Spruch:
Wenn im Falle der Berichtigung des Urteiles für eine Partei eine zweifelhafte Lage herbeigeführt wurde, so kann sie ihre bereits gegen das unberichtigte Urteil erhobene Berufung durch einen weiteren Berufungsschriftsatz ergänzen; beide Schriftsätze sind dann als eine Einheit aufzufassen.
Entscheidung vom 16. Oktober 1964, 1 Ob 156/64. I. Instanz:
Bezirksgericht Mattighofen; II. Instanz: Kreisgericht Ried im Innkreis.
Text
Das Erstgericht hat mit dem Urteil vom 27. März 1964, GZ. C 9, 63- 36, zu Recht erkannt, daß der Beklagte als Vater des am 8. Juni 1958 außer der Ehe von Adele Maria P. geborenen Kindes Franz P. anzusehen sei. Er sei schuldig, der klagenden Partei ab 28. Juli 1958 bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit 150 S monatlich bei Exekution zu bezahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrages von monatlich 50 S werde abgewiesen.
In den Gründen führte das Erstgericht aus, es sei der Meinung, daß der Beklagte zur Leistung eines monatlichen Unterhaltes von 200 S trotz seiner Sorgepflicht für ein weiteres außereheliches Kind in der Lage sei, da er als Kraftfahrer so viel verdienen könne, daß er monatlich für seine beiden außerehelichen Kinder zusammen 350 S von seinem Verdienste zahlen könne. Es sei ein monatlicher Unterhaltsbeitrag von 200 S für die Bedürfnisse des klägerischen Kindes unbedingt erforderlich.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte berufen und unter anderem Nichtigkeit des Urteiles, soweit darin über das Unterhaltsbegehren entschieden wurde, geltend gemacht, weil sich der Spruch des Urteiles mit seinen Gründen nicht vereinbaren lasse. Die klagende Partei beantragte in der Berufungsmitteilung die Berichtigung des Urteilsspruches im Sinne einer gänzlichen Stattgebung des Klagebegehrens.
Das Erstgerichtberichtigte nunmehr den Spruch seines Urteiles dahin, daß der zugesprochene Betrag richtig 200 S zu lauten und der abweisende Teil des Urteiles überhaupt zu entfallen habe. Begrundet wurde dieser auf § 419 ZPO. gestützte Beschluß mit dem Hinweis auf den aus den Entscheidungsgründen des Urteils eindeutig hervorgehenden Gerichtswillen, der durch einen beim Diktat unterlaufenden Irrtum nicht zum entsprechenden Ausdruck gekommen sei. Ein Rekurs des Beklagten gegen diesen Beschluß blieb erfolglos. Hierauf führte das Erstgericht die Berichtigung, und zwar auch auf den Urteilsausfertigungen durch. Diese wurden den Parteien am 11. Juli 1964 zugestellt.
Am 15. Juli 1964 erhob der Beklagte Berufung gegen das berichtigte Urteil insoweit, als ihm nunmehr ein um 50 S monatlich höherer Unterhaltsbeitrag auferlegt werde. Der Berufungsantrag geht dahin, das Urteil auch im Zuspruch von 50 S über die im unberichtigten Urteil zuerkannten 150 S monatlich hinaus aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen, in eventu es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren auch hinsichtlich eines Unterhaltsbetrages von monatlich 50 S also insgesamt 200 S monatlich abgewiesen werde.
Das Berufungsgericht wies diese Berufung als unzulässig zurück, weil schon aus der unberichtigten Ausfertigung des Urteiles der wirkliche Inhalt des richterlichen Willens zweifelsfrei zu erkennen sei. In einem solchen Falle gelte aber der Grundsatz, daß mit Zustellung einer berichtigten Entscheidung die Rechtsmittelfrist neu zu laufen beginne, nicht.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Berufungsgericht auf, auch über die vorliegende Berufung zu entscheiden.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es entspricht wohl der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß die Rechtsmittelfrist erst mit Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung zu laufen beginnt (SpR. 8 neu = SZ. II 145, SZ. XXIII 16 u. a.), wovon nur dann eine Ausnahme zu machen ist, wenn der Rechtsmittelwerber auch ohne Fassung eines Berichtigungsbeschlusses über den wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruches nicht in Zweifel sein konnte (SZ. XXVII 219). Daß die letztere Voraussetzung hier zutrifft hat das Berufungsgericht angenommen. Diese Meinung kann aber nicht geteilt werden, da die mit dem Spruche nicht übereinstimmende Urteilsbegründung keineswegs zweifelsfrei erkennen läßt, ob Spruch oder Gründe dem tatsächlichen Gerichtswillen entsprechen. Allerdings steht nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes den Parteien nur die Einbringung einer Berufungsschrift zu. Weitere Berufungsschriften oder Ergänzungen der Berufungsschriften sind selbst dann, wenn sie noch innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebracht wurden, zurückzuweisen (EvBl. 1959 Nr. 223 S. 382, JBl. 1955 S. 150, JBl. 1961 S. 326). Im vorliegenden Falle müssen aber im Hinblick auf die Berichtigung des Urteilsspruches, die für die beklagte Partei eine zweifelhafte prozessuale Lage herbeiführte, beide Berufungen als eine Einheit und somit als zulässig angesehen werden. Das Berufungsgericht wird somit auch die zurückgewiesene Berufung als zulässige Berufung zu behandeln haben.
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