OGH 1Ob11/11s

OGH1Ob11/11s23.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Boesch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch die Dr. Bernhard Hundegger Rechtsanwalt GmbH in Villach, wegen 12.903,84 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 15. Oktober 2010, GZ 2 R 135/10f-43, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 26. Juli 2010, GZ 21 Cg 38/08k-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 836,28 EUR (darin 139,38 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Eine Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden zur Vereinfachung: Beklagte) erwarb von der Klägerin einen (neuen) Lkw (Erstzulassung 28. 4. 2006), den sie im Rahmen ihres Unternehmens an Kunden vermietete. Laufende Wartungs- und Servicearbeiten wurden von einer Schwestergesellschaft durchgeführt, wobei auch drei Mal der Luftfilter erneuert wurde, zuletzt Ende November/Anfang Dezember 2007. Anfang April 2008 stellte ein Mieter des Fahrzeugs einen „blau rauchenden“ Motor fest und brachte den Lkw in eine Werkstätte der Klägerin zur Reparatur; die Rechnung wurde später im Einvernehmen mit der Beklagten auf diese ausgestellt. Ursache für die Rauchentwicklung war ein sogenannter „Staubschaden“, also eine Beschädigung des Motors durch luftseitigen Eintritt von Staub. Wann dieser Motorschaden eingetreten ist und wer diesen verursacht hat, konnte nicht festgestellt werden. Die Klägerin erneuerte bei der Reparatur die Motorentlüftung; sie baute den Luftfilter aus, kontrollierte und erneuerte ihn. Er war stark verschmutzt und wurde von der Klägerin entsorgt. Nachdem die Mieterin kurz danach das Fahrzeug neuerlich in die Werkstätte der Klägerin gebracht hatte, weil die Rauchentwicklung wieder aufgetreten war, wurde der Motor von Mitarbeitern der Klägerin zerlegt und untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Kolbenringe verschlissen und dünner geworden sowie teilweise gebrochen waren. Angesichts des Schadensbildes konnte der Schaden als „Staubschaden“ eingeordnet werden.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist eine von der Beklagten aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung in Höhe des Klagebetrags.

Die Beklagte brachte dazu im Wesentlichen vor, sie habe diesen Betrag für die Motorreparatur aufwenden müssen. Der Lkw sei im Winter nicht in Betrieb gewesen. Nach Wartung und Inbetriebnahme des Fahrzeugs im Frühjahr habe sich bereits nach rund vierzehn Tagen der Motorschaden ereignet. Nachdem bei den Servicearbeiten, etwa beim Luftfiltertausch, stets (bei der Klägerin gekaufte) Originalersatzteile verwendet worden seien und keine externe Schadensursache ersichtlich sei, müsse der Schaden entweder auf einen Mangel des Fahrzeugs selbst oder einen Mangel der Ersatzteile zurückzuführen sein. Es liege ein Gewährleistungs- bzw Garantiefall vor. Es wäre der Klägerin oblegen, bei den Reparaturarbeiten Anfang April 2008 die maßgeblichen Umstände zu dokumentieren und nachzuweisen, dass der Mangel auf eine fachwidrige Manipulation zurückzuführen ist. Mangels dieses Nachweises sei die Beklagte nicht in der Lage gewesen, ihre eigenen Mieter mit allfälligen Manipulationsvorwürfen zu konfrontieren. Sollte sich herausstellen, dass eine Manipulation vorgenommen worden sei, aber nicht von der Klägerin dokumentiert wurde, resultiere daraus ein Schaden der Beklagten, weil sie dem Mieter des Fahrzeugs diesen Schaden nicht mehr „vorhalten“ könne. Die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, Nachweise über allfällige Manipulationen vorzulegen, um der Beklagten die Geltendmachung von Regressansprüchen gegen den Schädiger, welcher manipuliert bzw Luftfilterveränderungen durchgeführt habe, zu ermöglichen. Die Klägerin habe jedoch überhaupt keine Dokumentation der von ihr behaupteten Umstände vorgenommen und auch den Staubfilter nicht aufbewahrt, obwohl derartige Dokumentationen „Stand der Technik“ seien. Da der mangelhafte Luftfilter aus der Rechtssphäre der Klägerin stamme, gingen der Mangel am Staubfilter und sämtliche Unklarheiten in diesem Zusammenhang zu Lasten der Klägerin, weshalb sie für den mangelhaften Staubfilter hafte, welcher seine Funktion nicht erfüllt habe. Die Haftung der Klägerin werde neben einer mangelnden Dokumentation auch auf Garantie- und Gewährleistungsansprüche gestützt. Der Motorschaden könne - neben dem Eintritt von Staub - auch durch andere Ursachen entstanden sein, die im Rahmen der Garantie wirtschaftlich von der Klägerin zu tragen seien. Da die Mitarbeiter der Klägerin bei der Überprüfung Anfang April 2008 festgestellt hätten, dass der vorgefundene Filter vom Äußeren her wie ein Originalfilter ausgesehen habe und ordnungsgemäß fest montiert gewesen sei, käme als technische Ursache ein Mangel oder Defekt an der Luftsauganlage in Betracht, für den die Klägerin hafte.

