Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Ersturteil wird - abgesehen von seinem bereits in Rechtskraft erwachsenen und daher unberührt bleibenden Teil - wiederhergestellt, sodaß es insgesamt zu lauten hat:
"Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 125.000 S samt 12 % Zinsen seit 3. April 1995 und die Prozeßkosten binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.
Dagegen ist die klagende Partei schuldig, der beklagten Partei die mit 35.712 S (darin 5.952 S Umsatzsteuer) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen zu bezahlen."
Die klagende Partei ist ferner schuldig, der beklagten Partei die mit 29.236,88 S (darin 3.769,48 S Umsatzsteuer und 6.620 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger, ein österreichischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Österreich, übergab am 22. November 1994 einer Gesellschaft mit Sitz in Sopron, Ungarn, einen LKW Mercedes mit dem Kommissionsauftrag, ihn um 105.000 S zu verkaufen. Geschäftsführer dieser Gesellschaft war der Beklagte, gleichfalls ein österreichischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Österreich. Auf Wunsch des Klägers wurde der Fahrzeugtypenschein samt Verzollungspapieren bei der Raiffeisenbank Klingenbach hinterlegt. Etwa 30 Tage nach der Fahrzeugübergabe widerrief der Kläger den Verkaufsauftrag und bediente sich sodann eines anderen als Verkaufskommissionär, der ebenfalls österreichischer Staatsangehöriger war und sein "Containerbüro" neben dem Sitz der ersten Kommissionärin in Sopron hatte. Er war für diese "im Handyverkauf tätig" und schuldete ihr 400.000 S für Telefonate über deren Anschluß. Wegen seiner österreichischen Staatsangehörigkeit konnte er den LKW in Ungarn nicht verkaufen. Deshalb gab er den Verkaufsauftrag (formell) an jene Gesellschaft weiter, die der Kläger zuvor selbst beauftragt hatte; er suchte jedoch selbst Kaufinteressenten. Als der nunmehrige Kommissionär des Klägers einen ungarischen Staatsangehörigen als Kaufinteressenten gefunden hatte, erkundigte sich der Beklagte beim Kläger fernmündlich, ob er einem Verkauf zustimme. Der Kläger willigte in den Verkauf um bloß 98.000 S zuzüglich 27.000 S Verzollungskosten bei Ratenzahlung ein, betonte jedoch, "selbst kassieren" zu wollen, worauf der Beklagte antwortete, er müsse das mit seinem Kommissionär "ausmachen".
Am 3. April 1995 schloß sodann die Gesellschaft als Verkäuferin mit dem ungarischen Interessenten als Käufer den Kaufvertrag. Als Preis wurden 1,550.000 Forint inklusive Umsatzsteuer vereinbart. 650.000 Forint hatte der Käufer als "Anzahlung", 550.000 Forint bis zum 1. Mai 1995 und 300.000 Forint als Umsatzsteuer bis zum 1. Juni 1995 - demnach insgesamt offenkundig nur 1,500.000 Forint - an die Verkäuferin zu bezahlen. Die "Überschreibung des Fahrzeugs sollte binnen 3 Tagen erfolgen". Der Kommissionär des Klägers erzählte dem Beklagten, er werde von seinem Bruder das Geld zur Auslösung des bei der Raiffeisenbank Klingenbach verwahrten LKW-Typenscheins erhalten und dieses Dokument daraufhin der Gesellschaft als Verkäuferin übergeben, die den Kaufpreis - entsprechend einer gleichzeitigen Absprache - zur teilweisen Tilgung seiner Schulden verwenden sollte. Später übergab er den Typenschein dem Beklagten in dessen Geschäftsführerfunktion. Der Käufer leistete schließlich 650.000 Forint an den Kommissionär, der diesen Betrag dem Beklagten in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer mit dem Bemerken ausfolgte, er wolle damit "seine Telefonrechnungen ... teilweise bezahlen".
Die Raiffeisenbank Klingenbach hatte den Typenschein dem Kommissionär des Klägers ausgehändigt, nachdem er ihr auf Briefpapier der Gesellschaft als deren (vermeintlicher) Vertreter schriftlich zugesichert hatte, ihn entweder binnen 3 Tagen zurückzustellen oder 98.000 S als Kaufpreis und 27.000 S an Verzollungskosten zu bezahlen. Davon wußte der Beklagte nichts. Er nahm vielmehr an, der Kommissionär habe den Typenschein "mit dem Geld, das er von seinem Bruder erhalten hatte, freigekauft". Der Käufer bezahlte am 1. Juni 1995 weitere 200.000 Forint an den Kommissionär, die dieser mit Zustimmung des Klägers als Ersatz für Barauslagen behalten durfte. Ob der Käufer die nach der Anzahlung fällige Kaufpreisrate von 550.000 Forint bezahlte, ist nicht feststellbar.
