Spruch:
Der Motivirrtum, der zur Anfechtung einer während einer Ehe erfolgten Schenkung an den anderen Ehegatten berechtigt, kann sich auch auf das Weiterbestehen der Ehe beziehen
Der ohne Verschulden oder aus gleichteiligem Verschulden geschiedene Ehegatte hat Anspruch auf Rückstellung dessen, was er in die Ehe einbrachte. Machte der andere Ehegatte auf eine rückzustellende Liegenschaft Aufwendungen, steht ihm ein Anspruch auf Ersatz dieser Aufwendungen zu, der durch Zurückbehaltung der herauszugebenden Liegenschaft gesichert werden kann
OGH 5. Feber 1975, 1 Ob 10/75 (OLG Wien 7 R 228/74; KG Wiener Neustadt 2 Cg 357/73)
Text
Die Klägerin hat am 18. März 1966 vor dem Standesamt S mit dem Beklagten die Ehe geschlossen. Am 23. August 1968 schlossen die Streitteile einen notariellen Schenkungsvertrag, mit welchem die Klägerin die Hälfte der ihr gehörigen Liegenschaft EZ 23 KG K dem Beklagten schenkte. Schon vor Abschluß dieses Vertrages hatten die Ehegatten verschiedene Aufwendungen auf die Liegenschaft getätigt; der Beklagte hatte dort Vieh eingestellt, welches im Fleischhauereibetrieb seiner Eltern in S gewerblich verwertet wurde. Am 19. Oktober 1970 begehrte die Klägerin die Scheidung der Ehe wegen schwerer Eheverfehlungen des Beklagten. Der Beklagte, der zunächst die Abweisung des Klagebegehrens beantragt hatte, gab schließlich zu, sich der Klägerin gegenüber lieblos verhalten und interesselos gezeigt zu haben. Er stellte einen Mitschuldantrag und grundete diesen darauf, daß die Klägerin die eheliche Gemeinschaft ohne triftigen Grund aufgegeben habe, was von der Klägerin nicht bestritten wurde. Mit Urteil des Kreisgerichtes Wr. Neustadt vom 10. Mai 1971, 2 Cg 1049/70-23, wurde die Ehe aus dem beiderseitigen und gleichteiligen Verschulden der Ehegatten geschieden; dieses Urteil ist am 17. Juni 1971 in Rechtskraft erwachsen.
Die Klägerin begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, in die grundbücherliche Übertragung des Eigentumsrechts an der ihm geschenkten Liegenschaftshälfte der EZ 23, KG K, einzuwilligen. Zur Begründung führte die Klägerin aus, sie habe sich nur über Drängen des Beklagten und seiner Eltern zum Abschluß des Schenkungsvertrages verstanden, weil ihr in Aussicht gestellt worden sei, daß auch sie an jenen Liegenschaften, die im Eigentum der Familie des Beklagten stehen, angeschrieben werde. Sie sei weiters bei Abschluß des Vertrages von der Vorstellung ausgegangen, mit dem Beklagten eine gute Ehe führen zu können. Diese Hoffnung habe sich aber in der Folge nicht erfüllt. Sie habe wegen schwerer Eheverfehlung des Beklagten Scheidungsklage gegen ihn erhoben, der auch stattgegeben worden sei. Mit der Scheidung der Ehe sei der Grund für die Schenkung weggefallen und der Beklagte demgemäß zur Rückgabe des Liegenschaftsanteils verpflichtet. Darüber hinaus rechtfertige das Verhalten des Beklagten während der Ehe, der sie gröblich mißhandelt, beschimpft, in brutaler Weise geschlagen und bedroht habe, den Widerruf der Schenkung. Der Beklagte hat das Klagsvorbringen bestritten, die Abweisung des Klagebegehrens beantragt und vorgebracht, er habe schon vor der Eheschließung namhafte Investitionen vorgenommen; seine Aufwendungen bis zum Abschluß des Schenkungsvertrages hätten sich auf 865.955 S belaufen, wobei kleinere Leistungen im Ausmaß von 100.000 S nicht berücksichtigt seien. In Anerkennung dieser Leistungen habe ihm die Klägerin den Hälfteanteil an der vorgenannten Liegenschaft an Zahlungsstatt übergeben. Es könne daher von einer Schenkung keine Rede sein. Das Rechtsgeschäft sei nur aus steuerlichen Gründen in die Rechtsform eines Schenkungsvertrages gekleidet worden. Gründe für einen Widerruf der Schenkung seien nicht gegeben; das Recht, die Schenkung zu widerrufen, sei im übrigen auch verjährt. Für den Fall, daß eine Rückgabeverpflichtung bestunde, werde hinsichtlich der auf die Liegenschaft getätigten Aufwendungen ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht.
