OGH 1Ob168/06x

OGH1Ob168/06x17.10.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Mittermayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 17.146,07 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. März 2006, GZ 2 R 216/05g-63, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 11. August 2005, GZ 23 Cg 56/02i-56, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt wie folgt lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 17.146,07 EUR samt 4 % Zinsen seit 20. 5. 1999 binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 13.970,46 EUR (darin enthalten 3.347,20 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Mitarbeiter des beklagten Bauunternehmens führten am 13. 10. 1998 auf Grund eines Vertrags mit der Magistratsabteilung 31 der Stadt Wien (Wasserwerke) Grabungs- und Bohrarbeiten durch, im Zuge derer ein 10 kV-Kabel sowie zwei 600 V-Kabel der klagenden Partei (damals: Wiener Stadtwerke-Elektrizitätswerke) beschädigt wurden. Im Grabungsbereich befanden sich insgesamt 46 Kabelschutzrohre in mindestens vier Lagen übereinander, davon 7 Kabelschutzrohre in der obersten Lage sowie jeweils 13 Kabelschutzrohre in den drei darunter liegenden Lagen. Im Hinblick auf die Vielzahl von Einbauten und den kurz zuvor hergestellten Gehsteig war der Einsatz einer „Bodendurchschlagsrakete" vereinbart worden, die ohne Aufgrabung bzw Eingriff von oben her eine „Unterfahrung" ermöglicht. Dem Auftrag lagen unter anderem die „Besonderen Bestimmungen der MA 31 - Wasserwerke für die Ausführung von Erd- und Baumeisterarbeiten" zugrunde. Gemäß deren Punkt 8 hat sich der Anbotsteller vor Inangriffnahme einer Arbeit durch Erhebungen bei den zuständigen Dienststellen genau zu unterrichten, mit welchen unterirdischen Einbauten (Kanälen, Gasrohren, Kabeln aller Art etc) gerechnet werden muss, und die Kosten der Wiederinstandsetzung jeder beschädigten Anlage zu tragen, ganz gleich durch welche Umstände diese Beschädigung herbeigeführt wurde. Weiters wird in diesem Punkt an die „Bedingungen zum Schutz von Versorgungsanlagen der Wiener Stadtwerke WIENSTROM..." erinnert, gemäß deren Punkt 3 der Bauführer vor Beginn der Arbeiten in die Bestandpläne von WIENSTROM Einsicht zu nehmen und die Lage der Versorgungsanlagen bei Planung und Durchführung der Arbeiten zu berücksichtigen hat. Nach Punkt 4 dieser Bedingungen trifft den Bauführer die Verpflichtung, „sich über die tatsächliche Lage und/oder Tiefe der angegebenen Versorgungsanlagen durch fachgerechte Erkundungsmaßnahmen, zB Ortung, Suchschlitze oä selbst Gewissheit zu schaffen, da sich die Einmessung der Lage und/oder Tiefe der Versorgungsanlagen durch Bodenabtragungen, -aufschüttungen, -bewegungen oder durch andere Maßnahmen Dritter nach der Verlegung verändert haben kann". In der Praxis fordern Bauunternehmen zur Einbautenerhebung oftmals einen Mitarbeiter der „Kabel- bzw Trassenaufsicht" („Trassengeher") der klagenden Partei an. Dieser kommt mit den Detailplänen zur Baustelle und gibt dort anhand der Pläne Auskunft über den relevanten Verlauf der Kabeltrassen, indem er diesen üblicherweise mit Farbspray am Gehsteig markiert wird. Der von der beklagten Partei angeforderte „Trassengeher" ging nach Einsicht in die Pläne und Arbeitsberichte von „einer normalen Tiefenlage" der obersten Kabelschicht (in 70 bis 80 Tiefe) aus sowie von nur drei Kabellagen, weswegen er dem für die beklagte Partei tätigen Baggerführer mitteilte, dass sich Kabel bis zu einer Tiefe von 1,20 bis 1,30 im Aufgrabungsbereich befänden. Tatsächlich befand sich die oberste Kabellage aber nicht in „Normallage", sondern - wegen Verrohrung der Kabellagen - in einer