als Kündigungsgrund“ geltend. Der Schwiegersohn der Beklagten war bis Dezember 1993 - abgesehen von kurzen Unterbrechungen - in Österreich. Seine Ehegattin und deren Kind blieben jedoch in Österreich und wohnen weiterhin bei der Beklagten. Deren Ehemann lebt im Ausland. Er besucht seine Frau etwa ein- bis zweimal jährlich und bleibt dann jeweils ungefähr eine Woche. Dann schläft die Beklagte „zeitweise auf einer Sitzbank im Flur“.

Die klagende Partei begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, den Bestandgegenstand „von anderen dauernden Mitbewohnern mit Ausnahme einer weiteren Person aus dem Familienverband zu räumen und die nicht bloß vorübergehende, zu Besuchszwecken in der Dauer von maximal vier Wochen dienende Aufnahme von mehr als einer Person aus dem Familienverband sowie die Aufnahme fremder Personen in das Bestandobjekt zu unterlassen“. Sie brachte im wesentlichen vor, daß die Beklagte das Mietobjekt vertragswidrig gebrauche, wodurch in wichtige Interessen der klagenden Partei eingegriffen werde. Es komme nämlich zu einer erheblichen Erschwerung der Mitbenützung der Küche und des Flurs durch die Mieter der anderen Zimmer. Es sei auch die Vermietung eines derzeit freistehenden Zimmers durch das Verhalten der Beklagten beeinträchtigt.

Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, sie gewähre ihren Familienmitgliedern wegen der Kriegssituation im ehemaligen Jugoslawien Unterkunft. Das gefährde keine Interessen der klagenden Partei und sei auch „nie verboten“ worden. Das Klagebegehren verstoße gegen die guten Sitten, weil es dem Mieter einer Wohnung erlaubt sein müsse, seine engsten Verwandten als Mitbewohner aufzunehmen. Ein Untermietverbot oder ein sonstiges Verbot der Gebrauchsüberlassung sei nicht vereinbart worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und führte in rechtliche Hinsicht im wesentlichen aus, daß die Beklagte das Mietobjekt nach den vertraglichen Absprachen allenfalls mit deren Ehemann, aber mit keiner anderen Person - abgesehen von Besuchen - bewohnen dürfe. Es bestehe nämlich ein vertragliches Verbot der Mitbenützung. Der Vermieter könne sich auf ein vereinbartes Untermietverbot berufen, wenn ein wichtiger Grund gegen die Untervermietung spreche. Ein solcher liege gemäß § 11 Abs 1 Z 3 MRG dann vor, wenn es in einem Mietobjekt mehr Bewohner als Wohnräume gebe. Da nicht einmal „eine geschützte Untermiete zulässig wäre“, gelte das umso mehr „für die gegenständliche Wohnraumüberlassung an Angehörige“.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht im wesentlichen, daß sich der Vermieter auf ein vertragliches Verbot der Untervermietung nur berufen könne, wenn ein wichtiger Grund gegen die Untervermietung vorliege. Dieser sei vom Vermieter zu behaupten und zu beweisen. Das Verbot der Untervermietung gelte auch für eine faktische Gebrauchsüberlassung, es sei denn, eine solche wäre nach anderen gesetzlichen Bestimmungen, dem Vertragszweck und der Verkehrssitte, wie etwa im Fall der Aufnahme des Ehegatten, der Kinder oder anderer Angehöriger, erlaubt. Der Bestandgeber habe kein Recht, die Entfernung naher Angehöriger eines Mieters aus dessen Wohnung zu verlangen. Könne sich der Vermieter nur bei Vorliegen wichtiger Gründe auf ein vertragliches Verbot der Untervermietung berufen, sei er umso weniger berechtigt, die Aufnahme von nahen Familienangehörigen des Mieters in das Bestandobjekt zu verbieten. Eine solche, auf einer sittlichen Pflicht beruhende Aufnahme geschehe in Ausübung des dem Mieter gemäß § 1098 ABGB zustehenden Gebrauchsrechts und stelle keine Untervermietung dar. Es sei daher unabhängig von § 11 Abs 1 Z 3 MRG zu prüfen, ob und allenfalls aus welchen Gründen die Aufnahme von Familienangehörigen in das Bestandobjekt für den Vermieter nicht zumutbar sei. Eine „für den Vermieter schädliche Auswirkung“ aufgrund der durch die Beklagte erfüllten sittlichen Pflicht sei jedoch nach den im Ersturteil getroffenen Feststellungen zu verneinen. Die ordentliche Revision sei „mangels Vorliegens einer neueren Judikatur zu der vorliegenden Rechtsfrage“ zulässig.

