OGH 1Ob131/67

OGH1Ob131/676.7.1967

SZ 40/99

Normen

1. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §1
1. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §11
GOG §73 (2)
1. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §1
1. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §11
GOG §73 (2)

 

Spruch:

Der Bescheid über die vom Minderjährigen beantragte Befreiung vom Erfordernis der Ehemundigkeit ist eine nur im Verwaltungswege anfechtbare Entscheidung einer Verwaltungsbehörde.

Entscheidung vom 6. Juli 1967, 1 Ob 131/67.

I. Instanz: Bezirksgericht Engelhartszell; II. Instanz: Kreisgericht Ried im Innkreis.

Text

Das Erstgericht lehnte eine gerichtliche Genehmigung der von Alois F. sen. abgegebenen Erklärung, seinen mj. Sohn Alois F. aus der väterlichen Gewalt zu entlassen, ab, wobei es von folgenden Feststellungen ausging: Der neunzehnjährige Alois F. habe nach dem Besuch der Volksschule zwei Jahre bei einer Baufirma gearbeitet und seither als Hilfsdachdecker mit einem Monatsverdienst von 2400 S beschäftigt; der Minderjährige müsse ab Herbst 1967 seinen Präsenzdienst beim Bundesheer leisten; über Drängen seines künftigen Schwiegervaters, der ihn als Arbeitskraft benötige, wolle er ein gleichaltriges Mädchen heiraten; die Eltern dieses Mädchens seien Eigentümer einer sieben Joch umfassenden Landwirtschaft und beabsichtigen, diese später dem Brautpaar zu übergeben; Alois F. jun. sei intelligent, körperlich gut entwickelt und der einzige Sohn seines seit zwei Jahren im Witwerstand lebenden Vaters, dem ein Einfamilienhaus gehöre.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß unter den obwaltenden Verhältnissen die angestrebte Entlassung aus der väterlichen Gewalt dem Minderjährigen nicht zum Vorteil gereichen würde; dieser könne die Tragweite seines Entschlusses, zu heiraten, noch nicht ganz beurteilen.

Das Rekursgericht hat den beiden von Alois F. sen. und seinem mj. Sohn erhobenen Rekursen Folge gegeben und in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung die vom ehelichen Vater abgegebene Erklärung, den am 2. Februar 1948 geborenen Sohn Alois aus der väterlichen Gewalt zu entlassen, gerichtlich genehmigt und zugleich dem Minderjährigen die Befreiung vom Erfordernis der Ehemundigkeit erteilt.

Es erachtete der Auffassung des Erstgerichtes, dem Minderjährigen erwachse aus der beabsichtigten Eheschließung kein besonderer Vorteil "nicht unbedingt" beipflichten zu können; schon der damit verbundene Austritt aus dem Verband der väterlichen Familie sei für den Minderjährigen vorteilhaft; dazu komme die Aussicht, in Zukunft das Anwesen der Eltern der Braut zu erhalten, wobei dem Zeitpunkt der Besitzübergabe keine entscheidende Bedeutung zukomme; schließlich stelle die bevorstehende Einberufung zum Bundesheer kein Hindernis für die angestrebte Entlassung aus der väterlichen Gewalt und die Eingehung einer Ehe dar; dem Minderjährigen stehe auf dem Anwesen der Eltern seiner Braut ein gesicherter Arbeitsplatz zur Verfügung; nicht zu übersehen sei auch der Umstand, daß der Minderjährige bei einer Verschiebung der beabsichtigten Eheschließung so wie bisher mit seiner Braut im Haus der zukünftigen Schwiegereltern zusammenleben würde und demzufolge auch Gründe der Moral eine baldige Eheschließung für den Minderjährigen als vorteilhaft ließen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Erstrichters Folge, hob den Beschluß des Rekursgerichtes, insoweit dem mj. Alois F., geb. 2. Februar 1948, die Befreiung vom Erfordernis der Ehemundigkeit erteilt wurde, als nichtig auf und stellte im übrigen den erstgerichtlichen Beschluß wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Was zunächst die Rekurslegitimation des in erster Instanz entscheidenden Richters anlangt, so genügt es, daß er durch den angefochtenen Beschluß einen unwiederbringlichen Nachteil für eine Person besorgt, die sich selbst zu vertreten unfähig ist; er muß konkrete Umstände anführen, auf die er seine Besorgnis grundet und die - objektiv gesehen - einen unwiederbringlichen Nachteil für jene Person bewirken könnten (RiZ. 1967 S. 107 f.). Diesem Erfordernis genügt aber - wie das Ergebnis seiner sachlichen Prüfung dartun wird - der vorliegende Revisionsrekurs.

Es ist davon auszugehen, daß nach der Regelung des § 266 Auß- StrG. die Befreiung von der väterlichen Gewalt nur dann stattfinden kann, wenn dies dem Minderjährigen über die allgemeinen Vorteile der Großjährigkeit hinaus einen besonderen Vorteil sichert (Wentzel, Plessl in Klang[2] I/2 233, JBl. 1955 S. 574 = EvBl. 1955 Nr. 419 = RiZ. 1955 S. 145) und mit keiner Gefahr eines Mißbrauches verbunden ist.

