Spruch:
An der im § 8 (5) Anerbeng. vorgesehenen Willensbildung haben nur die eingesetzten Miterben, nicht auch die Noterben mitzuwirken
Entscheidung vom 26. Mai 1966, 1 Ob 134/66
I. Instanz: Bezirksgericht Oberzeiring; II. Instanz: Kreisgericht Leoben
Text
Der am 26. Dezember 1964 verstorbene Johann T. war Alleineigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes im Ausmaß von nahezu 329 ha, der an sich (nach einer gutachtlichen Äußerung der Bezirkskammer für Land- und Forstwirtschaft und nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten) zusammen mit einem als Nebenbetrieb geführten Gasthaus als Erbhof im Sinne der §§ 1 und 2 des AnerbenG. anzusehen ist. Der Erblasser hinterließ acht Kinder, und zwar die großjährige, unehelich geborene, jedoch im Jahr 1944 für ehelich erklärte, auf dem Hof lebende Tochter Margarethe T. sowie die aus seiner im Jahr 1959 geschiedenen Ehe stammenden Kinder Eva K., geb. T. (großjährig), Katharina (20 Jahre), Aloisia (18), Johann (15), Alexander (11), Marianne und Raimund (Zwillinge, 8 Jahre) T. Die beiden letztgenannten Kinder befinden sich in Pflege und Erziehung ihrer Mutter, während die übrigen mj. Kinder auf dem Hofe leben.
In einem am 18. August 1958 errichteten notariellen Testament hat der Erblasser die Kinder Margarethe, Eva, Katharina, Aloisia, Johann und Alexander zu je einem Sechstel als Erben berufen und die beiden jüngsten Kinder, Marianne und Raimund, ausdrücklich auf den Pflichtteil gesetzt.
In Erledigung einer Reihe widerstreitender Anträge hat das Erstgericht mit dem Beschluß vom 5. Jänner 1966 u. a. den Übernahmspreis mit 840.000 S festgesetzt, den mj. Alexander T. zum Anerben bestellt und einen Antrag der Mutter, das Erbübereinkommen (gemeint offenbar die Einigung über die Person des Anerben) nicht zu genehmigen, zurückgewiesen.
Infolge Rekurses der im Testament des Erblassers als Miterbin eingesetzten großjährigen Tochter Eva K. und der beiden auf den Pflichtteil gesetzten mj. Kinder Marianne und Raimund T., letztere vertreten durch ihre Mutter und Vormunderin, hob das Rekursgericht diesen Beschluß zur Gänze auf und wies die Sache zur Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens an das Erstgericht zurück. In seinem Aufhebungsbeschluß gab das Rekursgericht der Rechtsmeinung Ausdruck, daß eine Einigung der eingesetzten Miterben im Sinne des § 8 (5) AnerbenG. ohne Mitwirkung der Pflichtbeteiligten erfolgen könne.
Nur gegen diese Rechtsauffassung wendet sich der vorliegende, den Ausspruch der Notwendigkeit der Zustimmung der Pflichtteilsberechtigten für eine wirksame Einigung im Sinne des § 8
(5) AnerbenG. anstrebende Revisionsrekurs der erblasserischen Kinder Eva K., Marianne und Raimund T.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Begründung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil der Beschluß des Rekursgerichtes nicht eine Aufhebung des Beschlusses der ersten Instanz zum Zweck der neuerlichen Entscheidung über denselben Gegenstand, sondern eine Abänderung der Entscheidung des Erstgerichtes darstellt; er ist jedoch nicht berechtigt.
Den Ausführungen des Revisionsrekurses ist zwar darin beizupflichten, daß im Schrifttum widerstreitende Auffassungen darüber bestehen, ob unter den Miterben des § 11 AnerbenG. nur die Erben oder auch die Noterben zu verstehen sind, die nicht durch eine unzuträgliche Vereinbarung der Erben über die Höhe des Übernahmspreises im Hinblick auf die Regelung des § 17 AnerbenG. (Ansprüche der Noterben) verkürzt werden dürften (s. dazu Pfeifer, NotZ. 1959 S. 17; Meyer, NotZ. 1959 S. 35; Deinlein, NotZ. 1959 S. 81; Cholewa, NotZ. 1959 S. 100). Edlbacher ("Das Anerbengesetz", Wien 1961 S. 54) räumt ein, daß die wörtliche Auslegung des § 11 leg. cit. "sicherlich dazu führen muß, unter den Miterben nur Erben, nicht aber auch Noterben zu verstehen". Er hält eine wörtliche Auslegung dieser Gesetzesbestimmung allerdings deshalb für untunlich, weil der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der im § 11 AnerbenG. geregelten Bestimmung des Übernahmspreises auch eine gebührende Rücksichtnahme auf die Interessen der übrigen Miterben fordere. Nach Edlbacher sei aus diesem Grund eine wörtliche Auslegung nicht am Platz, vielmehr das Vorliegen einer unechten, durch Analogie (§ 7 ABGB.) zu schließenden Gesetzeslücke anzunehmen und deshalb von allfällig vorhandenen Noterben deren Zustimmung zu einer im Vergleichsweg erfolgenden Bestimmung des Übernahmspreises einzuholen.
Für den Rechtsstandpunkt der Revisionsrekurswerber läßt sich jedoch aus dieser, sich auf die Auslegung des § 11 AnerbenG. beziehenden Argumentation nichts gewinnen.
Die Bestimmung des § 8 (5) AnerbenG. sieht die Anwendung des Anerbengesetzes für jeden anderen, in den Abs. 1 bis 4 leg. cit. nicht geregelten Fall der gewillkürten Erbfolge vor, wenn sich die eingesetzten mehreren Miterben darüber einigen, daß einer von ihnen den Hof als Anerbe übernimmt, wofern der Erblasser über den Erbhof nicht durch ein Vermächtnis anders verfügt hat. Aus dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich also zweifelsfrei, daß nur die eingesetzten Miterben - und darunter sind nach der üblichen Ausdrucksweise des Gesetzgebers (s. §§ 553 bis 564 ABGB.) die testamentarisch berufenen Erben zu verstehen - an der Bildung des Willens, den Grundsätzen des Anerbenrechtes zu folgen, teilhaben können. Die wortgetreue Gesetzesauslegung läßt - entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerber - keinen Raum für die Annahme, daß auch Noterben an dieser Willensbildung mitzuwirken berechtigt seien. Wird an die oben stehenden Ausführungen erinnert, wonach durch § 11 AnerbenG. auch den Noterben bei der Festsetzung des Übernahmspreises ein Mitspracherecht gesichert sein soll, und erwogen, daß deren Interessen hinsichtlich der Bestimmung der Höhe dieses Preises im Regelfall mit jenen der weichenden Erben übereinstimmen dürften, dann kann diese Gesetzesauslegung auch nicht zu den von den Rechtsmittelwerbern befürchteten unbefriedigenden Ergebnissen führen.
Dem Revisionsrekurs mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
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