Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 6.999,36 (darin S 1.166,56 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die aufgekündigte Wohnung in Wien-Alsergrund ist 160 m2 groß und besteht aus vier Zimmern, einem Vorraum, einem WC, einem Bad, einer Küche, einem Kabinett und einem Abstellraum. Ende 1946 wurde die zwischenzeitig verstorbene Mutter der Beklagten durch Wohnungstausch Mieterin dieser Wohnung. Sie hatte bislang in einer Eineinhalb-Zimmerwohnung gewohnt und für sich und ihre beiden Töchter eine größere Wohnung gesucht, wobei sie in dem Objekt auch ihren Beruf als Steuerberaterin und Buchprüferin ausüben wollte. Das Erstgericht konnte weder feststellen, ob über die nunmehr aufgekündigte Wohnung ein schriftlicher Mietvertrag geschlossen noch, ob zwischen dem Hauseigentümer und der Mutter der Beklagten eine Vereinbarung über die Nutzung des Objekts getroffen worden war. Der Hausverwaltung war allerdings von Anfang an bekannt, dass die Mutter der Beklagten in dem Bestandobjekt ihren Beruf ausüben werde. Bereits am 29. 1. 1947 meldete sie mit Zustimmung der Hausverwaltung im Bestandobjekt das Unternehmen "Steuerbüro und Bücherrevisor" polizeilich an. Die Mutter der Beklagten wohnte ab Herbst 1947 im Bestandobjekt, ebenso ihre beiden Töchter in der Zeit, in der sie nicht das Internat besuchten. Im Bereich des Haustores wurde ein Schild angebracht, das auf die Steuerberatungskanzlei hinwies. Die Mutter der Beklagten war seit 1942 als Helferin in Buchführungs- und Steuersachen qualifiziert, 1943 wurde ihr die gewerbliche Befugnis für das Bücherrevisorengewerbe, beschränkt auf die Anlageführung und Überwachung von Büchern sowie Buchhaltung aller Art erteilt; 1952 wurde sie zum vereidigten Buchprüfer und 1966 zum Steuerberater und Buchprüfer bestellt.
Bis 1959 waren einzelne Räume der Wohnung an andere Steuerberater untervermietet bzw bestanden mit diesen Arbeitsgemeinschaften. Zeitweise waren bis zu sieben Personen in der Kanzlei tätig. Die Beklagte und ihre Schwester verließen jeweils mit 18 Jahren das Internat und begannen im Unternehmen ihrer Mutter zu arbeiten, wobei die Beklagte damals bereits eine eigene Wohnung hatte, während ihre Schwester zeitweise bei der Mutter lebte.
Nach einer Unterbrechung, in der sie ein Kunst- und Antiquitätengeschäft betrieb, arbeitete die Beklagte ab 1981 wieder für ihre Mutter. Seit 1982 hatte die Beklagte eine Eigentumswohnung, an der zu Gunsten der Mutter ein Belastungs- und Veräußerungsverbot sowie ein Fruchtgenussrecht bestand. Obwohl sie auch in der Wohnung der Tochter gemeldet war, lebte die Mutter nach wie vor im nunmehr aufgekündigten Bestandobjekt und gab diese Adresse auch bei der Meldung als ordentlichen Wohnsitz an. Sie blieb auch bis knapp vor ihrem Tod in dieser Wohnung und verbrachte nach einem Spitalsaufenthalt nur den letzten Monat ihres Lebens in der Wohnung der Tochter. Sie starb am 3. 12. 1996.
Die Mutter der Beklagten hatte sich in den letzten Lebensjahren zunehmend aus ihrem Beruf zurückgezogen und betreute nur noch wenige Klienten, bei denen sie sich auf Beratungstätigkeiten beschränkte. Es kamen aus diesem Grund etwa 10 Personen im Jahr zu ihr. Sie bezog in den letzten Jahren vor ihrem Tod auch eine Pension. Nach dem Tod der Mutter verwies die Beklagte die verbliebenen Klienten zur weiteren Betreuung an eine Steuerberatungskanzlei.
Die Beklagte hatte eine Praktikantenprüfung für Angestellte einer Wirtschaftstreuhandkanzlei abgelegt, die sie zur Durchführung von Buchhaltung im Bereich der Datenverarbeitung berechtigt. Sie hat allerdings keine Berechtigung, selbst Steuererklärungen zu verfassen. Sie nahm auch nach dem Tod der Mutter einzelne Buchhaltungsarbeiten vor. Am 17. 4. 1997 wurde ihr auf ihr Ansuchen die Gewerbeberechtigung für Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung in Informationstechnik erteilt. Noch am selben Tag meldete sie den Nichtbetrieb dieses Gewerbes. Ob die Beklagte damals konkrete Pläne für eine Gewerbeausübung hatte, konnte das Erstgericht nicht feststellen.