Der Kläger begehrte den Zuspruch von 125.000 S sA und brachte vor, dem Beklagten - nach Widerruf der Verkaufskommission der Gesellschaft und Betrauung eines anderen - mitgeteilt zu haben, daß er mit dem Kaufinteressenten "ohne seine weitere Zustimmung keinen rechtswirksamen Kaufvertrag abschließen" dürfe. Der Beklagte sei ferner nach der ihm und dem Kommissionär erteilten "ausdrücklichen Weisung" nicht befugt gewesen, den Kaufpreis entgegenzunehmen. Er wäre vielmehr "vereinbarungsgemäß" von ihm "zu kassieren bzw bei der Raiffeisenbank Klingenbach zu hinterlegen". Der Beklagte habe wohl 1,300.000 Forint vom Käufer erhalten, den vereinbarten Kaufpreis von 125.000 S aber an ihn nicht bezahlt. Da er aber verpflichtet gewesen sei, "den Kauferlös" ihm zu übergeben "oder an die Raika Klingenbach einzubezahlen", hafte er "für den eingetretenen Schaden aus Delikt".
Der Beklagte wendete ein, der Kläger habe den Fahrzeugtypenschein bei der Raiffeisenbank Klingenbach mit der Weisung hinterlegt, ihn nur gegen Bezahlung des Kaufpreises für den LKW auszufolgen. Als ihm dessen Kommissionär den Typenschein im April 1995 ausgehändigt habe, sei für ihn der Erlag des Kaufpreises zugunsten des Klägers bei der Raiffeisenbank klar gewesen. Daraufhin sei er vom Kommissionär zur Aushändigung des Typenscheins an den Käufer und zur Einziehung des Kaufpreises ermächtigt worden, um mit dem Betrag von 100.000 S die Schulden des Kommissionärs bei ihm (persönlich) teilweise zu tilgen. Dem Kläger stehe daher nur ein Anspruch gegen seinen Kommissionär zu. Dieser habe das Geschäftspapier der Gesellschaft, dessen Geschäftsführer er (der Beklagte) gewesen sei, mißbräuchlich verwendet, um den bei der Raiffeisenbank hinterlegten Typenschein zu erhalten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß der Beklagte für den Schaden im Vermögen des Klägers aus rein deliktischen Gründen nicht einzustehen habe.
Das Gericht zweiter Instanz sprach dem Kläger 53.625 S samt 4 % Zinsen seit 3. April 1995 zu, bestätigte die Abweisung des Mehrbegehrens und sprach ferner aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, der Kommissionär habe dem Kommittenten gemäß § 384 Abs 2 HGB alle Vorteile herauszugeben, die er aus der Geschäftsbesorgung erlangt habe. Forderungen aus der Durchführung des Kommissionsgeschäftes gälten im Verhältnis des Kommittenten zum Kommissionär und in jenem zu dessen Gläubigern zufolge § 392 Abs 2 HGB als solche des Kommittenten. Das sei auch auf den Gelegenheitsvermittler anwendbar, wenn dessen Stellung als mittelbarer Stellvertreter offenkundig oder dem anderen bekannt gewesen sei. Danach könne der Kommissionär über den Verkaufserlös nicht verfügen, weshalb seine Gläubiger auch nicht im Wege der Aufrechnung oder Zurückbehaltung des Erlöses das erlangen könnten, was deren Zugriff bei einer Exekution gegen den Kommissionär entzogen wäre. Hafte aber der Kommissionär, der pflichtwidrig und schuldhaft über den Geschäftserlös verfügt habe, für den Schaden im Vermögen des Kommittenten, so könne für Dritte, die das Befriedigungsrecht des Kommittenten in Kenntnis seiner Rechte bewußt vereitelt oder eine Vertragsverletzung des Kommissionärs wissentlich ausgenützt hätten, nichts anderes gelten. Der Beklagte habe den Vertragsbruch des Kommissionärs deshalb wissentlich zum Nachteil des Kommittenten ausgenützt, weil er gewußt habe, daß jener einen Kaufpreisteil - in Mißachtung einer Weisung des Klägers - selbst kassiert und "durch die Vereinnahmung des Betrages die Leistungsbewirkung an den Kläger (letztlich) vereitelt" habe. Derjenige, der einen Schuldner veranlasse, an ihn und nicht an den Gläubiger zu zahlen, obgleich er über die Vertragspflicht des