Die Klägerin wandte dagegen ein, es seien bei ihrer ersten Überprüfung keine Undichtheiten und überdies ein neuwertiger Luftfilter vorgefunden worden, weshalb darauf geschlossen werden müsse, dass Veränderungen an der Luftsauganlage vorgenommen worden seien. Sie sei auch zu keiner besonderen Dokumentation gegenüber der Beklagten über die Arbeiten am Fahrzeug verpflichtet gewesen. Auf eine Vermutung der Mangelhaftigkeit könne sich die Beklagte angesichts des Datums der Erstzulassung nicht berufen.

Das Erstgericht erkannte die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend. Der Beklagten sei der Beweis für eine Verantwortlichkeit der Klägerin für den eingetretenen „Staubschaden“ am Motor nicht gelungen. Auch ein Anscheinsbeweis hinsichtlich eines Verschuldens der Klägerin komme nicht in Betracht, weil die Wartungs- und Servicearbeiten am Fahrzeug nicht von ihr durchgeführt worden seien und ein dabei unterlaufener Montagefehler als gleichberechtigte Ursache eines Motorschadens neben einer möglichen Mangelhaftigkeit des Luftfilters bestehe. Auch eine solche Mangelhaftigkeit sei nicht festgestellt worden. Ein typischer Geschehensablauf wäre nur gegeben, wenn sämtliche Arbeiten am Fahrzeug von der Klägerin vorgenommen worden wären, die Ersatzteile von dieser stammten und das Fahrzeug nicht Dritten zum Gebrauch überlassen worden wäre.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision letztlich für zulässig. Ob die Klägerin tatsächlich die vertragliche Nebenpflicht getroffen hätte, eine exakte Dokumentation der Schadensursache vorzunehmen, müsse nicht beantwortet werden. Denn es stehe nicht fest und sei auch nicht mehr feststellbar, dass im Falle einer solchen Dokumentation die Beklagte gegen die Klägerin oder ihre Mieterin ihren im Reparaturaufwand bestehenden Schaden erfolgreich hätte geltend machen können. Es werde auch nicht dargelegt, warum es „insgesamt zu einer Beweislastumkehr“ kommen solle. Beweisnähe sei grundsätzlich kein Sachgrund für eine Umkehrung der objektiven Beweislast. Hier stünden auch der Klägerin gar keine ausreichenden Kenntnisse (mehr) zur Verfügung, nachdem ja eine Dokumentation nicht erfolgt und der Staubfilter entsorgt worden sei. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der vorliegende Fall Anlass gebe, die Judikatur zur Beweislastverteilung bzw Beweiserleichterung bei Verletzung einer Dokumentationspflicht fortzubilden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist entgegen dem nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts unzulässig, weil die Revisionswerberin keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage releviert.

