OGH 1Ob119/75

OGH1Ob119/7521.8.1975

Der Oberste Gerichtshof hat durch seinen Präsidenten Dr. Pallin als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger, Dr. Petrasch, Dr. Resch und Dr. Schubert als Richter in der Verlassenschaftssache nach der am * verstorbenen, zuletzt in * wohnhaft gewesenen M*, infolge Revisionsrekurses der erblasserischen Kinder J* jun., Pensionist in *, und R*, Haushalt in *, beide vertreten durch Dr. Selma Tichy, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS. Wien als Rekursgerichtes vom 15. April 1975, GZ. 43 R 144, 145/75‑51, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 17. Dezember 1974, GZ. 4 A 471/65‑44 teilweise und die Einantwortungsurkunde des selben Gerichtes vom gleichen Tag, 4 A 471/65‑45 zur Gänze aufgehoben wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1975:0010OB00119.75.0821.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Die * 1965 verstorbene M* hinterließ ihren Ehemann J* sen., der * 1967 selbst starb, und drei Kinder, nämlich die beiden in Österreich wohnhaften Revisionsrekurswerber und eine weitere, in der CSSR lebende Tochter M*. Nachdem auf Grund der Angaben des Witwers und der letztgenannten Tochter in der Todfallsaufnahme zunächst verfügt worden war, daß mangels eines Nachlaßvermögens eine Verlassenschaftsabhandlung nicht stattfinde, wurde nach dem Tode des Witwers auf Grund eines Antrages des Sohnes die Verlassenschaftsabhandlung im besonderen über ein Sparbuch eingeleitet, das nach den Angaben des Sohnes erst nach dem Tode des Witwers der Erblasserin in dessen Nachlaß gefunden wurde, aber auf den Namen der Erblasserin gelautet hatte und in die Hände der Tochter M* gelangt war. Während sich die Verlassenschaft nach J* sen. des Erbrechtes nach M* entschlug, geht der Streit zwischen den drei Kindern, die zu je einem Drittel des Nachlasses die bedingte Erbserklärung abgegeben haben, dahin, ob das Sparbuch zum Nachlaß der M* gehört, insbesondere ob es im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin in deren Besitz oder aber im Besitz der Tochter M* war.

Mit dem Beschluß ON 44, der im übrigen unbekämpfte Verfügungen enthält, nahm der Erstrichter das Inventar mit Aktiven von 57.107,43 S, Passiven von 4.800,‑‑ S und also einem Reinnachlaß von 52.307,43 S zu Gericht an (Pkt. 4.) und erklärte unter gleichzeitiger Erlassung der Einantwortungsurkunde ON 45 mit deren Rechtskraft das Abhandlungsverfahren für beendet (Pkt. 7). Der Erstrichter hielt den Besitz der Erblasserin an dem Sparbuch im Zeitpunkt ihres Todes schon auf Grund der vorliegenden Urkunden für erwiesen, weil das Sparbuch zunächst auf den Namen der Erblasserin lautete und bis zu ihrem Tode nur Einzahlungen aufwies, während danach Rückzahlungen zunächst an ihren Ehemann und erstmals am 13. September 1967 an M* erfolgten und auch erst nach dem Tode der Erblasserin Änderungen des Losungswortes stattfanden, die nach der Ansicht des Erstrichters bei vorherigem Besitz der Tochter überflüssig gewesen wären.

Das Rekursgericht hob infolge Rekurses der Tochter M* die Punkte 4.) und 7.) des Mantelbeschlusses sowie die Einantwortungsurkunde auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens mit der Begründung auf, daß die Rekurswerberin zum Nachweis ihres Eigentums und Besitzes an dem strittigen Sparbuch die Vernehmung des Zeugen S* beantragt habe, auf die nicht verzichtet werden könne, weil die Erwägungen des Erstrichters allein auf Grund der Kontoblätter nicht zwingend seien und nicht einmal festgestellt wurde, wann der Name des Kontos von M* zunächst auf J* geändert wurde. Die beiden anderen Kinder der Erblasserin seien überdies zu einem eindeutigen Vorbringen hinsichtlich des Besitzes des Sparbuches im Zeitpunkte des Todes anzuleiten.