Schuldners Bescheid wisse, habe dafür persönlich einzustehen, auch wenn er den erlangten Vorteil "letztlich zur teilweisen Tilgung von Verbindlichkeiten" des Kommissionärs "bei der von ihm vertretenen Gesellschaft" aufgewendet habe. Die Annahme des Beklagten, der Kommissionär habe den Typenschein "freigekauft", könne den Vorwurf eines bewußten Eingriffs des Beklagten in das Forderungsrecht des Klägers nicht entkräften, habe doch letzterer aufgrund einer Äußerung des Klägers gewußt, daß dieser "selbst kassieren wolle" und ein Inkasso an dessen Stelle "in jedem Fall weisungswidrig" sei. Jene "subjektive - objektiv durch nichts bestätigte - Annahme" eines Freikaufs des Typenscheins durch den Kommissionär, rechtfertige daher nicht die Verneinung eines "(bedingten) Vorsatzes" des Beklagten, den Kläger durch die Entgegennahme eines Kaufpreisteils zur Tilgung einer Gesellschaftsforderung zu schädigen. Der Beklagte habe den Kläger demnach "infolge des bewußten Ausnützens des Vertragsbruchs" des Kommissionärs in Höhe des erhaltenen Kaufpreisteils (650.000 Forint = 53.625 S im Fälligkeitszeitpunkt) zu entschädigen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur "maßgeblichen Rechtsfrage eines weisungswidrigen Eingriffes eines Dritten in die Ansprüche des Kommittenten gegenüber einem Kommissionär" eine auf den Anlaßfall unmittelbar anwendbare Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist, wie aus den nachstehenden Ausführungen folgen wird, zulässig; sie ist aber auch berechtigt.
1. Der Beklagte macht eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens zweiter Instanz geltend und behauptet entscheidungwesentliche Aktenwidrigkeiten im Berufungsurteil. Seine Ausführungen unter diesen Revisionsgründen sind unzutreffend, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf. Soweit er in Wahrheit Rechtsfragen aufwirft, wird darauf noch einzugehen sein.
2. Der Beklagte behauptet in der Revision erstmals, der Schadenersatzanspruch des Klägers sei nach ungarischem Recht zu beurteilen. Der Kaufvertragspartner der Gesellschaft sei ungarischer Staatsangehöriger gewesen. Die Gesellschaft habe ihren Sitz in Ungarn gehabt. Der Kaufpreis sei in Forint zu entrichten gewesen und es habe sich weiters das Kaufobjekt in Ungarn befunden. Das Berufungsgericht hätte mit den Parteien die "Frage der Rechtswahl" erörtern müssen.
Mit diesen Ausführungen scheint der Beklagte eine kollisionsrechtliche Anknüpfung an die vertraglichen Beziehungen der Kaufvertragsparteien anzustreben. Diese sind indes für das Verhältnis der Streitteile belanglos, wurde doch der Klageanspruch auf einen außervertraglichen Schadenersatzanspruch gestützt, der im Verfahren zweiter Instanz auch teilweise erfolgreich war.
Der Kläger weist in diesem Punkt zutreffend auf die Anwendbarkeit des § 48 Abs 1 IPRG und den dafür bedeutsamen Umstand hin, daß die Streitteile als österreichische Staatsangehörige mit ihrem jeweiligen gewöhnlichem Aufenthalt im Inland eine stärkere Beziehung zum österreichischen Recht haben. Demnach ist für die Klärung einer allfälligen Schadenersatzhaftung des Beklagten österreichisches Recht maßgebend (SZ 68/141 mwN).
3. Der erkennende Senat tritt der Ansicht des Berufungsgerichts über die Rechtsbeziehungen der Parteien eines Kommissionsvertrags und über die daraus abgeleitete Rechtsnatur der Forderungen aus dem Durchführungsgeschäft (auch) eines Gelegenheitskommissionärs bei. Sie entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (SZ 70/63; SZ 69/93; SZ 59/105). Gleiches gilt für die vom Gericht zweiter Instanz dargelegten Grundsätze der Schadenersatzhaftung wegen eines Eingriffs in ein fremdes Forderungsrecht (EFSlg 84.446; SZ 69/111; SZ 66/141).