Tiefe von 100 bis 120 cm, zudem waren vier Kabellagen vorhanden. Die tiefste Kabellage war daher in etwa 170 cm Tiefe. Die Verrohrung war dem „Trassengeher" nicht aufgefallen; die vierte Kabellage wäre aus den Plänen eindeutig ersichtlich gewesen. Ausgehend von den Angaben des „Trassengehers" informierte der Baggerführer diesen dahin, dass die Bohrung mittels Bodendurchschlagsrakete in 160 bis 170 cm Tiefe erfolgen werde. Dies nahm der „Trassengeher" ohne ausdrückliche Zustimmung oder Ablehnung zur Kenntnis. Er ließ sich vom Baggerführer eine Erklärung unterschreiben, wonach dieser den Empfang eines Exemplars der „Anweisung zum Schutz von Erdkabeln" bestätigte und deren Inhalt zur Kenntnis nahm. Gemäß Pkt 3 dieser Anweisung dürfen „innerhalb eines beiderseitigen Abstands von 1 m von den Kabeln Pfähle, Bohrer, Dorne und andere Gegenstände, die die Kabel beschädigen können, nicht eingedreht werden". Der „Trassengeher" entfernte sich, ohne darauf hingewiesen zu haben, dass im Falle einer Bohrung in einer Tiefe von 160 bis 170 cm der in der Arbeitsanweisung vorgesehene Sicherheitsabstand von 1 m nicht eingehalten werde. Er wies auch nicht darauf hin, dass - der zitierten Anweisung und den vereinbarten Bedingungen entsprechend - die Kabel zwecks Feststellung ihrer tatsächlichen Lage vor Beginn der Bohrung mit Handwerkzeugen und nur „von oben her" freigelegt werden sollten. Ohne die äußersten Kabellagen freizulegen, setzte ein Mitarbeiter der beklagten Partei die Bodendurchschlagsrakete in einer Tiefe von 1,80 m an. Nachdem sie im Erdreich verschwunden war, kam es durch Kontakt mit zumindest einem der in diesem Bereich verlegten Stromkabel zu einem Kurzschluss mit einer mehrere Meter hohen Stichflamme. In welcher Tiefe die beschädigten Kabel lagen und ob ein bzw welches Kabel durch direkte Einwirkung der Bodendurchschlagsrakete oder nur als Folgewirkung beschädigt wurde, konnte nicht festgestellt werden. Nach der Plandarstellung der klagenden Partei befanden sich die beschädigten Kabel in der untersten bzw zweiuntersten Kabellage, jeweils in der dritten Verrohrung von außen. Bei fachgerechter Arbeitsdurchführung hat das Freilegen der äußersten (seitlichen) Kabellagen als Sicherheitsmaßnahme grundsätzlich immer zu erfolgen, um sich nicht ausschließlich auf Plandarstellungen verlassen zu müssen. Von den örtlichen Gegebenheiten her wäre diese Sicherheitsmaßnahme im vorliegenden Fall problemlos möglich gewesen, da sich die (Ziel-)Grube sehr nahe bei den Kabellagen befand. Ein händisches Aufgraben und optisches Beurteilen der Kabellagen ist immer nur hinsichtlich der äußersten Kabelrohrlage möglich; ein Weitergraben zwecks Erkundung der Tiefe auch innen liegender Kabel ist technisch nicht möglich bzw nur mit gänzlich unverhältnismäßigem Aufwand durchführbar. Es konnte nicht festgestellt werden, dass im vorliegenden Fall durch Freiliegen der jeweils seitlich äußersten Kabellagen auch allenfalls tiefer liegende innere Kabellagen erkennbar gewesen wären. Eine derartige ungleiche Höhenlage von Kabeln einer Kabellage ist allerdings äußerst unwahrscheinlich und technisch sehr schwer vorstellbar. Die klagende Partei entfernte die beschädigten Teile der Kabel und setzte zwecks Anschluss der neuen Kabelstücke jeweils zwei Verbindungsmuffen. Die Wiener Linien GmbH & Co KG machte gegen die beklagte Partei mit Klage vom 22. 3. 2000 Funkwageninterventions-, Personalmehr- und Rüstwagenkosten geltend, die ihr nach dem Ausfall eines Straßenbahnzuges infolge Beschädigung eines Stromkabels beim Vorfall vom 13. 10. 1998 entstanden seien. Die auf Ersatz dieser Kosten gerichtete Klage wurde rechtskräftig abgewiesen.

