OGH 1Ob168/19s

OGH1Ob168/19s19.11.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Mag. Korn und Dr. Parzmayer in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. H*, vertreten durch die Sauerzopf & Partner Rechtsanwälte OG, Wien, gegen die beklagte Partei Dr. K*, vertreten durch die Dr. Helene Klaar Dr. Norbert Marschall Rechtsanwälte OG, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. Juli 2019, GZ 43 R 292/19p‑45, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 29. März 2019, GZ 26 C 1/17x‑34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126935

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die zwischen den Parteien am 22. 10. 2004 geschlossene Ehe wurde vom Erstgericht unter Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers an der Zerrüttung der Ehe gemäß § 55 Abs 1 EheG geschieden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und befasste sich in seiner Entscheidungsbegründung ausführlich mit der sogenannten „Härteklausel“ im Sinne des § 55 Abs 2 EheG. Es führte aus, in dem durch die Scheidung bewirkten Ergebnis einer Verschlechterung der Stellung der Frau in Bezug auf ihre Anwartschaft auf eine Witwenpension liege angesichts der konkreten Lebensumstände der Streitteile – deren Ehe überdies schon seit dem Jahr 2013 zerrüttet gewesen sei – kein so schwerwiegender Umstand, der die Verweigerung des Scheidungsbegehrens rechtfertigen könnte. Die der Scheidung widersprechende Beklagte beziehe nicht nur seit Jahren eine Eigenpension in Höhe von zuletzt 2.100 EUR netto monatlich, sondern verfüge auch über Vermögen, sei also durch die einvernehmliche eheliche Lebensgestaltung nicht gehindert gewesen, eine entsprechende Vorsorge für ihre Altersversorgung zu treffen.

Die gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer – ein Anfechtungsinteresse – voraus (RIS-Justiz RS0006880 [bes T24, T26]). Neben der formellen Beschwer, die dann vorliegt, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrundeliegenden Antrag des Rechtsmittelwerbers zu dessen Nachteil abweicht, muss auch materielle Beschwer vorliegen (RS0041868 [bes T14, T16]), es müssen also rechtlich geschützte Interessen des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt werden (RS0041746; RS0043815 [T17]; RS0041868).

Die Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung jeden Rechtsmittels (RS0043815) muss nicht nur zur Zeit der Einlegung gegeben sein, sondern auch noch bis zur Entscheidung darüber fortbestehen (RS0041770; RS0041868 [T24]; RS0006880 [T8, T23]; RS0043815 [T26, T27]).

2. Die Beklagte stützt sich in ihrer Revision, mit der sie die Abweisung des Scheidungsbegehrens des Klägers anstrebt, allein darauf, dass ihr der „volle“ Anspruch auf Hinterbliebenenpension erst nach mindestens 15 Jahre dauernder Ehe zustehe, sodass die vom Kläger begehrte Ehescheidung sie „aus (witwen-)pensionsrechtlichen Gründen weitaus härter träfe, als den Kläger die Abweisung der Scheidungsklage und ein Zuwarten bis zum 22. Oktober 2019“. Die von ihr angestrebte Dauer hat ihre Ehe aber mittlerweile jedenfalls – und unabhängig von der Art der Erledigung des Rechtsmittels – erreicht. Gemäß der gesetzlichen Anordnung in § 46 EheG wird die Ehe mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils aufgelöst. Eine Scheidung wirkt also (erst) ex nunc ab materieller Rechtskraft der Entscheidung (10 ObS 60/90; Koch in KBB5 § 46 EheG Rz 1), die im vorliegenden Fall aufgrund der Einbringung der außerordentlichen Revision binnen offener Rechtsmittelfrist bis dato noch nicht eingetreten ist. Ist aber der – auch nach ihrer eigenen Auffassung – einzige der Ehescheidung entgegenstehende Umstand (der Auflösung der Ehe, bevor sie 15 Jahre angedauert hat) während des Rechtsmittelverfahrens weggefallen, ist das Rechtsmittel, das im Übrigen auch keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen anspricht (RS0057346 [T6]), mangels materieller Beschwer als unzulässig zurückzuweisen (RS0041770; RS0006880).

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