Das Prozessvorbringen der Beklagten zu den von ihr eingeforderten Dokumentationspflichten (und zu deren rechtlicher Grundlage) war schon im Verfahren erster Instanz unklar. Sie legt auch in ihrer Revision nicht nachvollziehbar dar, welche konkreten Dokumentationsmaßnahmen ihrer Ansicht nach von der Klägerin vorzunehmen gewesen wären. Der in erster Instanz erhobene Vorwurf, die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, die von ihr behaupteten Umstände, nämlich eine Manipulation an der Luftsauganlage, „zu dokumentieren und nachzuweisen“, ist schon deshalb unverständlich, weil diese Manipulation ja zum Zeitpunkt der Überprüfung durch die Klägerin bereits rückgängig gemacht worden sein konnte. Was die Klägerin dann zu dokumentieren gehabt hätte, bleibt offen, zumal ersichtlich die Vorinstanzen und die Prozessparteien übereinstimmend davon ausgehen, dass zum Zeitpunkt der (ersten) Überprüfung durch die Klägerin eine solche Manipulation nicht mehr vorgelegen ist.

Soweit die Revisionswerberin ausführt, es reiche für den gerechtfertigten Vorwurf der unterlassenen Dokumentation[spflicht] aus, dass nur einer der Vertragspartner das „Schadensbild“ (und nicht die Ursache) zumutbar näher dokumentieren könne, ist nicht zu erkennen, was dadurch für die Beklagte gewonnen sein sollte, konnte das Schadensbild, doch ohnehin durch das Beweisverfahren geklärt und aufgrund des darauf aufbauenden Sachverständigengutachtens festgestellt werden, dass das Schadensbild jenem eines „Staubschadens“ entsprach. Soweit die Vorinstanzen nun Tatsachenfeststellungen treffen konnten, stellt sich die Frage nach der von der Revisionswerberin grundsätzlich verlangten Beweislastumkehr gar nicht, weil diese nur dort Bedeutung erlangt, wo die Feststellung entscheidungserheblicher Tatsachen eben nicht möglich ist (vgl RIS-Justiz RS0039904).

Soweit die Revisionswerberin auf das Wegwerfen des Staubfilters anlässlich des ersten Reparaturversuchs hinweist, ist nicht erkennbar, welche Konsequenzen sie daraus ableiten will, hat sie doch im Verfahren erster Instanz selbst darauf hingewiesen, dass dieser Staubfilter damals „ordnungsgemäß fest“ montiert war. Sollte sie mit ihren Revisionsausführungen andeuten wollen, dass der Staubfilter möglicherweise sonst mangelhaft gewesen sein könnte und entgegen seiner vorgesehenen Funktion das Eindringen von Staub in den Motor zugelassen habe, könnte auch dies eine Berechtigung des erhobenen Schadenersatzanspruchs gegen die Klägerin nicht begründen. Die Beklagte hat zwar behauptet, sie hätte auch diesen Staubfilter bei der Klägerin erworben, doch fehlt es an jedem Anhaltspunkt dafür, dass der Klägerin ein allfälliger Mangel an diesem Filter hätte auffallen müssen, was aber für einen Verschuldensvorwurf erforderlich wäre (vgl jüngst 1 Ob 158/10g). Wie schon das Erstgericht angedeutet hat, bestünde im Falle der (unverschuldeten) Lieferung eines mangelhaften Luftfilters gegen den Verkäufer lediglich ein gewährleistungsrechtlicher Anspruch auf Verbesserung bzw Austausch, den die Beklagte aber gar nicht geltend macht. Ein Mangelfolgeschaden (hier: am Motor) wäre nur bei verschuldeter Schlechtlieferung zu ersetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 Abs 1 iVm § 41 Abs 1 ZPO.

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