Die klagende Partei begehrte aus dem Titel des Schadenersatzes unter Berücksichtigung eines 50 %igen Mitverschuldens den Zuspruch von - der Höhe nach außer Streit stehend - insgesamt EUR 17.146,07. Die Wiener Stadtwerke-Elektrizitätswerke seien im Wege der Gesamtrechtsnachfolge mit Wirkung vom 12. 6. 1999 in die klagende Partei eingebracht worden. Die beklagte Partei treffe das Verschulden an der Beschädigung der Kabel, da sie es unterlassen habe, vor Beginn der Arbeiten die tatsächliche Lage der Kabel festzustellen. Es sei ihr ein Verstoß gegen die Anweisungen zum Schutz von Erdkabeln anzulasten, weil sie nicht den dort geforderten Sicherheitsabstand von 1 m vom Kabel eingehalten habe. Die beklagte Partei habe die Kosten der Wiederinstandsetzung der beschädigten Anlage jedenfalls zu tragen, da deren Haftung vertraglich vereinbart worden sei, unabhängig von den Umständen, die die Beschädigung herbeigeführt hätten. Ein eigenes Mitverschulden von 50 % wurde infolge des Verhaltens des „Trassengehers" aber eingeräumt.

Die beklagte Partei berief sich auf die Rechtskraft der Entscheidung des Bezirksgerichts Favoriten in dem von der Wiener Linien GmbH & Co KG gegen sie geführten Verfahren. Da die hier klagende Partei - wenngleich als andere Teilunternehmung der Stadt Wien - rechtlich ident mit der klagenden Partei des genannten Vorverfahrens sei, stehe einer anderen Beurteilung des gegenständlichen Sachverhalts die Rechtskraft der Vorentscheidung entgegen. In der Sache selbst sei die beklagte Partei ihrer vertraglich festgelegten Sorgfaltsverpflichtung dadurch nachgekommen, dass sie einen „Trassengeher " angefordert und sich an dessen Anweisungen gehalten habe. Die Berufung auf die vertraglichen Haftungsbestimmungen verstoße gegen Treu und Glauben, da die unrichtige Auskunft des Trassengehers der klagenden Partei zuzurechnen sei. Es könne nicht sein, dass für einen trotz genauer Beachtung der Angaben des „Trassengehers" eingetretenen Schaden gehaftet werden müsse. Eine solche Vereinbarung würde zu einer Überwälzung der die klagende Partei treffenden Erfüllungsgehilfenhaftung auf die beklagte Partei führen, was gröblich benachteiligend und sittenwidrig wäre. Auch bei Einhaltung eines Sicherheitsabstands von 1 m zu der vom „Trassengeher" angegebenen angeblich tiefsten Kabeltrasse wäre es auf Grund der tatsächlichen Lage der Kabel zu deren Beschädigung gekommen. Eine Ersatzpflicht der beklagten Partei sei zu verneinen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Hälfte - somit im Umfang von EUR 8.573,04 - statt und wies das Mehrbegehren von EUR 8.573,04 s.A. ab. Das Unterlassen ausreichender Erkundigungen über die Lage von Erdkabeln begründe ein Verschulden des verantwortlichen Bauführers. Die Haftung des Bauführers bestehe nicht nur gegenüber dessen direkten Vertragspartner, sondern träfen ihn auch vertragliche Schutzpflichten zu Gunsten dritter, der Vertragsleistung nahestehender Personen. Unabhängig davon, ob die klagende Partei als eigenständiges Rechtssubjekt und damit als „Dritter" anzusehen oder ob von einer Identität mit der Vertragspartnerin der beklagten Partei auszugehen sei, bestehe deshalb ein direkter vertraglicher Schadenersatzanspruch der klagenden Partei. Die Beurteilung der Schadenersatzpflicht der beklagten Partei habe unter Berücksichtigung der §§ 1313a und 1298 ABGB zu erfolgen. Diese hafte grundsätzlich für die von ihr rechtswidrig und kausal zugefügten Schäden. Der Beweis mangelnder Kausalität bzw mangelnden Verschuldens sei ihr nicht gelungen. Es liege aber ein erhebliches Mitverschulden der klagenden Partei infolge des (ihr zuzurechnenden) Verhaltens des „Trassengehers" vor. Dessen Angaben seien mehrfach falsch gewesen, zumal er nicht nur die vierte Kabellage übersehen, sondern auch von einer zu geringen Tiefe der obersten Kabellage ausgegangen sei. Weiters habe er nicht darauf hingewiesen, dass die beklagte Partei mit der bekanntgegebenen Arbeitstiefe den vertraglich vereinbarten Mindestabstand von 1 m unterschreiten würde. Im Vergleich dazu trete das Verschulden der Gehilfen der beklagten Partei weitgehend in den Hintergrund. Diesen sei lediglich vorzuwerfen, dass sie es unterließen, die äußersten seitlichen Kabellagen frei zu legen und den vertraglich festgelegten Sicherheitsabstand von 1 m einzuhalten. Bei Abwägung dieser Umstände ergebe sich eine „angemessene Mitverschuldensquote" der klagenden Partei von drei Vierteln gegenüber einem Viertel der beklagten Partei.

Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren und auch das Eventualklagebegehren, gerichtet auf Zahlung von 14.404,99 EUR s.A. und Feststellung der Haftung der beklagten Partei zu 50 % für allfällige künftige Schäden aus der Kabelbeschädigung vom 13. 10. 1998, zur Gänze ab. Es sprach letztlich aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Beweislast „für die Kausalität des Schadens" - hier dafür, dass der Schaden bei gebotenem Verhalten nicht eingetreten wäre - träfe den Geschädigten, dies auch im Fall der Anwendbarkeit des § 1298 ABGB. Ausgehend von den getroffenen (negativen) Feststellungen habe die klagende Partei nicht unter Beweis gestellt, dass der Schaden dann nicht eingetreten wäre, wenn die Mitarbeiter der beklagten Partei die jeweils seitlich äußerste Kabellage freigelegt und den Sicherheitsabstand von 1 m auf Basis der vom „Trassengeher" angegebenen Tiefe eingehalten hätten. Mangels Beweises der Schadenskausalität des Verhaltens der Mitarbeiter der beklagten Partei bestehe der geltend gemachte Schadenersatzanspruch nicht zu Recht.

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Eine Bindung an das rechtskräftige Urteil, mit dem das Klagebegehren der Wiener Linien GmbH & Co KG abgewiesen wurde, ist nicht gegeben:

Die Rechtskraft einer Entscheidung steht der Geltendmachung eines Anspruchs entgegen, wenn Identität der Parteien und der Begehren vorliegt. Beide Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt: Die als Klägerin vor dem BG Favoriten auftretende Wiener Linien GmbH & Co KG ist nicht ident mit der hier klagenden Partei, da beide Unternehmen bereits vor Klagseinbringung über eigene Rechtspersönlichkeit verfügten und als solche die Klagen einbrachten. Dass beide Gesellschaften zum Zeitpunkt des Schadenseintritts noch unselbstständige Teilunternehmungen der Stadt Wien waren, ändert nichts daran, dass die materielle Rechtskraft grundsätzlich nur zwischen den Parteien wirkt (Fasching, Lehrbuch2, Rz 1524). Da die Wiener Linien GmbH & Co KG nicht Rechtsvorgängerin der hier klagenden Partei ist, kann es auch zu keiner Rechtskrafterstreckung infolge Rechtsnachfolge kommen (siehe Fasching, aaO Rz 1526). Darüber hinaus fehlt es nach der herrschenden Auffassung über den durch das Klagebegehren (den Sachantrag) und den Klagegrund (den rechtserzeugenden Sachverhalt) bestimmten zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff (Rechberger/Frauenberger in Rechberger, ZPO2 Vor § 226 Rz 15) an der Identität der Begehren. Auch wenn die übrigen Sachverhaltsbehauptungen im Wesentlichen gleich blieben, verlangte die im Vorprozess von der beklagten Partei eine andere Leistung als die nunmehr begehrte. Während Streitgegenstand des Vorprozesses die infolge Stillstands einer Straßenbahn entstandenen Funkwageninterventions- und Personalmehrkosten sowie die Kosten eines Rüstwagens waren, wird mit der vorliegenden Klage im Wesentlichen der Reparaturaufwand für die beschädigten Kabel geltend gemacht, was nicht Gegenstand des Vorverfahrens war und worüber auch nicht mit rechtskräftigem Urteil abgesprochen wurde. Aus diesen Gründen ist eine Bindungswirkung zu verneinen. Allein das Bedürfnis nach „Entscheidungsharmonie" vermag die Grenze der materiellen Rechtskraft nicht auszuweiten (RIS-Justiz RS0102102).

