European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00204.21P.1214.000
Spruch:
Der Akt wird an das Berufungsgericht zurückgestellt.
Begründung:
[1] Das Hauptbegehren der Kläger ist auf Räumung einer bestimmten Liegenschaft durch die Beklagte gerichtet. Hilfsweise begehren sie, ihr aufzuerlegen, ihnen den Zutritt zu dieser Liegenschaft zu gewähren und insbesondere alles zu unterlassen, was sie an „diesem Zutritt und an der Ausübung ihres Eigentums“ hindert.
[2] Das Erstgericht wies Haupt- und Eventualbegehren ab.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Hauptbegehrens, hob das Ersturteil aber im Umfang des Eventualbegehrens auf und verwies die Rechtssache insoweit zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei; zum Aufhebungsbeschluss unterblieb ein Zulässigkeitsausspruch.
Rechtliche Beurteilung
[4] Gegen die Bestätigung der Abweisung des Hauptbegehrens richten sich die Kläger in ihrer (außerordentlichen) Revision, die das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorlegte.
[5] Diese Vorlage ist verfrüht, weil es zur Bewertung des Entscheidungsgegenstands des Berufungsgerichts einer ergänzenden Beschlussfassung des Berufungsgerichts bedarf.
[6] Gegenstand des Berufungsverfahrens waren sowohl das Haupt- als auch ein Eventualbegehren. Das Berufungsgericht legte seinem Bewertungsausspruch erkennbar die Zusammenrechnung aller Begehren zugrunde. Es legte nämlich dar, dass der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstands auf der unbedenklichen Bewertung der Kläger beruhe. Diese hatten das Räumungsbegehren (Hauptbegehren) mit 20.000 EUR, ihr (Eventual-)Leistungsbegehren (Gewährung des Zutritts) mit 10.000 EUR und ihr (Eventual‑)Unterlassungsbegehren mit 5.000 EUR bewertet. Der von ihnen mit 35.000 EUR angegebene (Gesamt-)Streitwert ergab sich aus der Zusammenrechnung aller Teilwerte. Das Berufungsgericht nahm daher mit seiner (derjenigen der Kläger folgenden) Bewertung keine Rücksicht darauf, dass es sich um Begehren handelt, die zueinander im Verhältnis von Haupt- und Eventualbegehren stehen.
[7] Für die Zulässigkeit der Revision ist, wenn nur über das Hauptbegehren entschieden wurde, allein dessen Wert entscheidend (vgl RIS-Justiz RS0039370 [T2]; RS0042305 [T7, T9]). Wurde vom Gericht zweiter Instanz dagegen – wie hier – über Haupt- und Eventualbegehren entschieden, genügt für die Zulässigkeit eines (außer‑)ordentlichen Rechtsmittels, dass der Wert des (zweitinstanzlichen) Entscheidungsgegenstands entweder des Haupt- oder des Eventualbegehrens die maßgebliche Grenze übersteigt (RS0039370; RS0042305 [T2]). Eine „Zusammenrechnung“ der (ja auch nicht nebeneinander gestellten) Begehren iSd § 55 Abs 1 JN findet nicht statt. Mit der Einbringung von Haupt- und Eventualbegehren strebt ein Kläger gerade keinen gleichzeitigen Zuspruch beider Begehren an. Die (Gesamt-)Bewertung hat sich daher am (allenfalls) höherwertigen Begehren zu orientieren. Nach der Judikatur spielt es für die Bewertung keine Rolle, dass ein Teil des Entscheidungsgegenstands, nämlich der Aufhebungsbeschluss, gegen den der Rekurs nicht zugelassen wurde (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO), nicht anfechtbar ist (2 Ob 145/01i vom 21. 6. 2001; weitere Judikaturnachweise bei Lovrek in Fasching/Konecny³, § 502 ZPO Rz 134 und Musger, ebendort § 519 ZPO Rz 84).
[8] Das Berufungsgericht wird in diesem Sinne eine Bewertung vorzunehmen haben, die sich nicht aus der Summation der – für den Bewertungsausspruch nicht bindenden – Bewertungen der Kläger für all ihre Begehren (also von Haupt- und Eventualbegehren) ableiten lässt. Sollte sich dabei ergeben, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zwar 5.000 EUR nicht aber 30.000 EUR übersteigt, käme eine Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung nur dann in Betracht, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausspricht, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig ist. Ob der Schriftsatz der Kläger diesfalls den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder einer Verbesserung bedarf, oblege der Beurteilung der Vorinstanzen.
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