Der Erstrichter hat das Klagebegehren abgewiesen und festgestellt:
Im Jahre 1968 starb die Mutter der Klägerin, die nun außer dem Beklagten und seiner Familie keine weiteren Angehörigen besaß. Sie war der Überzeugung, daß sie mit dem Beklagten in aufrechter Ehe friedlich vereint bis an ihr Lebensende würde leben können. Als ihr der Beklagte nahelegte, ihm die Hälfte der Liegenschaft EZ 23 KG K zu übertragen, willigte die Klägerin in eine Schenkung ein. Der ausschließliche Beweggrund der Klägerin für den Vertragsabschluß war der Umstand, daß sie ein gutes und harmonisches Eheleben auf Dauer erhoffte; überdies erwartete sie, daß sie auch einmal Hälfteeigentümerin jener Liegenschaften werden würde, die der Beklagte von seinen Eltern erhalten sollte. Auch der Beklagte ging bei Vertragsabschluß von der Vorstellung aus, daß die Ehe mit der Klägerin gut verlaufen und von Bestand sein werde. Die Vorstellung einer Ehescheidung war für ihn geradezu unmöglich. Aus diesem Gründe sowie deshalb, weil er auf die Liegenschaft schon Aufwendungen getätigt hatte, weil es ihm selbstverständlich schien, daß er zur Hälfte an der Liegenschaft der Klägerin angeschrieben werde und weil er schließlich die Absicht hatte, auch seinerseits die Klägerin auf seinen Liegenschaftsbesitz anzuschreiben, veranlaßte er die Klägerin zum Abschluß des Vertrages vom 23. August 1968. Beide Parteien schlossen den Vertrag unter der Voraussetzung, daß sie auf Dauer verheiratet bleiben.
In rechtlicher Würdigung dieses Sachverhaltes führte der Erstrichter aus, die Rechtsprechung habe seit jeher anerkannt, daß der Beweggrund für ein Rechtsgeschäft stillschweigend zur Bedingung erhoben werden könne. Nach den getroffenen Feststellungen hätten die Parteien bei Abschluß des Vertrages in der Auffassung übereingestimmt, daß die Ehe Bestand haben werde. Beweggrund und Endzweck der Vereinbarung sei der Bestand der Ehe gewesen. Der Wegfall dieser typischen Vertragsvoraussetzung berechtige grundsätzlich zur Auflösung des abgeschlossenen Rechtsgeschäftes. Unter Hinweis auf die Entscheidung DREvBl. 1939/403 führt der Erstrichter aus, es könne als eine typische Voraussetzung eines Vertrages auch der Abschluß oder der Fortbestand einer Ehe in Frage kommen. So könne eine Schenkung, die mit Rücksicht auf die Ehe gemacht werde, ihre Gültigkeit verlieren, wenn die Annahme des dauernden Fortbestandes der Ehe - wie hier - für den Geschenkgeber der ausschlaggebende Beweggrund gewesen sei und sich diese Erwartung in der Folge als trügerisch erwiesen habe. Allerdings sei die Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden der Ehegatten geschieden worden. Auf Grund des rechtskräftigen Scheidungsurteils sei davon auszugehen, daß auch Eheverfehlungen der Klägerin zur Zerrüttung der Ehe beigetragen haben. Bei dieser Sachlage könne sich aber die Klägerin auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht berufen, weil sie selbst die Mitverantwortung dafür trage, daß der dem Schenkungsvertrag zugrunde liegende Endzweck, nämlich der aufrechte Bestand der Ehe, vereitelt worden sei. Ein Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks komme nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht ausdrücklich behauptet habe, daß der Beklagte gegen sie eine strafbare Handlung begangen habe; überdies wären Widerrufsgrunde, die vor dem 28. Juni 1970 liegen, im Hinblick auf die Bestimmungen des § 1487 ABGB verjährt. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergebe sich aber nicht, daß der Beklagte innerhalb der Verjährungszeit Handlungen begangen habe, die einen Widerruf der Schenkung rechtfertigten.
Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht Folge gegeben, das angefochtene Urteil unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht führte aus, die Mängelrüge in Richtung des Tatbestandes nach § 948 ABGB wäre berechtigt, weil die Klägerin ein Verhalten behauptet habe, das den Schenkungswiderruf rechtfertigen würde, doch könne diese Frage auf sich beruhen, weil der Anspruch der Klägerin schon wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtigt sei. Die in EvBl. 1974/29 zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, wonach derjenige, der schuldhaft zum Scheitern einer Ehe beitrage, eine Mitverantwortung am Scheitern des Endzwecks einer Schenkung trage und sich deshalb nicht auf den Wegfall dieses Endzwecks berufen könne, entbehre einer tragfähigen Begründung. Im übrigen habe es sich dort um den Widerruf einer Schenkung gehandelt, die vor Abschluß der Ehe getätigt worden sei, um die Braut zum Abschluß der Ehe zu bewegen; dieser Sachverhalt unterscheide sich daher wesentlich vor dem hier vorliegenden. Es könne demnach grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß das Begehren der Klägerin aus dem Gründe des Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtigt sei. Ausgehend von dieser Rechtsansicht komme jedoch der ausdrücklich erhobenen und substantiierten Retentionseinrede des Beklagten Bedeutung zu; das Erstgericht habe jedoch keine Feststellungen über die vom Beklagten getätigten Aufwendungen getroffen, so daß die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils gerechtfertigt sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach dem vorliegenen Sachverhaltsbild sind die Streitteile bei Übereignung des Liegenschaftsanteils übereinstimmend davon ausgegangen, daß ihre Ehe Bestand haben werde. Die Unterinstanzen haben auch zutreffend angenommen, daß der Fortbestand der Ehe Grundlage des abgeschlossenen Rechtsgeschäftes gewesen ist. Durch die rechtskräftige Scheidung der Ehe ist diese von beiden Parteien bei Abschluß des Schenkungsvertrages zugrunde gelegte Voraussetzung weggefallen. Dies wird vom Rekurswerber auch nicht in Zweifel gezogen. Er bekämpft jedoch die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, wonach die Tatsache des Mitverschuldens der Klägerin an der Auflösung der Ehe die Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht ausschließe. Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist jedoch beizupflichten. Der Sachverhalt der Entscheidung EvBl. 1974/29 unterscheidet sich wesentlich von dem hier vorliegenden Fall. Dort hatte der Geschenkgeber durch Anbieten eines Geschenks die Braut nach wiederholten ergebnislosen Versuchen zum Abschluß der Ehe bewogen. Im Vordergrund stand damit der mit dem Geschenk verfolgte Zweck, die Braut zum Eheabschluß zu bewegen, wobei schon vor Abschluß der Ehe Differenzen zwischen den Parteien aufgetreten waren, die sich in der mehrmaligen Rücküberweisung des als Geschenk angebotenen Betrages durch die Braut an den Geschenkgeber manifestierten. Hier hingegen wurde das Geschenk während der Ehe gegeben, wobei beide Vertragsteile übereinstimmend davon ausgegangen sind, daß die Ehe Bestand haben werde. Diese grundsätzliche Verschiedenheit des Sachverhaltes rechtfertigt auch eine andere rechtliche Beurteilung. Daß im hier vorliegenden Fall der Frage des Mitverschuldens keine wesentliche Bedeutung beigemessen werden kann, erweist vor allem die Regelung des Gesetzes im Falle des Abschlusses von Ehepakten (§ 1266 ABGB). Wird nämlich bei Vorliegen von Ehepakten die Ehe ohne Verschulden der Streitteile geschieden, so erlöschen die Ehepakte. Dem wird in Lehre und Rechtsprechung der Fall gleichgestellt, daß die Ehe aus dem gleichen Verschulden der Ehegatten geschieden wird (vgl. Weiß in Klang[2] V, 979 f., Gschnitzer, Familienrecht, 69; Kapfer MGA ABGB[29] § 1266/3). Jeder der Ehegatten hat dann einen Anspruch auf Rückstellung dessen, was er in die Ehe eingebracht hat. Wenn der andere Ehegatte auf eine eingebrachte Liegenschaft Aufwendungen gemacht hat, so steht ihm ein Anspruch auf Ersatz dieser Aufwendungen zu, wobei dieser Anspruch durch ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der herauszugebenden Liegenschaft gesichert werden kann (Weiß, 979). Dieser Rechtsgedanke kann auch im vorliegenden Fall im Hinblick auf die im wesentlichen gleiche Interessenlage Anwendung finden.
Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man, wenn nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage, sondern darauf abgestellt wird, daß die Klägerin, deren Motiv für die Schenkung der aufrechte Bestand der Ehe war, über den Verlauf dieser Ehe in einem Irrtum befangen war. Bei Schenkungen berechtigt auch der nur bei einem Vertragspartner vorgelegene Motivirrtum zur Anfechtung des Rechtsgeschäftes (§§ 901, 572 ABGB; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 333; Koziol - Welser, Grundriß I[3], 95). Der Irrtum kann sich dabei auf gegenwärtige oder zukünftige Umstände beziehen (Gschnitzer, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 188), somit auch auf die künftige Gestaltung einer Ehe. Hat nun die Klägerin den Beweggrund für die Schenkung als Bedingung verstanden, so rechtfertigt dies die Rückforderung des Geschenks, ohne daß der andere Teil dies anerkannt oder dem gar zugestimmt haben müßte (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 333; EvBl. 1974/29). Eine Rückforderung wäre der Klägerin nur dann versagt, wenn sie selbst die Bedingung, nämlich den Bestand der Ehe, wider Treu und Glauben vereitelt hätte (Gschnitzer in Klang[2] III, 672). Dieser allgemeine Grundsatz, der bereits im Spruch 234 = GlUNF 6838 formuliert wurde, soll verhindern, daß derjenige, dem der Eintritt von Umständen zum Vorteil gereicht, diese Umstände treuwidrig herbeiführt. Eine solche Manipulation durch die Klägerin kommt hier aber nicht in Betracht, da der Beklagte den Entfall der Bedingung dadurch bewirkte, daß er sich schwerer Eheverfehlungen schuldig machte, welche die Klägerin zum Anlaß der Scheidungsklage genommen hat.
Da schließlich § 1435 ABGB in Lehre und Rechtsprechung über seinen eigentlichen Inhalt hinaus als Stütze für die grundsätzliche Anerkennung einer Kondiktion wegen Wegfalls des Leistungsgrundes bzw. Nichteintritt des erwarteten Erfolges angesehen wird (Wilburg in Klang[2] VI, 466), kommt die Rückforderung des Geschenks auch im Gründe des § 1435 ABGB in Frage. Auch diesfalls wird die Rückforderung in Anlehnung an die im § 815 dBGB ausdrücklich normierte Regelung nur dann versagt, wenn der Leistende selbst den Eintritt des Geschäftszwecks gegen Treu und Glauben verhindert hat (Wilburg, 471). Von einem derartigen treuwidrigen Verhalten, das geradezu auf Vereitelung des Geschäftszwecks, nämlich der Aufrechterhaltung der Ehe, abzielte, kann aber bei der Klägerin nicht gesprochen werden.
Freilich wendet sich der Rekurswerber nunmehr gegen die Feststellung des Erstgerichtes, wonach ein Schenkungsvertrag vorliege und verweist darauf, daß er Beweise angeboten habe, wonach in Wahrheit ein entgeltliches Rechtsgeschäft abgeschlossen worden sei. Nun war der Beklagte, der im Verfahren erster Instanz obsiegt hat, nicht genötigt, die für ihn ungünstige Feststellung, es liege ein Schenkungsvertrag vor, schon im Berufungsverfahren zu bekämpfen. Es steht ihm vielmehr frei, dies nach dem Berufungserfolg des Gegners im Rechtsmittel gegen die Berufungsentscheidung nachzuholen (vgl. EvBl. 1962/309; SZ 26/262; Fasching IV, 71). Das Erstgericht hat sich mit dem Vorbringen und dem Beweisanbot des Beklagten, eine Schenkung liege nicht vor, es sei vielmehr ein entgeltliches Rechtsgeschäft aus steuer- und gebührenrechtlichen Gründen in die Form eines Schenkungsvertrages gekleidet worden, nicht befaßt, weil es davon ausging, daß das Klagebegehren jedenfalls unbegrundet sei. Auch das Berufungsgericht hat sich mit dieser Frage nicht befaßt. Im fortgesetzten Verfahren wird demnach noch zu klären sein, ob der Einwand der Beklagten, es sei in Wahrheit ein entgeltliches Rechtsgeschäft abgeschlossen worden, zutrifft. Es wäre dann auch festzustellen, ob der aufrechte Bestand der Ehe für diesen Fall beiderseitige Geschäftsgrundlage gewesen ist.
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