Unzutreffend ist jedoch die Ansicht des Berufungsgerichts, der Beklagte habe in ein Forderungsrecht des Klägers bewußt eingegriffen. Es übersah dabei das ausdrückliche Vorbringen des Klägers, daß der Kaufpreis entweder von ihm "zu kassieren" oder bei der Raiffeisenbank Klingenbach "zu hinterlegen" (ON 1 S. 5) bzw ihm "zu übergeben oder an die Raika Klingenbach einzubezahlen" (ON 17 S. 13) sei.
Es steht im übrigen fest, daß der Kommissionär des Klägers dem Beklagten erzählte, er werde das Geld zur Auslösung des bei der Raiffeisenbank verwahrten Typenscheins von seinem Bruder erhalten und dieses Dokument sodann der Gesellschaft als Verkäuferin übergeben. Später übergab er den Typenschein tatsächlich dem Beklagten als Geschäftsführer; dieser wußte jedoch nicht, daß die Raiffeisenbank den Typenschein dem Kommissionär ausgefolgt hatte, nachdem er ihr auf Briefpapier der Gesellschaft als deren (vermeintlicher) Vertreter bloß schriftlich zugesichert hatte, ihn binnen 3 Tagen zurückzustellen oder statt dessen 98.000 S als Kaufpreis und 27.000 S an Verzollungskosten zu bezahlen. Der Beklagte durfte daher nach den ihm bekannten Bedingungen des Klägers annehmen, daß der Kommissionär den Typenschein - wie angekündigt - "mit dem Geld, das er von seinem Bruder erhalten hatte, freigekauft" habe und der Kaufpreis deshalb bei der Raiffeisenbank schon zugunsten des Klägers hinterlegt worden sei. Damit wäre aber einer der Alternativweisungen des Klägers - nach seinen Prozeßbehauptungen - ohnehin entsprochen worden. Wollte man dem Beklagten das Unterbleiben einer Rückfrage bei der Raiffeisenbank Klingenbach dennoch als Verschulden anlasten, so wäre darin nicht mehr als eine leichte Fahrlässigkeit zu erblicken, die den Vorwurf eines bewußten Eingriffs in ein Vermögensrecht des Klägers infolge Ausnützung eines Vertragsbruchs des Kommissionärs nicht rechtfertigen könnte.
3. 1. Die unter 3. erörterten Zusammenhänge werden in der Rechtsrüge des Beklagten zutreffend aufgezeigt. Soweit der Kläger behauptet, der Beklagte habe 650.000 Forint bereits am 3. April 1995 kassiert, wohingegen die Raiffeisenbank Klingenbach den Typenschein erst am 23. April 1995 herausgegeben habe, ist einerseits zu erwidern, daß den Feststellungen eine solche zeitliche Abfolge nicht zu entnehmen ist, andererseits könnte ein solcher Sachverhalt an der Verneinung der Ausnützung des Vertragsbruchs eines Dritten durch den Beklagten auch nichts ändern, weil die Verwendung der Anzahlung des Käufers zur Deckung von Schulden des Kommissionärs bei der Gesellschaft aus der Sicht des Beklagten spätestens am 23. April 1995 gerechtfertigt gewesen wäre und die Äußerung des Kommissionärs, mit der Anzahlung teilweise seine Schulden bei der Gesellschaft decken zu wollen, im Sachzusammenhang mit der Übergabe des Typenscheins nach seiner angeblichen Auslösung bei der Raiffeisenbank Klingenbach gegen Bezahlung steht. Ein allfälliges zeitliches Auseinanderklaffen zwischen dem Fahrzeugverkauf gegen eine an den Kommissionär geleistete und dem Beklagten in seiner Geschäftsführerfunktion zur teilweisen Tilgung der Schulden des ersteren bei der Gesellschaft weitergegebene Anzahlung und der späteren Aushändigung des Typenscheins könnte daher einer den Prozeßstandpunkt des Klägers begünstigenden rechtlichen Beurteilung genausowenig als Grundlage dienen, wäre doch dann das Übereinkommen des Kommissionärs mit der Gesellschaft - wegen des erörterten Sachzusammenhangs - offenkundig durch die Übergabe des Typenscheins nach Hinterlegung des Kaufpreises bei der Raiffeisenbank aufschiebend bedingt gewesen.
Der Revision ist daher aus Gründen der Wahrung der Rechtssicherheit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO Folge zu geben und das im Ergebnis zutreffende klageabweisende Ersturteil zur Gänze wiederherzustellen.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 41 und § 50 Abs 1 ZPO.
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