OGH 1Ob182/09k

OGH1Ob182/09k13.10.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Raphael S*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter Kerstin R*****, vertreten durch huber ebmer partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. August 2009, GZ 43 R 482/09i-S-59, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 9. März 2009, GZ 2 P 91/08i-S-34, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Ausschlaggebendes Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung einer Pflegschaftssache ist stets das Wohl des Kindes (RIS-Justiz RS0047074; RS0046908).

Offene Anträge sind zwar grundsätzlich kein Hindernis für eine Übertragung der Zuständigkeit, sie sprechen aber dann dagegen, wenn das bisher zuständige Gericht wegen seiner bisherigen Ermittlungen und Tatsachenkenntnisse, seiner eingehenderen Vertrautheit oder seiner besonderen Sachkenntnis, aufgrund unmittelbarer Einvernahme der maßgeblichen Personen oder sonstiger triftiger Gründe besser geeignet ist (RIS-Justiz RS0047032, zuletzt 5 Nc 11/09a). Nur unter gegenteiliger Voraussetzung kann der Grundsatz der „perpetuatio fori" durchbrochen werden. Als Ausnahmebestimmung ist § 111 JN grundsätzlich einschränkend auszulegen (RIS-Justiz RS0046929 [T11 und T20]; ebenso RIS-Justiz RS0047300 [T16]).

Die Beurteilung dieser Umstände hängt grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0047076; 1 Nd 501/95). Sind zB alle zur Entscheidung erforderlichen Beweise bereits aufgenommen, kann die Übertragung der Zuständigkeit vor Erledigung eines Antrags unzweckmäßig sein. Umgekehrt soll die notwendige Übertragung der Zuständigkeit aber nicht durch laufende Anträge verhindert werden (vgl RIS-Justiz RS0046972).

Da im vorliegenden Fall der Antrag des Vaters vom Juli 2008 stammt, ist schon im Hinblick auf das Alter des Kindes eine - zumindest vorläufige - Entscheidung über den Besuchsrechtsantrag dringend geboten. Da das Erstgericht die Sache im angefochtenen Beschluss als entscheidungsreif bezeichnet, kann in der Belassung der Zuständigkeit bei diesem Gericht weder ein Abweichen von der dargelegten Judikatur des Obersten Gerichtshofs, noch eine gravierende Fehlentscheidung im Einzelfall erblickt werden.

Die von der Rechtsmittelwerberin herangezogene Entscheidung 3 Nc 3/09k ist schon deshalb nicht vergleichbar, weil dort (auch) über einen offenen Antrag auf Übertragung der Obsorge von der Mutter auf den Vater zu entscheiden war. Der dort erkennende Senat hielt im Hinblick auf die strengen Voraussetzungen des § 176 Abs 1 ABGB die Änderung der Obsorge nicht a priori für wahrscheinlich. Im vorliegenden Fall dagegen ist (nur) ein Antrag auf Regelung des Besuchsrechts offen. Beim Recht auf persönlichen Verkehr handelt es sich um ein „Grundrecht der Eltern - Kind - Beziehung". Der Elternteil, dem Pflege und Erziehung des minderjährigen Kindes nicht zustehen, hat ein Recht auf persönlichen Verkehr mit dem Kind, das nur in besonderen Ausnahmefällen untersagt werden kann (vgl Stabentheiner in Rummel3 § 148 ABGB Rz 1 und 4). Diesem Recht ist möglichst rasch zum Durchbruch zu verhelfen. Dem trägt die angefochtene Entscheidung zum Wohl des Kindes Rechnung.

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