Werden diese rechtlichen Gesichtspunkte beachtet, dann gewinnt vor allem der Umstand Bedeutung, daß der Minderjährige selbst seinen Antrag nur damit begrundete, daß die rasche Verwirklichung des Heiratsprojektes dazu dienen soll, dem zukünftigen Schwiegervater eine ebenso notwendige wie geeignete zusätzliche Arbeitskraft für die Bewirtschaftung des zirka sieben Joch umfassenden bäuerlichen Anwesens zu verschaffen. Selbst in den Rekursausführungen des ehelichen Vaters und des Minderjährigen kommt nicht etwa der persönliche Wunsch des letztgenannten nach einer Ordnung der derzeitigen Beziehungen zu seiner Braut, mit der er anscheinend in einem eheähnlichen Verhältnis lebt, zum Ausdruck, in ihrem Mittelpunkt steht vielmehr wiederum der Hinweis auf die Dringlichkeit der Gewinnung einer Arbeitskraft für den an ein Kriegsverletzung leidenden zukünftigen Schwiegervater. Daneben wird in den Rekursausführungen allerdings noch das von moralischen Erwägungen geleitete Drängen der Eltern der Braut auf eine baldige Eheschließung erwähnt.

Dem Rekursgericht ist zwar darin beizustimmen, daß der noch abzuleistende Militärdienst des Minderjährigen kein ernstliches Hindernis für eine Entlassung aus der väterlichen Gewalt und für die beabsichtigte Eheschließung bilden könnte. Damit ist aber noch nicht dargetan, daß die Entlassung aus der väterlichen Gewalt dem Minderjährigen besondere Vorteile bringen würde. Die Aussicht, zu einem noch völlig ungewissen Zeitpunkt das kleine Anwesen von seinen zukünftigen Schwiegereltern zu ungewissen Bedingungen übernehmen zu können, stellt angesichts der vom Minderjährigen erwarteten Arbeit keinen auch nur halbwegs sicheren Vorteil dar. Gewiß könnte unter Umständen die Heiratsabsicht eines mit seiner Braut in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebenden Minderjährigen als ein die Entlassung aus der väterlichen Gewalt rechtfertigender Vorteil angesehen werden (ähnlich beispielsweise die Entscheidung 6 Ob 149/64), diesmal wird aber die Heiratsabsicht nicht etwa von dem Wunsch des Minderjährigen, familiäre Verhältnisse in die gesetzlich vorgesehenen, geregelten Bahnen zu lenken, getragen, sie hat vielmehr ihre Wurzel in dem Willen und in den Zielsetzungen der Eltern der Braut des Minderjährigen. Bei diesen Gegebenheiten ist aber ein gedeihliches Eheleben der jungen Menschen doch nicht mit hinlänglicher Sicherheit zu erwarten und damit auch ein ideeller, durch die Eheschließung zu erhoffender Vorteil für den Minderjährigen nicht erkennbar.

Was die unter Berufung auf Sitte und Anstand geäußerten Bedenken der zukünftigen Schwiegereltern des Minderjährigen anlangt, kann es diesen selbst überlassen bleiben, in Ausübung ihrer elterlichen Gewalt die Ursachen ihres an sich begreiflichen Unbehagens zu beseitigen.

Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes liegen daher die Voraussetzungen für die beantragte gerichtliche Genehmigung der Entlassung des Minderjährigen aus der väterlichen Gewalt zumindest derzeit nicht vor, so daß die erstgerichtliche Entscheidung in diesem Belange wiederherzustellen war.

Bei der von dem Minderjährigen beantragten Befreiung vom Erfordernis der Ehemundigkeit (§ 1 der 1. DVzEheG.) handelt es sich um eine Justizverwaltungssache; gegen die Entscheidung, durch die ein derartiges Gesuch abgelehnt wird, findet die Beschwerde an den Oberlandesgerichtspräsidenten statt (§ 11 der 1. DVzEheG.). Die Erledigung einer Beschwerde gegen einen derartigen Bescheid ist also zufolge ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung dem Kompetenzbereich der Gerichte, insbesondere auch dem eines nach dem § 73 (2) GOG. zusammengesetzten Kollegialorganes entrückt. Da sohin der von der ersten Instanz richtig als Justizverwaltungssache erlassene, das Gesuch um Befreiung vom Erfordernis der Ehemundigkeit abweisende Bescheid des Bezirksgerichtes Engelhartszell vom 14. April 1967 keinen mit den rechtlichen Mitteln der Prozeßordnungen zu bekämpfenden Akt der Gerichtsbarkeit darstellt, vielmehr als eine nur im Verwaltungswege anzufechtende Entscheidung einer Verwaltungsbehörde angesprochen werden muß (vgl. dazu auch JABl. 1961 S. 73 f. und Wentzel in Klang[2] I/1 439), haftet der angefochtenen Entscheidung, insoweit diese - im übrigen ohne entsprechenden Rechtsmittelantrag - dem Minderjährigen die Befreiung vom Erfordernis der Ehemundigkeit erteilte, eine im Revisionsrekurs zutreffend gerügte Nichtigkeit an (§ 42 (1) und (4) JN.).

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