OGH 1Ob127/19m

OGH1Ob127/19m25.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* GmbH, *, vertreten durch die Robathin & Partner Rechtsanwalts GmbH, Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M*, und 2. S*, beide *, beide vertreten durch Dr. Heinz Meller, Rechtsanwalt in Wien, wegen 14.832 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 4. April 2019, GZ 36 R 269/18b‑19, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Donaustadt vom 9. August 2018, GZ 33 C 828/17p‑14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E126452

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.205,96 EUR (darin 200,99 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist als Immobilienmaklerin tätig und begehrt von den Beklagten, einem Ehepaar, Provision für die verdienstliche Vermittlung einer Liegenschaft.

Der Erstbeklagte war auf diese durch ein Privatinserat des Verkäufers (mit einem Preis von 490.000 EUR) aufmerksam geworden und hatte sie bereits zweimal (am 28. und 29. 1. 2017) mit seiner Frau besichtigt, bevor er im Internet auf ein Inserat der Klägerin über dieses Grundstück mit einem Preis von 450.000 EUR stieß (das Foto kannte er bereits aufgrund des Privatinserats des Verkäufers). Er kontaktierte daraufhin die Klägerin in der Nacht von 30. auf 31. 1. (ungefähr eine halbe Stunde nach Mitternacht) und wollte wissen, ob es sich bei diesem Grundstück um das ihm bereits bekannte handelt. Die Preisvorstellungen der Beklagten lagen damals bei 380.000 EUR. Am Nachmittag des 31. 1. besichtigten sie das Grundstück erneut und fotografierten es. Währenddessen rief ein Mitarbeiter der Klägerin an, dem der Erstbeklagte mitteilte, dass er die Liegenschaft schon kenne, sie günstiger haben wolle und einen Preis von 380.000 EUR anstrebe. Dieser entgegnete, dass die Beklagten über 400.000 EUR bieten müssten. Per E‑Mail wurde dem Erstbeklagten von der Klägerin ein Exposè samt Grundbuchsauszug, ein „leeres Kaufanbot“, Hinweise über Nebenkosten, Rücktrittsrechte und die Maklerprovision sowie ein Widerrufsformular übermittelt. Noch am Abend dieses Tages holte der Erstbeklagte selbst einen Grundbuchsauszug ein und rief den Mitarbeiter der Klägerin an, um ihm zu sagen, dass er mit dessen Vorgehensweise nicht einverstanden sei, kein Anbot unterzeichnen wolle und er „ein schwarzes Schaf in der Branche“ sei.

Unstrittig erklärte der Erstbeklagte am 13. 2. 2017 gegenüber der Klägerin, einen allfälligen Maklervertrag – dessen Zustandekommen die Beklagten nach wie vor bestreiten – zu „widerrufen“.

Nachdem es dem Erstbeklagten gelungen war, die Telefonnummer des Verkäufers ausfindig zu machen, einigte er sich mit diesem nach einigen Treffen. Die Beklagten kauften die Liegenschaft am 2. 3. 2017 um einen Kaufpreis von 412.000 EUR.

Die Klägerin behauptet, sie sei für das Zustandekommen des Vertrags über den Kauf einer Liegenschaft verdienstlich gewesen, weswegen ihr die Provision trotz des Widerrufs gebühre. Ohne ihr Zutun, das erst aufgezeigt habe, dass es beim Kaufpreis einen Spielraum gäbe, hätten die Beklagten niemals ein Angebot in der Höhe des zuletzt erzielten Kaufpreises gelegt, hätten sie doch bei einem Kaufpreis von 490.000 EUR nicht an einen Vertrag gedacht.

Die Beklagten wendeten dagegen ein, ihnen sei das Grundstück (das von der Klägerin mit einem Preis von 450.000 EUR inseriert worden war) schon zuvor, und zwar aufgrund eines Inserats des Eigentümers (mit einem Preis von 490.000 EUR), bekannt gewesen. Die Anfrage an die Klägerin bezüglich der Liegenschaft sei erst nach deren Besichtigung erfolgt. Ihrem Mitarbeiter sei auch sofort mitgeteilt worden, dass die Liegenschaft und deren Verkäuflichkeit bereits bekannt seien. Nur für den Fall, dass die Klägerin ihnen zu einem Kaufpreis von 380.000 EUR verholfen hätte, seien sie – trotz bestehender Kenntnis von der Verkäuflichkeit der Liegenschaft – bereit gewesen, eine noch zu vereinbarende Provision zu leisten. Dies habe die Klägerin aber abgelehnt. Ein Maklervertrag habe nie bestanden; der (andernfalls jedenfalls wirksame) Rücktritt nach KSchG und FAGG sei gar nicht notwendig gewesen.

Das Erstgericht folgte dem Standpunkt der Klägerin – wonach der Umstand, dass der Erstbeklagte von einem „Widerruf/Rücktritt Gebrauch gemacht“ habe, nichts ändere – bejahte deren Verdienstlichkeit und sprach die Provision zu.