2. Ein Mangel des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Die beklagte Partei führte bereits in ihrer Berufung die Rechtsansicht ins Treffen, auf Grund der hier vorzunehmenden Beweislastverteilung gehe der Mangel entsprechender Feststellungen zur Kausalität zu Lasten der klagenden Partei, sodass diese in ihrer Berufungsbeantwortung Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Die dem Vorbringen der beklagten Partei folgende Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist daher nicht „überraschend" im Sinn der § 182a ZPO (Schragel in Fasching/Konecny2 II/2, §§ 182, 182a ZPO Rz 10 mwN).

3. Der Abschluss eines Vertrags lässt nicht bloß die Hauptpflichten entstehen, die für den betreffenden Vertragstyp charakteristisch sind, sondern erzeugt auch (unselbstständige) Nebenpflichten, die vor allem der Vorbereitung und reibungslosen Abwicklung der Hauptleistung dienen (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht12 II 4). So hat nach stRsp ein mit Grabungsarbeiten beauftragter Unternehmer die Pflicht, sich bei entsprechenden Anhaltspunkten für einen unterirdischen Kabelverlauf bei den zuständigen Stellen nach unterirdischen Einbauten zu erkundigen (RIS-Justiz RS0038135). Verstößt ein Bauführer gegen diese Erkundungspflicht, verstößt er gegen Schutzpflichten zu Gunsten desjenigen, dem durch die Beschädigung von Einbauten ein Schaden erwächst (6 Ob 48/02f). Im vorliegenden Fall wurden die Erkundungspflichten (als Nebenpflichten) ausdrücklich vertraglich vereinbart. Es sollte ihnen nur dann Genüge getan sein, wenn über Erhebungen bei den zuständigen Dienststellen zum Verlauf unterirdischer Einbauten hinaus (Pkt 3 der Bedingungen zum Schutz von Versorgungsanlagen der Wiener Stadtwerke WIENSTROM) zusätzlich vor Beginn der Grabungsarbeiten fachgerechte Erkundungsmaßnahmen über die tatsächliche Lage und/oder Tiefe der angegebenen Kabel (zB Ortung, Suchschlitze oder ähnliches) stattfanden (Punkt 4 der genannten Bedingungen). Letztere Verpflichtung ist für den Bauführer nicht gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB. Derartige Maßnahmen sind aus Sicherheitsgründen sachlich gerechtfertigt; selbst ohne ausdrückliche Vereinbarung wären sie bei fachgerechter Arbeitsdurchführung aus Sicherheitserwägungen grundsätzlich erforderlich. Diese Verpflichtung ist auch nicht unangemessen, da die Freilegung der äußersten Kabel aus technischer Sicht aber problemlos möglich gewesen wäre.

4. Richtig ist, dass den Geschädigten auch im Fall der Anwendbarkeit des § 1298 ABGB die Beweislast für den Kausalzusammenhang trifft, da die Beweislastumkehr dieser Bestimmung nur den Verschuldensbereich betrifft (RIS-Justiz RS0022686; SZ 74/159 uva). Die Ansicht des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall habe die klagende Partei nicht unter Beweis stellen können, dass die Unterlassung der Freilegung der äußersten Kabellage für den Eintritt des Schadens kausal gewesen sei, wird vom erkennenden Senat nicht geteilt.

