OGH 1Ob160/12d

OGH1Ob160/12d6.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin B***** D*****, vertreten durch Dr. Karl‑Peter Hasch, Rechtsanwalt in Villach, gegen den Antragsgegner D***** D*****, vertreten durch Mag. Hanno Stromberger, Rechtsanwalt in Villach, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 31. Mai 2012, GZ 2 R 85/12w‑11, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom 13. März 2012, GZ 38 Fam 98/11s‑7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Parteien sind kroatische Staatsangehörige. Ihre Ehe wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 10. 11. 2010 (rechtskräftig seit dem 23. 12. 2010) geschieden. Ihr letzter gemeinsamer Wohnsitz war in Kärnten.

Mit ihrem Aufteilungsantrag begehrte die Antragstellerin ausschließlich eine Ausgleichszahlung von 200.000 EUR. Der Antragsgegner habe während aufrechter Ehe mehrere Lebensversicherungs‑ und Bausparverträge in Österreich mit einem Wert von insgesamt 400.000 EUR abgeschlossen. Der Antragstellerin stehe die Hälfte dieses Werts zu.

Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Aufteilungsantrags und stritt ab, über die behaupteten Vermögenswerte zu verfügen. Es existierten lediglich Lebensversicherungsverträge, die zur Finanzierung des Erwerbs einer Liegenschaft in Österreich als Tilgungsträger abgeschlossen worden seien.

Das Erstgericht wies den Aufteilungsantrag ab. Das (hier unstrittig) anzuwendende kroatische Recht kenne keine nacheheliche Aufteilung.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Antragstellerin habe nach kroatischem Recht nur einen sachen‑ und schuldrechtlichen Anspruch auf einen Miteigentumsanteil. Eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den Grundsätzen und Besonderheiten der §§ 81 ff österreichisches EheG sei nicht vorgesehen. Eine derartige Aufteilung begehre die Antragstellerin auch nicht. Sie stelle vielmehr inhaltlich ein Rechnungs‑ und Leistungsbegehren, das nach den schuldrechtlichen Bestimmungen des kroatischen Rechts abzuhandeln sei. Die Antragstellerin müsse ihren nach dem Heimatrecht zustehenden schuldrechtlichen Miteigentumsanteil an den (behaupteten) Ersparnissen in dem dafür vorgesehenen Verfahren geltend machen.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil die Frage, ob ein nach fremdem Recht bestehender Anspruch auf Regelung der Wirkungen der Scheidung nach sachen‑ und schuldrechtlichen Bestimmungen im österreichischen Außerstreitverfahren eventuell nach den Grundsätzen der §§ 81 ff EheG abgehandelt werden könne, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig und berechtigt.

Unstrittig ist, dass im vorliegenden Fall materielles kroatisches Eherecht heranzuziehen ist. Dass dieses nach der von den Parteien im Revisionsrekursverfahren nicht bezweifelten Rechtsansicht des Rekursgerichts keine den §§ 81 ff österreichisches EheG entsprechenden Bestimmungen über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens und ehelicher Ersparnisse kennt, sondern auf die Bestimmungen des Sachen‑ und Schuldrechts verweist, soweit es um das mangels gegenteiliger Vereinbarung zu gleichen Teilen im Miteigentum der Ehegatten stehenden ehelichen Vermögens geht, ändert nichts an der Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs für den gestellten Aufteilungsantrag. Nach der ständigen Rechtsprechung zum Außerstreitgesetz 1854 (RIS‑Justiz RS0008498) ist über einen Aufteilungsantrag auch dann im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden, wenn die Kollisionsnormen wegen einer Auslandsberührung auf ausländisches Recht verweisen. Nichts anderes gilt nach dem geltenden AußStrG, BGBl I 2003/111, das in seinem § 93 Abs 1 besondere Verfahrensbestimmungen auch für das Verfahren über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse enthält. Dieses Verfahren zählt auch ohne ausdrückliche Anordnung des außerstreitigen Rechtswegs ohne Zweifel zu den im außerstreitigen Verfahren zu erledigenden (siehe nur Fucik/Kloiber, AußStrG § 1 Rz 2). Dass die Vermögensauseinandersetzung zwischen den geschiedenen Ehegatten nach ihrem Heimatrecht nach schuld‑ und sachenrechtlichen Bestimmungen (allenfalls) im streitigen Rechtsweg auszutragen wäre, trägt die von den Vorinstanzen ausgesprochene Abweisung des Aufteilungsantrags nicht (vgl 6 Ob 621/90 = SZ 63/135).

Die Vorinstanzen haben sich ausgehend von ihrer nicht zu teilenden Rechtsansicht mit der Frage nicht auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen das materielle kroatische Recht die von der Antragstellerin begehrte Vermögensauseinandersetzung zulässt. Die unzureichende Ermittlung des fremden Rechts ist ein Verfahrensmangel besonderer Art, der dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu unterstellen ist und zur Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen führt (RIS‑Justiz RS0116580).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG (vgl RIS‑Justiz RS0123011).

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