Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die am 17. 1. 1947 geborene Wahlmutter ist österreichische Staatsbürgerin. Das am 8. 5. 1979 geborene Wahlkind ist Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina. Das Wahlkind soll die Schwester oder Cousine der Schwiegertochter der Wahlmutter sein. Die leiblichen Eltern stimmten der Adoption zu. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichts (28. 1. 2002) wohnte das Wahlkind schon seit etwa acht Monaten beim Sohn der Wahlmutter. Die Wahlmutter kennt das Wahlkind seit der Eheschließung ihres Sohnes vor sechs Jahren. Seit damals besuchte sie mit ihrem Ehegatten die Schwiegereltern ihres Sohnes etwa einmal jährlich in Jugoslawien und hatte dabei jeweils auch Kontakt mit dem Wahlkind. Eine nähere persönliche Beziehung zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind besteht nicht. Es ist auch nicht beabsichtigt, eine solche Beziehung in Zukunft herzustellen. Die Adoption soll vielmehr nur dem Zweck dienen, dem Wahlkind eine "Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung" in Österreich zu verschaffen.
Die Parteien des Adoptionsvertrags vom 15. 11. 2001 beantragten dessen Bewilligung und brachten vor, dem Wahlkind sei die Erlangung einer adäquaten Schul- und Berufsausbildung in Bosnien-Herzegowina nur eingeschränkt möglich; sie habe jedoch in Jugoslawien schon eine Ausbildung zur Krankenschwester abgeschlossen. Die Wahlmutter und deren Ehegatte hätten die Absicht, das derzeit beim Sohn der Wahlmutter und dessen Ehegattin lebende Wahlkind "nach Zuteilung einer größeren Wohnung ... in die häusliche Wohngemeinschaft aufzunehmen". Das Wahlkind, eine Schwester der Schwiegertochter der Wahlmutter, unterstütze die Wahlmutter bei der Besorgung von Haushaltsaufgaben und werde das auch künftig machen. Die Wahlmutter werde in einiger Zeit in den Ruhestand treten, sodass das Wahlkind durch "Eingehen eines entsprechenden Beschäftigungsverhältnisses ... in bedeutendem Ausmaß zur Aufbesserung des Familienbudgets" beitragen könne. Dessen Aufnahme in die Haushaltsgemeinschaft sei auch für die Realisierung der Absicht, eine größere Wohnung zu erlangen, vorteilhaft. Die Annahme an Kindesstatt diene dem Wohl des Wahlkinds, weil es in Österreich bessere Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten vorfinden werde. Das Wahlkind sei "mit einem Visum nach Österreich gekommen". Es habe einen Asylantrag gestellt, werde jedoch in seiner Heimat - nach dem Wissensstand der Wahlmutter - aus politischen Gründen nicht verfolgt. Die Adoptionsidee sei geboren worden, damit das Wahlkind "dableiben" könne, würde es doch als Adoptivkind eines österreichischen Staatsangehörigen auch die Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung bekommen. Das Verhältnis zwischen der Wahlmutter und der Wahltochter sei schon jetzt als "eine dem Verhältnis zwischen einer leiblichen Mutter und Tochter entsprechende Beziehung" anzusehen. Die leiblichen Eltern hätten der Adoption ausdrücklich zugestimmt.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Nach § 180a Abs 1 ABGB sei die Annahme zu bewilligen, wenn eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung bestehe oder hergestellt werden solle. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen sei zu verneinen. Eine solche Beziehung sei in den letzten acht Monaten noch nicht entstanden. Zu bezweifeln sei ferner, dass das Wahlkind längere Zeit bei der Wahlmutter leben und sich künftig "eine innige Mutter-Tochter-Beziehung" entwickeln werde. Gemäß § 49 FremdenG habe ein Wahlkind als Angehöriger eines Österreichers im Inland Niederlassungsfreiheit. Die Adoption bezwecke im vorliegenden Fall nur, dem Wahlkind eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung in Österreich zu verschaffen. Die Umgehung der gesetzlichen Erfordernisse für eine solche Bewilligung sei jedoch "kein gerechtfertigtes Anliegen im Sinne des § 180a ABGB".
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, im § 180a Abs 1 ABGB sei für die Annahme eines Erwachsenen an Kindesstatt das Interessenprinzip verankert. Es müsse ein sittlich gerechtfertigtes Anliegen eines der beiden Teile des Adoptionsvertrags vorliegen. Das Erfordernis des Bestehens bzw der Herstellung einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechenden persönlichen Beziehung zwischen den Wahleltern bzw einem Wahlelternteil und dem Wahlkind dürfe nicht "überbetont" werden. Es genüge bereits eine nähere persönliche Beziehung. Bestehe im Zeitpunkt der Entscheidung über den Bewilligungsantrag noch keine ausreichende persönliche Beziehung zwischen den Wahleltern bzw einem Wahlelternteil und dem Wahlkind und werde sich eine solche Beziehung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht entwickeln, so sei die Bewilligung der Adoption zu versagen. Das Erstgericht habe das Bestehen einer "persönlichen Bindung zwischen den Antragstellern" zutreffend verneint. Der Aussage der Wahlmutter sei auch nicht zu entnehmen, dass "beabsichtigt sei, in Zukunft eine emotionale Bindung zwischen den Antragstellern herzustellen". Die Adoption solle vielmehr nur dem Zweck dienen, "dem Wahlkind eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung" zu verschaffen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil "zur Frage der Umgehung fremdenrechtlicher Bestimmungen durch die Adoption noch keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs" vorliege.