Nach ständiger Rechtsprechung können an den Beweis des bloß hypothetischen Kausalverlaufs nicht so strenge Anforderungen gestellt werden wie bei einer Schadenszufügung durch positives Tun. Eine Beweisführung bezüglich der Kausalität einer Unterlassung kommt in der Regel daher nur unter Bedachtnahme auf die Wahrscheinlichkeit des Tatsachenzusammenhangs in Betracht. Der Geschädigte ist dafür beweispflichtig, dass überwiegende Gründe dafür vorliegen, der Schaden sei durch das Verhalten der beklagten Partei herbeigeführt worden (RIS-Justiz RS0022900). Diese kann den wahrscheinlichen Geschehensablauf in Zweifel ziehen, indem sie einen anderen Tatsachenzusammenhang gleich wahrscheinlich macht oder eine andere ernstlich in Betracht zu ziehende Möglichkeit des Geschehensablaufs aufzeigt (2 Ob 596/89 uva). Diesen Nachweis hat die beklagte Partei nicht erbracht. Wenngleich nicht (positiv) festgestellt werden konnte, durch ein Freilegen der äußersten Kabellagen wären (jedenfalls) auch allenfalls tiefer liegende, innere Kabellagen erkennbar gewesen, so wurde doch weiters die Feststellung getroffen, eine derartige ungleiche Höhenlage von Kabeln einer Kabellage sei äußerst unwahrscheinlich und technisch sehr schwer vorstellbar". Im Hinblick auf diese Feststellung ist es der beklagten Partei nicht gelungen, die Kausalität ihrer Unterlassung bzw Pflichtwidrigkeit ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Es hat somit dabei zu verbleiben, dass überwiegende Gründe dafür sprechen, das Unterlassen der Freilegung der äußersten Kabelschichten habe den Schaden verursacht. Hätten die Mitarbeiter der beklagten Partei die vom „Trassengeher" angegebene Lage der Kabel durch Freilegen der äußersten Kabelschicht überprüft, wäre jedenfalls ersichtlich geworden, dass diese in anderer Tiefe verläuft. Hätten sie (lediglich) an der für den Einsatz der „Bodendurchschlagsrakete" in Aussicht genommenen Stelle einen Suchschlitz angelegt, wären sie unmittelbar auf die vierte Kabeltrasse gestoßen.

5. Das Verschulden der beklagten Partei ist vor allem darin zu sehen, dass es deren Mitarbeiter unter Außerachtlassung der vertraglich übernommenen Verpflichtung unterließen, sich über die tatsächliche Lage und/oder Tiefe der angegebenen Versorgungsanlagen durch Anlegen von Suchschlitzen Gewissheit zu verschaffen, obwohl dies technisch leicht möglich gewesen wäre. Selbst ohne Vereinbarung dieser Verpflichtung hätte eine fachgerechte Arbeitsdurchführung das Freilegen der äußersten seitlichen Kabellagen erfordert. Eine solche vertragliche Verpflichtung bzw ein solches Erfordernis lag bei den den Entscheidungen 5 Ob 259/74 und 7 Ob 535/80 zu Grunde liegenden Sachverhalten nicht vor, weshalb die in diesen Entscheidungen enthaltene Aussage, es begründe kein Verschulden, wenn sich der Bauführer ohne weitere Maßnahmen auf Angaben zum Kabelverlauf verlässt, auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar ist. Berücksichtigt man die Größe und Wahrscheinlichkeit der herbeigeführten Gefahr, die Bedeutung der verletzten Sicherheitsvorschrift und den Grad der Fahrlässigkeit (Harrer in Schwimann3 § 1304 ABGB Rz 35 mwN; vgl RIS-Justiz RS0027466), kann nicht gesagt werden, dass das Verschulden des „Trassengehers" überwiegt. Im Hinblick auf die in etwa gleich zu beurteilende Schwere der beiderseitigen Zurechnungsgründe ist eine Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1 gerechtfertigt. Die Urteile der Vorinstanzen sind daher dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO. Nicht zu honorieren sind die Kosten des Überweisungsantrags (Fucik in Rechberger, ZPO2 Rz 5 zu § 41) sowie die Kosten des als unzulässig zurückgestellten vorbereitenden Schriftsatzes vom 17. bzw 19. 9. 2002 (siehe ON 12).

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