Den Klägern wurde der Tod der Mutter der Beklagten zunächst nicht bekannt. Im Jänner 1997 fiel auf, dass der Mietzins unter dem abgekürzten Namen der Beklagten einbezahlt wurde. Daraufhin teilte die Hausverwaltung mit, dass Mietzinszahlungen nur für die Mutter der Beklagten angenommen würden. Mit Schreiben vom 15. 5. 1997 erklärte der Rechtsfreund der Beklagten deren Eintritt in die Mietrechte der am 3. 12. 1996 verstorbenen Mutter. Mit Beschluss vom 27. 6. 1997 wurde der Beklagten der Nachlass nach ihrer Mutter eingeantwortet.
Am 1. 7. 1997 meldete die Beklagte bei der Kammer den Wiederbetrieb ihres Gewerbes. Die Beklagte betreut nach wie vor einige wenige kleine Unternehmen, für die sie einmal im Jahr die Buchhaltung macht. Ihr Gesamtarbeitsaufwand beträgt nicht mehr als zwei bis drei Monate im Jahr. Die Beklagte lebt auch seit dem Tod ihrer Mutter in ihrer Eigentumswohnung und hält sich nur von Zeit zu Zeit für einige Stunden im aufgekündigten Objekt auf. Was sie dort genau tut, konnte das Erstgericht nicht feststellen. Ebensowenig konnte es feststellen, dass die Beklagte ihre Buchhaltungstätigkeit im nunmehr aufgekündigten Bestandobjekt versieht.
Mit ihrem am 16. 6. 1997 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz kündigten die Kläger das Mietverhältnis zum 31. 12. 1997 auf. Die Mieterin sei im Dezember 1996 verstorben, eintrittsberechtigte Personen seien nicht vorhanden. Es liege daher der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG vor. Vorsichtshalber werde auch der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG geltend gemacht und ausgeführt, dass die vermieteten Räume weder zu den vertraglich vereinbarten noch zu gleichwertigen Zwecken regelmäßig verwendet werden. Das Objekt sei als Wohnung angemietet und benutzt worden. Die Verstorbene habe bis vor einigen Jahren als Buchhalterin einen der Wohnräume, ca 20 % der gesamten Wohnfläche, für ihr Unternehmen genützt. In den letzten Jahren sei die 1916 geborene Verstorbene in Pension gewesen und habe ihren Beruf nicht mehr ausgeübt. In mehreren zwischen den Parteien geführten Verfahren habe sie nie behauptet, dass es sich bei der Wohnung um ein Geschäftslokal handle.
Die Beklagte wendete dagegen ein, ihre Mutter habe das Objekt angemietet, weil sie es für ihr Bücherrevisorengewerbe benötigt habe. Sie habe die Wohnung zunächst ausschließlich zu Geschäftszwecken benutzt. Etwa seit 1947 seien eineinhalb Zimmer auch als Wohnung verwendet worden. Seit 1982 habe die Verstorbene überwiegend in der Wohnung der Tochter gelebt, an der sie auch das Fruchtgenussrecht gehabt habe. In den Geschäftsräumen habe sie nur gelegentlich genächtigt. Diese seien in den letzten 15 Jahren nur zum Betrieb des Buchhaltungsgewerbes und der Steuerberatungstätigkeit verwendet worden. Die Beklagte habe ab 1982 hauptberuflich in der Kanzlei ihrer Mutter mitgearbeitet. Sie habe nunmehr das Unternehmen übernommen und als Inhaberin eines Gewerbescheins für das Buchhaltergewerbe fortgeführt, sodass jedenfalls die im ursprünglichen Vertrag bedungene oder eine gleichwertige Tätigkeit regelmäßig ausgeübt werde.
Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung als rechtswirksam und erkannte die Beklagte schuldig, das Bestandobjekt zu räumen. Das Verfahren habe ergeben, den Vermietern sei bereits 1947 bekannt gewesen, dass das Objekt sowohl zu Wohnzwecken als auch als Steuerberatungskanzlei genutzt werde. Dieser Verwendungszweck habe sich über Jahrzehnte nicht geändert und sei auch nach außen durch das Schild, das auf die berufliche Tätigkeit hinwies, über die gesamte Zeit dokumentiert gewesen. Es sei daher von der schlüssigen Zustimmung der Hauseigentümer zur Nutzung sowohl als Wohnung als auch als Geschäftsraum auszugehen, wobei nicht habe festgestellt werden können, welche Nutzungsart überwiege. Bei Berufen, die üblicherweise in Wohnräumen ausgeübt werden, seien nach herrschender Verkehrsauffassung auch jene Räume, die grundsätzlich zur Berufsausübung verwendet werden, als Wohnraum und nicht als Geschäftsraum zu qualifizieren, weil sich in solchen Fällen Wohnbedürfnisse und Geschäftszwecke die Waage hielten. Maßgebend seien daher die für Wohnungen geltenden Kündigungsbestimmungen. Unstrittig sei, dass die Beklagte mit ihrer verstorbenen Mutter im Todeszeitpunkt nicht im gemeinsamen Haushalt im aufgekündigten Objekt gelebt habe, weshalb der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG erfüllt sei.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es führte aus, bei gemischt genutzten Objekten sei die Abgrenzung, ob eine Wohnung oder ein Geschäftslokal vorliege, in analoger Anwendung des § 16 Abs 1 Z 1 MRG dahin vorzunehmen, dass ein Geschäftslokal nur dann anzunehmen sei, wenn die Verwendung für Geschäftszwecke jene zu Wohnzwecken bedeutend überwiege. Das vorliegende Mietverhältnis sei daher als Wohnungsmiete zu qualifizieren, sodass die auf § 30 Abs 2 Z 5 MRG gestützte Aufkündigung der Kläger vom Erstgericht zu Recht als wirksam erkannt worden sei.
Der Revision der Beklagten kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Es trifft zu, dass die Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Mietgegenstand, der sowohl für Wohn- als auch für Geschäftszwecke verwendet wird, als Wohnung oder als Geschäftslokal zu qualifizieren sei, nicht einhellig ist, wie dies in der bereits vom Berufungsgericht referierten Entscheidung MietSlg 46.374 sowie in MietSlg 51.394 dargestellt wird. Allerdings ist es - worauf bereits Würth in seiner Glosse zu 6 Ob 684/90 (WoBl 1992/13) verweist - weit überwiegende Rechtsprechung, dass bei Berufen - wie jenen des Arztes, Rechtsanwalts oder Realitätenvermittlers -, die üblicherweise in der Wohnung ausgeübt werden, die zur Berufsausübung erforderlichen Räume als Wohnraum und nicht als Geschäftsraum anzusehen sind, weil in solchen Fällen das Wohnbedürfnis und der Berufszweck einander im Zweifel die Waage halten (MietSlg 16.423; MietSlg 20.441; MietSlg 25.320; SZ 47/4; MietSlg 30.404; MietSlg 35.369; MietSlg 47.416; WoBl 1992/13; MietSlg 50.323; WoBl 1999/79 ua). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten: Ist - so wie hier - das gemischt genutzte Objekt die einzige Wohnung, so stellt sich die Frage, ober der Wohn- oder Geschäftszweck überwiegt, von vornherein nicht, weil selbst bei weitestgehender räumlicher Beschränkung die Wohnverwendung im Vordergrund steht (vgl MietSlg 50.323; in diesem Sinne auch WoBl 1999/79). In anderen Fällen wäre in Anbetracht des durch das 3. WÄG eingeführten § 46a MRG das Abgrenzungskriterium des § 16 Abs 1 Z 1 MRG (bedeutendes Überwiegen der Verwendung zu Geschäftszwecken) heranzuziehen (in diesem Sinne bereits MietSlg 47.400; immolex 1997/23; immolex 1999/24), um das Entstehen verschiedener Kategorien von Geschäftsräumlichkeiten zu vermeiden.
Ist aber das Bestandobjekt als Wohnung zu qualifizieren, kommt nach dem Tod des bisherigen Mieters der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG zur Anwendung. Da die Beklagte nach den Feststellungen nicht zum eintrittsberechtigten Personenkreis des § 14 Abs 3 MRG zählt, weil sie mit ihrer Mutter nicht im gemeinsamen Haushalt lebte, ist der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG verwirklicht, ohne dass es auf die Frage des Vorliegens eines dringenden Wohnbedürfnisses oder gleichwertigen Interesses am Bestandgegenstand ankäme.
Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.
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