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach § 180a Abs 1 erster Satz ABGB ist die Annahme zu bewilligen, wenn eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Das Rekursgericht stützte sich bei Auslegung dieser Regelung auf die durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geprägten Leitlinien. Danach genügt für die Erfüllung der soeben hervorgehobenen Bewilligungsvoraussetzung bereits eine nähere persönliche Beziehung. Dieses Erfordernis darf nicht überspannt werden (SZ 69/292; EFSlg 66.142/4). Fehlt es noch an einer näheren persönlichen Beziehung zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind, so darf die Bewilligung des Adoptionsvertrags nur dann versagt werden, wenn sich eine derartige Beziehung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht entwickeln wird (EFSlg 66.142/4). An diesen Grundsätzen ist festzuhalten.
2. Die Vorinstanzen gelangten auf der Tatsachenebene zum Ergebnis, dass eine für die Bewilligung des Adoptionsvertrags erforderliche persönliche Beziehung zwischen der Wahlmutter und dem Wahlkind nicht besteht und die Antragsteller nicht beabsichtigen, "in Zukunft eine emotionale Bindung ... herzustellen", solle doch die Adoption nur dem Zweck dienen, dem Wahlkind eine "Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung" in Österreich zu verschaffen. Letztere Tatsachen indizieren mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass es zwischen den Antragstellern auch in Zukunft keine nähere persönliche Beziehung geben wird. Die Entscheidung hängt daher nicht von der Lösung jener Rechtsfrage ab, derentwegen das Rekursgericht den Revisionsrekurs zuließ. Der durch die Vorinstanzen offen gelegte (alleinige) Zweck der Adoption, dem Wahlkind das Recht auf Niederlassung in Österreich zu verschaffen und den Zugang zum österreichischen Bildungs- und Arbeitsmarkt zu eröffnen, war nur für deren Beweiswürdigung, und zwar auch für die vom Rekursgericht getroffene Feststellung von Bedeutung, dass die Antragsteller - wegen des eigentlichen Adoptionszwecks - nicht beabsichtigen, künftig eine nähere persönliche Beziehung herzustellen. Fehlt aber eine solche Absicht, so ist der die Adoption tragende sonstige Zweck rechtlich belanglos. Lediglich dann, wenn die Herstellung einer näheren persönlichen Beziehung zwischen den Antragstellern in Zukunft zu erwarten gewesen wäre, hätte es der Lösung der Rechtsfrage bedurft, ob ein für die Willensbildung der Parteien des Adoptionsvertrags ebenso maßgebender Begleitzweck, dem Wahlkind (auch) das Recht auf Niederlassung in Österreich zu verschaffen und den Zugang zum österreichischen Bildungs- und Arbeitsmarkt zu eröffnen, ein gerechtfertiges Anliegen im Sinne des § 180a Abs 1 dritter Satz ABGB sei.
3. Die Antragsteller rügen in Wahrheit die Beweiswürdigung der Vorinstanzen. Sie wollen damit die Feststellung erwirken, dass zwischen ihnen schon jetzt die von den Vorinstanzen verneinte nähere persönliche Beziehung auf emotionaler Ebene bestehe, die durch die Adoption nur verstärkt werden solle, sodass die "Umgehung fremdenrechtlicher Bestimmungen" nicht Zweck der Annahme an Kindesstatt sei. Der Oberste Gerichtshof ist jedoch nicht Tatsacheninstanz und daher nicht dazu berufen, die Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu überprüfen. Im Revisionsrekurs wird nicht behauptet, die vom Rekursgericht getroffene Feststellung, dass die Antragsteller wegen des eigentlichen Adoptionszwecks nicht beabsichtigten, künftig eine nähere persönliche Beziehung herzustellen, beruhe auf einem mangelhaften Verfahren. Unzutreffend ist ferner die Ansicht der Antragsteller, die zweitinstanzliche Schlussfolgerung, die Adoption diene der "Umgehung fremdenrechtlicher Bestimmungen", widerspreche erstgerichtlichen Feststellungen. Das Erstgericht stellte gegen Ende seiner Begründung in Zusammenfassung aller Details auf der Tatsachenebene fest, dass "die Adoption nur zum Zweck der Erlangung einer unbeschränkten Aufenthaltsbewilligung und des Zugangs zum österreichischen Arbeitsmarkt beantragt wurde" bzw "es im vorliegenden Fall nur um eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung für das Wahlkind in Österreich geht". Daraus zog überdies schon das Erstgericht den Schluss einer (beabsichtigten) "Umgehung der gesetzlichen Erfordernisse für (die) Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung in Österreich".
4. Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 16 Abs 3 AußStrG bei Prüfung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses an einen Ausspruch des Rekursgerichts nach § 13 Abs 1 Z 2 AußStrG nicht gebunden. Wie aus allen bisherigen Erwägungen folgt, hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage ab. Somit ist aber der Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
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