Rechtliche Beurteilung

Der von den erblasserischen Kindern J* jun. und R* erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Davon, daß der Besitz der Erblasserin an dem im Zeitpunkt ihres Todes in ihrer Wohnung befindliche Sparbuch aktenkundig sei, kann keine Rede sein. Es fehlt vielmehr hierüber bisher an jedem Anhaltspunkt. Ebenso trifft es nicht zu, daß die erblasserische Tochter M* nie behauptet habe, das Sparbuch im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin in ihrem Besitz gehabt zu haben. Das Gegenteil ist mit genügender Deutlichkeit etwa aus ihrem Vorbringen am 2. Dezember 1969 und am 11. Dezember 1974 vor dem Gerichtskommissär zu entnehmen (S. 22 und 64), ebenso wie übrigens umgekehrt entgegen der Meinung des Rekursgerichtes schon im Antrag des ersten Rekurswerbers ON. 4 vom 14. März 1968 mit hinreichender Schlüssigkeit ein Besitz der Erblasserin an dem Sparbuch behauptet wurde. Das beiderseitige Vorbringen wird demnach bloß noch näher zu konkretisieren sein.

Den Rekurswerbern kann auch nicht dahin gefolgt werden, daß das Erstgericht die Frage nach am dem Besitz am Todestag der Erblasserin schon eingehend geprüft und mit Recht zu ihren Gunsten entschieden habe. Der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, kann auch im Außerstreitverfahren Erhebungsaufträgen des Rekursgerichtes nicht entgegentreten, wenn dieses auf Grund richtiger Rechtsansicht die Sache noch nicht für spruchreif hält (EvBl 1973/222 uva).

Auch auf die Bestimmungen des Devisengesetzes verweisen die Rekurswerber zu Unrecht. Wer das fragliche Konto, sei es mit oder ohne Beachtung der zwingenden Devisenvorschriften eröffnet hat, muß nicht mit dem Besitzer im Zeitpunkte des Todes der Erblasserin wesensgleich sein. Ebenso ist es nicht ausgeschlossen, daß M* mit dem Sparbuch über die Grenze gefahren ist, zudem aber auch unerheblich, weil Gewahrsame und Besitz bloß die Macht über die Sache erfordern, die aber auch an einem anderen Ort und selbst durch eine dritte Person ausgeübt werden kann (vgl. Schey-Klang in Klang² II 59, 63 und 79 ff).

Nach der Aktenlage trifft es allerdings zu, daß M* im Jahr 1970 gegen die Revisionsrekurswerber eine Klage auf Feststellung erhob, daß das strittige Sparbuch nicht Nachlaßgegenstand sei, sondern in ihrem Alleineigentum stehe (S. 33). Die Rekurswerber gestehen aber selbst zu, daß dieses Verfahren bereits seit dem 1. Juli 1970 ruht. Warum es nicht angehen soll, das Prozeßrisiko der dortigen Klägerin „auf das Abhandlungsgericht“ (richtig gemeint eher: auf die Rekurswerber) abzuwälzen, ist nicht zu erkennen. Da die gleichzeitige Geltendmachung des selben Anspruches im streitigen und im außerstreitigen Verfahren keine Streitanhängigkeit begründet (Fasching III 89, SZ 38/6 ua), könnte erst eine rechtskräftige Entscheidung im Prozeß den Streit klären und Rechts(kraft)wirkungen hervorrufen.

Letztlich ist auch der Hinweis der Rekurswerber auf § 104 Abs. 3 AußStrG – wonach auch Sachen, welche dem Erblasser gehören, sich aber in Händen dritter Personen befinden, in das Inventar einzubeziehen sind – nicht zielführend, weil ebenso wie der Besitz der Erblasserin (oder der Tocher M*) auch das Eigentum am Sparbuch strittig ist und diese Frage nach der wie gesagt einer Überprüfung nicht zugänglichen Meinung des Rekursgerichtes weiterer Erhebungen bedarf.

Dem unbegründeten Rekurs war demnach ein Erfolg zu versagen.

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