OGH 1Ob2025/96t

OGH1Ob2025/96t11.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 20.Jänner 1983 geborenen Johannes J***** infolge Revisionsrekurses der Mutter Mag.Ingeborg H*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom 1.Dezember 1995, GZ 10 R 507/95-91, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 18.Oktober 1995, GZ 1 P 42/90-87, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der Mutter wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang der Anfechtung (Punkt 1 des Beschlusses erster Instanz) ersatzlos aufgehoben.

Text

Begründung

Mit Beschluß vom 19.7.1995, GZ 1 P 42/90-65, entzog das Erstgericht der Mutter die Obsorge für Johannes J***** im Teilbereich „schulische Belange und Ausbildung“ und übertrug sie in diesem Umfang dem Magistrat der Landeshauptstadt St.Pölten-Jugendhilfe (Punkt 1); weiters trug es der Mutter mittels einstweiliger Verfügung auf, den Minderjährigen bis spätestens 18.8.1995 wieder nach St.Pölten zu bringen (Punkt 2); die weiteren Verfügungen in diesem Beschluß sind für die hier zu treffende Entscheidung nicht von Bedeutung. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof gab dem von der Mutter dagegen erhobenen Revisionsrekurs mit Beschluß vom 30.1.1996 Folge, hob die Entscheidungen der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens und eine neuerliche Entscheidung auf (AZ 1 Ob 623/95). In der Begründung wurde ausgeführt, auch die „einstweilige Verfügung“ (Punkt 2 des erstinstanzlichen Beschlusses) müsse aufgehoben werden; durch diese Anordnung sei die Mutter allein schon deshalb beschwert, weil sie späterhin Vorwürfen ausgesetzt sein könnte, sie habe diesen Verfügungen nicht (fristgerecht) entsprochen.

Am 20.9.1995 beantragte die Großmutter, Zwangsmittel anzuwenden, um die Rückkehr des Minderjährigen von Indien nach St.Pölten zu veranlassenen.

Das Erstgericht verhängte daraufhin mit Beschluß vom 18.10.1995 über die Mutter gemäß § 19 Abs.1 AußStrG eine Geldstrafe von S 5.000,- -. Die Mutter habe den Anordnungen des Gerichts nicht Folge geleistet, weshalb entsprechende Zwangsmittel anzuwenden seien.

Das Rekursgericht gab dem von der Mutter erhobenen Rekurs nicht Folge. Ihr seien vom Erstgericht für die Zurückbringung des Kindes nach St.Pölten eine Frist bis zum 18.8.1995 bestimmt worden. Diese Frist sei ergebnislos abgelaufen, weshalb konsequenterweise Zwangsmittel gemäß § 19 AußStrG anzuwenden seien. Der Umstand, daß sich die Mutter nunmehr ebenfalls in Indien aufhalte, vermöge am fruchtlosen Verstreichen der Frist nichts zu ändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Rechtsmittelbeschränkungen des § 14 Abs.2 AußStrG bei Bekämpfung von Geldbußen, die als angemessene Zwangsmittel im Sinne des § 19 AußStrG verhängt werden, keine Anwendung findet. Beschwerdegegenstand ist nicht die Strafe als Geldwert, sondern die Bestrafung als solche (EvBl 1993/104). Der Revisionsrekurs der Mutter ist im Ergebnis aber auch berechtigt.

Zwangsmaßnahmen, die den Zweck haben, das aufgetragene Verhalten zu erreichen, sind dann entbehrlich, wenn dieses Verhalten bereits beachtet wird und auch in Zukunft anzunehmen ist, daß der angeordnete Zweck ohne Beugestrafe erreicht wird (EvBl 1993/104). Beugemittel zur Durchsetzung einer pflegschaftsgerichtlichen Verfügung müssen stets rechtmäßig sein (EF 44.490). Die Zwangsmittel des § 19 Abs.1 AußStrG sind ebenso wie die des § 354 EO nicht mehr anzuwenden, wenn die Leistung unmöglich geworden ist. Dies ist von Amts wegen zu berücksichtigen (EvBl 1960/209). Nun ist dem Erstgericht zuzubilligen, daß sich der Minderjährige zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Beschlusses noch in Indien aufhielt, die Mutter somit dem gerichtlichen Auftrag noch nicht entsprochen hatte. In der Zwischenzeit wurden aber - wie oben ausgeführt - die Entscheidung der Vorinstanzen, nach welchen die Mutter den Minderjährigen bis spätestens 18.8.1995 wieder nach St.Pölten zu bringen habe, aufgehoben und wurde damit die Grundlage für die Verhängung einer Beugestrafe gemäß § 19 Abs.1 AußStrG beseitigt. Es kann auch in einer neu zu treffenden Entscheidung nicht mehr ausgesprochen werden, daß die Mutter das Kind bis längstens 18.8.1995 nach St.Pölten zurückzubringen habe, weil einerseits dieser Zeitpunkt längst verstrichen und andererseits der Minderjährige nach dem Akteninhalt bereits wieder zurückgebracht worden ist. Einem solchen Auftrag könnte die Mutter demgemäß gar nicht mehr Folge leisten. Demgemäß sind die Beschlüsse der Vorinstanzen angesichts der Tatsache, daß die Mutter einem in dieser Richtung erteilten Auftrag nicht mehr entsprechen könnte (EvBl 1960/209), ersatzlos zu beheben. Der Antrag der Großmutter auf Verhängung von Zwangsmitteln kann nur als an das Gericht herangetragene Anregung aufgefaßt werden, das bei Zutreffen der Voraussetzungen schon von Amts wegen gemäß § 19 Abs.1 AußStrG angemessene Zwangsmittel in Anwendung zu bringen hätte.

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