Die Revision ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Wie das Berufungsgericht richtig erkannte, bedurfte es hier keiner Bewertung des Entscheidungsgegenstands, weil eine Streitigkeit gemäß § 502 Abs 3 Z 2 ZPO vorliegt. Nach einem Teil des Klagebegehrens soll nämlich die Beklagte das Bestandobjekt von bestimmten Mitbewohnern „räumen“. Dieses Räumungsbegehren wird darauf gestützt, daß die Beklagte aufgrund der über den Umfang ihres Bestandrechts geschlossenen Vereinbarung nicht befugt sei, mehr als einen nahen Angehörigen als Mitbewohner im Mietobjekt aufzunehmen. Der Zweck der gegenüber den allgemeinen Bestimmungen über die Revision in § 502 Abs 3 Z 2 ZPO angeordneten Ausnahme liegt aber gerade darin, Entscheidungen über das Dauerschuldverhältnis selbst unabhängig von jeder Bewertung für revisibel zu erklären (RZ 1991/21; Kodek in Rechberger, Kommentar zur ZPO Rz 2 zu § 502), und zwar auch dann, wenn es - wie hier - um die Klärung der Frage geht, wie weit das Gebrauchsrecht an einem bestimmten Bestandobjekt reicht (5 Ob 512, 1542/93 [teilweise veröffentlicht in: JUS Z 1317]).

Der Umfang des Gebrauchsrechts des Bestandnehmers bestimmt sich in erster Linie nach dem Vertragsinhalt, dann nach dem Zweck des Bestandverhältnisses und zuletzt nach dem aufgrund redlicher Verkehrssitte auszulegenden Parteiwillen (SZ 49/86; Würth in Rummel, ABGB2 Rz 2 zu § 1098). Auf ein vertragliches Verbot der Untervermietung kann sich der Vermieter gemäß § 11 Abs 1 MRG nur berufen, wenn ein wichtiger Grund gegen die Untervermietung vorliegt. Diese Bestimmung bezieht sich allerdings nur auf ein vertragliches Verbot der Untervermietung. Nicht erfaßt werden also andere vertraglich verbotene Arten der Gebrauchsüberlassung (MietSlg 41.226). Gestattet der Mieter nahen Angehörigen den Mitgebrauch am Bestandobjekt, liegt darin keine Untervermietung, sondern eine im grundsätzlichen durch das Gesetz erlaubte Maßnahme, wie das Gericht zweiter Instanz unter Berufung auf die Entscheidungen MietSlg 27.324/3 und MietSlg 9339 zutreffend ausführte. Die Grenze dieses an sich erlaubten Mitgebrauchs läßt sich nun nicht nach allgemein gültigen Regeln, sondern nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls bestimmen. Soweit deshalb das Berufungsgericht davon ausging, daß diese Grenze hier noch nicht überschritten sei, ist darin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu erblicken, weil dieser Entscheidung keine über den vorliegenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt und jedenfalls auch keine gravierende Fehlbeurteilung vorliegt, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte. Dabei ist im besonderen hervorzuheben, daß sich aus dem festgestellten Vertragsinhalt auch nicht ohne weiteres ableiten läßt, daß das Gebrauchsrecht der Beklagten am Mietobjekt nur den Mitgebrauch durch einen weiteren Familienangehörigen erlaube und andere Familienmitglieder nur maximal vier Wochen zu Besuchszwecken in der Wohnung der Beklagten aufgenommen werden dürften. Da das Klagebegehren schon wegen der im angefochtenen Urteil ausgeführten und - wie dargestellt - nicht revisiblen Gründe scheiterte, bedarf es mangels Entscheidungsrelevanz keiner Erörterung, ob die klagende Partei im Rahmen eines Beseitigungsanspruchs wegen vertragswidrigen Gebrauchs des Bestandobjekts (vgl dazu etwa: SZ 48/132; Würth in Rummel aaO Rz 1 zu § 1098) überhaupt berechtigt wäre, gegenüber dem Mieter - wie hier - zu begehren, daß er das Bestandobjekt von Mitbewohnern „räume“.

Die Revision ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 510 Abs 3 ZPO zurückzuweisen; der Oberste Gerichtshof ist an den Ausspruch des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit der Revision gemäß § 508 a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist.

Da die Beklagte nicht auf die Unzulässigkeit der Revision hinwies, hat sie die Kosten ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung ungeeigneten Revisionsbeantwortung selbst zu tragen hat.

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