Das Berufungsgericht änderte über die Berufung der Beklagten das Urteil in eine Klageabweisung ab. Es befasste sich allein mit der Frage der Verdienstlichkeitder Klägerin und verneinte diese. Eine – wenn auch „mitkausale“ – Tätigkeit des Immobilienmaklers müsse für das letztlich zustande gekommene Geschäft bei wertender Betrachtung der Gesamtumstände im konkreten Einzelfall als (in‑)adäquat angesehen werden. Hier sei den Beklagten das Grundstück bereits durch das privat geschaltete Inserat des Verkäufers bekannt gewesen, weswegen die Namhaftmachung nicht genüge. Es sei aber auch keine andere, den Vertragsabschluss in verdienstvoller Weise fördernde Tätigkeit vorgelegen, weil sich die Tätigkeit des Immobilienmaklers auf ein Telefonat beschränkt habe, in dem der Mitarbeiter der Klägerin dem Erstbeklagten bloß mitgeteilt habe, dass beim Angebot eine „4“ vorne [gemeint mindestens 400.000 EUR] stehen sollte. Diese Information möge zwar nicht wertlos, sondern zeitsparend gewesen sein, für die Prüfung der Vertragsgelegenheit komme ihr aber keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Liege keine Verdienstlichkeit vor, komme es darauf, ob ein Maklervertrag schlüssig zustande gekommen sei und ob ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit der Klägerin und dem Abschluss des Kaufvertrags bestanden habe, gar nicht (mehr) an. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Rechtsfrage, ob eine adäquate Verdienstlichkeit eines Maklers bereits darin zu erblicken sei, „dass der Kaufinteressent durch den Makler die Information erhalte, dass das Grundstück noch zu erwerben ist und es beim Kaufpreis der Liegenschaft einen Spielraum gibt“, fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung von der Klägerin erhobene Revision ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

1. Ob Verdienstlichkeit vorliegt, ist – ebenso wie die von den Vorinstanzen nicht beantwortete Frage nach dem Zustandekommen eines Maklervertrags – ohne Bedeutung für die Lösung dieses Rechtsstreits.

Dass – sofern überhaupt ein Vertrag konkludent geschlossen worden sein sollte – am 13. 2. 2017 ein „Widerruf“ erklärt worden ist, räumte die Klägerin (bereits in der Klage) ein. Zweifellos würde es sich um einen im Fernabsatz geschlossenen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher nach § 1 FAGG handeln. Davon kann ein Verbraucher binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurücktreten (§ 11 Abs 1 FAGG). Der Rücktritt löst nach § 16 Abs 1 FAGG Leistungspflichten des Verbrauchers nur dann aus, wenn dieser „ein Verlangen gemäß § 10 erklärt und der Unternehmer hierauf mit der Vertragserfüllung begonnen hat“. Ansonsten dürfen ihm „außer der in Abs. 1 [leg cit] angeführten [anteiligen] Zahlung wegen seines Rücktritts keine sonstigen Lasten auferlegt werden“ (§ 16 Abs 4 FAGG). Unter einem „Verlangen“ nach § 10 FAGG versteht dieses Bundesgesetz, dass der Verbraucher „wünscht“, „dass der Unternehmer noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach § 11 mit der Vertragserfüllung beginnt“ und normiert für diesen Fall, dass der Unternehmer ihn dazu auffordern muss, „ihm ein ausdrücklich auf diese vorzeitige Vertragserfüllung gerichtetes Verlangen – im Fall eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger – zu erklären“. Die anteilige Zahlungspflicht nach Abs 1 leg cit besteht nicht, wenn der Unternehmer seiner Informationspflicht nach § 4 Abs 1 Z 8 und 10 FAGG nicht nachgekommen ist (§ 16 Abs 2 FAGG).

Das Rücktrittsrecht des Verbrauchers erlischt (nur), „wenn der Unternehmer – auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers nach § 10 sowie einer Bestätigung des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung – noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach § 11 mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen hatte und die Dienstleistung sodann vollständig erbracht wurde (§ 18 Abs 1 Z 1 FAGG).

2. Trotz Einwand des „Widerrufs“ nach dem FAGG (und KSchG) durch die Beklagten hat die Klägerin weder vorgebracht, dass der Erstbeklagte kein Rücktrittsrecht (mehr) gehabt hätte, er eine vorzeitige Vertragserfüllung iSd § 10 FAGG verlangt hätte oder eine Bestätigung des Verlusts des Rücktrittsrechts vorgelegen wäre (s 8 Ob 122/17z unter ausführlicher Darstellung von Lehre und Literatur). Im Fall eines – hier auch gar nicht umstrittenen – wirksamen Rücktritts von einem dem FAGG unterliegenden Dienstleistungsvertrag kann es aber zu einer (auch nur anteiligen) Zahlungspflicht keinesfalls kommen, wenn die Voraussetzungen nach § 16 Abs 1 und Abs 2 FAGG nicht vorlagen („Verlangen“ und die Erfüllung der Informationspflicht nach § 4 Abs 1 Z 8 und 10;s Schwarzenegger in Schwimann/Kodek 4 § 16 FAGG Rz 5 ff). Damit war eine (allenfalls) erhaltene Dienstleistung (unterstellte man überhaupt einen konkludenten Maklervertrag) für den Verbraucher kostenlos (ders aaO Rz 11; vgl Kepplinger, Der Maklervertrag mit dem Interessenten und das FAGG, immolex 2018, 134 zum Entfall des Provisionsanspruchs des Maklers bei Rücktritt binnen 14 Tagen auch bei Erfüllung der umfangreichen Informationspflichten nach dem FAGG, wenn der Verbraucher nicht ausdrücklich erklärt hat, dass er die Ausführung der Vermittlungstätigkeit vor Ablauf der Widerrufsfrist bei gleichzeitigem Verlust seines Rücktrittsrechts wünscht; Leupold, Das Rücktrittsrecht gem §§ 11 ff FAGG – Überblick und ausgewählte Fragen, wbl 2014, 481 [490 f]).

Die Beklagten – warum die Zweitbeklagte zu einer Zahlung verpflichtet wäre, legt die Klägerin ohnehin nie dar – schulden daher selbst unter der Annahme eines ursprünglich abgeschlossenen Maklervertrags wegen des wirksamen Rücktritts keine Provision. Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist schon deshalb im Ergebnis richtig.

3. Die Kostenentscheidung für das Rechtsmittelverfahren beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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